Die Bachelorarbeit befasst sich mit der Rechtsentwicklung beim Ausfall von Gesellschafterdarlehen. Sie stellt aktuelle und zukünftige steuerliche Konsequenzen dar. Die Finanzierung durch Gesellschafterdarlehen ist bei Kapitalgesellschaften seit jeher eine beliebte Form der Beschaffung von Finanzmitteln. Gerade in Zeiten, in denen es der Gesellschaft an ausreichenden oder geeigneten Sicherheiten für eine Bankfinanzierung mangelt, oder falls sich die Kapitalgesellschaft bereits in der Krise befindet, wird die Darlehensgewährung durch den i. S. d. § 17 Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) beteiligten Gesellschafter häufig als Mittel zur Liquiditätsstärkung bzw. Liquiditätsbeschaffung genutzt.
Nicht selten kommt es dann letztlich zum Ausfall der Darlehensforderung des Gesellschafters oder zu Aufwendungen aus der Inanspruchnahme der gewährten Bürgschaft. In diesem Fall stellt sich regelmäßig die Frage, inwiefern und in welcher Höhe die eingetretenen Verluste steuerliche Berücksichtigung finden. Die Beurteilung der Rechtslage ist komplex, hat durch zahlreiche Gesetzesänderungen mehrfach wesentliche Änderungen erfahren und wirft nach wie vor zahlreiche Zweifelsfragen auf.
Die Rechtsentwicklung der vergangenen 13 Jahre ist essenziell, da die steuerlichen Konsequenzen sowohl vom Zeitpunkt der Forderungsbegründung des Gesellschafters als auch vom Zeitpunkt der Verlustrealisation abhängen. Eine systematische Fallgruppenbetrachtung ist demzufolge unabdingbar. Mit § 17 Abs. 2a EStG wurde im Jahre 2019 eine neue Vorschrift kodifiziert, die auf den ursprünglichen Regelungen aufbaut. Zudem wurde die Verlustverrechnung durch einen neuen S. 6 im § 20 Abs. 6 EStG verschärft. Mit dem Jahressteuergesetz (JStG) 2020 sind nun wiederum Modifikationen in § 20 EStG sowie auch in § 32d EStG vorgenommen worden. Diese gesetzlichen Neuregelungen erweitern die bis dato unübersichtliche Rechtslage beim Ausfall von Gesellschafterdarlehen und der Inanspruchnahme aus Gesellschafterbürgschaften erneut.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1. Einleitung
1.1. Problemstellung
1.2. Aufbau und Struktur der Arbeit
1.3. Fallunterscheidungen
2. Rechtsentwicklung und Grundlagen
2.1. Altregelungen
2.1.1. Darlehenshingabe bis Einführung des MoMiG
2.1.2. Darlehenshingabe nach Einführung des MoMiG
2.1.3. Rechtslage bis zur Änderung der Rechtsprechung 2017
2.1.3.1. Krisendarlehen
2.1.3.2. Stehengelassenes Darlehen
2.1.3.3. Krisenbestimmtes Darlehen
2.1.3.4. Finanzplandarlehen
2.1.3.5. Sanierungsprivileg
2.1.3.6. Kleinanlegerprivileg
2.1.3.7. Würdigung der Darlehensdifferenzierungen
2.1.4. Rechtsprechungsänderung
2.1.4.1. Anschaffungskostenbegriff gem. § 255 Abs. 1 S. 1 HGB
2.1.4.2. Vertrauensschutzregelung
2.1.4.3. Nachträgliche AK außerhalb der Vertrauensschutzregelung
2.1.4.4. Darlehenshingabe nach Inkrafttreten der Abgeltungssteuer
2.2. Neuregelungen
2.2.1. § 17 Abs. 2a EStG
2.2.1.1. Zeitlicher Anwendungsbereich
2.2.1.2. Konkurrenzverhältnis zwischen § 17 Abs. 2a EStG und § 20 EStG
2.2.2. § 20 Abs. 6 S. 6 EStG
2.2.2.1. Zeitlicher Anwendungsbereich
2.2.2.2. Kritische Würdigung
2.2.3. § 32d Abs. 2 Nr. 1 lit. b EStG i. d. F. des JStG 2020
2.2.3.1. Zeitlicher Anwendungsbereich
2.2.3.2. Sachlicher Anwendungsbereich
2.2.3.3. Kritische Würdigung
3. Konsequenzen aus den Gesetzesänderungen
3.1. Fallgruppensystematisierung
3.1.1. Forderungsbegründung und Verlustrealisation nach dem 31.12.2020 (Gruppe I)
3.1.2. Forderungsbegründung im Zeitraum 01.01.09 bis 31.12.20 (Gruppe II - V)
3.1.2.1. Fallgruppe II
3.1.2.2. Fallgruppe III und IV
3.1.2.3. Fallgruppe V
3.1.3. Forderungsbegründung vor dem 01.01.2009 (Gruppe VI - VIII)
3.1.3.1. Fallgruppe VI
3.1.3.2. Fallgruppe VII-VIII
3.2. Fallunterscheidungen
3.2.1. Verkauf Beteiligung im BV mit Darlehensverzicht
3.2.1.1. Zinseinnahmen
3.2.1.2. Darlehensverzicht und Zinseinnahmen ab VZ 2024
3.2.2. Verkauf einer Beteiligung < 1% im PV mit Darlehensverzicht
3.2.2.1. Zinseinnahmen
3.2.2.2. Darlehensverzicht und Zinseinnahmen ab VZ 2024
3.2.3. Verkauf Beteiligung ≥ 10% im PV mit Darlehensverzicht
3.2.3.1. Bloßer Darlehensverzicht
3.2.3.2. Zinseinnahmen
3.2.3.3. Darlehensverzicht und Zinseinnahmen ab VZ 2024
3.2.4. Verkauf Beteiligung ≥ 1% bis unter 10% im PV mit Darlehensverzicht
3.2.4.2. Zinseinnahmen
3.2.4.3. Darlehensverzicht und Zinseinnahmen ab VZ 2024
3.2.5. Holding-Modell
3.2.5.1. Zinseinnahmen
3.2.5.2. Darlehensverzicht und Zinseinnahmen ab VZ 2024
3.2.6. Zusammenfassung Fallunterscheidungen
4. Gestaltungsmöglichkeiten
4.1. Forderungsbegründung nach dem 31.12.2020
4.2. Forderungsbegründung im Zeitraum 01.01.2009 bis 31.12.2020
4.3. Forderungsbegründung vor dem 01.01.2009
5. Fazit
Literaturverzeichnis
Rechtsquellenverzeichnis
Rechtssprechungsverzeichnis
Verzeichnis der Verwaltungsanweisungen
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Verkauf Beteiligung im BV mit Darlehensverzicht
Abbildung 2: Verkauf Beteiligung < 1% mit Darlehensverzicht im PV
Abbildung 3: Verkauf Beteiligung ≥ 10% mit Darlehensverzicht im PV
Abbildung 4: Bloßer Darlehensverzicht bei Beteiligung ≥ 10% im PV
Abbildung 5: Verkauf Beteiligung ≥ 1% bis unter 10% im PV mit Darlehensverzicht
Abbildung 6: Bloßer Darlehensverzicht bei Beteiligung ≥ 1% bis unter 10% im PV
Abbildung 7: Holding-Modell
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Übersicht Fallunterscheidungen
Tabelle 2: Fallgruppen BFH
Tabelle 3: Fallgruppen BFH bis zur Rechtssprechungsänderung
Tabelle 4: Behandlung ausgefallener Gesellschafterdarlehen bis 31.07.2019
Tabelle 5: Behandlung ausgefallener Gesellschafterdarlehen im Zwischenzeitraum
Tabelle 6: Fallgruppen des Forderungsausfalls in Abhängigkeit vom Begründungs- sowie Verlustzeitpunkt
Tabelle 7: Übersicht Fallunterscheidungen ab VZ 2024
1. Einleitung
1.1. Problemstellung
Die Finanzierung durch Gesellschafterdarlehen ist bei Kapitalgesellschaften seit jeher eine beliebte Form der Beschaffung von Finanzmitteln. Gerade in Zeiten, in denen es der Gesellschaft an ausreichenden oder geeigneten Sicherheiten für eine Bankfinanzierung mangelt, oder falls sich die Kapitalgesellschaft bereits in der Krise befindet, wird die Darlehensgewährung durch den i. S. d. § 17 Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) beteiligten Gesellschafter häufig als Mittel zur Liquiditätsstärkung bzw. Liquiditätsbeschaffung genutzt. Auch Bürgschaftsübernahmen für Fremddarlehen der Kapitalgesellschaft zählen zu diesen sogenannten Finanzierungshilfen. Nicht selten kommt es dann letztlich zum Ausfall der Darlehensforderung des Gesellschafters oder zu Aufwendungen aus der Inanspruchnahme der gewährten Bürgschaft. In diesem Fall stellt sich regelmäßig die Frage, inwiefern und in welcher Höhe die eingetretenen Verluste steuerliche Berücksichtigung finden. Die Beurteilung der Rechtslage ist komplex, hat durch zahlreiche Gesetzesänderungen mehrfach wesentliche Änderungen erfahren und wirft nach wie vor zahlreiche Zweifelsfragen auf. Die Rechtsentwicklung der vergangenen 13 Jahre ist essenziell, da die steuerlichen Konsequenzen sowohl vom Zeitpunkt der Forderungsbegründung des Gesellschafters als auch vom Zeitpunkt der Verlustrealisation abhängen. Eine systematische Fallgruppenbetrachtung ist demzufolge unabdingbar. Ursprünglich führte der Forderungsausfall zu nachträglichen Anschaffungskosten (AK) auf Beteiligungen i. S. d. § 17 EStG, wenn es sich um eine eigenkapitalersetzende Finanzierunghilfe handelte. Allerdings wurde zum 01.11.2008 das Eigenkapitalersatzrecht, durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) ersetzt und zudem ab dem 01.01.2009 die Abgeltungsteuer (AbgSt) eingeführt. Durch zwei Grundsatzentscheidungen im Jahr 2017 hat der Bundesfinanzhof (BFH) daraufhin entschieden, dass der Ausfall von Finanzierungshilfen nicht mehr zu nachträglichen AK auf die Beteiligung führt , aber bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen ist. Die Voraussetzung besteht darin, dass die Finanzierungshilfe von der AbgSt erfasst wird. Mit § 17 Abs. 2a EStG wurde im Jahre 2019 eine neue Vorschrift kodifiziert , die auf den ursprünglichen Regelungen aufbaut. Zudem wurde die Verlustverrechnung durch einen neuen S. 6 im § 20 Abs. 6 EStG verschärft. Mit dem Jahressteuergesetz (JStG) 2020 sind nun wiederum Modifikationen in § 20 EStG sowie auch in § 32d EStG vorgenommen worden. Diese gesetzlichen Neuregelungen erweitern die bis dato unübersichtliche Rechtslage beim Ausfall von Gesellschafterdarlehen und der Inanspruchnahme aus Gesellschafterbürgschaften erneut. Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Rechtsentwicklung und stellt aktuelle und zukünftige steuerliche Konsequenzen dar. Dabei liegt der Schwerpunkt auf dem Ausfall von Gesellschafterdarlehen, während die explizite Rechtslage im Zusammenhang mit Gesellschafterbürgschaften nicht näher betrachtet wird.
1.2. Aufbau und Struktur der Arbeit
Die vorliegende Arbeit ist in fünf Kapitel gegliedert, wobei in Kapitel 1 zunächst die Problemstellung vorgestellt wird. Mithilfe einer tabellarischen Aufstellung von wesentlichen Fallunterscheidungen wird die Anwendung des aktuellen Rechts mit dessen Auswirkungen dargestellt. In Kapitel 2 wird ein Überblick der Rechtsentwicklung gegeben und darüber hinaus werden die für diese Arbeit wesentlichen Vorschriften bzw. Neuregelungen erläutert und einer kritischen Würdigung unterzogen. Das Kapitel 3 knüpft an die aktuelle Rechtslage an und stellt die zukünftigen Konsequenzen der Gesetzesänderungen vor. Dabei werden die Neuregelungen auf die ausschlaggebenden Fallunterscheidungen (Kapitel 1.3.) anhand von Beispielen angewandt. In Kapitel 4 erfolgt eine Auseinandersetzung mit den möglichen Gestaltungsmöglichkeiten in Bezug auf die steuerliche Verwertung. Abschließend werden in Kapitel 5 die gewonnenen Erkenntnisse kritisch reflektiert und ein Fazit wird gezogen.
1.3. Fallunterscheidungen
In der nachfolgenden Tabelle werden grundlegende Fallunterscheidungen abgebildet. Alle fünf Fälle zeigen die aktuelle steuerliche Behandlung des Verkaufs einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, wobei jeder einzelne Fall in die folgenden Varianten unterteilt ist:
- Verkauf der Beteiligung mit einem Darlehensverzicht (Variante 1) und
- bloßer Darlehensverzicht (Variante 2)
Fall 1 stellt den Verkauf der Beteiligung aus einem Betriebsvermögen (BV) dar, während die Fälle 2 bis 5 den Verkauf einer Beteiligung aus dem Privatvermögen (PV) behandeln. In allen fünf Fällen erfolgt die Darlehensbegründung zwischen dem 01.01.2009 und dem 31.12.2020. Die steuerlichen Grundlagen, insbesondere die Auswirkungen der vorgestellten Neuregelungen, werden im Hauptteil der Arbeit (Kapitel 3) anhand von Beispielen ausführlich erläutert. Die ausgewählten Fälle werden unter der Annahme einer Verlustrealisierung der Darlehensforderung im Jahr 2020 und danach im Verlustrealisierungszeitpunkt 2024 dargestellt. Deshalb fasst die nachfolgende Tabelle vorab die aktuellen steuerlichen Konsequenzen (Verlustrealisierung im Jahr 2020) des darlehensgebenden Gesellschafters für jeden vorgestellten Einzelfall zusammen. An dieser Stelle ist festzuhalten, dass gegenwärtig die Fälle 3 und 5 die Sachverhalte (SV) zeigen, in denen ein Darlehensverzicht im PV zu 100% abzugsfähig ist. In beiden dargestellten Fällen wird die Anwendung der AbgSt durch § 32d Abs. 2 Nr. 1 lit. b EStG ausgesetzt. Folglich finden die Verlustverrechnungsbeschränkungen gem. § 20 Abs. 6 EStG sowie § 20 Abs. 9 EStG (Sparer-Pauschbetrag) keine Anwendung. Der Darlehensverzicht wird der tariflichen Besteuerung gem. § 32a EStG unterworfen. Für ein grundlegendes Verständnis der aktuellen sowie zukünftigen steuerlichen Konsequenzen wird im nachfolgenden Kapitel die in den letzten Jahren mehrfach modifizierte Rechtsentwicklung betrachtet.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Übersicht Fallunterscheidungen
2. Rechtsentwicklung und Grundlagen
2.1. Altregelungen
Finanzierungshilfen, die Gesellschafter zur Erhaltung des Stammkapitals unter Krisenbedingungen der Gesellschaft zugeführt hatten, durften nach § 30 Abs. 1 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) a. F. nicht an die Gesellschafter zurückgezahlt werden. § 31 Abs. 1 GmbHG a. F. sah vor, dass Zahlungen, die gegen § 30 GmbHG a. F. verstießen, wieder an die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) zu erstatten waren (geschütztes Eigenkapital). Das gleiche galt für Gesellschafterdarlehen. Die §§ 32a, 32b GmbHG a. F. regelten bei einem Insolvenzfall der GmbH die Rechtsfolgen eigenkapitalersetzender Gesellschafterdarlehen sowie andere Rechtshandlungen, die der Darlehensgewährung an eine GmbH in der Krise der Gesellschaft gleichstanden. Folglich wurden Gesellschafterleistungen zugunsten der Gläubiger an das Gesellschaftervermögen gebunden (eigenkapitalersetzender Charakter). Wie bereits in Kapitel 1 einleitend erläutert, hat sich die steuerliche Berücksichtigung beim Ausfall von Finanzierungshilfen des Gesellschafters durch verschiedene Gesetzesänderungen und Rechtsprechungen des BFH mehrfach maßgeblich geändert. Die zeitliche Gültigkeit der unterschiedlichen Rechtslagen sowie deren Umsetzung durch die Finanzverwaltung (FV) wird im Folgenden dargestellt.
2.1.1. Darlehenshingabe bis Einführung des MoMiG
Zu nachträglichen AK einer Beteiligung führten nach der früheren Rspr. des BFH sowie der Auffassung der FV neben offenen und verdeckten Einlagen auch nachträgliche (nachtr.) Aufwendungen auf die Beteiligung. Die Voraussetzung dafür bestand darin, dass sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sein mussten und weder als Werbungskosten (WK) bei den Einkünften aus Kapitalvermögen noch als Veräußerungs- oder Auflösungskosten zu werten waren. Ein Darlehen galt als gesellschaftsrechtlich veranlasst, wenn die Gesellschaft bei Darlehenshingabe entweder insolvent war oder sich in einer Krise befand, sodass ein ordentlicher Kaufmann das Risiko der Kreditgewährung nicht mehr zu den gegebenen Bedingungen eingegangen wäre. Das Darlehen musste demnach einen eigenkapitalersetzenden Charakter aufweisen, um gesellschaftsrechtlich veranlasst zu sein. Der Verzicht (§ 397 BGB) auf die Rückzahlung dieser Darlehen führte (ebenso wie der Darlehensausfall) zu nachträglichen AK der Beteiligung. Wenn es hingegen an dem eigenkapitalersetzenden Charakter fehlte, dann unterlag der Gesellschafter dem Anwendungsbereich des § 20 EStG. In der Folge konnte der Darlehensverlust durch die Trennung der steuerlich irrelevanten Vermögenssphäre von der steuerbaren Erwerbssphäre in § 20 EStG vor Einführung der AbgSt nicht geltend gemacht werden. Bei der Bewertung der ausgefallenen Forderungen bzw. der Höhe der nachträglichen AK unterschied der BFH im Einzelnen zwischen vier Fallgruppen. Die folgende Tabelle 1 zeigt die nach dem BMF-Schreiben vom 08.06.1999 zu differenzierenden Fallgruppen des BFH. Einerseits wurde unterschieden zwischen Darlehen, die in der Krise der Gesellschaft hingegeben oder von vornherein in die Finanzplanung der Gesellschaft einbezogen wurden. Andererseits wurde zwischen Finanzierungshilfen differenziert, die erst aufgrund des Eintritts der Krise den Status einer eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfe erlangt haben oder in der Krise hingegeben wurden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 2: Fallgruppen BFH
Bei einem Darlehensverlust entstanden keine nachträglichen AK bei nicht geschäftsführenden Gesellschaftern, die mit 10% oder weniger am Kapital der Gesellschaft beteiligt waren (sog. Zwerganteilsprivileg gem. § 32a Abs. 3 S. 2 GmbHG a. F). Anders wurden Darlehensverluste behandelt, die unter das Sanierungsprivileg gem. § 32a Abs. 3 S. 3 GmbHG a. F. fielen. Insgesamt ist festzuhalten, dass der BFH den Kreis der nachträglichen AK vor der Einführung des MoMiG zunächst weit auslegte. Demnach war eine Berücksichtigung von Darlehensverlusten außerhalb § 17 EStG kaum möglich.
2.1.2. Darlehenshingabe nach Einführung des MoMiG
Mit Einführung des MoMiG vom 23.10.2008 hat der Gesetzgeber das im GmbHG a. F. enthaltene Eigenkapitalersatzrecht aufgehoben und durch eine insolvenzrechtliche Regelung ersetzt. Die Bestimmungen über kapitalersetzende Darlehen (§§ 32a, 32b GmbHG a. F.) wurden i. R. d. MoMiG aus dem GmbHG aufgehoben und im Insolvenzrecht sowie im Anfechtungsgesetz (AnfG) neu eingeordnet. Damit wurden auch die entwickelten Rechtsprechungsregeln (§§ 30, 31 GmbHG a. F.) dereguliert. Der Kern der Neuregelung bestand darin, dass Gesellschafterdarlehen außerhalb des Insolvenzverfahrens nicht mehr wie haftendes Eigenkapital, sondern als reine Verbindlichkeiten behandelt werden. Demzufolge können nach der Norm des § 39 Abs. 1 Nr. 5 Insolvenzverordnung (InsO) Gesellschafterdarlehen im Insolvenzverfahren nur noch als nachrangige Insolvenzforderung geltend gemacht werden. Eine Kapitalbindung tritt nicht ein. Somit sind das Merkmal einer Krise und die darauf bezogenen Finanzierungsentscheidungen des Gesellschafters nicht mehr entscheidend. Mit Ausnahme der durch das Sanierungsprivileg (§ 39 Abs. Abs. 4 S. 2 InsO) und das Kleinanlegerprivileg (§ 39 Abs. 5 InsO) begünstigten Gesellschafterdarlehen treten alle Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz, unabhängig von ihrer vertraglichen Ausgestaltung und unabhängig vom Zeitpunkt der Hingabe gemäß § 39 Absatz 1 Nummer 5 InsO, an die letzte Stelle aller Gläubiger (Nachranggebot). Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welche Auswirkungen dies auf die steuerrechtliche Behandlung ausgefallener Finanzierungshilfen des Gesellschafters i. S. d. § 17 EStG beteiligten und die bisher ergangene Rechtsprechung zu nachträglichen AK hatte.
2.1.3. Rechtslage bis zur Änderung der Rechtsprechung 2017
Der Ausfall eines Gesellschafterdarlehens führte nach der früheren Rechtsprechung nur dann zu nachträglichen AK, wenn das Darlehen einen eigenkapitalersetzenden Charakter hatte. Das gleiche galt für einen Verzicht auf die Rückzahlung , wobei insbesondere darauf geachtet werden musste, dass, das Darlehen voll werthaltig war. Verzeichnete die Gesellschaft ein positives Eigenkapital, dann war der Verzicht auf eine Darlehensforderung mit dem Nennwert anzusetzen. Denn bei einem positiven Eigenkapital konnte von einer wirtschaftlich intakten Kapitalgesellschaft und damit von einer ausreichenden Bonität ausgegangen werden. Mit Inkrafttreten des MoMiG ist das Eigenkapitalersatzrecht ersatzlos abgeschafft worden. Mit der Folge, wurden Gesellschafterdarlehen nicht mehr nach dem Gesetzeswortlaut des GmbHG durch die Voraussetzung des eigenkapitalersetzenden Charakters an das Gesellschaftervermögen gebunden. Zu der Frage, welche Folgen durch die Anwendung des § 17 EStG aufgrund des ab dem 01.11.2008 geltenden MoMiG entstehen, nahm die FV mit dem BMF-Schreiben vom 21.10.2010 Stellung. Im Folgenden werden die zu differenzierenden Gesellschafterdarlehen dargestellt und erläutert, welche Änderungen sich durch das BMF-Schreiben vom 21.10.2010 im Vergleich zu dem BMF-Schreiben vom 08.06.1999 ergeben. Im Ergebnis wird festgestellt, welche Darlehensarten nach Einführung des MoMiG aus Sicht der FV noch zu nachträglichen AK führen.
2.1.3.1. Krisendarlehen
Wenn die Gesellschaft im Zeitpunkt der Gewährung des Darlehens insolvenzreif war, sodass ein ordentlicher Kaufmann das Risiko der Kreditgewährung nicht mehr eingegangen wäre, dann handelte es ich um ein sog. Krisendarlehen. Ein solches Darlehen führte nach der alten Rspr., d. h. vor Einführung des MoMiG, in Höhe seines Nennwerts zu nachträglichen AK. Auch nach der Regelung im BMF-Schreiben vom 21.10.2010 ergibt sich bei einem Krisendarlehen keine Änderung.
2.1.3.2. Stehengelassenes Darlehen
Ein in der Krise stehengelassenes Darlehen bedeutete, dass der Gesellschafter das Darlehen trotz (vermuteter) Kenntnis von der Gefährdung der Forderung nicht einzog. Für die Bewertung der Darlehensforderung galt grundsätzlich der gemeine Wert zu dem Zeitpunkt, in dem es der Gesellschafter mit Rücksicht auf das Gesellschaftsverhältnis nicht abzog. Dies konnte ein Wert sein, der erheblich unter dem Nennwert des Darlehens lag, im Einzelfall sogar ein Wert von 0 DM. Dahingegen liegt laut dem BMF vom 21.10.2010 ein stehengelassenes Darlehen nur noch dann vor, wenn die Krise zeitlich vor dem Beginn des Anfechtungszeitraums nach § 6 AnfG entstanden ist. Wurde das Darlehen im Jahr vor Stellung des Insolvenzantragt getilgt oder wurde es zehn Jahre vor dem Eröffnungsantrag besichert, so ist gem. § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO zusätzlich die Insolvenzanfechtung eröffnet. Damit besteht die Anfechtbarkeit der im letzten Jahr vor dem Insolvenzantrag von der Gesellschaft zurückgezahlten Darlehensforderungen. Ein Eigenkapitalcharakter besteht damit nicht mehr. Wurde das Darlehen im Jahr vor Erlangung eines vollstreckbaren Schuldtitels zurückgezahlt oder wurde es zehn Jahre vor diesem Zeitpunkt besichert, so besteht ebenfalls die Anfechtungsmöglichkeit nach § 6 AnfG. Falls die Krise der Gesellschaft erst nach dem Beginn des Anfechtungszeitraums entstanden ist, so handelt es sich um ein ‚krisenbestimmtes‘ Darlehen. Dabei ergab sich folglich eine Differenzierung zwischen krisenbestimmten Darlehen aufgrund vertraglicher Vereinbarungen (Berücksichtigung des Darlehens mit dem Nennwert) und krisenbestimmten Darlehen aufgrund der gesetzlichen Neuregelungen in §§ 39, 135 InsO sowie § 6 AnfG. Im letzteren Fall war davon auszugehen, dass die gesetzlichen Neuregelungen mit Beginn des Anfechtungszeitraums den darlehensgebenden Gesellschafter regelmäßig so stellen, als habe er eine Krisenbindung vereinbart. Die nachträglichen AK sind dann nach dem gemeinen Wert im Zeitpunkt des Beginns des Anfechtungszeitraums zu bemessen.
2.1.3.3. Krisenbestimmtes Darlehen
Das krisenbestimmte Darlehen war von vornherein, d. h. bereits vor Eintritt einer Krise, auf eine Krisenfinanzierung angelegt. Zudem war erkennbar, dass der Gesellschafter das Darlehen in der Krise nicht abziehen würde. Es führte grundsätzlich zu nachträglichen AK in Höhe des Nennwerts. Der Unterschied zum ‚stehengelassenen‘ Darlehen besteht darin, dass bei einem ‚krisenbestimmten‘ Darlehen die Bindung bereits mit dem Verzicht auf eine ordentliche und außerordentliche Kündigung im Zeitpunkt der Krise eintritt, weshalb der Verlust des Darlehens auf diesem Verzicht und nicht nur auf den später eintretenden gesetzlichen Rechtsfolgen der Krise beruhte. Auch hier ergibt sich keine Änderung durch das BMF-Schreiben vom 21.10.2010, sodass diese Grundsätze weiterhin Anwendung finden.
2.1.3.4. Finanzplandarlehen
Das Finanzplandarlehen war von vornherein in die Finanzplanung der Gesellschaft einbezogen. Mit der Eigenkapitalausstattung durch die Darlehensgewährung sollte eine grundlegende Kapitalausstattung zur sinnvollen Aufnahme der Geschäfte erreicht werden. Nach dem Gesellschaftsrecht waren Finanzplandarlehen den Einlagen gleichgestellt und mit der Hingabe als Haftkapital gebunden. Insbesondere war auch für die einkommensteuerrechtliche Beurteilung davon auszugehen, dass es mit Rücksicht auf das Gesellschaftsverhältnis gewährt wird. Dementsprechend erhöhten sich die AK der Beteiligung im Falle eines Verlustes i. H. d. Nennwerts. Nach dem BMF-Schreiben vom 21.10.2010 führt das Finanzplandarlehen ebenfalls zu nachträglichen AK, sodass auch hier keine Änderungen entstehen.
2.1.3.5. Sanierungsprivileg
Nach § 39 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4 InsO unterliegen Darlehensforderung, die zum Zwecke der Sanierung des Unternehmens hingegeben wurden, nicht dem oben beschriebenen Nachranggebot, weshalb kein eigenkapitalersetzender Charakter besteht. Dies führt dazu, dass ein Ansatz als nachtr. AK (eigentlich) ausbleibt. Das sog. Sanierungsprivileg bietet hier eine Sonderregelung. Denn die gesetzlichen Neuregelungen in §§ 39, 135 InsO sowie § 6 AnfG sollen den Gesellschafter von Beginn des Anfechtungszeitraums wirtschaftlich so stellen, als habe er eine Krisenbestimmung vereinbart. Im Ergebnis ist der gemeine Wert des Darlehens im Zeitpunkt des Beginns des Anfechtungszeitraums maßgeblich. Somit führen spätere Darlehensverluste auch hier sowohl nach der alten (§ 32a Abs. 3 S. 3 GmbHG a. F.) als auch nach der neuen Rechtslage zu nachträglichen AK.
2.1.3.6. Kleinanlegerprivileg
Das sog. Kleinanlegerprivileg gem. § 39 Abs. 1 Nr. 5 Abs. 5 InsO (früheres Zwerganteilsprivileg nach § 32a Abs. 3 S. 2 GmbHG a. F.) wurde ebenfalls vom Gesetzgeber i. R. d. MoMiG beibehalten und in das Insolvenzrecht eingepflegt. Ein Gesellschafter wurde dann als Kleinanleger bezeichnet, wenn er nur eine Beteiligungsquote von 10 % oder weniger an der Gesellschaft hielt. Gem. § 39 Abs. 5 InsO verliert ein Kleingesellschafter den Anspruch gegen die Gesellschaft nicht und wird in Höhe der Insolvenzquote befriedigt. Deshalb konnte er einen Verlust bei Ausfall seines Gesellschafterdarlehens nicht als nachtr. AK i. R. d. § 17 EStG, sondern i. R. d. § 20 Abs. 2 Nr. 7 EStG geltend machen. Falls hingegen der darlehensgebende Kleingesellschafter vertraglich auf den Schutz des § 39 Abs. 5 InsO verzichtete und deshalb im Insolvenzverfahren leer ausging, so wurde er hinsichtlich des Darlehensausfalls wie ein Anteilseigner mit entsprechender hoher Beteiligungsquote behandelt. Dies führte zu dem Ergebnis, dass er den Darlehensverlust als nachtr. AK i. R. d. § 17 EStG geltend machen konnte. Jedoch ist für jeden Einzelfall zu prüfen, ob dies bezüglich der Verlustnutzung sinnvoll ist, wobei insbesondere der Zeitpunkt der Darlehensgewährung und Verlustrealisierung zu beachten ist.
2.1.3.7. Würdigung der Darlehensdifferenzierungen
Unverändert führen in der Krise hingegebene Darlehen, Finanzplandarlehen und aufgrund vertraglicher Vereinbarungen krisenbestimmte Darlehen grundsätzlich in Höhe des Nennwerts zu nachträglichen AK. Eine Änderung sollte allein für stehengelassene Darlehen durch das BMF-Schreiben vom 21.10.2010 erfolgen. Nach wie vor wird zwischen den vier vorgenannten Fallgruppen differenziert. Zusätzlich wurden das Kleinanleger- sowie das Sanierungsprivileg mit aufgenommen, mit dem Ergebnis, dass die bestehenden Grundsätze leicht modifiziert weiter angewendet werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 3: Fallgruppen BFH bis zur Rechtssprechungsänderung
2.1.4. Rechtsprechungsänderung
Erst mit dem Grundsatzurteil vom 11.07.2017 hat der BFH zunächst die langjährige Rechtsprechung zur Berücksichtigung ausgefallener Finanzierungshilfen geändert. Infolgedessen konnten ausgefallene Gesellschafterdarlehen nicht mehr als nachtr. AK der Beteiligung i. R. d. § 17 EStG berücksichtigt werden. Damit sind die in der Vergangenheit angewandten Fallgruppen hinfällig, d. h. eine Darlehensdifferenzierung (siehe Tabelle 3) ist nicht mehr durchzuführen. Nach der Auffassung des BFH sei eine normspezifische steuerliche Auslegung des Anschaffungskostenbegriffs nicht mehr zu rechtfertigen. Die Ursachen seien einerseits die Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts, die zu dem Wegfall der gesetzlichen Grundlage der bisherigen Rspr. führte, und andererseits der Wortlaut des § 17 Abs. 2 und 4 EStG. Vielmehr solle an den handelsrechtlichen Anschaffungskostenbegriff gem. § 255 Handelsgesetzbuch (HGB) angeknüpft werden. Dieser gewährleistet eine hinreichende Rechtsicherheit und trennscharfe Abgrenzung zwischen Eigen- und Fremdkapital. Den (nachträglichen) AK der Beteiligung könnten danach grds. nur solche Aufwendungen des Gesellschafters zugeordnet werden, die nach handels- und bilanzsteuerrechtlichen Grundsätzen zu einer offenen oder verdeckten Einlage in das Kapital der Gesellschaft führen. Somit konnten nach der Rspr. des BFH nur noch folgende Aufwendungen zu nachträglichen AK führen:
- Nachschüsse i. S. der §§ 26 ff. GmbHG,
- Sonstige Zuzahlungen nach § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB (z. B. Einzahlungen in die Kapitalrücklage),
- Barzuschüsse (Sanierungszuschüsse),
- Verzicht auf eine noch werthaltige Forderung,
- Ausfall eines Gesellschafterdarlehens bei Vereinbarung eines Rangrücktritts i. S. v. § 5 Abs. 2a EStG
Dahingegen führen Aufwendungen aus Fremdkapitalhilfen, wie der Ausfall eines vormals ‚krisenbedingten‘, ‚krisenbestimmten‘ oder in der Krise stehengelassenen Darlehens, grds. nicht mehr zu nachträglichen AK der Beteiligung.
2.1.4.1. Anschaffungskostenbegriff gem. § 255 Abs. 1 S. 1 HGB
Der BFH vertritt die Ansicht, dass die Darlehenshingabe von Gesellschaftern an eine ihnen gehörende GmbH nicht gesellschaftsrechtlich veranlasst sein kann, da das Eigenkapitalersatzrecht in das Insolvenzrecht verlagert wurde. Diese Annahme ist jedoch unverständlich. Laut dem BFH soll die normspezifische steuerrechtliche Auslegung des Anschaffungskostenbegriff nicht mehr gelten und es wird auf den handelsrechtlichen Anschaffungskostenbegriff gem. § 255 Abs. 1 S. 1 HGB verwiesen. Allerdings wird dort ein Eigenkapitalersatzrecht nicht explizit erwähnt. Wenn nur allein die Definition der AK gem. § 255 Abs. 1 S. 1 und 2 HGB betrachtet wird, dann führt dies zu einem anderen Ergebnis als dem des BFH. Der steuerliche AK-Begriff ergibt sich mangels steuergesetzlicher Definition aus § 255 Abs. 1 HGB. Er wurde i. R. d. Bilanzrichtliniengesetzes in das HGB aufgenommen und geht auf die vorangegangene gefestigte Steuerrechtsprechung zurück. Gem. § 255 Abs. 1 S. 1 HGB gehören alle Aufwendungen zum Versetzen eines Wirtschaftsgutes in einen betriebsbereiten Zustand zu den AK, wobei in S. 2 der Begriff der AK explizit um nachtr. AK erweitert wird. Falls demnach der betriebsbereite Zustand des Wirtschaftsguts ‚Gesellschaft‘ später mangels ausreichend vorhandenem EK gefährdet, jedoch durch Zufuhr von Finanzmitteln aus dem Gesellschafterkreis wiederhergestellt wird, so handelt es sich bei dieser Art von Mittelausstattung ohne Zweifel bereits nach der knappen Definition des HGB um nachtr. AK. Gemäß dieser Sichtweise ist es unverständlich, warum der BFH nachtr. AK i. R. d. § 17 EStG bei einem Darlehensausfall nicht mehr berücksichtigen will.
2.1.4.2. Vertrauensschutzregelung
Der BFH hat diese Rechtssprechungsänderung mit einer sog. Vertrauensschutzregelung bestückt, wonach die Urteilsgrundsätze vom 11.07.2017 nur mit Wirkung für die Zukunft anzuwenden sind. Beruft sich der Steuerpflichtige auf die Vertrauensschutzregelung, dann gelten für den Ausfall von eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen, die bis zur Veröffentlichung des BFH-Urteils am 27.09.2017 geleistet oder bis zu diesem Tag eigenkapitalersetzend wurden, die früheren Grundsätze. Insoweit findet das BMF-Schreiben vom 21.10.2010 weiter Anwendung.
2.1.4.3. Nachträgliche AK außerhalb der Vertrauensschutzregelung
Mit dem BMF-Schreiben vom 05.04.2019 wurde die neue Rspr. des BFH seitens der FV akzeptiert. Die vorherigen Grundsätze des BMF-Schreibens vom 21.10.2010 kommen nur unter folgenden Voraussetzungen weiter zum Einsatz. Zum einen muss das MoMiG anzuwenden sein. Dementsprechend muss das Insolvenzverfahren nach dem 31.10.2008 eröffnet bzw. die Vornahme der anfechtbaren Rechtshandlung nach dem 31.10.2008 vorgenommen werden. Zum anderen muss die bisher als eigenkapitalersetzend angesehene Finanzierungshilfe bis einschließlich 27.09.2017 gewährt oder bis zu diesem Tag eigenkapitalersetzend geworden sein. Wenn diese Voraussetzungen erfüllt werden, dann können die bisherigen Fallgruppen (Krisendarlehen, krisenbestimmtes Darlehen, stehengelassenes Darlehen, Finanzplandarlehen, etc.) mit dem Nennwert/Teilwert in die nachträglichen AK miteinbezogen werden. In allen übrigen Fällen (d. h. außerhalb der Vertrauensschutzregelung) ist dagegen die neue Rspr. des BFH anzuwenden. Durch diese ist außerhalb der Vertrauensschutzregelung für die Bestimmung der AK i. S. d. § 17 Abs. 2 EStG der § 255 HGB maßgeblich. Der Gesellschafter kann somit einen Verlust aus einer Darlehensforderung nicht mehr als nachtr. AK i. S. d. § 17 EStG geltend machen. Allerdings wird nicht abschließend geklärt, was mit Gesellschafterdarlehen geschieht, die nach dem 27.09.2017 hingegeben wurden oder eigenkapitalersetzend geworden sind. Denn das BMF-Schreiben vom 05.04.2019 enthält weder eine Aussage dazu, ob ein Ausfallverlust schon während der Vertrauensschutzregelung (im Fall eines steuerlich günstigeren Ergebnisses aus Sicht des Steuerpflichtigen) i. R. d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, S. 2 Abs. 4 EStG zu berücksichtigen ist, noch dazu, ob dieser danach als Veräußerungsverlust bzw. Forderungsverlust gem. § 20 Abs. 2 EStG anzurechnen ist. Die Überlegung, i. R. d. § 255 HGB die Darlehensgewährung als Instandhaltungsmaßnahme der Beteiligung anzusehen und damit WK wie bei Betriebsausgaben geltend zu machen, kommt nicht in Frage. Ebenso wenig sollte die Alternative eintreten, die Aufwendungen nach dem 27.09.2017 als steuerlich irrelevant zu behandeln. An dieser Stelle sieht der BFH einen Lösungsansatz darin, die Aufwendungen dem Regime der Besteuerung von Kapitalerträgen zu unterwerfen und durch die Einführung der AbgSt (sog. Paradigmenwechsel) neu zu interpretieren.
2.1.4.4. Darlehenshingabe nach Inkrafttreten der Abgeltungssteuer
Mit der Unternehmenssteuerreform 2008 wurde die AbgSt eingeführt. Damit erfolgte ein Bruch des Systems der klaren Trennung von Ertrags- und Vermögensebene von Kapitalanlagen im PV, mit dem Ergebnis einer vollständigen steuerrechtlichen Erfassung von Wertänderungen im Zusammenhang mit Kapitalanlagen. Die laufenden Erträge sowie Veräußerungsgewinne werden seit dem 01.01.2009 der AbgSt in Höhe von pauschal 25% gem. § 32d Abs. 1 EStG unterworfen und unterliegen damit einer einheitlichen Besteuerung. Abweichend von der Auffassung der FV ist nach dem BFH-Urteil vom 24.10.2017 seit Einführung der AbgSt der Ausfall einer privaten Kapitalforderung als Verlust i. S. d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, Satz 2 und Abs. 4 EStG steuerlich anzuerkennen. Dies gilt allerdings nur dann, wenn die Rückzahlung hinter dem Nennwert des Zahlungsanspruches zurückbleibt und endgültig feststeht, dass (über bereits gezahlte Beiträge hinaus) keine weiteren Rückzahlungen mehr erfolgen werden. Verlusterhöhend wirken Aufwendungen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Forderungsausfall gem. § 20 Abs. 4 EStG stehen. Gleiches gilt auch für Gesellschafterdarlehen. Die Ursache dafür besteht darin, dass in § 20 Abs. 2 S. 2 EStG neben der tatsächlichen Veräußerung der Kapitalforderung auch die fiktive Veräußerung, nämlich die Einlösung, Rückzahlung, Abtretung oder verdeckte Einlage in eine Kapitalgesellschaft, aufgeführt sind. Im Ergebnis stellt der BFH fest, dass nicht nur Wertsteigerungen zu versteuern sind, sondern auch Wertminderungen steuerlich abzugsfähig sein müssen. Zu beachten ist, dass diese Grundsätze gem. § 52 Abs. 28 S. 16 EStG ausschließlich für Forderungen gelten, die nach dem 31.12.2008 erworben oder begründet wurden. Dahingegen ist eine Forderung, die vor dem 01.01.2009 erworben wurde, ein steuerlich unbeachtlicher privater Vermögensverlust. Der Verlust des Gesellschafters ist in dem Zeitpunkt zu berücksichtigen, in dem feststeht, dass mit weiteren Rückzahlungen nicht mehr zu rechnen ist. Bei einem Liquidations- oder Insolvenzverfahren ist dies grds. der Zeitpunkt des Verfahrensabschlusses. Eine Ausnahme besteht in dem Fall, wenn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt wird oder aus anderen Gründen feststeht, dass die Gesellschaft bereits im Zeitpunkt der Auflösung vermögenslos war und dementsprechend mit weiteren Zahlungen nicht mehr zu rechnen ist. Die Nachweispflicht für Zeitpunkt und Höhe des Forderungsausfalles trifft den Gläubiger. Die Handelsbilanz der Schuldnerkapitalgesellschaft besitzt hier aber eine indizielle Auswirkung auf das Bestehen und die Höhe der Forderung. Im Ergebnis können ausgefallene Finanzierungshilfen des Gesellschafters, die nach dem 31.12.2008 gewährt wurden, zu einem Kapitalverlust nach § 20 Abs. 2 führen. In diesem Fall erlangt die Regelung des § 32d Abs. 2 S. 1 Nr. 1 lit. b EStG besondere Bedeutung, weil diese bei Gesellschaftern mit einer Beteiligung von mindestens 10% an der darlehensnehmenden Kapitalgesellschaft die Anwendung von § 20 Abs. 6 EStG unterbindet und eine 100%ige Verlustnutzung ermöglicht. Dahingegen hat die Erfassung ausgefallener Finanzierungshilfen als nachtr. AK der Beteiligung i. S. d. § 17 EStG wegen der Anwendung des TEV nur eine steuerliche Auswirkung von 60% zur Folge. Unter Berücksichtigung der ab dem 01.08.2019 kodifizierten Gesetzesänderung ergeben sich bei bis zum 31.07.2019 ausgefallenen Darlehen die in der nachfolgenden Tabelle dargestellten Konsequenzen.
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- Quote paper
- Lena Kühl (Author), 2021, Ausfall von Gesellschafterdarlehen nach den Neuregelungen von 2019 und 2020. § 17 Abs. 2a EStG, § 20 Abs. 6 S. 6 EStG und § 32d Abs. 2 Nr. 1 lit. b EStG, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1215023
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