Der vorliegende Text ist eine Rezension zu der Ethnographie Ikuya Satos, der über Jugendkultur in Japan forscht. Er verbrachte seinen Feldforschungsaufenthalt bei sogenannten Bosos, Jugengruppen, die sich illegale, halsbrecherische Rennen auf Motorrädern und mit getunten Autos durch japanische Großstädte liefern. Diese Rezension setzt sich kritisch sowohl mit der Methodik und Repräsentationsweise des Autors als auch mit dem beschriebenen Phänomen selbst und seinem zugrunde liegenden soziokulturellen Hintergrund auseinander.
Mit Kamikaze Biker präsentiert Ikuya Sato einen überraschenden Einblick in die japanische Jugendkultur. In einer Zeit nach dem großen Aufschwung, der Japans technologischer Raffinesse und globaler ökonomischer Präsenz Vorschub geleistet und gesamtgesellschaftlich zu einem relativen Wohlstand, in weiten Teilen mithin zu Überfluss geführt hat, beschreibt Sato eine postmoderne Sinnkrise, die nach seiner Sicht insbesondere bei Jugendlichen zu neuen Lifestyles und von der Mehrheitsgesellschaft abweichenden Lebensformen geführt hat. Eine dieser Subkulturen sind die sogenannten Bosozokus, was - etwas holprig - im Deutschen wörtlich soviel wie „brutal fahrende Sippe“ bedeutet. Es handelt sich dabei um Jugendliche, die mit optisch auffälligen und leistungsstark getunten Autos und Motorrädern auf den Hauptstraßen der japanischen Großstädte halsbrecherische Fahrten veranstalten, und dabei zum Teil artistische Stunts darbieten . Abseits der Straße, so beschreibt Sato darüber hinaus, pflegen die für gewöhnlich Dauerwelle tragenden und farblich auffällig gekleideten Teilnehmer eines Bosozokus einen ihrer Ansicht nach amerikanisch geprägten Lebensstil, indem sie beispielsweise in Fastfood - Restaurants essen, amerikanisches Vokabular in ihre Umgangssprache integrieren und sich selbst als Yankees bezeichnen .
Die 1991 an der University of Chicago am Department für Soziologie entstandene Forschungsarbeit basiert auf einer 15-monatigen Feldforschung im Zeitraum 1983 – 84 in der Megastadt Kyoto, vorwiegend im westlich des Zentrums gelegenen Stadtbezirk Ukyo, der sich durch rasche Urbanisierung und Agglomeration seit Ende des zweiten Weltkriegs auszeichnet. Sie bietet einen detailgenauen ethnographischen Einblick in die Lebenswelt der Bosozokus, deren jugendliche Mitglieder aus der unteren japanischen Mittelschicht stammen, oft keinen Schulabschluss besitzen oder als zweitklassige Studenten keine sonderlich Erfolg versprechenden Berufsperspektiven vorweisen können und daher meist in schlecht bezahlten Jobs arbeiten. Statt sich auf eine akademische Laufbahn zu konzentrieren, begeben sie sich deshalb auf die Straße, auf der Suche nach „action“ und „thrill“, versammeln sich zu regelmäßigen Treffen, besprechen neueste Trends im Tuning der Fahrzeuge und ihrer extravaganten Mode, und fahren, gekleidet in Uniformen, die nach Kamikaze – Piloten benannt sind, meistens in Nächten von Samstag auf Sonntag, ihre Rennen. Dass sie damit als Kleinkriminelle beständig Gefahr laufen, von der Polizei festgenommen zu werden, muss nicht eigens erwähnt werden.
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- Philipp Einhäuser (Author), 2007, Kamikaze Biker - eine Rezension, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/121888
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