Vom 3. bis 9. August 1998 fand in Prinzendorf (NÖ - Weinviertel) das erste Sechstagespiel von Hermann Nitsch statt. Die Proben dafür dauerten drei Wochen. Ich war während dieser Zeit aktiv als Mitwirkende beim Klangorchester in den Prozess einbezogen. Das hieß, 24 Stunden täglich auf dem Schlossgelände von Nitsch zu verbringen, meist probend, ohne Privatsphäre (die Mitwirkenden logierten in großen Zelten, auf Feldbetten), ohne Rückzugsmöglichkeit. Diese intensive emotionale, geistige, leibliche und für mich „originäre“ Erfahrung möchte ich in Hinsicht Mysterientheater Original „ja oder nein“ und in welcher Hinsicht, genauer betrachten. Insbesondere die Rolle des Blutes bei den mehrmals täglich stattfindenden Aktionen. Auf den ersten unkritischen Blick hin scheint die Arbeit von Nitsch einmalig zu sein. Ein Konglomerat aus Zeitschachteln von der Antike bis ins Mittelalter entnommen und mit Blut zugeschüttet. Auf diese Vernitschung und seiner vermeintlichen Originalität richtet sich in dieser Arbeit mein Focus. Dazu ist eine genauere Betrachtung der Struktur und Inhalte des OMT (Orgienmysterientheater) nötig. Ob Blut riecht, und welche Empfindungen es auslöst, erhob ich mittels Fragebogen an meine MitstudentInnen an der Phil. Fakultät der Universität Wien, im Rahmen eines Seminars.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Fluxus, Happening und Aktionismus, Aktionsmalerei
Vom antiken Mythos bis zur Ablagerungsstätte Freuds
Blut als Symbol
Wie riecht Blut? Fragen an achtundzwanzig Personen
Was hat Nitschs Arbeit geformt?
Themen des 6-Tagespiels und Ablauf
Der 3. Tag im OMT 1998
Der Dionysosmythos antik und postmodern
Die Frage nach Kopie, Imitation und Original
Worte werten
Literatur
Einleitung
Vom 3. bis 9. August 1998 fand in Prinzendorf (NÖ - Weinviertel) das erste Sechstagespiel von Hermann Nitsch statt. Die Proben dafür dauerten drei Wochen. Ich war während dieser Zeit aktiv als Mitwirkende beim Klangorchester in den Prozess einbezogen. Das hieß, 24 Stunden täglich auf dem Schlossgelände von Nitsch zu verbringen, meist probend, ohne Privatsphäre (die Mitwirkenden logierten in großen Zelten, auf Feldbetten), ohne Rückzugsmöglichkeit. Diese intensive emotionale, geistige, leibliche und für mich „originäre“ Erfahrung möchte ich in Hinsicht Mysterientheater Original „ja oder nein“ und in welcher Hinsicht, genauer betrachten. Insbesondere die Rolle des Blutes bei den mehrmals täglich stattfindenden Aktionen. Auf den ersten unkritischen Blick hin scheint die Arbeit von Nitsch einmalig zu sein. Ein Konglomerat aus Zeitschachteln von der Antike bis ins Mittelalter entnommen und mit Blut zugeschüttet. Auf diese Vernitschung und seiner vermeintlichen Originalität richtet sich in dieser Arbeit mein Focus. Dazu ist eine genauere Betrachtung der Struktur und Inhalte des OMT (Orgienmysterientheater) nötig. Ob Blut riecht, und welche Empfindungen es auslöst, erhob ich mittels Fragebogen an meine MitstudentInnen an der Phil. Fakultät der Universität Wien, im Rahmen eines Seminars.
Fluxus, Happening und Aktionismus, Aktionsmalerei
Der Wiener Aktionismus entwickelte sich zeitgleich mit der Entstehung der Happening- und Fluxuskunst in Nordamerika. Zentral dabei ist der direkte interaktive Kontakt mit dem Publikum, das nicht mehr nur konsumiert, sondern in das Geschehen emotional und physisch einbezogen wird. 1959 wird der Begriff „Happening“ durch Allan Kaprow in einer New Yorker Galerie geprägt. Fluxus meint die audiovisuelle Variante der Happeningkunst, die Zeitabläufe durch Musik und Geräuschsequenzen, Licht und Pantomimische Tänze dem Zuhörer bewusst macht (vgl. Duden,1991:1226). Die Fluxus - Bewegung wurde von dem Amerikaner George Maciunas 1962 in Wiesbaden gegründet. Diese neuen Kunstformen wollten die Grenzen zwischen Künstler und Zuschauer und die Trennung von Kunst und Leben auflösen. Der Zuschauer sollte die Möglichkeit zur Teilnahme haben. An der Entwicklung dieser Aktionskunst arbeiteten vor allem Joseph Beuys, Wolf Vostell und Daniel Spoerri intensiv mit. Der Wiener Aktionismus, der für eine eigenständige österreichische Ausprägung der Happening- und Fluxusbewegung zwischen 1960 und 1970, stand, in engem Kontakt mit der literarischen Avantgarde .Die Künstler etablierten (Nitsch konzipierte 1957 erstmalig sein OMT) ab 1958 bewusst provozierende Aufführungsformen mit der sozialkritischem Hintergrund. H. Nitsch, O. Muehl, G. Brus und A. Frohner hielten ab 1962 zunächst im Atelier, ab 1965 in öffentlichen Räumen unter der Selbstbezeichnung "Wiener Aktionsgruppe" zwischen bildender Kunst, Theater, politischer Demonstration und religiösem Ritual stehende Aktionen ab. Dabei wurden der eigene Körper als künstlerisches Ausdrucksfeld (von der Bemalung bis zur Selbstverletzung) und äußerste Realästhetik etwa in Farbe (Blut) oder Material (zweckentfremdete Gegenstände des täglichen Bedarfs, Tierkadaver und anderes) in den Mittelpunkt gerückt und somit der traditionelle Kunstbegriff aufgelöst. Das Erleben der Abgründe der menschlichen Seele (Sadismus, Aggression, Geldgier, Perversität,...) sollte in einer neuen Gesellschaft für jeden Einzelnen möglich sein. Freiheit sollte darin bestehen, den unterdrückten Trieben zu folgen. Der Wiener Aktionismus entwickelte sich allerdings sehr isoliert vom internationalen Kulturgeschehen. Die Malerei in der Aktionskunst folgt ähnlichen Gesetzmäßigkeiten. Der Zuschauer verfolgt die Entstehung eines Kunstwerks und kann sich zum Teil auch selbst daran beteiligen. Es wird gekritzelt, beschmiert und Farben und Flüssigkeiten werden auf die Leinwand gespritzt, geschleudert oder geschüttet. Viele Maler arbeiten dabei in einem tatsächlich empfundenen Erregungs- und Entäußerungszustand. Verdrängtes soll an die Oberfläche gebracht werden und Sinnlichkeit und Triebhaftigkeit, das Unbewusste, spielen eine wichtige Rolle wie eben die Abreaktion, die Erregung, die Lustaufwallung, die Enthemmung, die Ekstase. Das Ziel ist der radikale Abstieg ins Sinnliche, welcher zu einem befreienden Aufstieg ins Geistige führen soll.
Vom antiken Mythos bis zur Ablagerungsstätte Freuds
Das Wesentliche an dem Begriff Mysterion meint das Geheime. das Verb -myein – schließen, verschließen deutet darauf hin. Die geheime Feier nach den Autoren des klassischen Athens. Eine rituelle Einweihung, im lateinischen eine Initiatio (Wahrig,2004:413). Das religiöse Feiern aktiviert emotionale Kräfte (Spätplatonismus 204 – 301 n. Chr. Plotin und Porphyrios). Die Religionswissenschaft prägte die Formel der Erfahrung als „Mysterium tremendum et fascinosum“ (Ritter, 1984:267),und meint damit, das dem rationalen Entzogene, das Namenlose, Unaussprechliche, Übermächtige (Heilige), das durch sinnliche Eindrücke Veranlasste, ehrfürchtig erschauende, das als Reiz verlockende Etwas. Das irrational Formale wird mit dem rationalen Moment des Schauers und der Beseligtheit synthetisiert. (vgl. Gründer,1984:267). In Anknüpfung an Platon und Aristoteles ist im Mythos das Wissen der Vorzeit bewahrt. Mythos als kindesgemäße, freudvolle Art der Belehrung vor der Erfindung der Geschichtsschreibung und der Philosophie. Die christliche Lehre (siehe NT, Petrus1, 16) setzt sich bewusst vom Mythos ab (Gründer:1984).
Bei Richard Wagner, auf den sich Nitsch auch beruft, steht der Mythos in romantischer Tradition als religiöse Naturanschauung des Volkes. Die Naturphänomene werden Göttern und Helden zugerechnet und dadurch zu Schöpfern der Kunst. Nietzsche, ein Bewunderer Wagners sieht im Mythos eine Triebwerdung, eine instinktive Kraft, einen Mutterschoß, eine Heimat. Er legt in Wagner die Hoffnung auf eine deutsche Wiedergeburt hellenistischer Welt. Die fortschrittsgläubige Wissenschaft beurteilt er als eine kulturlose.
Sigmund Freud erkennt die Traumanalyse als Schlüssel zum Mythos. Triebe nennt Freud „mythische Wesen“. Sie dienen als Ersatz für reale Befriedigung. Der Mythos ist für ihn eine Ablagerungsstätte für verdrängte Triebe .C.G. Jung folgt zunächst Freuds Interpretationen in punkto Parallelität zwischen Mythos, kindlichem Denken und Traum, definiert jedoch die Mythen bildenden Strukturelemente (Archetypen) als unbewussten Bedeutungskern aller geformten Mythen (vgl.Gründer:1984).
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- Andrea Klabach (Autor), 2007, Das OM Theater von Hermann Nitsch, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/121377
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