Schon seit der Antike versuchen Autoren in ihren Werken das Gefühl des Schmerzes darzustellen und zu beschreiben. Unumstritten dabei ist, dass es sich bei Schmerz um ein subjektives Gefühl handelt: Jeder kann nur für sich selbst definieren, was er als schmerzvoll empfindet und wie er dieses Gefühl erlebt. Des-halb ist es für einen Autoren schwierig, ein Schmerzempfinden, das allgemein verstanden und akzeptiert werden soll, in seinen Schriften auszudrücken. So gibt es allein eine Vielzahl an Ausdrücken wie z. B. Qual, Strafe, Gebrechen, Sorge, Hitze, Kälte oder aber auch Freude, die man mit dem Begriff Schmerz gleichsetzen kann. Fraglich ist dennoch, ob die Sprache überhaupt ausreichen kann, um die verschiedenen Facetten des Schmerzes darstellen zu können.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Hauptteil
2.1 Die Novelle „Venus im Pelz“
2.2 Masochismus und Schmerzdarstellung
2.3 Fetischismus
2.4 Weiblichkeitsbild
3 Schlussbetrachtung
4 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Schon seit der Antike versuchen Autoren in ihren Werken das Gefühl des Schmerzes darzustellen und zu beschreiben. Unumstritten dabei ist, dass es sich bei Schmerz um ein subjektives Gefühl handelt: Jeder kann nur für sich selbst definieren, was er als schmerzvoll empfindet und wie er dieses Gefühl erlebt. Deshalb ist es für einen Autoren schwierig, ein Schmerzempfinden, das allgemein verstanden und akzeptiert werden soll, in seinen Schriften auszudrücken. So gibt es allein eine Vielzahl an Ausdrücken wie z. B. Qual, Strafe, Gebrechen, Sorge, Hitze, Kälte oder aber auch Freude, die man mit dem Begriff Schmerz gleichsetzen kann.[1] Fraglich ist dennoch, ob die Sprache überhaupt ausreichen kann, um die verschiedenen Facetten des Schmerzes darstellen zu können.
Hilfreich bei diesen Überlegungen ist, sich zunächst einmal klar zu machen, was der Begriff des Schmerzes überhaupt umfasst. Der Autor David B. Morris versucht dazu in seinem Werk „Geschichte des Schmerzes“ zunächst einen Mythos zu widerlegen, den er selbst als den „Mythos der zwei Schmerzen“[2] bezeichnet. So widerspricht er der These, dass man Schmerz in einen körperlichen und einen seelischen Teil trennen kann, wie sie von der Schulmedizin vertreten wird. Schmerz ist für ihn immer die Verbindung einer psychischen und einer physischen Empfindung. Er begründet seine Meinung u. a. mit chronischen Schmerzen, bei denen seelische zu körperlichen Schmerzen führen können.
Antike Vorbilder führten zu Schmerzbeschreibungen, die heutzutage als grausam empfunden und teilweise mit Folter gleichgesetzt werden können. Der Schmerz hatte v. a. etwas mit Strafe zu tun. So wurde Marsyas von Apollo geschunden, nachdem er eine Wette gegen diesen verloren hatte. Lessing beschrieb Laokoon, der von einer Giftschlange getötet wird. Hierbei legte er ein besonderes Augenmerk darauf, wie Laokoon die Schmerzen durch den Schlangenbiss ertrug und eine ästhetische Darstellung des Schmerzes. Das heldenhafte Ertragen von Schmerzen verbunden mit Ästhetik ist ein wichtiger Aspekt der literarischen Illustration. Goethe beschrieb Prometheus, der versucht hatte, Zeus bei einer Opfergabe zu betrügen und dafür an einen Felsen gekettet wurde. Schmerzen wurden ihm durch einen Adler zugefügt, der täglich seine nachts nachwachsende Leber fraß. Diese bildhaften Vorstellungen des Schmerzes dienten Autoren als Inspirationsquelle für ihre Werke.
Einer dieser Autoren war der Österreicher Leopold von Sacher-Masoch. Auch er bediente sich der antiken/griechischen Tradition sowie der späteren christlichen Vorstellung des Märtyrertums. Was jedoch Sacher-Masochs Novelle „Venus im Pelz“ von 1870, die im Mittelpunkt dieser Arbeit stehen soll, besonders macht, ist eine neue Art der Schmerzdarstellung. Masoch war der erste Literat, der das Erleiden von Schmerzen mit Lust verband (Schmerzlust). So beschrieb er Schmerz zwar ebenfalls als Leiden seelischer und körperlicher Natur, jedoch dient bei ihm dieser Schmerz als Befriedigung seiner Unterwerfungsfantasien und als sexuelle Lustempfindung durch die Zufügung von körperlichen Schmerzen.
Im ersten Teil dieser Arbeit soll das Werk Sacher-Masochs in den historischen Kontext eingeordnet und zeitkritisch sowie aktuell die Bedeutung der Novelle dargestellt werden. Danach soll der Begriff des Masochismus geklärt werden, der nach dem Autor der „Venus im Pelz“ benannt wurde. Hier liegt das Hauptaugenmerk auf der Schmerzdarstellung und -empfindung in Sacher-Masochs Novelle, deren verschiedenen Aspekte beleuchtet werden sollen. Ebenfalls ein wichtiger Aspekt ist der Fetischismus. Im dritten Teil der Arbeit soll geklärt werden, was Fetischismus ist und wie sich Sacher-Masoch diesem bediente. Im engen Zusammenhang dazu steht das Weiblichkeitsbild des Autors, das im Anschluss erläutert werden soll. Besonders interessant ist hier die enge Verknüpfung zwischen Sacher-Masochs Phantasien im realen Leben und in seinem literarischen Werk.
Auch wenn heutzutage der Begriff des Masochismus nicht unmittelbar mit dem Schriftsteller Sacher-Masoch in Verbindung gebracht wird, haben sich einige Autoren mit ihm sowie dem Masochismus befasst. In diesem Zusammenhang ist vor allem der Aufsatz „Sacher-Masoch und der Masochismus“ des französischen Philosophen Gilles Deleuze von 1967 hervorzuheben. Deleuze´ Überlegungen werden später in dieser Arbeit noch näher erläutert werden. Zudem sollen die Monografie über Sacher-Masochs Leben sowie der Aufsatz „Wollustwonnen“ von Lisbeth Exner und Michael Farin das Verständnis von Masoch und seinem Werk gewährleisten. Mit der Darstellung der Frau in der Literatur im Allgemeinen und im Speziellen bei Masoch haben sich die Autoren Holger Rudloff, Monika Treut und Michael Gratzke auseinander gesetzt. Mit ihrer Hilfe soll auch die spezielle Vorstellung zum Verhältnis der Geschlechter bei Sacher-Masoch beleuchtet werden.
2 Hauptteil
2.1 Die Novelle „Venus im Pelz“
„Als ich die Novelle gelesen, sagte ich kurz und gut: Pfui Teufel! Ich glaube nicht, daß irgend ein geistig gesunder Mensch anders urtheilen kann.“ Karl von Thaler, Neue Freie Presse, 28. Juni 1870[3]
Als Leopold von Sacher-Masochs Novelle 1870 erschien, war sie äußerst umstritten. Vielmehr gab es teilweise heftige Reaktionen auf „Venus im Pelz“. Ähnlich wie Karl von Thaler urteilte auch der Literaturkritiker Julius Rodenberg in der Zeitschrift „Der Salon“: „Häßlich, widerwärtig, unnatürlich, unwahr – wir haben für die Existenz eines solchen Geschöpfes keine Entschuldigung, ja nicht einmal einen Milderungsgrund […].“[4] Jedoch soll es neben Kritik auch hymnische Verehrung der „Venus im Pelz“ gegeben haben.[5] Wie kam es zu einer so heftigen Ablehnung und Zustimmung?
Der Geschichtsprofessor und besonders in Frankreich populäre Autor Sacher-Masoch (1836-1895) plante im Jahr 1869 den Novellenzyklus „Das Vermächtnis Kains“. Dieser sollte aus sechs Bänden bestehen, die sich mit Themen des Lebens auseinandersetzen sollten: Liebe, Eigentum, Geld, Staat, Krieg und Tod. Ein so umfangreiches Werk war für Sacher-Masoch nicht ungewöhnlich, denn er war ein Vielschreiber und veröffentlichte zwischen 1860 und 1895 ca. 80 Romane, über 100 Novellen und Aufsätze und acht Dramen. Seine „[…] Vielschreiberei umkreist monomanisch den Kampf der Geschlechter und die Schmerzenslust der Erniedrigung und Versklavung.“[6] Von „Das Vermächtnis Kains“ stellte Sacher-Masoch jedoch nur die ersten beiden Teile fertig. Aufgrund des geringen Echos von Seiten der Verlage auf seinen Zyklus, wurde „Venus im Pelz“ im Jahr 1870 als Einzelwerk veröffentlicht.
Die Novelle handelt von dem galizischen Edelmann und Gutsbesitzer Severin von Kusiemski der bei einem Kuraufenthalt in einem Badeort in den Karpaten die verwitwete Fürstin Wanda von Dunajew kennen lernt. Schnell erkennt Severin in Wanda das ideale Frauenbild aus seinen Phantasien: die grausame, ihn beherrschende Venus. Nach anfänglichem zögern willigt Wanda in Severins Vorstellungen ein und reist mit ihm zusammen nach Florenz. In einem Vertrag legen sie fest, dass sich Severin ab sofort Gregor nennen muss und Wandas Diener ist. Trotz Erniedrigungen und Folter schafft es Severin nicht, von Wanda loszukommen. Vielmehr gibt Severin nach einem gescheiterten Selbstmordversuch sein Leben in Wandas Hände. In einem zweiten Vertrag nebst Abschiedsbrief steht er Wanda zu, vollkommen ihr zu gehören:
„Fürstin Dunajew darf ihren Sklaven nicht allein bei dem geringsten Versehen oder Vergehen nach Gutdünken strafen, sondern hat auch das Recht, ihn nach Laune oder nur zu ihrem Zeitvertreib zu mißhandeln, wie es ihr eben gefällt, ja soagr zu tödten, wenn es ihr beliebt, kurz, er ist ihr unbeschränktes Eigenthum.“[7]
Wanda findet während ihrer Besuche in der Stadt mit dem Griechen Alexis Papadopolis in diesem ihren Herren. Nachdem sie dem Griechen erlaubt hat, Severin auszupeitschen, ist Severin von seiner Obsession geheilt. Er flieht und übernimmt das väterliche Gut.
Die Geschichte ist in eine Rahmenhandlung eingebettet. Zu Anfang berichtet ein unbenannter Ich-Erzähler von einem Traum, in dem er eine Unterhaltung mit der Venus führt. Daraufhin besucht er Severin, der ihm sein Tagebuch „Bekenntnisse eines Übersinlichen“ überreicht, in dem er seine Geschichte aufgeschrieben hat.
Warum Sacher-Masochs Novelle teilweise auf so heftige Kritik stieß, ist heutzutage kaum noch nachvollziehbar. So bemerkt Deleuze: „Man muss dem Masochschen Werk im allgemeinen sogar zustehen, daß es überaus anständig ist.“[8] Zwar werden Szenen geschildert, in denen Severin von Wanda ausgepeitscht wird. Jedoch überlässt Sacher-Masoch vieles der Phantasie des Lesers. Detailgenaue Beschreibungen werden von ihm vermieden. Ebenso wird vor einem möglichen Sexualakt zwischen Wanda und Severin „ausgeblendet“. Oder wie Exner es darstellt: „Sacher-Masoch inszeniert in der Folge ein spannungsgeladenes Hin und Her zwischen nur angedeuteter Lust (der Sexualakt selbst bleibt immer ausgespart) und vielfach variiertem Leiden.“[9] Deleuze beschreibt deshalb Sacher-Masochs Werk Stil als pornologisch. Statt einer pornografischen Sprache, die auf Befehlswörter und obszöne Beschreibungen reduziert ist, wird in „Venus im Pelz“ eine Sprache mit direkter Wirkung auf Sinnlichkeit verwendet.[10] Zudem kommt es durch die rückblickende Erzählung zwischen zwei Freunden zu einem entschärften masochistischen Erlebnis, weil es sich um ein „vergangenes, bereits bewältigtes Ereignis“[11] handelt.
[...]
[1] Morris 1994, S. 27
[2] Ebd., S. 19
[3] Exner, Farin 2003, S. 224
[4] Ebd., S. 227
[5] Gratzke 2000, S. 35
[6] Rudloff 1994, S. 21
[7] Weibel 2003, S. 84
[8] Deleuze 1968, S. 179
[9] Exner 2003, S. 65
[10] Deleuze 1968, S. 174f.
[11] Treut 1990, S. 118
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