Das Scheitern der DDR liegt in einem Ursachenbündel exogener und endogener Faktoren begründet.
Einer dieser exogenen Faktoren stellt die Aufkündigung der Breschnew-Doktrin durch Gorbatschow
dar. In meinem Essay möchte ich versuchen die Frage zu beantworten welches Gewicht dieser Faktor
hatte. Dafür erachte ich es für erforderlich zunächst einmal die Bedeutung dieser Doktrin vor
Gorbatschow näher zu betrachten. Aus diesem Grund beginne ich bei ihrer „Geburtsstunde“ und
werde dann versuchen ihre Bedeutung über die Jahre zu verfolgen um dann eine Einschätzung
abgeben zu können, welche Konsequenzen die Aufkündigung der Doktrin für die DDR hatte.
Das Scheitern der DDR liegt in einem Ursachenbündel exogener und endogener Faktoren begründet. Einer dieser exogenen Faktoren stellt die Aufkündigung der Breschnew-Doktrin durch Gorbatschow dar. In meinem Essay möchte ich versuchen die Frage zu beantworten welches Gewicht dieser Faktor hatte. Dafür erachte ich es für erforderlich zunächst einmal die Bedeutung dieser Doktrin vor Gorbatschow näher zu betrachten. Aus diesem Grund beginne ich bei ihrer „Geburtsstunde“ und werde dann versuchen ihre Bedeutung über die Jahre zu verfolgen um dann eine Einschätzung abgeben zu können, welche Konsequenzen die Aufkündigung der Doktrin für die DDR hatte.
I. Die „Geburtsstunde“ der Doktrin (1968) und ihre Anwendung unter Breschnew:
Eines der Ziele der sowjetischen Osteuropa-Politik unter Breschnew war es, die Warschauer- Pakt- Staaten gegenüber dem Westen, der sich im Zuge der Entspannungspolitik in den 60iger Jahren zunehmend dem Osten zuwandte, im Sinne der sowjetischen Interessen auszurichten.
Was das konkret zu bedeuten hatte, zeigte sich als die SU am 20.8.1968 gemeinsam mit Ungarn, Polen, der DDR und Bulgarien in der CSSR militärisch intervenierte und den „Prager Frühling“ mit seinen Forderungen nach Liberalisierung und Demokratisierung, einem „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ innerhalb des kommunistischen Systems, blutig niederschlug.
Zur Rechtfertigung der Intervention zog die SU am 12.11.1968, wie bereits 1956 in Ungarn[1], das Prinzip des „sozialistischen Internationalismus“ heran, das eine gegenseitige Hilfeleistung der sozialistischen Staaten zur „Verteidigung der Errungenschaften des Sozialismus“ forderte:
„Man kann die Souveränität einzelner sozialistischer Länder nicht den Interessen des Weltsozialismus, der revolutionären Bewegung der Welt entgegenstellen. […] Jede kommunistische Partei hat bei der Anwendung der Grundprinzipien des Marxismus-Leninismus in ihrem Land völlige Freiheit, sie kann jedoch nicht von diesen Prinzipien abweichen […]. Die Schwächung eines der Glieder des Weltsystems des Sozialismus wirkt sich direkt auf alle sozialistischen Länder aus, die sich demgegenüber nicht gleichgültig verhalten können.“[2]
Während der ungarischen Führung in Ungarn jedoch durch Cruschtschow die Möglichkeit eingeräumt wurde ihren eigenen Weg des Kommunismus zu beschreiten, der sich den Bedürfnissen des Landes anpasste, wich Breschnew hinsichtlich der Intervention in der CSSR von der Formel „Verschiedenen Wege zum Sozialismus“ ab und erklärt die Moskauer Interpretation des Marxismus-Leninismus zur verbindlichen Norm. Bis zu diesen Zeitpunkt waren die Grenzen der inneren Reformtätigkeit nicht näher definiert, wobei natürlich ein Verlassen des Blocks nie zur Disposition stand. Ab jetzt entschied allein die Moskauer Interpretation des Marxismus-Leninismus darüber, wann „die gemeinsamen Interessen des sozialistischen Lagers“[3] gefährdet waren.
Das war die Geburtsstunde der „beschränkten Souveränität“ der Warschauer-Pakt-Staaten, die als Breschnew-Doktrin in die Geschichte eingehen sollte. Die reformerischen Spielräume wurden durch sie stark eingeschränkt. Für Breschnew war dies von großer Wichtigkeit, da er nun seine Konzentration auf den Ausbau der sowjetischen Vormachtsstellung legen konnte.
Ein zweites Mal wurde die sowjetische Position in Osteuropa unter der Ära Breschnew während der Krise 1980/81 in Polen in Frage gestellt. Die ab Mitte der 70er Jahre erneut einsetzende Destabilisierung Osteuropas erreichte ihren Höhepunkt in Gründung der Solidarnosc, einem Dachverband unabhängiger polnischer Gewerkschaften. Aufgrund der Schwäche PVAP gelang es Solidarnosc der Regierung 1980 das „Danziger Ankommen“ abzuringen. Dieses widersprach in seinen Forderungen nach „Legalisierung der gewerkschaftlichen Arbeit“ und der „Ermöglichung weiterer gesellschaftlicher und politischer Liberalisierungen“ eindeutig der Breschnew-Doktrin. Trotz eines Versprechens des sowjetischen Politikers Suslow 1981, dass „das sozialistische Polen, die polnischen Kommunisten, das polnische Volk [ ] fest auf die brüderliche Solidarität und Hilfe der Sowjetunion und anderer Mitgliedsländer des Warschauer Pakts rechnen [könne]“[4], verzichtete die sowjetische Regierung jedoch auf eine militärische Intervention und versuchte mit „Drohgebärden“ dieser Art der Lage Herr zu werden. Die Lösung, die Vormachtsstellung der SU zumindest vorübergehend zu sichern, bestand letztendlich aus der Verhängung des Kriegsrechts.
Warum die sowjetische Führung die Warschauer- Pakt - Staaten nicht, gemäß der Breschnew-Doktrin, zur sofortigen Intervention anwies, sondern erst nach 16 Monaten „eingriff“, mag in dem Zwiespalt begründet sein, in dem sich die sowjetische Führung zu dieser Zeit sah. Wäre man den Liberalisierungstendenzen Polens entgegengekommen, so hätte die Gefahr bestanden, dass sich das Land, das aus geographischen, historischen und politischen Gründen, ein wesentlicher Bestandteil des sowjetischen Machtbereiches darstellte, sich aus der SU lösen könnte und wohlmöglich noch Nachahmer finden könnte. Eine militärische Intervention dagegen hätte die zunehmend wirtschaftlich desolate Lage der SU zusätzlich belastet. Wahrscheinlich wurde auch die westliche Reaktion befürchtet, die schon bei der zwei Jahre zurückliegenden Intervention in Afghanistan sehr scharf gewesen war. Bei der „normalen“ Lösung der militärischen Intervention in Polen, wäre zu erwarten gewesen, dass die Reaktion aus dem Westen noch drastischer gewesen wäre und damit die gesamte sowjetische Entspannungskonzeption zum Einsturz gekommen wäre. Die Entscheidung zur Verhängung des Kriegsrechts verminderte zwar das Risiko eines Bürgerkrieges, vermochte aber nicht die Autorität der PVAV wiederherzustellen.
[...]
[1] Volksaufstand zur Befreiung der sowjetischen Unterdrückung, aus sowjetischer Sicht eine Konterrevolution.
[2] Zürndorf, Benno: Die Ostverträge, München 1979, Fußnote 13, S. 324.
[3] Lindemann, Mechthild: Außenpolitik unter Breschnew, in: Die Sowjetunion 1953-1991 (Informationen zur politischen Bildung, 236), S. 21-26, München 1992, S. 23.
[4] ebd., S.24.
- Arbeit zitieren
- Nele Pohl (Autor:in), 2006, Die Rolle der Breschnew-Doktrin in der sowjetischen Osteuropa-Politik 1968-1989 und die Konsequenzen ihrer Aufkündigung für die DDR, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/121619
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