Dieses Sachbuch gibt nach einer umfassenden theoretischen Einführung der (Gesetzes-)Grundlagen für Präsenz- und/oder Betreuungskräfte einen Überblick über wichtiges medizinisches Fachwissen für die angewandte Pflege und Betreuung. Der Fokus dieses ersten Bandes liegt auf der Anatomie und Physiologie.
Der lange Weg von der Laienpflege zur Professionalisierung: Mit der Einsicht in die zwingende Notwendigkeit einer evidenzbasierten Pflege etablierte sich sukzessive aus den ehemals auf individuellen Erfahrungswissen basierenden Pflegehandlungen eine handlungsbegründete Pflegewissenschaft und -forschung heraus. Die ehemals ausschließlich kurative Ausrichtung pflegerischer Handlungen wurde ergänzt durch die Gesundheitsförderung und -vorsorge, die Rehabilitation, die Palliation und sozio-emotionale Komponente, die Sozialpflege. Aufgrund der Neuregelungen des Pflege-Neuausrichtungs-Gesetzes und des Ersten Pflegestärkungsgesetzes sind mit den Fassungen vom 6. Mai 2013 und 29. Dezember 2014 Anpassungen der Richtlinien erfolgt. Auf Grundlage der ab 1. Januar 2017 in Kraft getretenen Neuregelungen des Zweiten Pflegestärkungsgesetzes in §53b SGB XI hat der GKV-Spitzenverband die Richtlinien angepasst und die geänderte Fassung nach Anhörung der Bundesvereinigungen der Träger stationärer Pflegeeinrichtungen und der Verbände der Pflegeberufe auf Bundesebene unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes medizinisch-pflegerischer Erkenntnisse am 23. November 2016 beschlossen.
Den zwingend aus der Klienten-zentrierten ganzheitlichen Betrachtungsweise resultierenden pflegeberuflichen Kompetenzen wird in der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Pflegeberufe u.a. Rechnung getragen. Die Pflegeberufe-Ausbildungs- und -Prüfungsverordnung vom 2. Oktober 2018 (BGBl. I S. 1572) ist durch Artikel 10 des Gesetzes vom 19. Mai 2020 (BGBl. I S. 1018) geändert worden.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Gesetzesgrundlage für Präsenz- und/oder Betreuungskräfte
1.2 Gesetzlicher Anspruch Pflegebedürftiger auf zusätzliche psychosoziale Betreuung und Aktivierung im stationären Bereich
1.3 Gesetzlicher Anspruch Pflegebedürftiger auf zusätzliche psychosoziale Betreuung und Aktivierung im ambulanten Bereich
1.4 Definierung des Begriffs „Zusätzliche Betreuung“
1.4.1 Persönliche Kompetenzen/persönliche Eignung
1.5 Präsenz- und/oder Betreuungskräfte sind keine examinierten Pflegekräfte!
1.6 Definition des Begriffs Pflege
1.7 Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen
1.8 Von der Pflegetheorie zum Pflegeprozess
1.8.1 Grundbedürfnisse des Menschen nach V. Henderson
1.8.2 Aktivitäten des täglichen Lebens nach Roper/Juchli u.a.
1.8.3 Das Strukturmodell nach Monika Krohwinkel
1.8.4 Das Strukturmodell in Deutschland
1.8.5 Begutachtungsinstrumentarium des MD
1.8.6 Die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) der WHO
1.9 Die Pflegedokumentation im SGB XI
1.9.1 Biografiearbeit
1.9.2 Musterbeispiel Biografiearbeit
1.9.3 Die Pflegeprozessplanung (SGB XI)
1.9.4 Prophylaxen
1.9.5 Kommunikationstechniken im Umgang mit Klientel in kurativen Phasen
1.9.6 Berufsgruppen -inter- und multidisziplinäre Zusammenarbeit-
1.9.7 Leitbild der Einrichtungen
2 Schmerzen
2.1 Schmerzarten
2.2 Schmerzphänomene
2.3 Multidimensionalität des Schmerzes
2.3.1 Schmerzanamnese
2.4 Basale Stimulation
3 Persönlichkeitsstörungen und Psychosomatik
3.1 Persönlichkeitseigenschaften und deren Auswirkungen auf Denken, Fühlen und Handeln
3.2 Psychosomatosen
3.3 Faktencheck Deutschland gemäß der DGPPN
4 Anatomie/Physiologie und häufige Krankheitsbilder
4.1 Die Sinne
4.1.1 Der Tastsinn (Haut)
4.1.2 Der Geruchssinn (Nase)
4.1.3 Der Geschmackssinn (Mund und Nase)
4.1.4 Der Hörsinn
4.1.5 Der Gleichgewichtssinn
4.16 Der Sehsinn
4.2 Das Nervensystem
4.3 Das Gehirn
4.4 Das Atmungssystem
4.4.1 Die Atemsteuerung
4.4.2 Der Atemvorgang
4.5 Der Bewegungsapparat
4.6 Das Herz- Kreislauf-System
4.6.1 Motor des Kreislaufsystems: das Herz
4.6.2 Temperatur des Menschen
4.6.3 Das Blut
4.6.3.1 Blutgerinnung
4.6.4 Das Blutplasma
4.6.5 Das Blutserum
4.6.6 Erkrankungen des Blutes
4.7 Das Verdauungssystem
4.8 Die Nieren (Ren) und ableitende Harnwege
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Der lange Weg von der Laienpflege zur Professionalisierung:
Mit der Einsicht in die zwingende Notwendigkeit einer evidenzbasierten Pflege etablierte sich sukzessive aus den ehemals auf individuellen Erfahrungswissen basierenden Pflegehandlungen eine handlungsbegründete Pflegewissenschaft und -forschung heraus.
Die ehemals ausschließlich kurative Ausrichtung pflegerischer Handlungen wurde ergänzt durch die Gesundheitsförderung und -vorsorge, die Rehabilitation, die Palliation und sozio-emotionale Komponente, die Sozialpflege.
Aufgrund der Neuregelungen des Pflege-Neuausrichtungs-Gesetzes und des Ersten Pflegestärkungsgesetzes sind mit den Fassungen vom 6. Mai 2013 und 29. Dezember 2014 Anpassungen der Richtlinien erfolgt.
Auf Grundlage der ab 1. Januar 2017 in Kraft getretenen Neuregelungen des Zweiten Pflegestärkungsgesetzes in §53b SGB XI hat der GKV-Spitzenverband die Richtlinien angepasst und die geänderte Fassung nach Anhörung der Bundesvereinigungen der Träger stationärer Pflegeeinrichtungen und der Verbände der Pflegeberufe auf Bundesebene unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes medizinisch-pflegerischer Erkenntnisse am 23. November 2016 beschlossen.
Den zwingend aus der Klienten-zentrierten ganzheitlichen Betrachtungsweise resultierenden pflegeberuflichen Kompetenzen wird in der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Pflegeberufe u.a. Rechnung getragen. Die Pflegeberufe-Ausbildungs- und Prüfungsverordnung vom 2. Oktober 2018 (BGBl. I S. 1572) ist durch Artikel 10 des Gesetzes vom 19. Mai 2020 (BGBl. I S. 1018) geändert worden. Diese Verordnung dient der Umsetzung der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (ABl. L 255 vom 30.9.2005, S. 22; L 271 vom 16.10.2007, S. 18), ist zuletzt durch die Richtlinie 2013/55/EU (ABl. L 354 vom 28.12.2013, S. 132) geändert worden.
Die Kompetenzen der Pflegefachkräfte, die zur Bewältigung der jeweiligen adäquaten Situationsbewältigung innerhalb der individuellen Pflegeprozessverantwortung notwendig, also Voraussetzung einer individuellen Klienten-zentrierten Pflege und Betreuung sind, wurden in den Anlagen 1 bis 4 der PflAPrV zusammengefasst.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1.1 Gesetzesgrundlage für Präsenz- und/oder Betreuungskräfte
Mit dem Pflege-Weiterentwicklungsgesetz wurden Mitte 2008 Leistungen für Menschen mit demenzbedingten Fähigkeitsstörungen, geistiger Behinderung oder psychischen Erkrankungen in den Leistungskanon der gesetzlichen Pflegeversicherung aufgenommen.
Seit 2013 besteht auch für teilstationäre Pflegeeinrichtungen (Einrichtungen der Tages- und Nachtpflege) die Möglichkeit, zusätzliche Präsenz- und/oder Betreuungskräfte mit entsprechender Refinanzierung durch die Pflegekassen einzusetzen.
Jedoch konnten bis Ende 2014 vollstationäre Pflegeeinrichtungen (z.B. Pflegeheime) nur für Personen mit einem erheblichen allgemeinen Beaufsichtigungs- und Betreuungsbedarf zur Betreuung und Aktivierung zusätzliche Präsenz- und/oder Betreuungskräfte einstellen und dafür leistungsgerechte Zuschläge abrechnen.
Durch die Neuregelung des §43b SGB XI im Zweiten Pflegestärkungsgesetz haben nun mehr alle Pflegebedürftigen, auch Pflegebedürftige mit Pflegegrad 1, in teil- und vollstationären Pflegeeinrichtungen einen Rechtsanspruch auf Maßnahmen zur zusätzlichen Betreuung und Aktivierung. Diese Regelung ist am 1. Januar 2017 in Kraft getreten.
Die Pflegekassen vereinbaren weiterhin mit den stationären Pflegeeinrichtungen die entsprechenden Vergütungszuschläge zur Finanzierung der Personalaufwendungen für die zusätzlichen Präsenz- und/oder Betreuungskräfte in der erforderlichen Höhe vertraglich.
Die zusätzliche Betreuung ist in Pflegeheimen durch sozialversicherungspflichtig beschäftigtes Präsenz- und/oder Betreuungspersonal zu organisieren, in teilstationären Einrichtungen kann die zusätzliche Präsenz und Betreuung auch durch geringfügig Beschäftigte erfolgen. Für jeweils 20 Anspruchsberechtigte soll in der Regel eine zusätzliche Präsenz- und/oder Betreuungskraft finanziert werden - Stellenschlüssel 1:20.
Ziele dieser reformierten Richtlinien:
- §43b SGB XI ermöglicht es, die Betreuung und Aktivierung der
- Pflegebedürftigen in einem definierten Umfang quantitativ zu verbessern
- enge Kooperation und fachliche Absprache mit den Pflegekräften und den jeweiligen multidisziplinären Pflegeteams
- die Betreuungs- und Lebensqualität von Pflegebedürftigen in stationären Pflegeeinrichtungen und im ambulanten Pflegebereich sollen verbessert werden
- dem Klientel soll durch mehr Zuwendung, zusätzliche Betreuung und Aktivierung eine höhere Wertschätzung entgegengebracht werden
- mehr Austausch mit anderen Menschen und mehr Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft wird idealerweise angestrebt
- damit keine Versorgungseinbrüche entstehen, sollen die Tätigkeiten der zusätzlichen Präsenz- und/oder Betreuungskräfte eng mit der Arbeit der Pflegekräfte und des sonstigen Personals in den stationären Pflegeeinrichtungen koordiniert werden
1.2 Gesetzlicher Anspruch Pflegebedürftiger auf zusätzliche psychosoziale Betreuung und Aktivierung im stationären Bereich
Mit der Zahlung von leistungsgerechten Zuschlägen zu den Pflegesätzen für die zusätzliche Betreuung und Aktivierung von Pflegebedürftigen nach den Regelungen der §§43b, 84 Abs.8 und 85 Abs.8 SGB XI werden den stationären Pflegeeinrichtungen finanzielle Grundlagen gegeben, eine bessere Betreuung für die Pflegebedürftigen im Sinne der von den Fachverbänden geforderten „Präsenzstrukturen“ zu organisieren, die darauf abzielen, die Pflegebedürftigen bei ihren alltäglichen Aktivitäten zu unterstützen und ihre Lebensqualität zu erhöhen - das bedeutet konkret, dass die Pflegebedürftigen, auch Pflegebedürftige mit Pflegegrad 1, sowohl in einer teil- als auch vollstationären Einrichtung durch die Regelung des §43b SGB XI im Zweiten Pflegestärkungsgesetz mit Wirkung vom 01. Januar 2017 einen Rechtsanspruch auf Maßnahmen zur zusätzlichen Betreuung und Aktivierung haben, die über die Art und Schwere der Pflegebedürftigkeit notwendige Versorgung hinausgeht.
1.3 Gesetzlicher Anspruch Pflegebedürftiger auf zusätzliche psychosoziale Betreuung und Aktivierung im ambulanten Bereich
Es gilt : Ambulant vor stationär!
Die Betroffenen sollen so lange wie möglich in ihrer Häuslichkeit leben und bleiben können, insofern keine Selbst- und Fremdgefährdung vorliegt.
Regelung in §45a SGB XI (Auszug) :
Angebote zur Unterstützung im Alltag tragen dazu bei, Pflegepersonen zu entlasten und helfen Pflegebedürftigen, möglichst lange in ihrer häuslichen Umgebung zu bleiben, soziale Kontakte aufrechtzuerhalten und ihren Alltag weiterhin möglichst selbständig bewältigen zu können.
Im §45b SGB XI (Auszug) wird geregelt:
(1) Pflegebedürftige in häuslicher Pflege haben Anspruch auf einen Entlastungsbetrag in Höhe von bis zu 125 Euro monatlich. Der Betrag ist zweckgebunden einzusetzen für qualitätsgesicherte Leistungen zur Entlastung pflegender Angehöriger und vergleichbar Nahestehender in ihrer Eigenschaft als Pflegende sowie zur Förderung der Selbständigkeit und Selbstbestimmtheit der Pflegebedürftigen bei der Gestaltung ihres Alltags.
Er dient der Erstattung von Aufwendungen, die den Versicherten entstehen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme von
1. Leistungen der Tages- oder Nachtpflege
2. Leistungen der Kurzzeitpflege
3. Leistungen der ambulanten Pflegedienste im Sinne des §36, in den Pflegegraden 2 bis 5 jedoch nicht von Leistungen im Bereich der Selbstversorgung
4. Leistungen der nach Landesrecht anerkannten Angebote zur Unterstützung im Alltag im Sinne des §45a.
1.4 Definierung des Begriffs „Zusätzliche Betreuung“
Zusätzliche Betreuung gemäß §§43b, 53b SGB XI umfasst
- aktivierende und rehabilitierende Betreuung
- Reduktion funktioneller Einschränkungen auf ein Minimum
- Linderung von Schmerzen zur Erhöhung der jeweiligen Lebensqualität, ideales Fernziel ist das Erreichen von Wohlbefinden
- Verringerung von potentiellen Abhängigkeiten und Anstreben einer wieder selbstbestimmten Lebensweise des Klientels
Gemäß §2 Abs.2 der Richtlinien nach §53b Abs. 3 SGB XI gilt sinngemäß für Präsenz- und Betreuungskräfte:
Sie sollen den Bedürftigen für Gespräche über Alltägliches und ihre Sorgen zur Verfügung stehen, ihnen durch ihre Anwesenheit Ängste nehmen sowie Sicherheit und Orientierung vermitteln.
Des weiteren sind Betreuungs-, Aktivierungs- und Validationsangebote an den Erwartungen, Wünschen, Fähigkeiten und Befindlichkeiten der Bedürftigen unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen Biografie, ggf. einschließlich ihres Migrationshintergrundes, dem Geschlecht sowie dem jeweiligen situativen Kontext orientieren auszurichten bzw. anzupassen.
Zusätzliche Betreuungskräfte arbeiten selbstverständlich eng mit allen Teilnehmern des interdisziplinären Teams zusammen.
1.4.1 Persönliche Kompetenzen/persönliche Eignung
- physische und psychische Stabilität
- Kommunikationsfreude und Empathiefähigkeit
- Ausgeglichenheit und Geduld
- Beobachtungsgabe und Wahrnehmungsfähigkeit
- Verständnis für Andersartigkeit/positive Haltung gegenüber Alten, Kranken und Behinderten
- Gelassenheit im Umgang mit verhaltensbedingten Besonderheiten infolge von körperlichen, dementiellen und/oder psychischen Krankheiten und/oder geistigen Behinderungen
- positive Einstellung zur Arbeit mit dem Klientel
- Fähigkeit zur Übernahme von Verantwortung
- Selbstbewusstsein/sicheres Auftreten
- Sprachgewandtheit, Deutschkenntnisse (B2-Niveau)
- Zuverlässigkeit
- Kreativität, Initiative und Einsatzbereitschaft
- Organisationsfähigkeit
- Konfliktfähigkeit
- Teamfähigkeit
Nach Beendigung der Qualifikationsmaßnahme zur Betreuungskraft gemäß §§43b, 53b SGB XI sollten die Präsenz- und/oder Betreuungskräfte folgende Kompetenzen aufweisen:
Soziale Kompetenzen:
- Vertrauen aufbauen und wenn möglich auch das Wissen des Klientel in der Betreuung und Pflege berücksichtigen
- Autonomie fördern durch direkte Einbeziehung des Klientel in den Entscheidungsprozess
- das Klientel bei eigenen Entscheidungen unterstützen (insofern keine Eigen- oder Fremdgefährdung vorliegt)
- Ressourcen des Klientel fördern zur Wiederherstellung der Selbständigkeit oder zumindest zum Erhalt des jeweiligen Istzustands
- dem Klientel Sicherheit vermitteln können
- Fachliche Kompetenzen:
- objektive und wertfreie Analyse des Istzustands
- angeeignetes theoretisches Wissen in der Praxis anwenden können (Erkennen von Krankheitsmerkmalen und deren Beeinträchtigungen und Folgen)
- dem Klientel physisches, psychisches und soziales Wohlbefinden im Kontext der jeweiligen Störung/Beeinträchtigung/Erkrankung/en) ermöglichen
- Unterstützung bei allen täglichen Bedürfnissen (es gilt: soviel wie nötig, so wenig wie möglich Ressourcen erkennen und nutzen)
- Methodische Kompetenzen:
- Anwendung von Kommunikations- und Beschäftigungsmethoden, die für das jeweilige Klientel geeignet sind
- effektive Zusammenarbeit im interdisziplinären Team
1.5 Präsenz- und/oder Betreuungskräfte sind keine examinierten Pflegekräfte!
- Gemäß den Richtlinien nach §53b Abs. 3 SGB XI dürfen zusätzliche Präsenz- und/oder Betreuungskräfte nicht regelmäßig in grund- und behandlungspflegerische sowie hauswirtschaftliche Tätigkeiten eingebunden werden.
Zu den Aufgaben der zusätzlichen Präsenz- und Betreuungskräfte gehören auch die Hilfen, die bei der Durchführung ihrer Betreuungsund Aktivierungstätigkeiten unaufschiebbar und unmittelbar erforderlich sind, wenn eine Pflegekraft nicht rechtzeitig zur Verfügung steht, Toilettengänge sind ein Beispiel hierfür.
Das heißt konkret, dass zusätzliche Präsenz- und/oder Betreuungskräfte weder regelmäßig noch planmäßig in körperbezogene Pflegemaßnahmen sowie hauswirtschaftliche Tätigkeiten eingebunden werden dürfen.
Jegliche behandlungspflegerische Maßnahmen obliegen ausschließlich dem dafür qualifiziertem Personal und ist nach §71 Abs3 SGB XI gesetzlich geregelt.
Den zusätzlichen Präsenz- und/oder Betreuungskräften dürfen bei Hinweisen zur Einhaltung dieser Vorgaben an die Verantwortlichen keine Nachteile entstehen.
1.6 Definition des Begriffs Pflege
- Der Begriff Pflege umfasst alle unterstützenden Maßnahmen und Handlungen, die zur Erhaltung, der Wiederherstellung und/oder Anpassung von physischen, psychischen, kognitiven und sozio-emotionalen Funktionen und Aktivitäten des täglichen Lebens nützlich sind.
Definition der „Pflege“ gemäß der WHO (Weltgesundheitsorganisation):
- Der gesellschaftliche Auftrag der Pflege ist es, dem einzelnen Menschen, der Familie und ganzen Gruppen dabei zu helfen, ihr physisches, psychisches und soziales Potenzial zu bestimmen und zu verwirklichen, und zwar in dem für die Arbeit anspruchsvollen Kontext ihrer Lebens- und Arbeitsumwelt. Deshalb müssen die Pflegenden Funktionen aufbauen und erfüllen, welche die Gesundheit fördern, erhalten und Krankheit verhindern.
Zur Pflege gehört auch die Planung und Betreuung bei Krankheit und während der Rehabilitation, und sie umfasst zudem die physischen, psychischen und sozialen Aspekte des Lebens in ihrer Auswirkung auf Gesundheit, Krankheit, Behinderung und Sterben.
Pflegende gewährleisten, dass der Einzelne und die Familie, seine Freunde, die soziale Bezugsgruppe und die Gemeinschaft ggf. in alle Aspekte der Gesundheitsversorgung einbezogen werden, und unterstützen damit Selbstvertrauen und Selbstbestimmung. Pflegende arbeiten auch partnerschaftlich mit Angehörigen anderer, an der Erbringung gesundheitlicher und ähnlicher Dienstleistungen beteiligter Gruppen zusammen.
1.7 Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen -gemäß dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und dem damaligen Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS)-
Artikel 1
Selbstbestimmung und Hilfe zur Selbsthilfe
Jeder hilfe- und pflegebedürftige Mensch hat das Recht auf Hilfe zur Selbsthilfe sowie auf Unterstützung, um ein möglichst selbstbestimmtes und selbstständiges Leben führen zu können.
Sie haben das Recht, dass Ihr Wille und Ihre Entscheidungen beachtet werden sowie auf Fürsprache und Unterstützung. Die an Ihrer Pflege, Betreuung und Behandlung beteiligten Personen müssen ihr Handeln danach ausrichten. Das gilt auch, wenn Sie Ihren Willen nicht durch Worte zum Ausdruck bringen können, sondern beispielsweise durch Ihr Verhalten. Wenn Ihre geistigen Fähigkeiten beeinträchtigt sind, haben Sie das Recht, Ihrem Verständnis entsprechend in Entscheidungen, die Sie betreffen, einbezogen und bei Entscheidungen unterstützt zu werden. Auch wenn Sie nicht alleine entscheiden oder Ihre Wünsche benennen können, muss in Ihrem Sinne gehandelt werden.
Dafür sollten die für Ihre Pflege, Betreuung und Behandlung zuständigen Personen Sorge tragen.
Sie können erwarten, dass mit Ihnen sowie gegebenenfalls Ihren Vertrauenspersonen abgestimmt wird, wie Ihre Ziele und Wünsche unter den rechtlichen und praktischen Möglichkeiten verwirklicht werden können. Das betrifft beispielsweise, wo Sie sich aufhalten und leben möchten, zu wem Sie Kontakt haben, wie Sie Ihren Tagesablauf gestalten und welchen Gewohnheiten Sie nachgehen, wie und wann Sie sich waschen oder was Sie essen. Wenn es Ihr gesundheitlicher Zustand erlaubt, muss gewährleistet sein, dass Sie Ihren Wohnraum jederzeit betreten, verlassen und abschließen können. Das gilt auch, wenn Sie in einer Einrichtung leben.
Sie haben das Recht, selbst zu entscheiden, welche Anbieter für die Pflege, Betreuung und Behandlung Sie nutzen, von wem Sie sich pflegen, betreuen und behandeln lassen und welche Maßnahmen dabei durchgeführt werden.
Sie haben das Recht auf Respektierung Ihrer Lebensweise und Ihrer geschlechtlichen Identität sowie auf Sexualität. Niemand darf Sie aufgrund Ihrer geschlechtlichen Orientierung diskriminieren. Sie haben das Recht, über Ihre intimen und sexuellen Beziehungen und Aktivitäten selbst zu entscheiden.
Sie haben das Recht auf Beratung und Unterstützung, um weitgehend unabhängig von der Hilfe anderer zu sein.
Die Hilfe, Pflege und Behandlung sollten so gestaltet werden, dass sie Ihre geistigen und körperlichen Fähigkeiten fördern, Ihre Lebensqualität und Ihr Wohlbefinden erhalten oder verbessern und Sie Ihren Alltag so weit wie möglich selbst bewältigen können.
Sie haben Anspruch auf Maßnahmen, die Ihre Situation verbessern, einer weiteren Verschlechterung vorbeugen oder Beeinträchtigungen kompensieren. Das gilt unabhängig von Alter, Behinderung, gesundheitlichen oder geistigen Beeinträchtigungen oder dem Ausmaß des Pflegebedarfs.
Dazu gehören zum Beispiel präventive Angebote wie Vorsorge-untersuchungen oder Impfungen, individuelle gesundheitsfördernde Anleitung, (fach-)ärztliche Versorgung, diagnostische Verfahren, medizinische Behandlungen und Rehabilitation. Darüber müssen Sie aufgeklärt und beraten werden.
Sie haben das Recht, selbst über Ihre finanziellen, behördlichen oder rechtsgeschäftlichen Angelegenheiten zu bestimmen. Dabei sollten Sie die erforderliche Unterstützung erhalten, wenn Sie etwa Anträge stellen, Formulare ausfüllen oder zu Behörden gehen. Personen, die Sie beraten und unterstützen, müssen in Ihrem besten Interesse handeln. Sie dürfen nichts tun, was Ihren Interessen widerspricht und Ihnen wirtschaftlich oder rechtlich schaden würde.
Artikel 2
Körperliche und seelische Unversehrtheit, Freiheit und Sicherheit
Jeder hilfe- und pflegebedürftige Mensch hat das Recht, vor Gefahren für Leib und Seele geschützt zu werden. Sie haben das Recht, vor Gewalt geschützt zu werden. Das heißt zum Beispiel: Niemand darf Sie gegen Ihren Willen pflegen oder behandeln. Niemand darf Sie grob anfassen, schubsen, schlagen, verletzen oder missbrauchen. Auch darf niemand Sie herabsetzen, beleidigen, Ihnen drohen oder Sie missachten.
Sie haben auch das Recht, vor körperlicher oder seelischer Vernachlässigung geschützt zu werden. Das heißt zum Beispiel, dass Sie die erforderliche Hilfe rechtzeitig bekommen und nicht unzumutbar lange warten müssen. Das gilt insbesondere, wenn Sie etwas essen oder trinken möchten, Schmerzen oder andere belastende Symptome haben, Ihre Ausscheidungen verrichten müssen, aufstehen, sich hinlegen oder bewegen möchten.
Wenn Sie dafür nicht selbst Sorge tragen können, müssen Sie zum Beispiel vor direkter Sonne, Zugluft oder mit angemessener Kleidung vor übermäßiger Kälte und Wärme geschützt werden.
Sie haben zudem das Recht, vor Schäden durch mangelnde, unsachgemäße oder nicht angezeigte Pflege und Behandlung geschützt zu werden. Die Fachleute müssen sorgfältig handeln. Zum Beispiel muss alles getan werden, um Sie vor Wundliegen oder Infektionen zu schützen. Ihre Medikamente müssen gewissenhaft und sachgemäß verordnet, gestellt und gegebenenfalls verabreicht werden. Sie können erwarten, dass Pflegende, Ärztinnen, Ärzte, Therapeutinnen und Therapeuten bei der Behandlung und Pflege besonders aufmerksam auf Neben- und Wechselwirkungen achten und rechtzeitig reagieren. Zum Schutz vor Gewalt gehört, dass keine freiheitseinschränkenden Maßnahmen angewendet werden. Das heißt: Niemand darf Sie an Bewegung hindern, etwa durch Einschließen, Angurten oder Verabreichen ruhigstellender Medikamente ohne medizinische Notwendigkeit. Solche Maßnahmen dürfen nur angewendet werden, wenn eine Gefahr nicht anders abgewendet werden kann. Dafür ist Ihre Zustimmung erforderlich. Wenn Sie nicht einwilligungsfähig sind, muss die Person, die Sie bevollmächtigt haben oder Sie rechtlich vertritt, gefragt und eine richterliche Genehmigung eingeholt werden.
Nur bei akuter Gefahr für Leib und Leben sind freiheitseinschränkende Maßnahmen ohne richterliche Genehmigung kurzzeitig erlaubt. Da diese schwerwiegenden Eingriffe gesundheitliche Gefahren mit sich bringen, müssen dafür qualifizierte Personen Sie währenddessen kontinuierlich beobachten. Zudem ist regelmäßig zu prüfen, ob die Maßnahme noch erforderlich oder gerechtfertigt ist.
Artikel 3 Privatheit
Jeder hilfe- und pflegebedürftige Mensch hat das Recht auf Wahrung und Schutz seiner Privat- und Intimsphäre.
Sie haben das Recht, dass Ihrem persönlichen Lebensbereich mit Achtsamkeit und Respekt begegnet wird. Das gilt unabhängig davon, ob Sie in einer Privatwohnung oder in einer Einrichtung leben. Dazu gehört, dass Personen, die Ihre Räume betreten wollen, klingeln oder anklopfen und Ihre Antwort abwarten, wenn Sie sich äußern können. Sie haben das Recht, zu bestimmen, wer Ihre Räume betritt. Dazu gehört auch, dass Sie jederzeit Besuch empfangen oder abweisen können.
Sie müssen die Möglichkeit haben, einige Zeit allein zu sein sowie ungestört kommunizieren zu können - auch wenn Sie in einer Einrichtung leben und nicht über ein Einzelzimmer verfügen. Sie können erwarten, dass Ihnen ein vertrauliches Gespräch mit einer medizinisch, psychologisch oder seelsorgerisch ausgebildeten Person vermittelt wird, sofern Sie dies wünschen.
In einer Einrichtung sollten Sie Ihren persönlichen Lebensbereich mit persönlichen Gegenständen wie Kleinmöbeln und Bildern ausstatten und eigene Tisch- und Bettwäsche verwenden können.
Zudem sollten Sie Ihre Wertgegenstände sicher verwahren können, zum Beispiel in einem abschließbaren Schrank.
Sie können erwarten, dass pflegende und behandelnde Personen möglichst einfühlsam und diskret sind. Sie müssen Ihre Intimsphäre und persönlichen Schamgrenzen beachten. Wenn Ihnen die Pflege oder Behandlung durch eine bestimmte Person unangenehm ist, müssen Sie dies nicht hinnehmen. Sie können erwarten, dass seitens der Institutionen alle organisatorischen Möglichkeiten ausgeschöpft werden, damit Ihnen Personen zugeteilt werden, durch die Sie sich angemessen behandelt und in Ihren Belangen beachtet fühlen. Ohne Ihre Zustimmung darf niemand Ihre Briefe oder elektronischen Nachrichten in Empfang nehmen, öffnen oder lesen. Sollten Sie dabei sowie beim Schreiben oder Versenden Hilfe benötigen, bestimmen Sie, welche Person Ihres Vertrauens Sie dabei unterstützen soll.
Dies können Sie für den Fall, dass Sie zu einem späteren Zeitpunkt nicht entscheidungsfähig sind, in einer Vorsorgevollmacht festlegen.
Mit Ihren Daten und Dokumenten ist vertraulich umzugehen. Die Unterlagen und Daten, die Sie betreffen, dürfen nur mit Ihrer Zustimmung oder der Person, die Sie bevollmächtigt haben oder Sie rechtlich vertritt, und auf der Grundlage gesetzlicher Bestimmungen erhoben, gespeichert und verarbeitet werden.
Das Recht auf Wahrung und Schutz Ihrer Privat- und Intimsphäre kann abhängig vom Ausmaß Ihres Hilfebedarfs und den Rahmenbedingungen in Einrichtungen nicht immer vollständig gewährleistet werden. Gleichwohl muss es Ziel aller an der Pflege, Betreuung und Behandlung Beteiligten sein, die Einschränkungen so gering wie möglich zu halten.
Artikel 4
Pflege, Betreuung und Behandlung
Jeder hilfe- und pflegebedürftige Mensch hat das Recht auf eine an seinem persönlichen Bedarf ausgerichtete, gesundheitsfördernde und qualifizierte Pflege, Betreuung und Behandlung.
Sie haben das Recht auf eine fachlich kompetente und zugewandte Pflege, Betreuung und Behandlung. Sie können erwarten, dass das für Sie eingesetzte Personal die notwendige Qualifikation aufweist, die der jeweiligen Aufgabe und Ihrem Bedarf entspricht.
Die Methoden und Maßnahmen müssen dem aktuellen Stand medizinischer und pflegerischer Erkenntnisse entsprechen.
Sie haben das Recht, hierüber auf Wunsch umfassend informiert zu werden. Sie können erwarten, dass sich Ihre Pflege, Betreuung und Behandlung an Ihren Bedürfnissen, Erfahrungen, Fähigkeiten und Beeinträchtigungen ausrichten. Dazu gehört auch, dass Ihre Gewohnheiten berücksichtigt werden, etwa bei Ruhe- und Schlafenszeiten, der Körperhygiene oder der Bekleidung.
Sie haben Anspruch darauf, dass Ihre Pflege - sofern möglich - mit Ihnen abgestimmt wird sowie zielgerichtet und geplant erfolgt. Sowohl die Ziele und Maßnahmen als auch die Ergebnisse der Pflege müssen dokumentiert, in regelmäßigen Abständen überprüft, gegebenenfalls neu formuliert und mit Ihnen besprochen werden.
Sie können erwarten, dass Sie feste, mit Ihrer Situation vertraute und für all Ihre Belange zuständige Ansprechpersonen für die Pflege, Betreuung und Behandlung haben.
Der Wechsel des für Sie eingesetzten Personals ist so gering wie möglich zu halten.
Sie haben Anspruch darauf, dass pflegerische Angebote Sie dabei unterstützen, ein möglichst selbstständiges und selbstbestimmtes Leben führen zu können. Hierfür werden Sie angeleitet, Ihre Fähigkeiten zu erhalten oder wiederzuerlangen. Dazu gehört, dass Ihre Bewegungsfähigkeit und Ihr Bedürfnis, sich zu bewegen, unterstützt und gefördert werden, es sei denn, medizinische Gründe sprechen dagegen. Zudem haben Sie Anspruch auf Unterstützung, um an Hilfsmittel zu gelangen, die zu mehr Selbstständigkeit beitragen, zum Beispiel um alleine gehen oder selbstständig essen und trinken zu können.
Sie können erwarten, dass Ihre Vorlieben und Abneigungen beim Essen und Trinken beachtet werden. Die Speisen müssen Ihren Bedürfnissen entsprechend ausreichend, altersgerecht und gesundheitsförderlich angeboten werden. Sie sollten auch appetitanregend angerichtet werden. Sie können erwarten, dass Ihnen Mahlzeiten auf Wunsch auch außerhalb der regulären Essenszeiten bereitgestellt werden. Zwischenmahlzeiten und Getränke sollten Ihnen jederzeit zur Verfügung stehen. Besonders wenn Sie immobil sind, können Sie erwarten, dass Lebensmittel in Ihre Nähe gestellt werden, damit Sie jederzeit etwas trinken und essen können.
Sofern Sie Hilfe beim Essen und Trinken benötigen, haben Sie Anspruch darauf, dass man Ihnen die von Ihnen gewünschte Menge in der von Ihnen dafür benötigten Zeit darreicht.
Bei Ernährungsproblemen müssen anerkannte medizinische und ethisch-rechtliche Richtlinien zum Umgang hiermit beachtet werden. Eine künstliche Ernährung über eine Sonde oder eine Infusion darf nur mit Ihrer Zustimmung bzw. mit Zustimmung der Person erfolgen, die Sie bevollmächtigt haben oder Sie rechtlich vertritt.
Sie haben das Recht auf fachgerechte Behandlung und bestmögliche Linderung belastender Beschwerden wie akute und chronische Schmerzen, Atemnot und Übelkeit.
Dazu gehört, dass im Rahmen Ihrer Pflege, Betreuung und Behandlung Anzeichen dafür erkannt und angemessene Therapien durchgeführt und gegebenenfalls koordiniert werden. Das schließt auch die fachärztliche Versorgung ein.
Alle an Ihrer Pflege, Betreuung und Behandlung Beteiligten sollten in Ihrem Interesse miteinander kommunizieren, kooperieren und ihre Leistungen eng aufeinander abstimmen. Das bedeutet zum Beispiel, dass Informationen, die für Ihre Pflege, Betreuung und Behandlung relevant sind, untereinander ausgetauscht werden. Dabei müssen die gesetzlichen Datenschutzbestimmungen beachtet werden. Ihre Daten dürfen nur weitergeleitet werden, wenn Sie dem zugestimmt haben.
Sie können erwarten, dass Ihnen nahestehende Personen sowie ehrenamtlich Helfende in Ihre Pflege, Betreuung und Behandlung einbezogen werden - soweit Sie dies wünschen. Das bedeutet zum Beispiel, dass die von Ihnen benannten Personen über Maßnahmen und Veränderungen informiert werden, die Ihre Pflege und Gesundheit betreffen, und in Entscheidungen sowie entsprechende Beratungs-gespräche einbezogen werden. Die Erfahrungen und Vorstellungen Ihrer pflegenden Angehörigen sind vom verantwortlichen Personal aufzunehmen und zu respektieren, solange Ihre Bedürfnisse dabei beachtet werden und die erforderliche Versorgung gewährleistet ist.
Sie haben das Recht, sich zu beschweren.
Sie können erwarten, dass die Leitung und das Personal schnell und einfühlsam auf Ihre Kritik und Anregungen reagieren und diese auf Wunsch vertraulich behandeln. Niemand darf Sie aufgrund Ihrer Beschwerde benachteiligen oder schlechter behandeln. Sie haben Anspruch darauf, zeitnah Informationen darüber zu erhalten, was aufgrund der Beschwerde geschehen ist oder geschehen wird.
Artikel 5
Information, Beratung und Aufklärung
Jeder hilfe- und pflegebedürftige Mensch hat das Recht auf umfassende Informationen über Möglichkeiten und Angebote der Beratung, der Hilfe und Pflege sowie der Behandlung.
Sie haben das Recht auf fachlich kompetente, umfassende, unabhängige und individuelle Beratung und Aufklärung über Ansprüche und Angebote zur Pflege, Betreuung und Behandlung. Dazu gehören auch Informationen über Möglichkeiten des Wohnens und der Anpassung des Wohnraums. Sie können sich außerdem beraten lassen, welche Entlastungsangebote für Ihre pflegenden Angehörigen zur Verfügung stehen, zum Beispiel Kurzzeit- oder Verhinderungspflege, Auszeiten zur Vereinbarkeit von Beruf und Pflege sowie zur Sterbebegleitung. Sie können erwarten, dass die Beratung Sie unterstützt, sich bei der Bewältigung der Pflegebedürftigkeit so gut wie möglich selbst zu helfen, selbstbestimmt über die Pflege zu entscheiden, Gesundheitsproblemen vorzubeugen und die Versorgung für Sie bestmöglich zu organisieren. Die Beratung soll sich nach Ihrer Lebenssituation, Ihrem Umfeld und Ihren Wertvorstellungen richten. Die Ziele der Beratung sollten mit Ihnen abgestimmt werden.
Sie können erwarten, dass Ihnen eine für Sie zuständige Ansprechperson für die Beratung benannt wird. Sie können diese auf Wunsch wechseln oder auch einen anderen Anbieter nutzen.
Ihre pflegenden Angehörigen haben Anspruch auf kostenfreie Anleitung und Schulung zur Pflege, um Sie so kompetent und sachgerecht wie möglich versorgen zu können.
Sie haben das Recht auf umfassende und verständliche Informationen über Leistungen, Qualität und Preise von professionellen Pflegeangeboten. Es muss auch klar erkennbar sein, welche Kosten von der Pflegekasse bzw. der privaten Pflegeversicherung übernommen werden. Die im Pflege- oder Wohn- und Betreuungsvertrag individuell vereinbarten Leistungen und Entgelte sind verbindlich. Daher müssen Sie vor Abschluss oder einer Änderung des Vertrages umfassend über dessen Inhalte sowie die Möglichkeit zukünftiger Änderungen informiert werden. Dazu gehört auch, dass man Ihnen das Leistungsspektrum mit Preisangaben, ein Vertragsmuster und gegebenenfalls eine Hausordnung vorab zur Verfügung stellt.
Zu Ihrem Recht auf Information und Aufklärung gehört, dass mit Ihnen offen, verständlich und einfühlsam über Diagnosen sowie medizinische, pflegerische und therapeutische Maßnahmen, mögliche Risiken und Alternativen gesprochen wird.
Sie haben auch das Recht, verständlich und umfassend über Wirkungen, Neben- und Wechselwirkungen von Medikamenten aufgeklärt zu werden. Das gilt auch für Ihre Mitwirkung an Forschungsvorhaben.
Sie haben das Recht, vor Behandlungen, deren Wirksamkeit und Sicherheit nicht wissenschaftlich begründet sind, umfassend über Durchführungsbedingungen, Nutzen, Risiken und Alternativen aufgeklärt zu werden. Wenn Sie sich nicht beteiligen wollen, dürfen Ihnen keine Nachteile entstehen. Sollten Sie selbst nicht in der Lage sein, zu entscheiden, ist in jedem Einzelfall die Zustimmung der Person einzuholen, die Sie bevollmächtigt haben oder Sie rechtlich vertritt. Diese darf aber nur zustimmen, wenn zu erwarten ist, dass die Mitwirkung an dem Forschungsvorhaben für Ihre Gesundheit förderlich ist.
Sie müssen jederzeit Sie betreffende pflegerelevante oder medizinische Unterlagen einsehen und Kopien anfertigen lassen können. Dieses Recht gilt auch für Personen, die Sie dazu ermächtigt haben oder Sie rechtlich vertreten.
Artikel 6
Wertschätzung, Kommunikation und Teilhabe an der Gesellschaft
Jeder hilfe- und pflegebedürftige Mensch hat das Recht auf Wertschätzung, Austausch mit anderen Menschen und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.
Sie haben das Recht, dass Ihnen mit Wertschätzung und Respekt begegnet wird. Dazu gehört auch, dass Sie stets mit Ihrem Namen angesprochen werden.
Sie können erwarten, dass Ihre Bedürfnisse und Erfordernisse zur Kommunikation wie langsames und deutliches Sprechen oder Gestikulieren berücksichtigt werden und gegebenenfalls eine Sprach-Übersetzung einbezogen wird. Falls Sie Hilfsmittel wie Hörgeräte oder Schreibhilfen benötigen, können Sie erwarten, dass Ihnen geholfen wird, diese zu beschaffen und sachgerecht zu benutzen.
Sie haben das Recht, Ihren Alltag so zu gestalten, wie es Ihren Interessen und Fähigkeiten entspricht, und am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Dazu gehört auch die Möglichkeit, sich entsprechend beruflich oder ehrenamtlich zu engagieren. Zudem haben Sie Anspruch auf freien Zugang zu Informations- und Bildungsangeboten, einschließlich Politik, Zeitgeschehen und Kultur. Hierfür können Sie Unterstützung erwarten. Pflegende und betreuende Personen sollten gemeinsam mit Ihnen oder den Personen, die Sie vertreten, nach Möglichkeiten suchen, wie Ihr Alltag strukturiert und entsprechend Ihren Wünschen und Bedürfnissen nach Beschäftigung und gesellschaftlicher Teilhabe gestaltet werden kann.
Zugleich muss aber auch Ihr Wunsch respektiert werden, Angebote zur Tagesgestaltung und Teilhabe nicht zu nutzen.
Wenn Sie in einer Einrichtung leben, haben Sie das Recht, selbst oder über Mitwirkungsgremien wie den Bewohnerbeirat auf Entscheidungen, die das Leben in der Einrichtung betreffen, Einfluss zu nehmen, zum Beispiel bei der Erstellung des Speiseplans oder der Freizeitgestaltung.
Ferner haben Sie das Recht, sich über die Bewohnervertretung an der Vorbereitung von betrieblichen Maßnahmen zu beteiligen. Die Leitung der Einrichtung und die Bewohnervertretung müssen Sie über Ihre Mitsprache- und Beteiligungsrechte informieren.
Sie haben das Recht, Ihre Mitwirkungsrechte als Bürgerin oder Bürger wahrzunehmen, vor allem an den allgemeinen politischen Wahlen teilzunehmen. Bei körperlichen Beeinträchtigungen können Sie sich bei den Wahlen von einer von Ihnen benannten Person unterstützen lassen und/oder per Briefwahl wählen. Diese Person ist verpflichtet, Ihre Entscheidungsfreiheit zu gewährleisten und Ihre Wahlentscheidung geheim zu halten.
Artikel 7
Religion, Kultur und Weltanschauung
Jeder hilfe- und pflegebedürftige Mensch hat das Recht, seiner Kultur und Weltanschauung entsprechend zu leben und seine Religion auszuüben.
Sie können erwarten, dass Ihre kulturellen, weltanschaulichen und religiösen Werte, Gewohnheiten und Bedürfnisse bei der Pflege, Betreuung und Behandlung im Sinne einer kultursensiblen Pflege so weit wie möglich berücksichtigt werden. Sofern Sie Rituale oder religiöse Handlungen wie Beten, Fasten oder Waschungen ausüben möchten, sollten Sie die erforderliche Unterstützung dafür erhalten. Wenn Sie dies wünschen, sollte eine Person hinzugezogen werden, die Ihre Religionsgemeinschaft oder Ihre Weltanschauung vertritt.
Artikel 8
Palliative Begleitung, Sterben und Tod
Jeder hilfe- und pflegebedürftige Mensch hat das Recht, in Würde zu sterben.
Sie haben das Recht auf individuelle Sterbebegleitung.
Sie können erwarten, dass an Ihrem Lebensende alles getan wird, um den Sterbeprozess Ihren Wünschen entsprechend für Sie so würdevoll und erträglich wie möglich zu gestalten. Dazu gehört, dass wirkungsvolle Maßnahmen und Mittel gegen Schmerzen und andere belastende Symptome angewendet werden. Außerdem sollte Ihnen psychologische oder seelsorgerische Sterbebegleitung vermittelt werden, wenn Sie das wünschen. Sie können erwarten, dass alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, damit Sie in einer Umgebung sterben können, die Ihren Vorstellungen am ehesten entspricht. Das gilt unabhängig davon, ob Sie Ihre letzte Lebenszeit in einer Privatwohnung oder einer Einrichtung verbringen Sie können erwarten, dass Ärztinnen, Ärzte und Pflegende - soweit Sie dies wünschen - Ihnen nahestehende Personen in die Sterbebegleitung einbeziehen und dabei professionell unterstützen.
Sie haben das Recht, selbst darüber zu bestimmen, ob und in welchem Ausmaß eine Behandlung oder lebensverlängernde Maßnahmen angesichts des nahenden Todes begonnen, fortgeführt oder unterlassen werden. Allerdings darf niemand Ihr Sterben herbeiführen, auch wenn Sie ausdrücklich danach verlangen. Sie haben Anspruch darauf, dass Ihre Vorausverfügungen beachtet werden, wenn Sie Ihren Willen nicht mehr äußern können.
Auch Verstorbene haben das Recht, mit Respekt behandelt zu werden. Sie können erwarten, dass Personen, die Ihnen nahestehen, ausreichend Zeit gegeben wird, um Abschied zu nehmen. Sie haben auch das Recht, im Voraus zu bestimmen, wie Sie nach Ihrem Tod behandelt werden und wie mit Ihrem Leichnam umgegangen werden soll. Das betrifft beispielsweise die Aufbahrung, die Art der Bestattung oder ob Ihr Körper wissenschaftlichen Zwecken zur Verfügung gestellt werden soll. Auch über die Organspende können Sie bestimmen, zum Beispiel mit einem Organspendeausweis.
- Bürgertelefon zur deutschen Krankenversicherung 030 3 40 60 66-01
- Bürgertelefon zur deutschen Pflegeversicherung 030 3 40 60 66-02
- Bürgertelefon zur gesundheitlichen Prävention in Deutschland 030 3 40 60 66-03
- Beratungsservice für Gehörlose und Hörgeschädigte (Deutschland) 030 3 40 60 66-07 Telefax 030 3 40 60 66-08 ISDN-Bildtelefon info.gehoerlos@bmg.bund.de
Quelle: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend; Referat Öffentlichkeitsarbeit, Einheitliche Behördennummer: 115*, Artikelnummer: 3BR06, Stand: Februar 2020, 14. Auflage. Gestaltung: www. zweiband.de, Druck: MKL Druck GmbH & Co. KG, Ostbevern
Link: https://www.bmfsfj.de/resource/blob/93450/534bd1b2e04282ca14bb72 5d684bdf20/charta-der-rechte-hilfe-und-pflegebeduerftiger-menschen- data.pdf?msclkid=bc2c0b8bb28d11eca65c767fc67b9f00
1.8 Von der Pflegetheorie zum Pflegeprozess
Florence Nightingale ist die erste Person gewesen, welche die Pflege als eigenständigen Bereich neben der Medizin betrachtet und ihre Ansichten in ihrem Werk „Notes on Nursing“ (1859) verschriftlicht hat.
Die Pflegekraft Virginia Henderson veröffentlichte Anfang 1950 in den USA ihre Theorie von Pflege im Kontext der Gleichberechtigung des Berufsbildes Pflege zu anderen Berufgruppen.
Die im deutschsprachigen Raum häufig genutzten Pflegetheorien nach Pflegewissenschaftlerin Nancy Roper, Ordensschwester Liliane Juchli und Frau Professor Doktor Monika Krohwinkel basieren auf den Grundprinzipien von Virginia Henderson.
1.8.1 Grundbedürfnisse des Menschen nach Virginia Henderson
1 (normales) Atmen
2 (angemessenes) Essen und Trinken
3 Körperausscheidungen (beseitigen)
4 Bewegung und (angemessene) Körperhaltung
5 Ruhe und Schlaf
6 Auswahl (angemessener) Kleidung incl. An- , Um- und Auskleiden)
7 Körpertemperatur (im Normalbereich halten)
8 Körper- und Hautpflege
9 eigene und Fremdgefährdung wahrnehmen
10 Kommunikation (auch mit anderen zum Austausch von Emotionen)
11 Ausübung des Glaubens
12 Arbeiten
13 Freizeitgestaltung und -aktivität
14 Lebenslanges Lernen (durch gesundheitsfördernde Wissbegierde)
1.8.2 Aktivitäten des täglichen Lebens nach Nancy Roper/Liliane Juchli u.a.
1 Atmen
2 Essen und Trinken
3 Ausscheidung
4 Kontrolle der Körpertemperatur
5 Körperpflege sowie An-, Um- und Auskleiden
6 Schlaf
7 Bewegung
8 Sterben
9 Sich eine sichere Umgebung schaffen und erhalten
10 Kommunikation
11 Persönliches und individuelles Waschen und Anziehen
12 Sexualität ausdrücken und ausleben
Diese 12 Aktivitäten des Lebens (ATL) berücksichtigen nicht nur den den jeweiligen Krankheitsverlauf bzw. -prozess sondern berücksichtigen auch die Ursache(n) der jeweiligen Erkrankung(en) im Kontext der sozio-emotionalen Einflussfaktoren (Biografie, Beruf u.a.).
1.8.3 Das Strukturmodell nach Monika Krohwinkel
Das Modell der ganzheitlichen fördernden Prozesspflege nach Monika Krohwinkel ist kein Pflegemodell, sondern ein Strukturierungsmodell. Dieses Strukturmodell mit den 13 AEDLs wird von den Anwendern (z.B. Pflege- und Betreuungskräfte) im Kontext der Klienten- sowie Fähigkeits-orientierten Pflege und Betreuung genutzt, um der ganzheitlichen Betrachtungsweise der Klienten umfassend gerecht zu werden.
Das konzeptuelle System beinhaltet
- das Rahmenmodell
- das Pflegeprozessmodell
- ein Strukturierungsmodell
- ein Managementmodell
- das Modell zum reflektierten Erfahrungslernen.
Aktivitäten und existentielle Erfahrungen des Lebens realisieren können nach Monika Krohwinkel
1 Kommunizieren können
2 Sich bewegen können
3 Vitale Funktionen aufrecht erhalten können
4 Essen und Trinken können
5 Ausscheiden können
6 Sich pflegen könenn
7 Sich kleiden können
8 Ruhen, schlafen und sich entspannen können
9 Sich beschäftigen, lernen und sich entwickeln können
10 Sich als Frau oder Mann fühlen und verhalten können
11 Für eine sichere und fördernde Umgebung sorgen können
12 soziale Beziehungen und Bereiche sichern und getalten können
13 Mit Existenz-fördernden und Existenz-gefährdenden Erfahrungen umgehen können
Monika Krohwinkel hat mit dem 13. AEDL den individuellen existentiellen Erfahrungen, den willentlich-emotionalen Dimensionen der Unabhängigkeit und dem persönlichen Wohlbefinden die Ganzheitlichkeit der menschlichen Betrachtungsweise in der (Alten-) Pflege bereits 1984 mit der Veröffentlichung dargestellt bzw. berücksichtigt.
Im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit entwickelte sie das konzeptionelles Modell des ganzheitlichen rehabiltativen Pflegeprozesses weiter und aus den AEDL sind die ABEDL entstanden.
- Aktivitäten des Lebens incl. existentieller Erfahrungen sowie
- Bedürfnisse/soziale Beziehungen und
- existentielle Erfahrungen
- des/r täglichen
- (individuellen) Lebens (-gestaltung) im Kontext der Selbstpflegefähigkeiten und Ressourcen. in der Fassung 2007/2008 von © Monika Krohwinkel 1993:
Der Mensch benötigt selbst Fähigkeiten und er benötigt Ressourcen aus der Umgebung, um als Person
I Aktivitäten des Lebens zu realisieren und hierbei mit existenziellen Erfahrungen umgehen zu können
1 kommunizieren zu können
2 sich bewegen zu können
3 vitale Funktionen aufrechterhalten zun können
4 sich pflegen zu können
5 sich kleiden zu können
6 ausscheiden zu können
7 essen und trinken zu können
8 ruhen, schlafen und sich entspannen zu können
9 sich beschäftigen; lernen, sich entwickeln zu können
10 die eigene Sexualtiät leben zu können
II für eine sichere und fördernde Umgebung sorgen zu können
II Soziale Beziehungen sichern und gestalten und dabei mit existentiellen Erfahrungen umgehen zu können
1 im Kontakt sein und bleiben zu können (mit sich und mit anderen)
2 fördernde Beziehungen erhalten, erlangen, wiedererlangen zu können
3 mit Belastungen in Beziehungen umgehen zu können
III mit existenziellen Erfahrungen umgehen und sich hierbei entwickeln zu können
1 fördernde Erfahrungen zu machen
2 mit belastenden und und gefährdenden Erfahrungen umgehen zu können
3 Erfahrungen, welche die Existenz fördern oder gefährden, unterscheiden zu können
4 lebensgeschichtliche Erfahrungen einbeziehen zu können
5 Sinn finden zu können
Soziale Bereiche sichern und zu gestalten und dabei mit existenziellen Erfahrungen umgehen zu können.
1.8.4 Das Strukturmodell in Deutschland
(SIS® =Strukturierte Informationssammlung)
Gesetzmäßigkeit: Maßstäbe und Grundsätze zur Sicherung und Weiterentwicklung der Pflegequalität gemäß §113 SGB XI 2015 wurde zur Vereinfachung des Pflegedokumentationsaufwand bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der hohen Qualitätsstandards vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) das sogenannte 4 Elemente Strukturmodell eingeführt.
Mit der Einführung der SIS® wird der Paradigmenwechsel (weg) von zeitaufwendigen Beschreibungsmodellen und (besser:) hin zum Perso- nen-zentrierten Ansatz deutlich.
Der Personen-zentrierte Ansatz der SIS® basiert auf der Theorie des amerikanischen Psychotherapeuten Carl Rogers (1902-1987).
Mittels seiner Klienten-zentrierten Gesprächstherapie treten Ratschläge und Bewertungen des Therapeuten in den Hintergrund und werden durch aktives Zuhören, Empathie und einer nicht direktiven Verhaltensweise ersetzt. Im Mittelpunkt steht der Klient mit seinen Gefühlen, seinen Wünschen, seinen Wertevorstellungen und seinen Zielen.
„Humanismus ist eine Philosophie und eine Weltanschauung, die sich an den Interessen, den Werten und der Würde insbesondere des einzelnen Menschen orientiert. Toleranz, Gewaltfreiheit und Gewissensfreiheit gelten als wichtige Prinzipien menschlichen Zusammenlebens.“ Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Humanistisch, 2005
Charakteristik des 4 Elemente Strukturmodells (SIS®)
„Die Dokumentationspraxis wird auf einen vierstufigen Pflegeprozess und eine systematische Berücksichtigung der persönlichen Perspektiven der Pflegebedürftigen ausgerichtet.
Den Einstieg in den Pflegeprozess bildet die Strukturierte Informationssammlung (SIS®). In der SIS® werden die Wünsche der Pflegebedürftigen, die Beurteilung der Pflege- und Betreuungsbedarfe durch die Pflegefachkraft sowie die individuellen pflegerelevanten Risiken dokumentiert.
Die fachliche Beurteilung zur Einschätzung der Pflege- und Betreuungssituation erfolgt anhand von fünf bzw. sechs Themenfeldern, in die sich nach Ergebnissen der Pflegeforschung alle relevanten Hilfe- und Pflegebedarfe einordnen lassen.
Die Benennung dieser Themenfelder nimmt bewusst Bezug auf die Module des seit 2017 geltenden Begutachtungsinstruments, um die Orientierung der Pflegeeinrichtungen auf den Pflegebedürftigkeitsbegriff zu unterstützen.
Die Erfassung des individuellen Pflege- und Betreuungsbedarfs im Rahmen des Pflegeprozesses nimmt jedoch eine breitere Perspektive ein als die Begutachtung.
Das sechste Themenfeld gilt im ambulanten Sektor der Pflegeorganisa- tion in Absprache mit der Familie („Haushaltsführung“), im stationären Bereich liegt der Schwerpunkt auf Aspekten einer individuellen Wohnsituation („Wohnen/Häuslichkeit“).
Aus den in der SIS® dokumentierten Erkenntnissen ergeben sich im nächsten Schritt die Maßnahmenplanung sowie die Festlegung von Evaluationsdaten.
Im Berichteblatt werden vor allem auftretende Abweichungen von der geplanten grundpflegerischen Versorgung und Betreuung dokumentiert -dadurch wird nicht nur „Schreibaufwand“ gespart, sondern relevante akute Veränderungen können schneller erkannt werden.
In der Folge kann in der stationären Pflege auf die Einzeldokumentation von wiederkehrenden Abläufen der Grundpflege und Betreuung verzichtet werden, sofern diese im Qualitätshandbuch (detailliert) beschrieben sind.
An die Stelle von schematischen Dokumentationsroutinen setzt das Konzept des Strukturmodells auf die fachliche Kompetenz der Pflegenden.“
Quelle: Homepage Bundesministerium für Gesundheit, Stand: 30. November 2021, Einführung des Strukturmodells zur Entbürokratisierung der Pflegedokumentation.
Konkret:
- Einstieg in den Pflegeprozess (neu: vier Schritte, statt bisher sechs) erfolgt mittels der Strukturierten Informationssammlung (SIS®), sie umfasst sechs Themenfelder
- Ablösung der bisherigen Pflegemodellvielfalt mit bis zu 14 Themenfeldern
- Einschätzung der Risiken erfolgt unter Anerkennung der fachlichen Kompetenz der Pflegekräfte in einer neu entwickelten Matrix direkt in der SIS®
- die pflegebedürftige Person und deren Bedürfnisse stehen im Fokus, es werden explizit die Wünsche des Pflegekunden erfasst, wodurch sich dadurch konsequenterweise eine Neuorientierung mit neuen Verantwortlichkeiten in der individuellen Maßnahmenplanung ergeben
- angestrebt wird eine bundesweit einheitliche Anwendung der SIS®
- Entbürokratisierung der Pflegedokumentation mit den Zielen:
- Entlastung und Motivationssteigerung der Pflegekräfte durch eine schlanke Pflegedokumentation, die fachlichen Kriterien standhält und gleichzeitig übersichtlich, praxistauglich und zeitschonend ist
- mehr Zeit für die direkte Pflege und Betreuung hilfe- und pflegebedürftiger Menschen
- Impulse zur Gesundheitsförderung, weil die Pflegedokumentation die Kompetenz der Pflegekräfte stärkt und nicht mehr zusätzlicher Belastungsfaktor im beruflichen Alltag ist
Quelle: Homepage Bundesministerium für Gesundheit, Stand: 30. November 2021, Einführung des Strukturmodells zur Entbürokratisierung der Pflegedokumentation.
Gliederung des 4 Elemente Strukturmodells (analog dem PDCA-Zyklus)
- Element 1 (Plan)
SIS® mit den Kernelementen:
- Eigeneinschätzung der pflegebedürftigen Person (Fragestellungen: Was bewegt Sie im Augenblick?
- Was brauchen Sie?
- Was können wir für Sie tun?)
- 6 Themenfelder zur fachlichen Einschätzung durch die Pflegefachkraft
- Matrix zur Ersteinschätzung pflegesensitiver Risiken/Phänomene (Risikomatrix)
- Element 2 (Do)
Individueller Maßnahmenplan
- auf Grundlage der Erkenntnisse aus der SIS®
- Element 3 (Check)
Berichteblatt
- mit Fokussierung auf aktuelle Ereignisse, Abweichungen vom Maßnahmenblatt, Informationen durch weitere Beteiligte
- Element 4 (Act)
Festlegung von individuellen Evaluationsdaten und Zeiträumen aus
Erkenntnissen
- der SIS®
- des Maßnahmenplanes
- des Berichteblattes
Die Themenfelder der SIS sind:
- Kognitive und kommunikative Fähigkeiten
Leitfrage:
Inwieweit ist die pflegebedürftige Person in der Lage, sich zeitlich, persönlich und örtlich zu orientieren und zu interagieren sowie Risiken und Gefahren zu erkennen?
- Gestaltung Tagesablauf
- Wach-Schlaf-Rhythmus
- Erkennen von Personen, Sinne (Tasten, Hören und Gleichgewichtssinn, Sehen, Riechen, Schmecken),
- Zurechtfinden (Umgebung, Räume)
- zeitliche Strukturen
- Ausführen von Handlungen, Entscheidungen treffen, Risiken erkennen
- biografischer Bezug zum erwarteten Hilfebedarf und zum Problem der gesundheitlichen Einschränkung
- Mobilität und Beweglichkeit
Leitfrage:
Inwieweit ist die pflegebedürftige Person in der Lage, sich frei und selbständig innerhalb und außerhalb der Wohnung bzw. des Wohnbereichs zu bewegen?
- Bewegung von bzw. zu einem anderen Ort, Hilfsmittel
- Unterstützung von Personen, Transfer, Bettlägerigkeit, Veränderung der Körperposition
- körperliche Beeinträchtigungen, Schmerzen, Motivation zur Bewegung
- biografischer Bezug zum erwarteten Hilfebedarf und zum Problem der gesundheitlichen Einschränkung
- Krankheitsbezogene Anforderungen und Belastungen
Leitfrage:
Inwieweit liegen krankheits- und therapiebedingte sowie für Pflege- und Betreuung relevante Einschränkungen bei der pflegebedürftigen Person vor?
- Medikamente (besorgen, stellen, einnehmen, wird die Notwendigkeit eingesehen)
- Umgang mit Prothesen, Orthesen, Brillen, Hörgeräten, orthopädischen Schuhen, Kompressionsstrümpfen, Wundversorgungen, Schmerzen, Inkontinenz
- Unterstützung bei Arzt-/Therapeutenkontakten und Behandlungspflegen
- biografischer Bezug zum erwarteten Hilfebedarf und zum Problem der gesundheitlichen Einschränkung
- Selbstversorgung
Leitfrage:
Inwieweit ist die Fähigkeit der pflegebedürftigen Person zur Körperpflege, zum Kleiden, zur Ernährung und zur Ausscheidung eingeschränkt?
- Selbständigkeit, Unterstützungsbedarfe, Vorlieben, Abneigungen bei Körperpflege, An-/Auskleiden, Essen/Trinken, Mund-/Zahn- probleme, Toilettenbenutzung/-stuhl, Inkontinenzprodukte
- kulturelle und religiöse Aspekte
- biografischer Bezug zum erwarteten Hilfebedarf und zum Problem der gesundheitlichen Einschränkung
- Leben in sozialen Beziehungen
Leitfrage:
Inwieweit kann die pflegebedürftige Person Aktivitäten im näheren Umfeld und im außerhäuslichen Bereich selbst gestalten?
- Aktivitäten, Beschäftigungen (körperlich, kognitiv)
- Planungen/Termine, Kontakte (Familie, Nachbarn, Freundschaften)
- soziale Isolation
- Unterstützungssysteme, Umgang mit positiven/belastenden Erfah-
[...]
- Citar trabajo
- Sabine Schmidt (Autor), 2022, Personen- und Klienten-zentrierte Pflege und Betreuung (Zusatzqualifizierung für Präsenz- und Betreuungskräfte gemäß §§43b, 53b SGB XI), Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1215360
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