Der berühmte kroatische Literat Vladimir Nazor wird im Zusammenhang seines Lebens und seines Zeitalters (der so genannten klassischen Moderne)dargestellt.
Einige seine erzählerischen Texte werden erörtert. Jedoch steht die Erzählung Albus Kralj im Vordergrund. Sie bietet trotz ihres phantastischen Charakters Interpretationsmöglichkeiten mit politischer Relevanz.
Biographische Dialyse: Die Lebensgeschichte eines Autors ist keine rein antiquarische Angate. Denn jede dichterische Leistung ist in einem gewissen Ausmaße autobiographisch. Bei der kroatischen Nationallitcratur kommt zu dieser generellen Feststellung die Tatsache hinzu, dass die Literatur oft im Dienst der politischen Agitation oder des Nationaltewusst^ins schlechthin stand. Es ist tekannt, dass ein Autor von Belletristik in Kroatien tendenziell einen höheren Stellenwert einnimmt als im deutschen Spinchraum. Man kann das österreichische Wort. Heimatdichtung auf sehr viel Poesie und Pmsa, welche in die Anthologien der kroatischen Literaturgeschichte aufgenommen wurden, anwenden.Vladimir Kazorwurde im Jahr 1876 geboren. Wenn ihn die Literaturhistoriker zur kmatischen Moderne zahlen, wollen sic ausdrücken, dass er in cincGcistcscpoche hineingeboren wurde, welche eine Übergangsphasc war. Ob die Moderne ein Fonschritt war, ist. Wenungssache. Man kann die verschiedenen Tendenzen nicht vereinheitlichen. Durch die Partizipation der Ungebildeten gab cs auch viele rückschrittliche Tendenzen. Das Kaiserreich Österreich und das Königreich Ungarn waren zwei Vielvölkerstaaten, die durch eine Personalunion verbunden waren. Das kroatische Volk genoss sehr viele Sonderrechte, so dass seine Sprache bereits allgemein im öffentlichen Leben verwendet wurde. Die Nationalitätenfrage bestand auf dem Boden des ehemaligen Jugoslawiens zum Teil nur darin, dass die Grenzen der Kronländer. das heißt der lokalen Sdbstvenvaltung, Zickzacklinien aus dem Mittelalter waren. (!) Die politische Tendenz Nazors war auf eine Vereinigung der kroatischen Länder gerichtet. Sein Nationalismus war. wie man zur Verteidigung
des Dichters hinzufügen muss, eine Reaktion auf eine herablassende Haltung der italienischen Minderheit. Im hohen Alter, zur Zeil des /.weilen Weltkriegs, bewährte sich seine Gesinnung im Kampf gegen die faschistischen Besatzungsmächte und ihre Helfer, der gemeinsam mit den Serben geführt wurde. Ideologisch ist er nicht leicht einzuordnen. Auf jeden Fall war er freisinnig, das heißt er fühlte sich nicht an das Lehramt des Papstes gebunden. Ich nehme an. dass er die westeuropäische Philosophie kannte. Ein Einfluss der antiklerikalen .Schriften Nietzsches ist nicht auszuschließen. Der Marxismus war für ihn zumindest eine interessante Denkslrömung. Neben dem Geburtsjahr muss uns auch der Geburtsort interessieren. Es handelte sich um die Insel Brac, welche sich in Dalmatien in der Nähe der Hafenstadt Split befindet. Diese Insel gehört zum dakavischen Dialektgebiet, was man in der Poesie Nazors feststellen kann. Er selbst hat bemerkt, dass er sich die Stokavische Schriftsprache mit Mühe (uz trud) arteignen musste. (2) Gelegentlich kommt cs vor. dass er seine Figuren in einer adriakroatischen Mundart sprechen lässt. Ohne die Dialekte gäbe es keine realistische Erzählung, ja man könnte auch den Lokalkolorit nicht richtig wiedergeben. Da jede Schriftsprache eine willkürliche Konvention vorausscLzt, gab es in der frühen Neuzeit im kleinräumigen serbokroatischen Sprachraum keine einheitliche Schrifttumstradition. Erst ungefähr 40 Jahre vor Nazors Geburt hatten sich die Patrioten der sogenannten illyrischen Bewegung um eine Nonmierung der kroatischen Orthographie und Morphologie bemüht. Dalmatien war auch in bildungspolilischer Hinsicht ein rückständiges Kronland. Denn es hatte das Problem des Analphabetismus noch nicht gelöst. Die Eltern unseres Dichters waren aberreich genug, um ihm den Besuch einer Elementarschule auf seiner Heimatinsel zu ermöglichen. Sein Vater war Beamter. Diese Schulen befanden sich nicht im Geburtsdorf, aber die dalmatinischen Inseln sind flächenmäßig nicht besonders groß. F.in auffälliger Knabe erinnerte er sich gerne an Kindheit und Jugend. In seinen Mittelschuljahren fühlte er sich zur Schriftstellerci berufen, von der man in Kroatien aber nicht leben konnte. 1893 veröffentlichte er in der Zadarer Zeitung „Narodni List[4]'. (3) Zunächst sollte Nazor das klassische Gymnasium absolvieren. Dieses war prestigeträchtig, obwohl hauptsächlich unwertes Wissen vermittelt wurde. Diese europäische Gymnasialtradition, die christlich oder antiklerikal sein konnte, war diesem Poeten also bekannt. Nachdem er am Lateinunterricht gescheiten war. musste er in die Realschule wechseln. Diese konnte er schon 1894 abschließen. Die heidnische Mythologie diente ihm neben der Bibel als Inspiration. Am Ende des 19.
Jahrhundert war die naturwissenschaftliche Bildung schon als notwendiges Korrektiv zur verstaubten historisch- philologischen Gelehrsamkeit erkannt worden. Seine Studienzeit verbrachte Nazor hauptsächlich in Graz, nur ein Semester hielt ersieh in Zagreb auf. Sein hohes Interesse für Naturwissenschaften könnte mit seiner echt künstlerischen Liehe zur Umwelt Zusammenhängen. Nach dem absolvierten Studium begann er 1898 mit seiner Lehrertätigkeil in ist rischen und dalmatinischen Mittelschulen zwischen Köper und Split. Er sollte noch lange als Pädagoge tätig bleiben, bis er 1931 nach Zagreb zog. Es ist ein Charakteristikum der kroatischen Literaten, dass sic sich ihr Brot in den Schulen verdienten. Eine ähnliche Berufslaufbahn schlugen Dinko Simunovic, Janko Leskovar und der Theologe Silvije Strahimir Kranjcevic ein. Sogar der Bohemien Maios war am Lehrerberuf interessiert. (4) 1900 veröffentlichte er in Zadar sein erstes Buch „Slavenske Legende”. Literatursoziologisch gesehen, war er also ein normaler kroatischer Schriftsteller, der von seinen Kollegen und vom Publikum zur Kenntnis genommen wurde. Die Meinungen der Kritiker gingen natürlich auseinander, weil es mehrere literarische Tendenzen gab. Die Literatursoziologie als ein Zweig der literaturwissenschaftLichen Untersuchung hat sich in zwei Richtungen entwickelt. Zitat: „Na jedan nacin knjizevnost se ocilo tnoze istraiivati meiodatna iskustvenih znanosti. naprosto kao i svaka druga drustvena djelainost. Tako orijeniirana sociologija knji.evnosii danas raspolaze metodama koje sluze prikupljanju re.levantnih poduiaka. njihovoj klasijïkaciji i utvrdivanju odreäenih zakoiiitosti kako knjizevne proizvadnje lako i nacina na koje. se knjizevna djela cifaju i razumijevaju. (..) U drugam pravcu razvija se proucavanje knjizevnosti koje. knjizevnost razmatra kao izraz odredenog nacina dru.siven.og zivota i nastoji analizirati slozenost odnosa izrnedu k/tji-evnosri i drustva.“ (5) In diesem Sinn habe ich auf die kulturelle Rückständigkeit Dalmatiens und die enorme Rolle der Österreich- ungarischen Schulen hingewiesen. Ein marxistischer Analytiker würde den Nachdruck stärker auf die Beziehung der kulturellen Konflikte zur materiellen Produktion legen. Nazors Poesie ist für einen orthodoxen Marxisten der Ausdruck von kleinbürgerlichen Interessen. Vladimir Nazor hat die Parteilichkeit seiner Dichtung nie verheimlicht, ohne den ästhetischen Aspekt der Literatur zu vernachlässigen. Bei der von mir ausgewählten Erzählung „Kralj Albus“ gehl es soziologisch um einen Mentalitätswandcl infolge von kriegerischen Auseinandersetzungen. Der Erste Weltkrieg ging meiner Interpretation nach nicht spurlos am Werk des dalmatinischen Poeten vorüber. Die märchenhaften Motive ändern nichts am Realitätsgehalt der nietzscheanisehen Gewaltphantasien in der Epoche der Stahlgewitter der miteinander streitenden Völker. Er wurde gerade wegen seines oppositionellen Geistes zwischen 1900 und 1940 viel gelesen. Die kommunistischen Literaturlchrcr hätten eine auch eine Ablehnung der sozialen Unterdrückung herauslesen können. Die drei letzten Jahre des zweiten Weltkriegs verbrachte er auf Seite der Partisanen, deren Führer Josip Tito er in seinen Gedichten rühmend verewigte. 1949 starb er in Zagreb, nachdem nach er nach Kriegsende sogar die Ehre hatte, Präsident des kroatischen Landtags zu sein. (6) Nazor wusste, dass es unter seinen Landsleuten viele Nostalgiker gab. Er hatte die Moderne bewusst erlebt. Manche seiner Werke mögen die Sehnsucht nach einem zweiten Mittelalter verspottet haben. Gegen Ende seines Lebens sprach er von der Unmöglichkeit einer Rückkehr in die Vergangenheit. Zitat: „Moji su prvi soneri, pa i nesoneti. vecinom, Ui osjecajni Ui deskriptivni; ti su pak posljednji (o gordi plade prve starosti!) u prvom redu misaoni. s uspjelim ili neuspjelim rendencijama. Prolazna slagnacija nije nigdje iskljucena. ali vracunja nemo ni u ce.mu. a najmanje. u knji'zevnom stvaranju: zivot to ne dopusra: sve tece. i kad se nesto ponavlja, zbiva se u nekom visern ili nizem planu. i nije. vise. - vee zbog toga- ono islo. “ (7) So sehr der Überblick über die Literaturgeschichte auch helfen mag, sollte man trotzdem in erster Linie vom Einzeltext ausgehen.
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