Der Fall der Berliner Mauer und der Kollaps des sozialistischen Wirtschafts- und Gesellschaftssystems 1989/90 stellte das bedeutendste Ereignis der jüngeren deutschen Geschichte dar. Besonders im Epizentrum dieses historischen Bruchs, in Berlin, wurde plötzlich auf lokaler Ebene sichtbar, wie unterschiedliche politische Vorgaben zu unterschiedlichen stadträumlichen Entwicklungen führten, die im Zuge der Wiedervereinigung zu enormen Problemen aber auch Chancen führten. Ganz im Sinne der sozialistischen Doktrin versuchte das SED-Regime auf allen Ebenen, das politische System als höchste Stufe zivilisatorischer Entwicklung zu glorifizieren, sowie den Menschen zu entindividualisieren und zu proletariatisieren. Diese Uniformierungstendenz der Bevölkerung fand insbesondere im Städtebau seinen Ausdruck, indem an den Stadträndern riesige Wohnsiedlungen in industrieller Fertigbauweise entstanden sind, die den Menschen standardisierte Annehmlichkeit boten und es außerdem der Staatsführung besser erlaubte, die Bevölkerung zu kontrollieren. Diese enorme Bautätigkeit ging zu Lasten der gründerzeitlichen Innenstadtgebiete, die aufgrund ihrer Entstehung während der Blütezeit des Industriekapitalismus als Ausdruck bourgeoiser Ausbeutung der Arbeiterbevölkerung standen, und dementsprechend nicht den Utopien der herrschenden Klasse in der DDR entsprachen. Der BRD wurde als Rechtsnachfolger der DDR quasi über Nacht die gewaltige Aufgabe zuteil, die ostdeutsche stadtstrukturelle Realität bezüglich der Wohnraumsituation und der urbanen Infrastrukturausstattung an den Gegebenheiten und Bedürfnissen der gesamtdeutschen Bevölkerung anzupassen, wobei ein besonderer Augenmerk auf die Entwicklung der verfallenen Innenstädte gelegt werden musste.
Deshalb widmet sich diese Arbeit im Folgenden den urbanen Transformationsprozessen in den städtischen Altbauquartieren nach der politischen Wende, mit besonderer Berücksichtigung des Berliner Stadtteils Prenzlauer Berg, der in der Literatur besonders häufig mit dem Attribut des „gentrifizierten Stadtteils“ bedacht wird. Zunächst werde ich einen kurzen Überblick über den Stand der Gentrification-Forschung geben, anschließend werde ich die ökonomischen und politischen Problemlagen zusammenfassen unter besonderer Berücksichtigung des Wandels der Stadterneuerungspolitik der 90er Jahre, um anschließend die Entwicklungen aus heutiger Sicht, 18 Jahre nach der Wiedervereinigung, kritisch zu betrachten.
Inhaltsverzeichnis:
1. Vorwort
2. Gentrification als Phänomen postmoderner Stadttransformation
3. Die Ausgangslage in Berlin-Prenzlauer Berg 1990
4. Der Bezirk Prenzlauer Berg heute
5. Probleme der Stadterneuerung unter veränderten Rahmenbedingungen
6. Städtebauliches Instrumentarium
7. Die Sanierungspraxis
7.1 Die Eigentümer
7.2 Die Verwaltung
7.3 Der Sanierungsträger
8. Fazit
9. Literatur
1. Vorwort:
Der Fall der Berliner Mauer und der Kollaps des sozialistischen Wirtschafts- und Gesellschaftssystems 1989/90 stellte das bedeutendste Ereignis der jüngeren deutschen Geschichte dar. Besonders im Epizentrum dieses historischen Bruchs, in Berlin, wurde plötzlich auf lokaler Ebene sichtbar, wie unterschiedliche politische Vorgaben zu unterschiedlichen stadträumlichen Entwicklungen führten, die im Zuge der Wiederver- einigung zu enormen Problemen aber auch Chancen führten.
Ganz im Sinne der sozialistischen Doktrin versuchte das SED-Regime auf allen Ebenen, das politische System als höchste Stufe zivilisatorischer Entwicklung zu glorifizieren, sowie den Menschen zu entindividualisieren und zu proletariatisieren. Diese Uniformierungstendenz der Bevölkerung fand insbesondere im Städtebau seinen Ausdruck, indem an den Stadträndern riesige Wohnsiedlungen in industrieller Fertigbauweise entstanden sind, die den Menschen standardisierte Annehmlichkeit boten und es außerdem der Staatsführung besser erlaubte, die Bevölkerung zu kontrollieren. Diese enorme Bautätigkeit ging zu Lasten der gründerzeitlichen Innenstadtgebiete, die aufgrund ihrer Entstehung während der Blütezeit des Industriekapitalismus als Ausdruck bourgeoiser Ausbeutung der Arbeiterbevölkerung standen, und dementsprechend nicht den Utopien der herrschenden Klasse in der DDR entsprachen. Der BRD wurde als Rechtsnachfolger der DDR quasi über Nacht die gewaltige Aufgabe zuteil, die ostdeutsche stadtstrukturelle Realität bezüglich der Wohnraumsituation und der urbanen Infrastrukturausstattung an den Gegebenheiten und Bedürfnissen der gesamtdeutschen Bevölkerung anzupassen, wobei ein besonderer Augenmerk auf die Entwicklung der verfallenen Innenstädte gelegt werden musste.
Aus der Vielzahl der Publikationen die in der Folgezeit über innenstädtische Entwicklungsprozesse veröffentlicht worden sind sticht das Schlagwort der „Gentrification“ besonders augenscheinlich hervor. Deshalb widmet sich diese Arbeit im Folgenden den urbanen Transformationsprozessen in den städtischen Altbauquartieren nach der politischen Wende, mit besonderer Berücksichtigung des Berliner Stadtteils Prenzlauer Berg, der in der Literatur besonders häufig mit dem Attribut des „gentrifizierten Stadtteils“ bedacht wird. Zunächst werde ich einen kurzen Überblick über den Stand der Gentrification-Forschung geben, anschließend werde ich die ökonomischen und politischen Problemlagen zusammenfassen unter besonderer Berücksichtigung des Wandels der Stadterneuerungspolitik der 90er Jahre, um anschließend die Entwicklungen aus heutiger Sicht, 18 Jahre nach der Wiedervereinigung, kritisch zu betrachten.
2. Gentrification als Phänomen postmoderner Stadttransformation
Der Begriff der Gentrification wurde erstmals von der britischen Soziologin Ruth Glass 1964[1] verwendet und beschreibt einen Prozess des Wandels der Sozialstruktur in innenstadtnahen Altbaugebieten. Theoretisch basiert dieser Prozess auf einem Invasions-Sukzessions-Zyklus, der aus den humanökologischen Stadtentwicklungsmodellen der Chicagoer Schule hervorgeht. Das Neue an diesem Zyklus im Gegensatz zu den traditionellen Modellen liegt in der Richtung der Sukzession. Während die klassischen Zyklen von einer Sukzession statushöherer Bevölkerungsgruppen innenstadtnaher Gebiete durch statusniedrigere Haushalte beschreiben, was die starken Sub- und Exurbanisierungstendenzen amerikanischer und europäischer Großstädte zur Folge hatte, beschreibt Gentrification eine Verdrängung statusniedrigerer Haushalte durch Bevölkerungsgruppen mit höherem Einkommen, höherem Bildungsstatus und höherem sozialen Status. Laut Theorie findet diese Art der Verdrängung in Wohngebieten statt, die durch die Merkmale Nähe zum Stadtzentrum, Bausubstanz der Jahrhundertwende vom 19./20. Jahrhundert in schlechtem Zustand, niedrige Bodenpreise und Mieten und statusniedrige Bewohner gekennzeichnet sind.
Der Invasions-Sukzessions-Zyklus ist gekennzeichnet durch mehrere Phasen, die durch die Dominanz bestimmter Bevölkerungsgruppen oder sozialer Milieus[2] gekennzeichnet sind. Die Initialphase wird gebildet durch einen Zuzug sogenannter Pioniere, die gekennzeichnet sind durch Bildung von Haushalten mit höchstens 2 Personen, einem niedrigen Einkommen und dem Wunsch nach räumlicher Nähe zu kulturellen und öffentlichen Angeboten. Sie werden angezogen von niedrigen Mieten und individuellem Gestaltungsspielraum.
Die zweite Phase kann charakterisiert werden durch das Auftreten von „Gentrifiern“. Dies sind Personen, die einen höheren Bildungsabschluss und ein höheres Gehalt aufweisen und i.d.R. der Altersgruppe der 25-40jährigen zugerechnet werden. Sie fühlen sich angezogen von der alternativen Lebensweise die durch die kulturelle Schöpfungskraft der jungen Pioniere bedingt ist. Mit verstärktem Auftreten der Gentrifier beginnt ein Viertel sich zu wandeln, indem die Modernisierungstätigkeit und das Spekulationsvolumen steigen. Zusätzlich beginnt auch die gastronomische und gewerbliche Infrastruktur, sich auf die Nachfrage der neuen Bevölkerungsgruppe einzustellen. Dazu trägt zusehends eine Medienberichterstattung bei, die von Geheimtipps und subkulturellen Szenen erzählt. Durch eine steigende Nachfrage nach Wohnraum und die einsetzende Modernisierung kommt es zu einer ersten Welle der Verdrängung der alteingesessen Bevölkerung, die sich auf dem Wohnungsmarkt finanziell nicht mehr behaupten kann.
Während der dritten Phase werden die Veränderungen, die zu einem sich selbst tragenden Prozess geworden sind, schließlich von allen wahrgenommen, und es beginnt eine zweite Sukzessionswelle, hervorgerufen einerseits durch ein Gefühl des überfremdet Werdens seitens der Pioniere von der zahlenmäßig ansteigenden Gruppe der Gentrifier, andererseits durch steigende Mietpreise, die für die Gruppe der Pioniere nicht mehr zu bezahlen sind.
In einer abschließenden Phase hat sich das Viertel zu einem gehobenen Wohnstandort gewandelt, sodass es zunehmend attraktiv wird für Familien mit Kindern. Mietwohnungen werden in Eigentumswohnungen umgewandelt und der soziale Wandel zieht einen grundlegenden Wandel der öffentlichen Infrastruktur mit sich.
Da dieses Modell eine zweifache Verdrängung beschreibt, kann man also von einem doppelten Invasions-Sukzessions-Zyklus sprechen. Als „fruchtbarster Erklärungsansatz“[3] dienen die zwei angebotsorientierten Marktmodelle des „rent gap“[4] und des „value gap“, die jedoch aufgrund ihrer theoretischen Ähnlichkeit zusammengefasst werden können. Der Unterschied liegt lediglich darin, dass sich die rent gap-Theorie mit den Grundstückswerten und die value gap-Theorie mit den Wohnungspreisen beschäftigt. Beide „[...]erklären die Aufwertung eines Wohngebietes durch den steigenden Wert der Grundstücke [bzw. der Wohngebäude] Sie geh[en] davon aus, dass ein Grundstück [eine Wohnung] vor der Gentrification einen Wert hat, der unter dem zu Erzielenden liegt. Rent Gap [Value Gap] ist die Differenz zwischen der potentiellen und der tatsächlichen Bodenrente eines Grundstücks [einer Immobilie].“[5]
Diesem angebotsorientiertem Ansatz stehen nachfrageseitige Theorien gegenüber, die eher von den Bedürfnissen der Gentrifier selber als Erklärungsmuster ausgehen. Begründet wird diese veränderte Nachfrage im Allgemeinen durch eine veränderte Arbeitsplatzstruktur in der postfordistischen Produktionsweise, in der die Industriearbeitsplätze der „blue collar workers“ durch dienstleistungsorientierte Arbeitsplätze für „white collar workers“ ersetzt worden sind.
„I see gentrification not as an inevitable consequence of the prior existence of a rent gap, but primarily as a result of the continuing economic transformation of major Western cities from manufacturing centres to centres of business services and the creative and cultural industries, with consequent changes in occupational structure, income distribution, gender relations, the housing market, and cultural tastes.”[6]
Kritisiert wird das Phasenkonzept vor allem aufgrund der methodischen Probleme bei der Abtrennung zwischen Pionier und Gentrifier. Beispielsweise fällt ein Pionierhaushalt automatisch aus dieser Gruppe, sobald ein Kind dazustößt. Außerdem belegen empirische Studien teilweise, dass sich diese Phasen zeitlich überlappen, und dass viele Wegzüge nicht unbedingt durch Verdrängungseffekte zu erklären sind.
Zusammenfassend erkennt Holm, dass die internationale Gentrificationforschung, bisher kein endgültiges Modell aufzustellen vermochte, wohl auch, weil es national unterschiedliche Rahmenbedingungen gibt, die unterschiedliche Prozesse hervorrufen und es somit bisher nicht gelungen ist, eine einheitliche und umfassende Definition zu entwickeln. Der kleinste gemeinsame Nenner eines Verständnisses des Wandels lässt die Ursachen außen vor und wird von ihm wie folgt formuliert: „Als Gentrification wird ein baulich ökonomischer Aufwertungsprozess beschrieben, durch den Haushalte mit höheren Einkommen, BewohnerInnen mit geringen Einkommen aus der Nachbarschaft verdrängen und die wesentlichen Merkmale und Stimmungen der Nachbarschaft verändern.“[7]
3. Die Ausgangslage in Berlin-Prenzlauer Berg 1990
Der Ostberliner Stadtteil Prenzlauer Berg ist Teil des gründerzeitlichen Altbaugürtels, der im Westteil der Stadt Wedding, Tiergarten, Schöneberg Kreuzberg und das nördliche Neukölln, sowie im Osten außerdem Friedrichshain umfasst. Auf den ehemaligen landwirtschaftlich genutzten Flächen, deren Flurgrenzen die Grundlage für das heutige Straßennetz bilden, sind zunächst ab den 1830er Jahren relativ wild, ab 1862 weitestgehend dem Hobrechtschen Bebauungsplan folgend, systematisch Siedlungs- und Industriebauten entstanden.
Durch eine enorme Freisetzung privaten Kapitals während der Gründerjahre nach dem deutsch-französischen Krieg 1870/71 wurde der gesamte Bezirk mit Wohnbauten des Mietskasernetyps bebaut. Dieser vier- bis fünfstöckige Bau, war charakteristisch für das Berlin des späten 19. Jahrhunderts. Er umfasste das Vorderhaus, das in der Regel Wohnungen größeren Zuschnittes und teilweise eine prächtige Fassade besaß und die Seiten- und Hinterhäuser, die sich um einen kleinen Innenhof drängten und geprägt waren durch wesentlich kleinere Wohnungen, eine schlechte sanitäre Ausstattung und ungesunde Licht- und Luftverhältnisse. Neben der Siedlungsentwicklung wurden große städtische Versorgungsbetriebe, z.B. ein Gaswerk, ein Zwischenhebewerk für die Wasserversorgung und ein Schlachthof errichtet. Darüber hinaus konzentrierte sich als einzig nennenswerter privater Wirtschaftszweig die Berliner Brauindustrie im Bezirk. Infolge der Siedlungsentwicklung wurden ebenfalls notwendige Wohnfolgeeinrichtungen wie Schulen, Kirchen, Verwaltungsgebäude und Markthallen errichtet.[8]
Der Bezirk ist im 2. Weltkrieg relativ verschont geblieben von Zerstörungen durch alliierte Bombenangriffe, sodass er den größten Anteil von gründerzeitlicher Bebauung in ganz Berlin aufweist. 2/3 aller Wohnungen wurden bis 1918 gebaut und weitere 15% in der Zwischenkriegszeit.[9] Als dann auf dem Gebiet der Sowjetischen Besatzungszone 1949 die DDR entstand, kamen aufgrund der ideologischen Neuausrichtung auch im Städtebau in diesen Quartieren alle Baumaßnahmen zum Erliegen. Da geplant war, diese innenstadtnahen Gebiete früher oder später ganz abzureißen und durch Neubauten in sozialistischer Bauweise zu ersetzen, wurden keine Erneuerungs- und Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt. Die bauliche Ausstattung wies daher erhebliche Mängel auf. 80% der Wohnungen hatten entweder keine Toiletten oder kein Bad, ebenso waren fast 80% der Wohnungen mit antiquierten Kohleöfen versehen. Darüber hinaus waren Wasserleitungen herausgebrochen, Fenster undicht, Treppengeländer abgerissen und Wärmeisolierungen nicht existent.
Trotzdem barg der Bezirk zeitlebens eine große Anzahl an Bewohnern. Selbst nach negativen Wanderungssalden in den 70er und 80er Jahren betrug der Bevölkerungsstand zur Wende ca.
150.000 Personen. Zwar war es in der DDR für viele Menschen erstrebenswert, eine der gut ausgestatten Plattenwohnungen an den Stadträndern zu beziehen, jedoch verlief die Vergabe dieser Wohnungen staatlich gesteuert, sodass Regime-konforme Bürger bessere Chancen darauf hatten. Für die Gegner des Regimes gab es im Prenzlauer Berg allerdings die Möglichkeit, ein wenig Abstand von der allumfassenden Vereinheitlichung der kompletten Lebenswelt zu erlangen. Aufgrund dessen entwickelte sich dort allmählich ein besonderes Milieu aus politischen Oppositionellen, Künstlern, Liedermachern, Schriftstellern, sowie als vermeintlich „asozial“ diffamierten Personen.
4. Der Bezirk Prenzlauer Berg heute
Für Touristen, die heute Berlin besuchen, ist der Prenzlauer Berg neben den touristischen Einzellandmarks wie dem Brandenburger Tor, dem Sonycenter, der Museumsinsel und dem Alexanderplatz ein integraler Bestandteil ihrer Tour. Beschrieben in Berlinstadtführern als „hip“, „in“ oder „Szenekiez“ zieht er jeden Tag Tausende von Menschen an. Besonders um den Helmholtzplatz, den Kollwitzplatz und in der Kastanienallee sind schicke Cafés, internationale Spezialitätenrestaurants und „trendige“ Modeboutiquen wie Pilze aus dem Boden geschossen. Wer abends durch diese Straßen flaniert, wird beschallt mit den angesagtesten Sounds aus diversen Lounges. Diverse Theaterprojekte, Kunstausstellungen und Kinos runden die junge urbane Atmosphäre ab.
Neben diesen symbolischen und kulturellen Aufwertungen ist die bauliche Aufwertung die wahrscheinlich am meisten Offensichtliche. Die gründerzeitliche Wohnbausubstanz ist, zumindest in den Sanierungsgebieten, mittlerweile zu über 65% saniert.[10] Ehemals verfallene Industrie- und Gewerbebauten wie das Areal der Schultheiss-Brauerei oder der historische Wasserturm südlich des Kollwitzplatzes sind umgenutzt worden zu Kulturarealen. Den Straßenzügen ist nur noch sehr vereinzelt die 50-jährige Vernachlässigung der DDR-Zeit anzusehen.
Auch sozialstrukturelle Veränderungen sind immanent, besonders beim Anteil der Singlehaushalte, der Altersentwicklung und der Bildungsstruktur. Bezüglich der Haushaltsgrößen lässt sich ein gesamtgesellschaftlicher Trend zu geringeren durchschnitt- lichen Haushaltsgrößen feststellen. Jedoch weißt der Bezirk Prenzlauer Berg mit einer durchschnittlichen Haushaltsgröße von 1,6 von allen Berliner Bezirken den geringsten Wert auf. Bereits 1999 verzeichnete der Bezirk einen Anteil von Einpersonenhaushalten von 56,8%. Im Gegensatz zur, in Gesamt-Berlin negativen Entwicklung der Gruppe der 18- 35jährigen, die als maßgeblicher Katalysator für einen Gentrification-Prozess gelten, stieg der Anteil dieser Altersgruppe zwischen 1991 und 2000 um 19,3% von 37,8% auf 45,1%. Auch beim (Aus-)Bildungsniveau hat sich ein deutlicher Wandel vollzogen. Während der Bezirk 1991 mit einem Anteil der Bevölkerung mit Hochschulabschluss an der Gesamtanzahl der Personen mit berufsbildendem Abschluss von 17,9% knapp unter dem Berliner Durchschnitt (18,4%) hat sich die Ratio bis 1999 deutlich zugunsten des Prenzlauer Berges verschoben (32,7% vs. 23.6%). Auch der Anteil von Personen mit Gymnasialabschlüssen an den gesamten Schulabschlüssen hat von 25,4% auf 43,6% deutlich zugenommen, ein Indiz dafür, dass viele Studenten in den Bezirk gezogen sind.[11]
All dies sind klare Indizien für einen Stadtentwicklungsprozess, der unter dem Begriff Gentrification subsummiert wird. Daher hat der Prenzlauer Berg in der Gentrification- Forschung in den letzten Jahren eine große Aufmerksamkeit erfahren. Diese Entwicklung ist jedoch nicht eine primär Wünschenswerte gewesen, sondern hat sich ergeben aus einer komplexen Gemengelage von widersprüchlichen Interessen, mangelnder staatlicher Kontrollmöglichkeiten und individueller Durchsetzungsfähigkeit. Diese Komplexität werde ich im Folgenden darstellen.
[...]
[1] Glass, R. (1964). London: aspects of change. London
[2] Der hier verwendete Milieu-Begriff grenzt sich von der historischen Konnotation ab und übernimmt die Bedeutung der postmodernen Lebensstilforschung bzw. der Sozialstrukturforschung, wie sie von verschiedenen Marktforschungsinstituten, allen voran des Sinus-Sociovisions-Instituts aufgestellt wurde. Siehe auch http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,466865,00.html
[3] Laut der Einschätzung von Friedrichs, S.64
[4] Die rent gap-Theorie wurde von Neil Smith in 1979 vorgestellt. Er sah darin die entgegengesetzte Richtung der Kapitalakkumulation zur nach dem 2. Weltkrieg vorherrschenden Suburbanisierungstendenz begründet, als die niedrigen Bodenpreise an der Peripherie das städtische Kapital anzogen.
[5] Friedrichs, S. 64f
[6] Hamnett S.333
[7] Holm, S.72
[8] Für eine detailliertere Darstellung der frühen Besiedlung des Prenzlauer Bergs, siehe Guhr, S.12ff
[9] Häussermann, Holm u. Zunzer, S.67
[10] http://www.stadtentwicklung.berlin.de/wohnen/stadterneuerung/de/helmholtz/index.shtml
[11] Häussermann, Holm u. Zunzer, S.45ff
- Arbeit zitieren
- Sebastian Schlebusch (Autor:in), 2008, Stadterneuerung Prenzlauer Berg, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/121486
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