Die jüngere Geschichte Chiles ist unverkennbar geprägt von den 16 Jahren der Militärdiktatur unter Auguste Pinochet zwischen 1973 und 1989. Diese Arbeit geht nun noch einen Schritt weiter zurück und wird die unmittelbare Zeit vor dem autoritären Regime, die letztendlich auch dessen Entstehung nach sich zog, untersuchen.
Die Jahre von 1970 bis 1973 waren nämlich, entgegen den politischen Vorstellungen vieler Militärs, bestimmt von einem Kurs des Sozialismus mit marxistisch-kommunistischen Tendenzen und einer Führungsfigur, die aus tiefster Überzeugung für diesen Kurs eintrat.
Wie präsent diese insgesamt 19 Jahre, aufgeteilt in 2 Blöcke, wie sie unterschiedlicher nicht sein können, heutzutage immer noch sind und große Teile der Bevölkerung beschäftigen, zeigte sich in der Antrittsrede der neuen chilenischen Präsidentin Michelle Bachelet im März diesen Jahres. Die Sozialistin Bachelet zitierte nämlich bei ihrer Ansprache aus der letzten Rede, die Allende vor seinem Tod während des Militärputsches 1973 gehalten hatte und las die Namen aller chilenischen Präsidenten der letzten 50 Jahre vor, ohne allerdings den Namen Pinochets zu nennen.
Diese Arbeit setzt nun beim Wahlsieg des Linksbündnisses, der Unidad Popular, im September 1970 an, nachdem zuvor kurz auf die politischen Vorraussetzungen des südamerikanischen Landes vor 1970 eingegangen wurde. Es folgt der Versuch einer Charakteristik des Präsidenten Salvador Allende, bevor das Programm, wofür er und die ihn unterstützenden Parteien einstanden und das den Weg zum Sozialismus ebnen sollte, vorgestellt wird. Im zweiten thematischen Block der Arbeit wird dann auf die Probleme und Widerstände verwiesen, die letztendlich zum Scheitern der linken Regierung und zum Putsch durch das Militär führten.
Literatur über die Allendezeit ist ausreichend vorhanden. Die von mir gewählten Titel sind im Literaturverzeichnis aufgeführt. Auffallend hierbei ist, dass ab Mitte der 1990er nur noch wenig Literatur zum Thema zu finden war.
1 Einleitung
Die jüngere Geschichte Chiles ist unverkennbar geprägt von den 16 Jahren der Militärdiktatur unter Auguste Pinochet zwischen 1973 und 1989. Diese Arbeit geht nun noch einen Schritt weiter zurück und wird die unmittelbare Zeit vor dem autoritären Regime, die letztendlich auch dessen Entstehung nach sich zog, untersuchen.
Die Jahre von 1970 bis 1973 waren nämlich, entgegen den politischen Vorstellungen vieler Militärs, bestimmt von einem Kurs des Sozialismus mit marxistisch-kommunistischen Tendenzen und einer Führungsfigur, die aus tiefster Überzeugung für diesen Kurs eintrat.
Wie präsent diese insgesamt 19 Jahre, aufgeteilt in 2 Blöcke, wie sie unterschiedlicher nicht sein können, heutzutage immer noch sind und große Teile der Bevölkerung beschäftigen, zeigte sich in der Antrittsrede der neuen chilenischen Präsidentin Michelle Bachelet im März diesen Jahres. Die Sozialistin Bachelet zitierte nämlich bei ihrer Ansprache aus der letzten Rede, die Allende vor seinem Tod während des Militärputsches 1973 gehalten hatte und las die Namen aller chilenischen Präsidenten der letzten 50 Jahre vor, ohne allerdings den Namen Pinochets zu nennen.[1]
Diese Arbeit setzt nun beim Wahlsieg des Linksbündnisses, der Unidad Popular, im September 1970 an, nachdem zuvor kurz auf die politischen Vorraussetzungen des südamerikanischen Landes vor 1970 eingegangen wurde. Es folgt der Versuch einer Charakteristik des Präsidenten Salvador Allende, bevor das Programm, wofür er und die ihn unterstützenden Parteien einstanden und das den Weg zum Sozialismus ebnen sollte, vorgestellt wird. Im zweiten thematischen Block der Arbeit wird dann auf die Probleme und Widerstände verwiesen, die letztendlich zum Scheitern der linken Regierung und zum Putsch durch das Militär führten.
Literatur über die Allendezeit ist ausreichend vorhanden. Die von mir gewählten Titel sind im Literaturverzeichnis aufgeführt. Auffallend hierbei ist, dass ab Mitte der 1990er nur noch wenig Literatur zum Thema zu finden war.
2 Vorraussetzungen: Chile vor 1970
Chile kann die längste und kontinuierlichste Tradition einer gut funktionierenden Demokratie in Südamerika vorweisen, wo ansonsten Staatsstreiche und Regierungskrisen fast zum politischen Alltag gehörten. Enorme politische Stabilität zeigte sich insbesondere dadurch, dass Machtwechsel zumeist durch Wahlen entschieden wurden.[2] Die demokratische Tradition reicht bis in das 19. Jahrhundert, wobei das Wahlrecht für Männer, die lesen und schreiben konnten, formal 1874 eingeführt wurde. Zudem bestand eine ausgesprochene Parteiendemokratie. Parteien waren mehr als bloße Wählervereinigungen, sie dienten bereits seit den 1920er Jahren als Integration der Mittelschichten in den politischen Prozess.[3]
Auch sozioökonomisch gehörte Chile zu den am höchsten entwickelten Ländern auf dem südamerikanischen Kontinent. Neben hohen Urbanisierungs- und Alphabetisierungsraten spricht auch eine vergleichsweise geringe Beschäftigung der Bevölkerung in der Landwirtschaft dafür.[4] Als wichtigste Rohstoffbasis dient der Kupferabbau, der sich bis 1970 allerdings größtenteils in den Händen nordamerikanischer Firmen befand, die 1904 und 1911 die größten Kupferminen in Betrieb nahmen. Der chilenische Staat beschränkte sich auf die Besteuerung von Produktion und Export. Auf Grund der hohen Abhängigkeit wurde Chile von der Weltwirtschaftskrise ab 1929 schwer getroffen, was einen verstärkten Staatsinterventionismus nach sich zog. Der Staat übernahm fortan mehr und mehr die Rolle des Förderers der Wirtschaft, war selbst unternehmerisch tätig und setzte langfristige Entwicklungslinien.[5]
Dennoch stellten die monopolisierte, oligarchisch strukturierte Privatindustrie neben der Vorherrschaft der landwirtschaftlichen Großgrundbesitzer entwicklungshemmende Faktoren dar, wobei Chile Anfang der 1960er an der Spitze jener Länder mit extrem ungleicher Bodenbesitzverteilung rangierte. So bewirtschafteten Klein- und Mittelbauern zwar 85,2% aller landwirtschaftlichen Betriebe, besaßen allerdings nur 5,8% des nutzbaren Bodens.[6]
In Anbetracht des Militärputsches 1973 muss noch kurz auf die Rolle der Militärs in der Zeit zuvor eingegangen werden. Die Streitmächte waren bekannt für politische Enthaltsamkeit und Loyalität zur Zivilmacht, spielten sich nicht als politischer Schiedsrichter auf, sondern galten als unpolitisch und professionell. Lediglich von 1924 bis 1932 intervenierte das Militär in die aktive Politik, sodass 1973 mehr als 40 Jahre ziviler demokratischer Politik vorausgingen.[7]
In der unmittelbaren „Vor-Allende-Zeit“ kam nun 1964 mit Eduardo Frei der erste Christdemokrat in Lateinamerika in das Amt des Staatspräsidenten. Unter dem Motto „Revolution in Freiheit“ versuchte er eine positive Aushebung von Kapitalismus und Kommunismus und setzte tief greifende Strukturreformen wie die Kontrolle der ausländischen Vorherrschaft in der Kupferindustrie, die Einschränkung des Großgrundbesitzes und die Mobilisierung und Integration unterprivilegierter Massen in die Gesellschaft an.[8] Allerdings führten diese Vorhaben vielmehr zur Verschärfung der politischen Gegensätze. Für die Rechte gingen die Reformen entschieden zu weit, der Vorwurf die Christdemokraten seien verkappte Kommunisten machte die Runde, für die Linke waren die Reformen hingegen nicht weitreichend genug, sodass beide Lager versuchten die Arbeit der Frei-Regierung zu blockieren. Frei blieb so hinter den Erwartungen zurück, die wirtschaftliche Entwicklung war unbefriedigend und die Regierung verlor ihren Rückhalt in der Wählerschaft.[9] Ausdruck fand diese Trendwende bei den folgenden Präsidentschaftswahlen.
3 Wahlsieg der Unidad Popular im September 1970
Trotz einiger Meinungsverschiedenheiten parteiinterner Natur über Strategien und Taktiken entschloss sich die politische Linke, darunter die Sozialistische Partei, die Sozialdemokratische Partei, die Kommunistische Partei sowie einige kleinere Parteien, im Dezember 1969 zur Bildung der Unidad Popular. Es entstand quasi eine Volksfront der Linken. Kandidat für die anstehende Präsidentschaftswahl sollte Salvador Allende werden, der in seinem Wahlprogramm für die Fortsetzung und Vertiefung des Reformkurses und für den Übergang zum Sozialismus warb.[10] Allende versicherte zudem, dass, ganz im Sinne der demokratischen Tradition Chiles, demokratische Regeln und Institutionen nicht abgeschafft werden würden.
Bei der Wahl am 4. September 1970 konnte sich schließlich in der Auseinandersetzung der drei Blöcke die Linke gegen die Mitte mit dem Kandidaten Tomic und den rechten Kandidaten Allesandri durchsetzen. Jedoch fehlte die absolute Mehrheit, sodass eine Stichwahl entscheiden musste, bei der sich die Vertreter der Christdemokraten, trotz einiger Bedenken, den Sozialisten näher fühlten als den Kapitalisten. Allende gab ein Verfassungsgarantieabkommen ab, gestand aber später ein, dies sei reine taktische Notwendigkeit gewesen.[11]
Zum ersten Mal in der Weltgeschichte errang damit ein erklärter Marxist mit demokratischen Mitteln in freien Wahlen die Regierungsgewalt,[12] womit sich auch die Guerilla-These, wonach nur über den bewaffneten Kampf die politische Macht gewonnen und eine grundlegende Umgestaltung der Gesellschaft erreicht werden könne, widerlegt wurde.[13]
Der westdeutsche Botschafter während der Allendezeit bezeichnet den Regierungswechsel vom Christdemokraten Frei zum Marxisten Allende zudem als einen historischen Wendepunkt für ganz Lateinamerika.[14]
[...]
[1] Vgl. http://www.nzz.ch/2006/03/12/al/newzzEKP3BTBM-12.html (eingesehen am 25.7.2006)
[2] Vgl. Friedmann 9.
[3] Vgl. Krumwiede 27.
[4] Vgl. ebd. 25.
[5] Vgl. Imbusch 144f.
[6] Vgl. Friedmann 10.
[7] Vgl. Barranecha 112, Krumwiede 27f.
[8] Vgl. Friedmann 13f.
[9] Vgl. Informationen zur politischen Bildung 19.
[10] Vgl. Imbusch 87.
[11] Vgl. Lahn 58ff., Nohlen 132.
[12] Vgl. Nohlen 17.
[13] Vgl. Informationen zur politischen Bildung 20.
[14] Vgl. Lahn 55.
- Arbeit zitieren
- Stefan Schusterbauer (Autor:in), 2006, Chile unter Salvador Allende 1970 bis 1973, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/120993
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