Die Entwicklung der Angestelltenschaft in Deutschland ist seit jeher von großer Bedeutung und daher von erheblicher arbeitsrechtlicher Brisanz. Aufgrund der Komplexität der Entfaltung der unselbstständigen Erwerbstätigen seit der Frühphase des Zweiten Deutschen Kaiserreiches beschränkt sich ihre wissenschaftliche Aufarbeitung keineswegs auf einzelwissenschaftliche Veröffentlichungen, denn neben der soziologischen, nationalökonomischen Forschung findet die Entfaltung der unselbstständigen Erwerbstätigen auch in sozialhistorischer, arbeitsrechtlicher und sozialpolitischer Dimension, darüber hinaus in sozialreformerischen und politikwissenschaftlichen Studien wie auch der statistischen Auswertung Beachtung. Den hohen Stellenwert der Probleme, Tendenzen und Orientierungen von Beschäftigten mit angestellten Tätigkeitsbereichen beweist weiterhin die Heterogenität dieser Schicht in der keineswegs linear verlaufenden deutschen Geschichte seit den Anfängen der Angestelltenschaft im frühen 17. Jahrhundert.
Vor dem 19. Jahrhundert war eine umfassende Aufarbeitung der sozialen und betrieblichen Stellung sowie der historischen Entwicklung der Angestellten jedoch kaum möglich. In dieser Phase bestimmten vorrangig kommunale oder lokale Analysen die Ergebnisse wissenschaftlicher Publikationen. Noch für den Zeitraum der ersten Industrialisierungstendenzen bis zum Beginn der Hochphase der industriellen Verankerung in den 1860er und frühen 1870er Jahren sind kaum Forschungen vorhanden, sodass die historische, soziologische und auch eine arbeitsrechtliche Aufarbeitung der Angestelltengeschichte im vorindustriellen Zeitalter unzureichend blieb.
Die allgemeine Quellenlage verbesserte sich erst im späten 19. Jahrhundert. Die Gründe hierfür liegen in der Erstarkung der Verbände und Gewerkschaften sowie der qualitativen und quantitativen Steigerung betrieblicher Selbstzeugnisse und der Optimierung der dokumentarischen Archivierung , sodass der Zugang zu innerbetrieblichen Produktionsprozessen und Arbeitsabläufen zugunsten der wissenschaftlichen Erkenntnisgewinnung erleichtert wurde. Dies mündete in einem Anstieg des Interesses der Einzelwissenschaften an der Erforschung des Status der Angestellten im Allgemeinen. Zu den ersten umfassenden sozialwissenschaftlichen Studien zählte die Forschungsarbeit von Bücher aus dem Jahre 1883 sowie im nationalökonomischen Spektrum die Veröffentlichung der Erkenntnisse Adlers anno 1891.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Der wirtschaftliche und sozialstrukturelle Wandel seit der Reichsgründung als Einflussfaktor der Entwicklung der Angestelltenschaft
- Deflation und erneuter Aufschwung
- Die Metamorphose der Sozialstruktur – Die neue Dynamik der Gesellschaft
- Die Charakteristika der kaufmännischen Angestelltenschaft
- Vom Privatbeamten zum unselbstständigen Erwerbstätigen – Der Wandel der Tätigkeitsbereiche
- Das Ethos und die Aufstiegschancen in den Betrieben vor dem Hintergrund der Ideologien der Angestellten
- Die frühe Organisation der Angestelltenschaft
- Die Entfaltung der ersten Verbände und Gewerkschaften
- Das Versicherungsgesetz für Angestellte im Spektrum der Sozialgesetzgebung – Kompromiss und Sonderweg
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Entwicklung der Angestelltenschaft im Deutschen Kaiserreich bis zum Versicherungsgesetz für Angestellte von 1911. Sie analysiert die wirtschaftlichen, sozialen und ideologischen Faktoren, die diese Entwicklung beeinflusst haben, und beleuchtet insbesondere die Rolle der Gewerkschaften.
- Wirtschaftlicher und sozialer Wandel im Deutschen Kaiserreich
- Charakteristika der kaufmännischen Angestelltenschaft und deren Ethos
- Entwicklung und Bedeutung der Angestelltengewerkschaften
- Das Versicherungsgesetz für Angestellte von 1911 als sozialpolitischer Kompromiss
- Die Angestellten als Teil der Sozialstruktur und deren Beitrag zur sozialen Ungleichheit
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung beschreibt die Bedeutung und Komplexität der Thematik. Kapitel 2 analysiert den wirtschaftlichen und sozialen Wandel als Einflussfaktor auf die Angestelltenschaft. Kapitel 3 befasst sich mit den Charakteristika der kaufmännischen Angestelltenschaft, ihren Tätigkeitsbereichen und ihrem Ethos. Kapitel 4 behandelt die Entstehung und Entwicklung der Angestelltenverbände und Gewerkschaften sowie das Versicherungsgesetz für Angestellte.
Schlüsselwörter
Angestelltenschaft, Deutsches Kaiserreich, Versicherungsgesetz für Angestellte (1911), Gewerkschaften, Sozialstruktur, Wirtschaftsgeschichte, Sozialgeschichte, Kaufmännische Angestellte, Ethos, Sozialpolitik.
- Quote paper
- Holger Skorupa (Author), 2008, Die Entwicklung der Angestelltenschaft im Deutschen Kaiserreich bis zum Versicherungsgesetz für Angestellte 1911, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/121530