In einem Artikel, der anlässlich des Todes Karl-Eduard von Schnitzlers im September 2001 im "Spiegel" erschien, wurde seine Fernsehsendung "Der Schwarze Kanal" als "das Bösartigste, was das DDR-Fernsehen zu bieten hatte" beschrieben (o.V. 2001). In ähnlicher Weise schrieb "Die Welt", es falle bei einem Mann wie von Schnitzler schwer, die antike Anstandsregel "De mortuis nil nisi bene" zu befolgen (vgl. Möller 2001). Dass der Autor und Moderator auch über ein Jahrzehnt nach dem Untergang der DDR noch auf so viel Ablehnung seitens seiner westdeutschen Kollegen stieß, lag dabei nicht nur daran, dass er auch noch nach der Wende als Anwalt der SED-Politik "wie ein Leitfossil aus den kältesten Tagen des Kalten Krieges in die Gegenwart ragte" (ebd.). Es war vielmehr vor allem auf die polemische Art der Auseinandersetzung des "Chefpropagandisten der DDR" (o.V. 2001) mit der BRD in seiner Sendung zurückzuführen, die von 1960 bis 1989 insgesamt 1519 mal (vgl. Grape 2000) ausgestrahlt wurde und damit eine der traditionsreichsten Sendungen des DDR-Fernsehens war.
In dieser Arbeit soll versucht werden, den "Schwarzen Kanal" und seinen Moderator nicht, wie häufig geschehen, als besonders skurrile televisionäre Ausnahmeerscheinungen zu betrachten, sondern die Sendereihe in den Kontext der Funktionen des DDR-Journalismus im Allgemeinen und der Rolle des Fernsehens im Klassenkampf im Speziellen einzuordnen. Bevor am Beispiel dreier Sendungen, die sich im August 1961 mit dem Bau der Berliner Mauer befassen, illustriert wird, wie sich von Schnitzlers Umgang mit dem Westen als Feindbild im konkreten Fall darstellte, soll daher zunächst die Anwendung von Lenins Pressetheorie auf die DDR-Medien durch die SED und anschließend die Nutzung des Fernsehens zur Auseinandersetzung mit dem Westen vor dem Hintergrund politischer und gesellschaftlicher Entwicklungen betrachtet werden.
Zur Anfertigung dieser Arbeit standen neben der angegebenen Literatur Sendemanuskripte einzelner Ausgaben des "Schwarzen Kanals" zur Verfügung, die vom Deutschen Rundfunkarchiv im Internet zur Verfügung gestellt werden. Die herangezogenen Skripte sind inklusive der entsprechenden URLs im Quellenverzeichnis aufgelistet. Auf eine Bereitstellung der Materialien in einem Anhang wurde jedoch verzichtet, da sie zum einen einfach zugänglich sind und zum anderen, trotz der unvermeidbaren Beschränkung auf einen vergleichsweise kurzen Untersuchungszeitraum, recht umfangreich sind.
Inhalt
1. Einleitung
2. Journalismus in der DDR
2.1 Lenin über die Aufgaben der Presse neuen Typs
2.2 Lenins Pressetheorie als Grundlage des Journalismus in der DDR
2.3 Kontrollmechanismen
2.4 Arbeitssituation von Journalisten
3. Fernsehen als Instrument zur ideologischen Auseinandersetzung mit dem Westen
3.1. Der DDR-Antifaschismus als Argumentationsbasis
3.2 Aufstieg des Fernsehens zum Massen- und Leitmedium
3.3 Westfernsehen als Problem und publizistische Frühformen des „Fernsehkrieges“
3.4 Massenwirksamkeit und kulturtheoretische Überlegungen im Konflikt
4. „Der Schwarze Kanal“
4.1 Karl-Eduard von Schnitzler
4.2 Der Mauerbau als Gegenstand des „Schwarzen Kanals“ im August 1961
4.2.1 Von Schnitzlers Sondersendung vom 13. August 1961
4.2.2 „Der Schwarze Kanal“ vom 21. und 28. August 1961
5. Schlussbetrachtung
6. Literaturverzeichnis
7. Quellenverzeichnis
1. Einleitung
In einem Artikel, der anlässlich des Todes Karl-Eduard von Schnitzlers im September 2001 im „Spiegel“ erschien, wurde seine Fernsehsendung „Der Schwarze Kanal“ als „das Bösartigste, was das DDR-Fernsehen zu bieten hatte“ beschrieben (o.V. 2001). In ähnlicher Weise schrieb „Die Welt“, es falle bei einem Mann wie von Schnitzler schwer, die antike Anstandsregel „De mortuis nil nisi bene“ zu befolgen (vgl. Möller 2001). Dass der Autor und Moderator auch über ein Jahrzehnt nach dem Untergang der DDR noch auf so viel Ablehnung seitens seiner westdeutschen Kollegen stieß, lag dabei nicht nur daran, dass er auch noch nach der Wende als Anwalt der SED-Politik „wie ein Leitfossil aus den kältesten Tagen des Kalten Krieges in die Gegenwart ragte“ (ebd.). Es war vielmehr vor allem auf die polemische Art der Auseinandersetzung des „Chefpropagandisten der DDR“ (o.V. 2001) mit der BRD in seiner Sendung zurückzuführen, die von 1960 bis 1989 insgesamt 1519 mal (vgl. Grape 2000) ausgestrahlt wurde und damit eine der traditionsreichsten Sendungen des DDR-Fernsehens war.
In dieser Arbeit soll versucht werden, den „Schwarzen Kanal“ und seinen Moderator nicht, wie häufig geschehen, als besonders skurrile televisionäre Ausnahmeerscheinungen zu betrachten, sondern die Sendereihe in den Kontext der Funktionen des DDR-Journalismus im Allgemeinen und der Rolle des Fernsehens im Klassenkampf im Speziellen einzuordnen. Bevor am Beispiel dreier Sendungen, die sich im August 1961 mit dem Bau der Berliner Mauer befassen, illustriert wird, wie sich von Schnitzlers Umgang mit dem Westen als Feindbild im konkreten Fall darstellte, soll daher zunächst die Anwendung von Lenins Pressetheorie auf die DDR-Medien durch die SED und anschließend die Nutzung des Fernsehens zur Auseinandersetzung mit dem Westen vor dem Hintergrund politischer und gesellschaftlicher Entwicklungen betrachtet werden.
Zur Anfertigung dieser Arbeit standen neben der angegebenen Literatur Sendemanuskripte einzelner Ausgaben des „Schwarzen Kanals“ zur Verfügung, die vom Deutschen Rundfunkarchiv im Internet zur Verfügung gestellt werden. Die herangezogenen Skripte sind inklusive der entsprechenden URLs im Quellenverzeichnis aufgelistet. Auf eine Bereitstellung der Materialien in einem Anhang wurde jedoch verzichtet, da sie zum einen einfach zugänglich sind und zum anderen, trotz der unvermeidbaren Beschränkung auf einen vergleichsweise kurzen Untersuchungszeitraum, recht umfangreich sind.
2. Journalismus in der DDR
Ein tieferes Verständnis des Journalismus in der DDR und seiner vielfältigen Erscheinungsformen, zu denen auch Karl Eduard von Schnitzlers „Schwarzer Kanal“ gehört, ist ohne die Kenntnis der Pressetheorie Lenins nicht möglich. In seinen Schriften „Womit beginnen?“ (1901), „Was tun? Brennende Fragen unserer Bewegung“ (1902) und „Parteilichkeit und Parteiliteratur“ (1905) propagierte Lenin nicht nur seine Theorie über die Partei neuen Typs, das heißt die Vorstellung einer disziplinierten Kaderpartei, der als Avantgarde der Arbeiterklasse die Aufgabe zukomme, die Diktatur des Proletariats zu entwickeln, sondern er beschrieb erstmals auch die Aufgaben einer zu schaffenden Presse neuen Typs, die den Interessen der Partei zu dienen habe (vgl. Thomson 1977, 104-110; Scharf 1981, 51 ff.). Lenins Lehre von der Presse neuen Typs bildete die Grundlage der Presse im nachrevolutionären Russland und wurde später auf die hinzukommenden Medien Hörfunk und Fernsehen ausgeweitet (vgl. Kuhlmann 1997, 14).
2.1 Lenin über die Aufgaben der Presse neuen Typs
Nach der von Lenin entwickelten Theorie sollte sich die Partei neuen Typs, deren Spitze sich zu großen Teilen aus gebildeten Berufsrevolutionären zusammensetzen sollte, zur Führung der breiten Bevölkerungsschichten einer gesamtrussischen, politischen Zeitung bedienen können:
Wir brauchen vor allem eine Zeitung. Ohne sie ist die systematische Durchführung einer in den Prinzipien konsequenten und allseitigen Propaganda und Agitation unmöglich, die eine ständige und Hauptaufgabe der Sozialdemokratie überhaupt [...] darstellt (zit. nach Fetscher 1974, 180, Hervorhebungen vom Verf.).
Die erste Aufgabe des neuen von Berufsrevolutionären kontrollierten, gesamtrussischen Organs sollte dabei zunächst die Bildung eines sozialdemokratischen Bewußtseins der Arbeiter sein:
Es fehlte ihnen das sozialdemokratische Bewußtsein. [...] Dieses konnte ihnen nur von außen gebracht werden. Die Geschichte aller Länder hat gezeigt, dass die Arbeiterklasse aus ihren eigenen Kräften einzig und allein ein trade-unionistisches Bewußtsein herauszuarbeiten vermag, d.h. die Überzeugung von der Notwendigkeit, sich zu Verbänden zusammenzuschließen, einen Kampf gegen Unternehmer zu führen, von der Regierung diese oder jene für die Arbeiter notwendigen Gesetze zu fordern usw.. Die Lehre des Sozialismus ist jedoch aus jenen philosophischen, historischen und ökonomischen Theorien herausgewachsen, die von den gebildeten Vertretern der besitzenden Klasse, der Intelligenz, geschaffen wurden (ebd., 190-191).
Zugleich sollte die politische Zeitung während der Frühphase der politischen Bewegung dazu beitragen, die bestehende Zersplitterung der sozialdemokratischen Kräfte zu überwinden:
Und der erste Schritt [...] auf dem Wege zur Verwandlung mehrerer örtlicher Bewegungen in eine einheitliche gesamtrussische Bewegung muss die Gründung einer gesamtrussischen Zeitung sein. [...] Ohne ein politisches Organ ist im heutigen Europa eine Bewegung, die den Namen einer politischen Bewegung trägt, undenkbar. Ohne sie ist unsere Aufgabe [...] absolut undurchfürbar (ebd., 181).
Neben den oben genannten ständigen Hauptaufgaben der Zeitung, Propaganda und Agitation, kristallisierte sich schließlich eine weitere, dritte langfristige Aufgabe des sozialistischen Massenmediums heraus:
Die Rolle der Zeitung beschränkt sich jedoch nicht allein auf die Verbreitung von Ideen, nicht allein auf die politische Erziehung und die Gewinnung politischer Bundesgenossen. Die Zeitung ist nicht nur ein kollektiver Propagandist und kollektiver Agitator, sondern auch ein kollektiver Organisator (zit. nach Fetscher 1974, 182, Hervorhebungen vom Verf. ).
Dabei waren Propaganda und Agitation in der Leninschen Theorie zwei klar voneinander getrennte Funktionen. Während mit Propaganda die Aufklärung der Führungskräfte der sozialistischen Bewegung über Hintergründe gesellschaftlicher Zustände gemeint war, bezeichnete der Begriff Agitation die plakative Präsentation dieser Zustände für die breite Masse (vgl. Kuhlmann, 1997, 13). Die dritte Aufgabe der politischen Zeitung, die kollektive Organisation, meinte die Nutzbarmachung von „Erfahrungen aus dem revolutionären Kampf für zukünftige Tagesaufgaben der Partei und der Masse“ (ebd.).
2.2 Lenins Pressetheorie als Grundlage des Journalismus in der DDR
Mit der „Übernahme stalinistischer Strukturen und Methoden sowohl hinsichtlich des innerparteilichen Organisationsaufbaus als auch ihres Führungsanspruches im Staat und in der Gesellschaft“ (Holzweissig 1999, 575) und dem damit verbundenen Selbstverständnis der SED als eine Partei neuen Typs im leninschen Sinne, das heißt als eine marxistisch-leninistische Kaderpartei nach dem Vorbild der KPDSU, wurde Lenins Theorie von der Partei und Presse neuen Typs auch zur Grundlage der historischen Legitimation der Kontrolle der Medien durch die SED.
Propaganda und Agitation sollten „die beiden Funktionen der politisch-ideologischen Arbeit zur Führung der Werktätigen, zur Leitung der sozialistischen Gesellschaft“ bilden, „um die wissenschaftliche Ideologie der Arbeiterklasse in die Massen zu tragen“ und „sie mit der praktischen Aktion der Werktätigen zu verbinden“ (zit. nach Trampe 1998, 354). Dabei blieb die theoretische Trennung von Agitation und Propaganda im Leninsche Sinne trotz ihrer gemeinsamen Aufgabe, „die Menschen zu sozialistischen Persönlichkeiten zu entwickeln“ (zit. nach Scharf 1981, 81) bestehen.
Nach Angaben im Wörterbuch der sozialistischen Journalistik (1984) war für die Methode der Propaganda „eine gründliche theoretische [...] Erläuterung der zu behandelnden Fragen charakteristisch“ (zit. nach Trampe 1998, 355). Sie sei als „Verbreitung der Theorie und theoretische Begründung der Politik [...] den methodischen Anforderungen wissenschaftlicher Arbeit unterworfen“ (ebd.), wobei ihre Wirksamkeit vor allem von ihrer „Streitbarkeit“ bzw. „Polemik“ abhinge, sowie davon, wie „die Beziehungen zwischen Verstand und Gefühl beachtet werden“ (ebd.). Im Vergleich dazu erziele die Agitation, die als „Aufrütteln und Anspornen“ zu charakterisieren sei, ihre Wirkung nicht mit „umfassender, systematischer Beweisführung, sondern mit konzentrierter, möglichst anschaulicher Darstellung“ (ebd.). Agitation habe „das Große im Alltäglichen aufzudecken“ und wende sich „in starkem Maße an die Gefühle der Menschen, [...] ihre Stimmungen, [...] ihre Begeisterungsfähigkeit und ihren Haß“ (ebd.). Mit der Übernahme der „klassischen Bestimmung der Funktionen des sozialistischen Journalismus“ nehme der Journalist „an der Erfüllung aller Funktionen teil, die der politischen Massenarbeit der marxistisch-leninistischen Partei und der anderen politischen Organisationen der Arbeiterklasse [...] zukommen“ (ebd.).
Aus der leninschen Pressetheorie wurden schließlich Wissenschaftlichkeit, Volksverbundenheit und Parteilichkeit als die drei elementaren Merkmale sozialistischer Medienarbeit abgeleitet (vgl. Kuhlmann 1997, 16-17). In der Praxis bedeutete dies, dass der jeweilige Journalist den Gegenstand der Berichterstattung aus einer gefestigten marxistisch-leninistischen Position darzustellen und zu bewerten hatte, dabei aber durch eine einfache Sprache und eine alltagsnahe Auswahl der zu bearbeitenden Themen die Distanz zum einfachen Arbeiter und Bauern so gering wie möglich halten sollte.
Das grundlegende Prinzip in den Nachrichtenredaktionen der DDR wurde die so genannte „Agitation durch Tatsachen“ (vgl. Scharf 1981, 68), die eng mit der Forderung nach Parteilichkeit verbunden war. Gemäß dieses Leitspruches besaß eine Nachricht nur dann einen Wert, wenn sie den Empfänger auch zu Handlungen anregen konnte. Daher sollte „jede einzelne Meldung [...] in ihrer Präsentation zur politischen Bewußtseinsbildung beim Zuschauer beitragen“ (Kuhlmann 1997, 15). Eine objektive Berichterstattung über politische und gesellschaftliche Vorgänge hingegen wurde in journalistischen Lehrbüchern unter Bezugnahme auf Lenins Lehre von der Presse neuen Typs scharf kritisiert:
Für die vom bürgerlichen Journalismus für sich beanspruchte ‚Unparteilichkeit‘ und ‚Objektivität‘, die in Wahrheit Objektivismus ist, gilt Lenins Feststellung: ‚Die Parteilosigkeit in der bürgerlichen Gesellschaft ist nur ein heuchlerischer, verhüllter, passiver Ausdruck der Zugehörigkeit zur Partei der Satten, zur Partei der Herrschenden, zur Partei der Ausbeuter‘ (zit. nach Scharf 1981, 75).
2.3 Kontrollmechanismen
Gewährleistet wurde die Steuerung der Medien im Sinne der Parteiführung durch eine enge organisatorische Verflechtung mit dem Staatsapparat. So unterstanden alle Zeitungen in der DDR der Lizensierung durch das Presseamt beim Vorsitzenden des Ministerrats, wobei die SED-Parteispitze Anweisungen zur redaktionellen Linie und zur Auswahl der Themen gab (vgl. Glaab 1999, 561). Durch vierteljährlich erscheinende so genannte Globalrichtlinien und wöchentliche Argumentationsanweisungen bestimmte das Presseamt sowohl die grundsätzliche Zielrichtung von Presseerzeugnissen, Hörfunk- und Fernsehprogrammen als auch kurzfristige Leitlinien für Nachrichten und Kommentare (vgl. Kuhlmann 1997, 20). Das „Neue Deutschland“ unterstand als Zentralorgan der SED direkt der Weisungsbefugnis des zuständigen ZK-Sekretärs, die Bezirkszeitungen waren dem ZK und der jeweiligen SED-Bezirksleitung untergeordnet (vgl. Glaab 1999, 561).
Als wichtiges „Informationsregulativ“ (ebd.) galt zudem die staatliche Nachrichtenagentur ADN („Allgemeiner Deutscher Nachrichtendienst“), die abgesehen von der Ausnahme des „Neuen Deutschland“, welches eigene Korrespondenten im Ausland unterhielt, ein Monopol für die Auslandsberichterstattung besaß. Auflagenhöhe und Umfänge einzelner Presseerzeugnisse konnten zudem einfach und wirkungsvoll durch die Reglementierung der Papierversorgung gesteuert werden (ebd.).
Der Rundfunk der DDR erhielt im Jahr 1952 mit dem „Staatlichen Rundfunkkomitee beim Ministerrat der DDR“ eine neue oberste Kontrollinstanz, nachdem im Zuge der Abschaffung der Bundesländer durch den entsprechenden Beschluss der Volkskammer des gleichen Jahres auch die jeweiligen Landessender aufgelöst worden waren. Das Rundfunkkomitee, das mit der Ausweitung seiner Zuständigkeit auf das Fernsehen in „Staatliches Komitee für Rundfunk und Fernsehen“ (SKRF) umbenannt wurde, wurde ab 1953 zusätzlich von der beim Zentralkomitee der SED eingerichteten „Abteilung für Agitation und Propaganda“ kontrolliert. Im Jahr 1968 wurde schließlich mit wachsender Bedeutung des Mediums ein eigenes „Staatliches Komitee für Fernsehen“ (SKF) ausgegliedert (vgl. Kuhlmann 1997, 19-20).
Zum Zwecke der langfristigen Sicherung der gewünschten Parteidisziplin unter Medienschaffenden reglementierte die SED schließlich auch die Ausbildung von Journalisten. Etwa zwei Drittel aller Journalisten besuchten die so genannte Sektion Journalistik der Karl-Marx-Universität in Leipzig, wobei nur diejenigen Bewerber zugelassen wurden, die sich zuvor bereits durch gesellschaftliche Aktivitäten im Sinne der SED ausgezeichnet hatten (vgl. Glaab 1999, 561). Bedingung für eine Anstellung als Journalist nach Abschluss des Studiums war zudem nach Aussage des ehemaligen Regisseurs der Hauptabteilung Publizistik im Fernsehen der DDR, Herwig Kipping, vielfach weniger die „fachliche Kompetenz“ sondern die Fähigkeit, „die Beschlüsse der Partei der Bevölkerung zu vermitteln und dafür zu werben, also [...] die Bevölkerung für die Beschlüsse der Partei empfänglich zu machen und zu stimulieren“ (zit. nach Ludes 1990, 164). Um die Loyalität angehender Journalisten zu diesem Zwecke langfristig zu festigen, wurde deren „anfangs bestehende Vertrauensbasis [...] nach und nach mißbraucht, individuell vertretene und gelebte Identitäten und Gruppenzugehörigkeiten aufgebrochen [...] und neue Ersatzidentitäten vorgegeben“ (Ludes 1999, 2208-2209). Zu diesen Ersatzidentitäten gehörten nach Peter Ludes (ebd., 2209) neben der aktiven Mitarbeit bei Agitation und Propaganda auch die Mitarbeit bei der Staatssicherheit, mit deren Spitzeln nach Einschätzung oppositioneller Journalisten sämtliche Redaktionen durchsetzt waren. Zumindest die Mitgliedschaft in der SED war für eine Großzahl von Journalisten aufgrund der an sie gestellten Forderung nach Parteilichkeit nahezu selbstverständlich:
Das offene Bekenntnis zur sozialistischen Parteilichkeit, deren höchste Form die feste organisatorische Bindung an die Partei der Arbeiterklasse [...] ist, bildet für den sozialistischen Journalismus die wesentlichste Voraussetzung, damit er seine Funktion als [...] Agitator, Propagandist und Organisator des sozialistischen Bewußtseins und Handelns der Werktätigen erfüllen kann (zit. nach Scharf 1981, 64-65).
2.4 Arbeitssituation von Journalisten
Wie der ehemalige Leiter des Rundfunkstudios Cottbus und spätere Redakteur des Deutschen Fernsehfunks (DFF), Karl-Heinz Mosgraber, stellvertretend für viele andere seiner Berufsgruppe nach der Wiedervereinigung angab, wurde die erzwungene Angleichung journalistischer Tätigkeiten an die Parteilinie der SED zunächst „angesichts des [...] von beiden Seiten geschürten Kalten Krieges“ von vielen Journalisten durchaus mitgetragen (Mosgraber 1993, 65). Die Argumentation, dass die „Abkehr von bürgerlichen Demokratievorstellungen und Meinungsvielfalt“ der „Entwicklung zur ‚Partei neuen Typus‘“ und der „Einheit und Geschlossenheit der SED“ im Kampf gegen den Imperialismus diene, sei von vielen Redakteuren als „durchaus glaubhaft“ eingeschätzt worden (ebd.). Bei der darauf folgenden „Forderung an den Rundfunk, sich wie die Parteizeitungen zur ‚Presse neuen Typs‘ zu formieren, sich zur ‚Waffe der Partei‘ und zu einem ‚Instrument des Klassenkampfes‘ zu entwickeln“ habe sich dann die Frage, wie dies mit der „ständig propagierten antifaschistischen Demokratie und der Unabhängigkeit des Rundfunks zu vereinbaren war“ aufgrund eines durch das sukzessive Internalisieren der Parteidisziplin ausgelösten Verdrängungsprozesses oft gar nicht mehr gestellt (ebd., 66). Durch die zunehmende „Diskrepanz zwischen dem realen Leben im Lande und der von der SED-Führung verordneten Schönfärberei und Kritiklosigkeit“ (Meyer 1993, 147) empfanden viele Journalisten in den folgenden Jahrzehnten und insbesondere in den letzten Jahren vor der Wende ihre Situation jedoch zunehmend als „unerträglich“ (ebd.).
Diese Diskrepanz zwischen dem realen Leben und dem durch die gelenkten DDR-Medien vermittelten Bild der Realität lässt sich auch als das Ergebnis der Korrelation zweier verschiedener Kommunikationskreise beschreiben (vgl. Münz-Koehnen 2000, 239-240), wobei durch die Art und Weise der Lenkung der Massenmedien „der Mediendiskurs der politischen Autorität“ und die „Sprach- und Erfahrungswelt des privaten Alltags“ (ebd., 239) in immer größeren Konflikt gerieten. Aufgrund dieses offensichtlichen Konflikts ist nach Ansicht des ehemaligen Auslandskorrespondenten und späteren Mitglied der Modrow-Regierung, Wolfgang Meyer (1993, 147), vielen Journalisten -auch denen, die noch an die Ideale des Sozialismus glaubten - die Flucht in Gleichgültigkeit und Zynismus als einziger Ausweg erschienen, sich in ihrer Situation zurechtzufinden. Peter Ludes (1990, 13) spricht in diesem Zusammenhang bezugnehmend auf die Ergebnisse seiner nach der Wende durchgeführten Interviews mit ehemaligen „Propaganda- und Verschleierungsprofis“ von einer auch „schon in früheren Phasen der historischen Entwicklung anzutreffenden inneren Resignation bei ritualistischer Fortsetzung der eigenen Tätigkeit“ (ebd., 16). Aufs Deutlichste tritt eine solche Resignation in einer im Jahr 1990 vom o.g. Regisseur Herwig Kipping geäußerten Beobachtung zu Tage:
Das Leben war doch vollkommen verdreht. Das Leben an sich war doch konterrevolutionär. Die lahme Realität hinkte doch eigentlich den großen Beschlüssen hinterher. Und die Realität selbst war doch irgendwie schon tabu. (zit. nach Ludes 1990, 181).
So mag vielfach die Überzeugung „für ein fortschrittliches Gesellschaftssystem zu kämpfen, das zwar mit Mängeln behaftet, aber doch von einer großen Idee beseelt war“ (Spielhagen 1993, 8) gepaart mit einer lang gehegten Hoffnung auf politische Reformen und einer damit einhergehenden Verbesserung ihrer Arbeitssituation ein Grund dafür gewesen sein, dass es ab Herbst 1989 vielen Journalisten der DDR gelang, von heute auf morgen zu einer objektiven und kritischen Berichterstattung überzugehen. Dennoch erscheint der vielfach geäußerte subversive Gestus, man habe im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten durchaus noch bemerkenswerte Versuche gemacht, die bestehenden Grenzen in der Berichterstattung auszureizen bzw. zu überschreiten, in vielen Fällen zumindest fragwürdig. So spricht die Tatsache, dass sich selbst Journalisten in hohen Positionen, wie etwa Chefredakteure der „Aktuellen Kamera“, die neben dem „Neuen Deutschland“ immerhin als „Aushängeschild des SED-Staates“ (Kuhlmann 1997, 41) galt, „in erster Linie oder ausschließlich als Opfer sahen“ (Ludes 1990, 17) eher für die Wirksamkeit des Kontrollapparates der SED als für eine selbstkritische Analyse der persönlichen Verantwortung als Teil eines entscheidenden Herrschaftsinstruments der Partei. Schließlich muss jedem werdenden Journalisten zumindest ab den 60er Jahren, den Willen zu Veränderungen und große Zivilcourage vorausgesetzt, auch bei enormem Vertrauen in die Leerstellenkompetenz der Bevölkerung zur Entschlüsselung versteckter Kritik klar gewesen sein, dass seine künftige Rolle nicht auf Veränderung der politischen und gesellschaftlichen Situation im real existierenden Sozialismus, sondern, ganz im Gegenteil, auf deren Erhalt ausgelegt war.
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- Citar trabajo
- Michael von Scheidt (Autor), 2002, Der Westen als Feindbild in Karl-Eduard von Schnitzlers Propagandasendung "Der schwarze Kanal", Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/12160
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