Hannah Arendt postulierte bereits in den 60er Jahren Folgendes: „Daß das Ziel der
Revolutionen heute wie seit eh und je nicht anderes sein kann als eben Freiheit“.
Die Aktualität dieser Feststellung zeigte sich erneut als die Bürger der DDR im Herbst 1989
auf die Straßen gingen um sich aus den Fesseln eines totalitären Regimes zu befreien, das
ihnen vierzig Jahre lang die elementaren Bürgerrechte, wie Reise-, Rede-, Informations- oder
Versammlungsfreiheit, verwehrt hatte.
Bei der Bewertung der Ereignisse der Jahre 1989/90 in der DDR existieren zahlreiche
Interpretationen. Zum einen gibt es jene, die diese Ereignisse deuten als „Implosion“,
„Wende“ oder „Umbruch“, und zum anderen jene, die in dem Ganzen eine Revolution
verkörpert sehen.
Die Vertreter, die den Revolutionsbegriff von vornherein ablehnen, stehen meist unter dem
Eindruck, des zu großen Teilen von der Forschung geprägten Ansatzes, dass Revolutionen
„gewalttätig streng organisierte[] und auf den ländlichen Raum konzentrierte[] soziale[]
Bewegungen seien“. Das Argument, warum es sich für diese Vertreter in der DDR 1989 um
keine Revolution gehandelt hätte, ist somit offensichtlich. Die Vorgänge in diesem Herbst
verliefen friedlich, spontan und städtisch.
Die Vertreter, die von einer Revolution ausgehen hingegen legen der Definition einer
Revolution andere strukturelle Eigenschaften zugrunde. Nach ihnen verdienen Prozesse, die
einen grundlegenden politischen und sozialen Wandel beschreiben, wie dies in der DDR
1989/90 war, die Bezeichnung einer solchen. Die weiteren Spezifizierungen des Begriffes der
Revolution hängen nicht zuletzt davon ab, dass die Ereignisse 1989/90 keinen einheitlichen
Charakter trugen. Auch die verschiedenen Lager aus denen die Interpreten stammten, trugen
zu der unterschiedlichen Bewertung maßgeblich bei. So findet man Revolutionsbegriffe mit
folgenden vorangestellten Adjektiven: „friedlich“, „geklaut“, „komisch“, „nachholend“ und
der weiteren noch viele mehr.
Hannah Arendt postulierte bereits in den 60er Jahren Folgendes: „Daß das Ziel der Revolutionen heute wie seit eh und je nicht anderes sein kann als eben Freiheit“[1].
Die Aktualität dieser Feststellung zeigte sich erneut als die Bürger der DDR im Herbst 1989 auf die Straßen gingen um sich aus den Fesseln eines totalitären Regimes zu befreien, das ihnen vierzig Jahre lang die elementaren Bürgerrechte, wie Reise-, Rede-, Informations- oder Versammlungsfreiheit, verwehrt hatte.
Bei der Bewertung der Ereignisse der Jahre 1989/90 in der DDR existieren zahlreiche Interpretationen. Zum einen gibt es jene, die diese Ereignisse deuten als „Implosion“, „Wende“ oder „Umbruch“, und zum anderen jene, die in dem Ganzen eine Revolution verkörpert sehen.
Die Vertreter, die den Revolutionsbegriff von vornherein ablehnen, stehen meist unter dem Eindruck, des zu großen Teilen von der Forschung geprägten Ansatzes, dass Revolutionen
„gewalttätig streng organisierte[] und auf den ländlichen Raum konzentrierte[] soziale[] Bewegungen seien“[2]. Das Argument, warum es sich für diese Vertreter in der DDR 1989 um keine Revolution gehandelt hätte, ist somit offensichtlich. Die Vorgänge in diesem Herbst verliefen friedlich, spontan und städtisch.
Die Vertreter, die von einer Revolution ausgehen hingegen legen der Definition einer Revolution andere strukturelle Eigenschaften zugrunde. Nach ihnen verdienen Prozesse, die einen grundlegenden politischen und sozialen Wandel beschreiben, wie dies in der DDR 1989/90 war, die Bezeichnung einer solchen. Die weiteren Spezifizierungen des Begriffes der Revolution hängen nicht zuletzt davon ab, dass die Ereignisse 1989/90 keinen einheitlichen Charakter trugen. Auch die verschiedenen Lager aus denen die Interpreten stammten, trugen zu der unterschiedlichen Bewertung maßgeblich bei. So findet man Revolutionsbegriffe mit folgenden vorangestellten Adjektiven: „friedlich“, „geklaut“, „komisch“, „nachholend“ und der weiteren noch viele mehr. Aus der Bezeichnung der „missglückten“ Revolution beispielsweise spricht vor allem die Enttäuschung vieler Bürgerrechtler, die in dem Fall der Mauer den Beginn des Endes „ihrer“ Revolution sahen. Der einzige Konsens, der zwischen allen „Revolutionsvertretern“ herrscht, ist dass die diese friedlich verlaufen ist.
Inhalt dieses Essays soll die Bezeichnung der „demokratischen“ Revolution sein. Unter einer solchen versteht man „friedliche Volkserhebungen [], die überwiegend in Großstädten stattfinden bzw. dort ihr Zentrum haben, meistens spontan beginnen und nur lose organisiert sind. Einer [solchen] revolutionären Situation folgt zumeist ein demokratisches Resultat.“[3]
Die Eigenschaften, die Thompson demokratischen Revolutionen zugrunde legt, sind folgende:
Zum ersten verlaufen demokratische Revolutionen friedlich. Sie basieren auf einer moralischen Empörung, die ein „Leben in Lüge“ unerträglich macht. Der Weg zu einem „Leben in Wahrheit“ führt über Proteste gegen das ungeliebte Regime. Dieses wird durch zivilen Ungehorsam zur Aufgabe gebracht. Auch haben demokratische Revolutionen gemäßigte Ziele. Es geht der Opposition nicht darum die Welt zu verändern, sondern sie wollen lediglich das politische System demokratisieren. Die endgültige Form überlassen sie den zukünftigen Wahlergebnissen. Weiterhin sind „demokratische Revolutionen nur dann ´notwendig´, wenn ein autoritäres Regime nicht bereit ist, mit der demokratischen Opposition zu verhandeln.“[4]
Dass diese Eigenschaften in der Tat auf die Ereignisse in der DDR 89/90 zutreffen, werde ich im Folgenden versuchen darzulegen.
„Wir sind das Volk!“ riefen 1989 hunderttausende von Demonstranten auf den Straßen der DDR. Dieser schlichte Satz fasste unterschiedliche Interessen zu einem gemeinsamen Aufbegehren zusammen und ist in die Weltgeschichte eingegangen. Einig war sich das Volk in der Ablehnung der alten Verhältnisse, in denen eine Führung ihren Herrschaftsanspruch mit gefälschten Wahlen sicherte und behauptete, ganz im Sinne des Volkes zu handeln. Mit den Forderungen nach Reformen und mehr Demokratie verlangte das Volk endlich selbst entscheiden zu können.
Das Signal für die Bevölkerung der DDR diese Schritte gehen zu können, war außenpolitischer Natur und kam aus der Sowjetunion. Ohne diese entscheidende Voraussetzung wäre die Revolution gescheitert wie bereits 1953. Auf die Unterstützung der Sowjetunion konnten sich die Machthaber der DDR seit Gorbatschows Glasnost und Perestroika, und vor allem durch seine Distanzierung von der Breschnew-Doktrin, nun nicht mehr verlassen. So sahen sich die Verantwortlichen des real existierenden Sozialismus im Herbst 1989 von den Bürgerrechtsbewegungen, ihren Forderungen nach Reformen und den dahinter stehenden Massen, zum ersten Mal ernsthaft herausgefordert. Das SED-Regime versuchte dennoch seinen Kurs des „Sozialismus in den Farben der DDR“ weiterzuführen, ja es klammerte förmlich an seiner Macht und wollte sich auf keinerlei Verhandlungen mit den Bürgerrechtlern einlassen.
[...]
[1] s. Arendt, S. 10.
[2] zitiert nach: Thompson: S. 15.
[3] s. ebd.
[4] s. Thompson, S. 23.
- Arbeit zitieren
- Nele Pohl (Autor:in), 2006, Die Bewertung der Ereignisse 89/90 als eine demokratische Revolution, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/121621
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