Wie bereits im Grundgesetz verankert, wird den Medien die Aufgabe zuteil, ihre Rezipienten über politische Themen und Akteure zu informieren, sodass sie als mündige Bürger das Fundament der Demokratie, in Form von politischer Teilhabe, bilden können.
Dennoch wird nicht konkretisiert, in welchem Umfang und in welcher Form es diesen Auftrag umzusetzen gilt.
Jedenfalls scheint diese ernsthafte Aufgabe weniger seriös, wenn der normale Arbeiter vor seiner Schicht in einer bunten Zeitung blättert, die die privatesten Familiengeschichten der Spitzenpolitiker offenbart oder er sich auf seinem Smartphone über die Frisur des Präsidenten lustig macht.
Somit drängt sich die Frage auf: Wird die Berichterstattung über Wahlkämpfe und politische Geschehnisse tatsächlich immer unpolitischer?
Da die meisten Bürger neben der interpersonalen Kommunikation nahezu alle politischen Informationen aus den Medien beziehen und diese somit maßgeblich an der Meinungsbildung beteiligt sind, ist es von großer Relevanz welche Chancen und Risiken der Trend der unterhaltsamen Berichterstattung für die Bürger und die Politik birgt.
Im Folgenden werden Instrumente und Strategien des Wahlkampfes, sowie Konzepte und Bestandteile der politischen Berichterstattung erläutert. Hierbei liegt das Augenmerk auf der Personalisierung und auf unterhaltsamen Elementen. Die Konzepte werden schließlich miteinander verknüpft, um die Forschungsfragen final zu beantworten.
Giulia Torella
Politische Kommunikation
Sommersemester 2021
Homestories & Memes: Wird die Berichterstattung über Wahlkämpfe immer unpolitischer? Welche Chancen und Risiken birgt der Trend der unterhaltsamen Politik-Berichterstattung?
Hinweis
Zur besseren Lesbarkeit wird in der folgenden Hausarbeit überwiegend die maskuline Form verwendet. Selbstverständlich beziehen sich die Aussagen auf alle Geschlechter.
Wie bereits im Grundgesetz verankert, wird den Medien die Aufgabe zuteil, ihre Rezipienten über politische Themen und Akteure zu informieren, sodass sie als mündige Bürger das Fundament der Demokratie, in Form von politischer Teilhabe, bilden können.
Dennoch wird nicht konkretisiert, in welchem Umfang und in welcher Formesdiesen Auftrag umzusetzen gilt.
Jedenfalls scheint diese ernsthafte Aufgabe weniger seriös, wenn der normale Arbeiter vor seiner Schicht in einer bunten Zeitung blättert, die die privatesten Familiengeschichten der Spitzenpolitiker offenbart oder er sich auf seinem Smartphone über die Frisur des Präsidenten lustig macht.
Somit drängt sich die Frage auf: Wird die Berichterstattung über Wahlkämpfe und politische Geschehnisse tatsächlich immer unpolitischer?
Da die meisten Bürger neben der interpersonalen Kommunikation nahezu alle politischen Informationen aus den Medien beziehen und diese somit maßgeblich an der Meinungsbildung beteiligt sind, ist esvon großer Relevanz welche Chancen und Risiken der Trend der unterhaltsamen Berichterstattung für die Bürger und die Politik birgt (vgl. Gleich, 2002, S. 284-285).
Im Folgenden werden Instrumente und Strategien des Wahlkampfes, sowie Konzepte und Bestandteile der politischen Berichterstattung erläutert. Hierbei liegt das Augenmerk auf der Personalisierung und auf unterhaltsamen Elementen. Die Konzepte werden schließlich miteinander verknüpft, um die Forschungsfragen final zu beantworten.
Politische Wahlkämpfe
Zuerst ist eine Differenzierung der Wahlkampf-Instrumente sinnvoll.
Diese lassen sich grob einteilen in 1.) Instrumente, die vom Akteur ausgehen. Dies sind von einem Politiker oder einer Partei ausgehende presseähnliche Wahlkampfelemente. Und 2.) in externe Instrumente, die von politischen Akteuren durch Medienanbieter während des Wahlkampfes genutzt werden können.
Interne Instrumente
Politische Akteure setzten neben öffentlichen Reden schon lange auf presseähnliche Angebote wie Plakate, Fyler und Aufkleber. Mit eindrücklichen Fotos und Sprüchen soll Vertrauen für die Kandidaten geschaffen und Nähe zum Volk suggeriert werden. 2001 postuliert Christina Holtz-Bacha bereits, die Politik habe „ihrerseits längst begonnen [...], das Private für sich zu instrumentalisieren“ (2001, S. 25).
Barack Obama setzte seit seinem erfolgreichen Wahlkampf 2008 auf eine digitale Strategie. In Zusammenarbeit mit IT- und Datenspezialisten seines Kampagnen-Teams, entwickelten Social-Media- Strategen „Storytellings“ und formten so die Wahrnehmung Obamas erheblich (vgl. Keim & Rosenthal, 2016).
Externe Instrumente
Angebote, die von Medienbetreibern erstellt und von politischen Akteuren genutzt werden können, sind für die Untersuchungen der Forschungsfragen von erheblichem Interesse. Diese können in journalistisch-redaktionelle Angebote und in Beiträge von Telemedien aufgeteilt werden. Journalistisch-redaktionelle Angebote beinhalten sowohl Beiträge in Zeitungen und Zeitschriften (und deren Online-Versionen), als auch professionelle Rundfunkangebote.
Bei diesen Angeboten wird gerne weiter differenziert in Qualitätsmedien und Boulevardmedien.
Nicht nur Medien, die in der Gesellschaft für qualitativ hochwertige und seriöse Berichterstattungen stehen, berichten über Wahlkämpfe. Die Boulevardpresse, welche sich durch extravagante Aufmachungen und eine bilderreiche Ausgestaltung auszeichnet, berichtet, in geringerem Umfang, ebenfalls über politische Geschehnisse. Die Presseangebote unterscheiden sich jedoch in der Art und Weise der Berichterstattung.
In der Branche der Rundfunkangebote berichten überwiegend öffentlich-rechtliche Rundfunksender wie ARD oder ZDF über politische Geschehnisse und Wahlkämpfe.
Neben journalistisch-redaktionellen Angeboten gibt es immer häufiger Telemedienangebote wie private Internetauftritte, Meinungsblogs oder Einträge in sozialen Netzwerken, welche ebenfalls politische Wahlkämpfe thematisieren und vor allem meinungsbildend agieren.
Strategien im Wahlkampf
Im Zuge der Wahlkämpfe stehen Politikern eine Vielzahl an Strategien zur Verfügung.
Da sich diese Arbeit mit der Frage beschäftigt, ob Berichterstattungen über Wahlkämpfe immer unpolitischer werden, thematisiert der folgende Abschnitt die Strategien der Personalisierung und der Emotionalisierung.
Graner und Stern (2002, S. 145) definieren, dass bei der Personalisierung persönliche Merkmale des Politikers im Vordergrund stehen. Als Beispiele werden das Aussehen, die Sympathie, sowie die wahrgenommene Vertrauenswürdigkeit aufgeführt. Außerdem werden unter diesem Stichpunkt die „wachsende Bedeutung der Kandidaten gegenüber den Sachthemen [...] sowie der wachsende Einfluss unpolitischer Merkmale bei der Kandidatenbewertung diskutiert.“ (Keim & Rosenthal, 2016, S. 313).
Holtz-Bacha hebt in einem ihrer Beiträge hervor, dass sowohl die Kommerzialisierung der Medien als auch die inszenierte Selbstdarstellung der Politiker die Personalisierung als Wahlkampfstrategie vorantreiben. (2004, S. 41-52)
Doch nicht nur eigene Kandidaten sind Bestandteile der Strategien: vor allem in den Vereinigten Staaten liegt, aufgrund des präsidentiellen Regierungssystems, der Fokus auf dem Framing des gegnerischen Kandidaten via „negative campaigning“ (vgl. Keim & Rosenthal, 2016, S. 318).
Dadurch wird der Gegner strategisch negativ porträtiert, sodass der eigene Kandidat ein höheres Ansehen genießt.
Die Emotionalisierung ist eng verbunden mit der Personalisierung. Wahlwerbung sollte beispielsweise immer das Ziel haben, vertrauensbildend zu sein. Dies ist am besten realisier-, beziehungsweise visualisierbar mithilfe einer realen Person (vgl. Breitenbach, 2007).
Denn Wähler nehmen politische Themen erst dann zur Kenntnis, wenn sie auf „emotionalen Resonanzboden treffen“. Dies gilt besonders für Wählergruppen, die unentschlossen oder allgemein politisch-desinteressiert sind (vgl. Thomas Wind, 2008).
Die politische Berichterstattung
Die Auswahl der politischen Nachrichten
Die Gatekeeper-Theorie, in welcher Lippmann erstmals postulierte, dass der Nachrichtenwert einer Information durch Nachrichtenfaktoren bestimmt und dementsprechend zur Publikation auserwählt wird, findet in der politischen Berichterstattung ebenso Anwendung wie in anderen Ressorts. Dimensionen nach Winfried Schulz wie Status, Relevanz oder Identifikation tragen erheblich zu Veröffentlichungsentscheidungen bei (2011, S. 91).
Über die Wahlereignisse der USA wird hierzulande häufig berichtet, da es sich um eine sog. „EliteNation“ und „Elite-Personen“ handelt und politische Entscheidungen beispielsweise das Klima oder den Handel betreffend auch für europäische Nationen relevant sind.
In welcher Form wird über Politik berichtet?
Journalismusforscher unterscheiden zwischen harten und weichen Nachrichten („hard vs. soft news“). Nach Claudia Mast (2018) haben harte Nachrichten eine hohe Objektivität und beziehen sich häufig auf die Politik- und Wirtschaftsbereiche. Weiche Nachrichten hingegen bieten einen höheren Unterhaltungswert als tatsächlichen Nutzen. Ihr Nachrichtenwert wird hauptsächlich durch die „Neugier und Sensationslust des Publikums bestimmt.“ (S. 347)
Dennoch kann über politische Themen, und vor allem über politische Akteure auch auf eine unterhaltsame Art und Weise berichtet werden.
Für Michael Klemm (2007) sind Unterhaltung und Information daher keine Dichotomien: „Das Gegenteil von Unterhaltung ist nicht Information, sondern Langeweile.“
Ein Beispiel einer ebenso ernsthaften wie unterhaltsamen Darstellungsform ist die politische Satire. Klemm postuliert, dass Informationen heutzutage sogar unterhaltsam aufgebaut sein müssen, wenn sie ihr Publikum finden wollen (S. 3).
Wie viele der journalistischen Politik-Beiträge harte oder weiche Nachrichten beinhalten, lässt sich aufgrund der verschwimmenden Grenzen nur schwer feststellen.
Durch multivariate Analysen wurde jedoch belegt, dass öffentliche Rundfunkanbieter und Qualitätszeitungen ihren Rezipienten generell eine härtere Nachrichtenkost anbieten als Boulevardzeitungen und kommerzielle Sender (vgl. Reinemann, Scherr, Stanyer, 2016, S. 22).
Wichtige Informationsquellen für politische Geschehnisse
Rezipienten informieren sich über politische Ereignisse gerne über Quellen, deren Vertrauenswürdigkeit als sehr hoch eingeschätzt wird.
Laut einer aktuellen Umfrage gaben insgesamt 57% der befragten Deutschen an, sich politisch über öffentlich-rechtliche Fernseh-, Radio-, und Telemedienangebote zu informieren. 17% nutzten für diese Zwecke Tageszeitungen und nur 5% Angebote von privaten Medienbetreibern. Mit nur 2% scheint das Internet und die sozialen Medien noch keine allgemein akzeptierten Informationsträger für politische Themen zu sein (vgl. WDR, 2019).
Die Medienangebote unterscheiden sich nicht nur im Umfang und Beliebtheit, sondern auch in der individuellen redaktionellen Linie. Diese spiegelt die grundsätzliche politische Tendenz des Mediums wider und zeigt sich vor allem bei Printmedien auch während der Wahlkampfberichterstattung (vgl. Mauer & Reinemann, 2006, S. 129-130). Wissenschaftlich ist noch unklar, ob die redaktionelle Linie mit dem Unterhaltungsgrad eines Mediums zusammenhängt.
Wahlkampf und Politik-Berichterstattung unter dem Aspekt der Unterhaltsamkeit
Bei der Verknüpfung der Wahlkämpfe bzw. politischer Themen und der Berichterstattung stellt sich zunächst die Frage, ob sich der Unterhaltungsgrad tendenziell eher erhöht oder verringert.
In der Langzeitstudie „Infotainment in der Presse“ wurden von 1980-2007 drei regionale Tageszeitungen auf deren Unterhaltungselemente bei politischen Nachrichten in Form einer Inhaltsanalyse untersucht.
In allen untersuchten Zeitungen wiesen politische Artikel im Vergleich zu 1980 ein erhöhtes Unterhaltungspotenzial auf. Die Themenstruktur betreffend verringerte sich der Anteil politischer Informationen zugunsten der Berichterstattung über „Human-Touch-Themen“.
Hauptsächlich formal steigerte sich das Unterhaltungsniveau der Zeitungen, etwa durch eine erhöhte Anzahl an Bildern und durch sprachliche Stilelemente (vgl. Bernhard & Scharf, 2008, S. 231-247).
Um nun aber einen Schritt weiter zu gehen lässt sich sagen, dass nicht nur die Gestaltung und eine Änderung der Themenstruktur die Berichterstattung unpolitischer macht. Es ist ebenso wichtig zu untersuchen, inwiefern sich politische Artikel nur auf Politiker als Personen beziehen oder den Rezipienten generell „soft news“ vermitteln.
Laut Keim und Rosenthal (2016, S.313) rücken Kandidaten als solche im Zuge postmoderener Wahlkämpfe weiter in den Vordergrund, während Parteien und politische Themen eine sekundäre Rolle einnehmen. Darüber hinaus erlangen eher unpolitischer Themen eine zunehmend größere Bedeutung.
Eine Studie aus dem Jahr 1994 kam zu dem Schluss, dass knapp zwei Drittel der untersuchten Medienaussagen auf die Kandidaten bezogen waren, aber nur ein Drittel einen Bezug zu politischen Sachthemen aufwies (vgl. Breitenbach, 2007).
Politiker nutzen Medienbeiträge gerne, um ihre Botschaften unterhaltsam und zielgruppenspezifisch aufzubereiten. Nicht selten werden hierfür auch „Storytellings“, also private Geschichten konzipiert, die den Lesern ein gewisses Gesamtbild eines Kandidaten vermitteln.
Ein Beispiel eines „Storytellings“ ist der Versuch Mitt Romneys sich bei dem US-Wahlkampf 2012 als erfolgreichen Geschäftsmann darzustellen, welcher gleichzeitig Patriot und Familienmensch ist.
Für authentische Einblicke wurde vor allem die Ehefrau Ann aktiv eingesetzt (vgl. Keim & Rosenthal, 2016, S. 318-319).
Selbst die deutsche Zeitschrift „Spiegel“ berichtete 2012 über das Privatleben der US-Kandidaten. Generell wurde über Romney tatsächlich so berichtet, wie das Kampagnen-Team seine Person inszenierte. Außerdem wurde der Artikel mit kuriosen und persönlichen Fakten geschmückt: „Romney dagegen hat sein Leben durchgeplant, mag Country-Songs und fährt Wasserski.“ Zusätzlich wurden auf der Internetseite Kindheitsvideos von Romney eingespielt, welche er selbst auf YouTube veröffentlichte (vgl. Fischer, 2012). Hier ist idealtypisch zu erkennen, wie ein Politiker bewusst sein
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- Arbeit zitieren
- Giulia Torella (Autor:in), 2021, Homestories & Memes: Wird die Berichterstattung über Wahlkämpfe immer unpolitischer? Welche Chancen und Risiken birgt der Trend der unterhaltsamen Politik-Berichterstattung?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1215224
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