Im Rahmen der folgenden Arbeit sollen die beiden prominentesten und umfangreichsten Stadtentwicklungsprogramme der jüngeren Vergangenheit in Deutschland und den USA bezüglich ihrer Zielsetzung und Struktur im Hinblick auf Bürgerbeteiligung und Empowerment untersucht werden. Bei den beiden Programmen handelt es sich um das 1994 in Kraft getretene „Empowerment Zones/Enterprise Communities (EZ/EC) Program“ und das Programm „Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf – die soziale Stadt“ (kurz: Soziale Stadt). Im wesentlichen ist die Untersuchung auf die inhaltlich formulierten Intentionen der Bundesregierungen sowie deren Umsetzung fokussiert. Da die Programmvorgaben in beiden Fällen - korrespondierend mit der Verschiedenartigkeit der Entwicklungsgebiete - äußerst offen gehalten sind, unterbleibt eine detaillierte Analyse einzelner Maßnahmen, die nicht von den Bundesregierungen verantwortet werden. Beide Programme zeichnen sich dadurch aus, dass sie sozialräumlich ausgerichtet sind und integrierte, politikfelderübergreifende, Handlungsansätze verfolgen, um den Problemen in benachteiligten Gebieten zu begegnen. Einer Aktivierung der Bewohner, die zu einem Prozess des Empowerment führen soll, wird in beiden Programmen eine zentrale Rolle bei der Bewältigung der Probleme zugeschrieben. In dieser Arbeit soll sowohl eine kritische Reflektion dieses Aktivierungsansatzes als auch eine Bewertung von dessen Umsetzung erfolgen, denn eine kritische Hinterfragung der grundsätzlichen Konzepte steht nicht im Widerspruch zu einer Einschätzung der intendierten Ziele und der möglichen Erfolge beziehungsweise Misserfolge.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Das Programm “Soziale Stadt“
2.1 Grundlagen und Ziele
2.2 Empowerment und soziales Kapital
3. Das „Empowerment Zones/Community Enterprises Program“
3.1 Grundlagen und Ziele
3.2 Empowerment und soziales Kapital
4. Schlussbetrachtung
5. Literaturverzeichnis
Empowerment Zones und Soziale Stadt
Ein Vergleich zweier sozialräumlich orientierter Entwicklungsprogramme in den USA und Deutschland im Hinblick auf Empowerment
1. Einleitung
Im Rahmen der folgenden Arbeit sollen die beiden prominentesten und umfangreichsten Stadtentwicklungsprogramme der jüngeren Vergangenheit in Deutschland und den USA bezüglich ihrer Zielsetzung und Struktur im Hinblick auf Bürgerbeteiligung und Empowerment untersucht werden. Bei den beiden Programmen handelt es sich um das 1994 in Kraft getretene „Empowerment Zones/Enterprise Communities (EZ/EC) Program“ und das Programm „Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf – die soziale Stadt“ (kurz: Soziale Stadt). Im wesentlichen ist die Untersuchung auf die inhaltlich formulierten Intentionen der Bundesregierungen sowie deren Umsetzung fokussiert. Da die Programmvorgaben in beiden Fällen - korrespondierend mit der Verschiedenartigkeit der Entwicklungsgebiete - äußerst offen gehalten sind, unterbleibt eine detaillierte Analyse einzelner Maßnahmen, die nicht von den Bundesregierungen verantwortet werden. Beide Programme zeichnen sich dadurch aus, dass sie sozialräumlich ausgerichtet sind und integrierte, politikfelderübergreifende, Handlungsansätze verfolgen, um den Problemen in benachteiligten Gebieten zu begegnen. Einer Aktivierung[1] der Bewohner, die zu einem Prozess des Empowerment führen soll, wird in beiden Programmen eine zentrale Rolle bei der Bewältigung der Probleme zugeschrieben. In dieser Arbeit soll sowohl eine kritische Reflektion dieses Aktivierungsansatzes als auch eine Bewertung von dessen Umsetzung erfolgen, denn eine kritische Hinterfragung der grundsätzlichen Konzepte steht nicht im Widerspruch zu einer Einschätzung der intendierten Ziele und der möglichen Erfolge beziehungsweise Misserfolge.
In Anbetracht der unterschiedlichen Wohlfahrtsstaatstraditionen der beiden Staaten ist eine Konvergenz bei den Politiken der (sozialen) Stadtentwicklung insbesondere im Kontext sozialwissenschaftlicher Diskurse über die Bedeutung von sozialem Kapital und Empowerment bei der Entwicklung von Stadtgebieten „mit besonderem Entwicklungsbedarf`“ aus zwei Gründen von Interesse. Zum einen bezüglich der Relevanz sozialwissenschaftlicher Forschung für politische Entscheidungen und zum anderen im Kontext der Aufgaben von Sozialpolitik im Rahmen neoliberaler Politiken, die Angebots-orientierte Wirtschaftspolitik und die Kürzung sozialstaatlicher Leistungen beinhalten. Unter Berücksichtigung dieser beiden Aspekte stellt sich die Frage, ob die (Stadt-) räumliche Ausrichtung und die Betonung von („community“) Empowerment und sozialem Kapital einen innovativen Kern auch bezüglich gesellschaftlicher Emanzipations- und Demokratisierungsbemühungen in sich tragen oder lediglich eine Art „Reparaturbetrieb“ für soziale Verwerfungen innerhalb marktwirtschaftlicher Systeme darstellen und deshalb „attraktiv für politische Entscheidungsträger auf der Suche nach nicht-ökonomischen (kostengünstigen) Lösungen für soziale Probleme“ sind.[2] Letztlich ist zudem zu fragen, ob sich beide Aspekte grundsätzlich ausschließen. Mayer weist auf ihre Verbindung im aktuellen Diskurs hin:
„Das zentrale Argument des Sozialkapital-Diskurses besteht darin, dass sowohl die wirtschaftliche Vitalität als auch die demokratische Qualität einer Region davon abhängig seien, wie viel soziales Kapital ihre Bewohner nutzen können. Dieser Nutzungsgrad wiederum hängt vom Niveau der bürgerlichen Aktivitäten ab, denn es sind die freiwilligen Vereine und sozialen Netzwerke, die – indem sie Reziprozitätsnormen und bürgerschaftliches Engagement fördern – soziales Kapital generieren.“[3]
Die Verbindung von sozialem Kapital und Empowerment besteht in der Terminologie von Putnam, der vielfach als wichtigster Wegbereiter des Konzeptes angesehen wird, in der Ermöglichung von „bridging capital“ durch Empowermentprozesse. „Bridging capital“ ist soziales Kapital in Form von Vertrauen und Kooperation, das entsteht, wenn sich Menschen vernetzen, - um sich beispielsweise für eine gemeinsame Sache einzusetzen - die sich vorher unbekannt waren.[4] Das Empowerment eines Stadtteils oder einer „community“ kann eine solche Vernetzung ermöglichen oder von ihr profitieren. Grundsätzlich lassen sich zwei Definitionen von Empowerment unterscheiden. Die erste betont „die aktive Aneignung von Macht, Kraft, Gestaltungsvermögen durch die von Machtlosigkeit und Ohnmacht Betroffenen selbst. Empowerment wird hier als ein Prozeß der Selbst-Bemächtigung und der Selbst-Aneignung von Lebenskräften beschrieben.“[5] Die zweite Definition, die aus der Tradition der professionellen psychosozialen Arbeit stammt, „betont hingegen die Aspekte der Unterstützung und der Förderung von Selbstbestimmung durch berufliche Helfer.“ In dieser Arbeit wird als Arbeitshypothese angenommen, dass sich beide Aspekte nicht grundsätzlich ausschließen, sondern Unterstützung auf dem Weg zu Emanzipation und Selbstbestimmung möglich ist.
Der (politische) Diskurs über sozialräumlich-orientierte Politiken und Empowerment-Strategien als Mittel, gesellschaftlich marginalisierte Gruppen zu fördern, muss in beiden Staaten auch im Kontext der Arbeitsmarktpolitik im Zeichen von „Welfare to Workfare“ und der Einschnitte bei der Sozialpolitik gesehen werden. Die wichtigsten Gesetze, die hier zu nennen wären, sind auf U.S.-amerikanischer Seite der „Personal Responsibility and Work Opportunity Reconcilation Act“ von 1996, der „Worforce Investment Act“ von 1998 und in Deutschland die Hartzgesetzgebung. Dieser Zusammenhang wird an späterer Stelle genauer untersucht werden.
2. Das Programm „Soziale Stadt“
2.1 Grundlagen und Ziele
Das Programm „Soziale Stadt“ wurde 1999 durch eine Bund-Länder-Verwaltungsvereinbarung ins Leben gerufen. Ziel des Programms ist es, räumliche und soziale Ausgrenzung durch integrierte Maßnahmen im sozialen, wirtschaftlichen und städtebaulichen Bereich zu bekämpfen. Derzeit befinden sich 363 Gebiete in 252 Gemeinden in dem Programm.[6] Im Durchschnitt wohnen in den Quartieren 8415 Einwohner. 52% der Gebiete befinden sich in Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern und davon wiederum 21% in Großstädten mit über 500.000.
Das Programm wird von Seiten des Bundes mit 100 Mio. DM beziehungsweise seit 2001 mit 150 Mio. DM jährlich ausgestattet. Es ist wie die Städtebauförderung jährlich fortzuschreiben, was einen Unterschied zum EZ/EC Programm darstellt, das auf einen Zeitraum von zehn Jahren angelegt ist. Da Länder und Kommunen die Bundesförderung mit weiteren 300 Mio. DM kofinanzieren, steht für das Programm zur Zeit ein Gesamtvolumen von rund 230 Mio. Euro jährlich zur Verfügung.[7]
Die Problemlage, auf die das Programm „Soziale Stadt“ reagiert, wird im vom Institut für Stadtforschung und Strukturpolitik GmbH (IfS) erstellten Evaluationsbericht vom September 2004 als eine Kombination zweier Faktoren charakterisiert: Zum einen werden bestimmte städtische Quartiere infolge des allgemeinen Anstiegs der Arbeitslosigkeit zu „Gebieten mit einer hohen Konzentration von Problemlagen“.[8] Dies stößt zweitens einen weiteren Prozess an: „Ein erhöhtes Konfliktniveau, Erosion der Infrastruktur wegen sinkender Kaufkraft und Überforderung der Schulen durch hohe Migrantenanteile setzen selektive Mobilitätsprozesse in Gang und führen zur Entmischung („Abwärtsspirale“)“. Die Ziele des Programms sind in sechs Kategorien unterteilt[9], deren erstes unter dem Stichwort Aktivierung von sozialem Kapital gefasst werden kann. Ein „eigenständiges Stadtteilleben wieder aufzubauen“ wird als zentrales Anliegen genannt. Maßnahmen dies zu erreichen sind neben der Installation eines Stadtteilmanagements, der Einrichtung von Stadtteilbüros und der Bildung von Stadtteilbeiräten die Bereitstellung von Räumlichkeiten für das Gemeinschaftsleben und die Bereitstellung von Hilfe zur Selbsthilfe. Der zweite Bereich betrifft die Förderung der lokalen Wirtschaft mit dem Schwerpunkt, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, wobei die Bedeutung des Angebotes von Beschäftigung im zweiten Arbeitsmarkt zur Verbesserung der Lebensverhältnisse hervorgehoben wird. Drittens sollen Quartierszentren als Kristallisationspunkte für das städtische Leben und zur Stärkung der Nahversorgung erneuert werden. Viertens wird die Verbesserung der sozialen, kulturellen, bildungs- und freizeitbezogenen Infrastruktur genannt, ausgerichtet auf spezifische Gruppen wie Kinder und Jugendliche, Rentner und Frauen. Es fällt auf, dass an dieser Stelle die Gruppe der Immigranten nicht explizit genannt wird. Auf diesen Aspekt wird an späterer Stelle zurück zu kommen sein. Das fünfte Ziel bezieht sich auf den Bereich der Wohnraum- und umfeldsanierung unter Berücksichtigung insbesondere der Unterstützung aktiver Nachbarschaften und der Stärkung der Identifikation der Mieter mit dem Wohnumfeld. Der letzte Bereich wird durch den Zusammenhang von Wohnumfeld und Ökologie umschrieben, die Gestaltung des öffentlichen Raumes unter Berücksichtigung von ökologischen Aspekten soll die Attraktivität des Quartiers erhöhen. Die aktive Beteiligung der Bürger und die Identifikation mit dem Quartier nehmen in dieser Aufzählung breiten Raum ein.
[...]
[1] Zur Unterscheidung von Bürgerbeteiligung und Aktivierung, vgl. Institut für Stadtforschung und Strukturpolitik GmbH (IfS), 2004, Die Soziale Stadt. Ergebnisse der Zwischenevaluierung, http://www.sozialestadt.de/veroeffentlichungen/evaluationsberichte/DF8811.pdf, 125/ 126. [5.2.2005]
[2] Mayer, M. (2004), Vom Versprechen lokaler Kohäsion, in: Kessl, F./Otto, H.-U.,Hgg., Soziale Arbeit und soziales Kapital. Zur Kritik lokaler Gemeinschaftlichkeit, 63-78, 66.
[3] Ebd., 64; zur allgemeinen Problematik der Definition von sozialem Kapital, ebd., 65.
[4] Gittell, R./ Vidal, A. (1998), Community organizing: Building social capital as a development strategy, Thousand Oaks (u.a.), 15; zur Problematik der Gleichsetzung des sozialen Kapitals mit seinen Ressourcen, s. Mayer, M., lokale Kohäsion, 65.
[5] Hier wie im Folgenden: Herriger, N. (2002), Grundlagentext Empowerment, http://www.empowerment.de/grundlagentext.html [5.2.2005].
[6] Stand Dezember 2004: http://www.sozialestadt.de/gebiete/. [5.2.2005]
[7] Deutsches Institut für Urbanistik (Difu), 2002,
Die soziale Stadt. Eine erste Bilanz des Bund-Länder-Programms „Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf – die soziale Stadt“ (2002), Berlin, http://edoc.difu.de/orlis/DF5689.pdf, 15. [5.2.2005]
[8] Hier wie im Folgenden: Institut für Stadtforschung und Strukturpolitik GmbH (IfS), 2004, Die Soziale Stadt. Ergebnisse der Zwischenevaluierung (Kurzfassung), http://www.sozialestadt.de/veroeffentlichungen/evaluationsberichte/DF8635.pdf, 3. [5.2.2005]
[9] Arbeitsgemeinschaft der für Städtebau, Bau- und Wohnungswesen zuständigen Minister und Senatoren der Länder (ARGEBAU), Leitfaden zur Ausgestaltung der Gemeinschaftsinitiative „Soziale Stadt“ (2. Fassung vom 01.03.2000): Ziele und Maßnahmen für die Entwicklung der Quartiere, http://www.sozialestadt.de/veroeffentlichungen/arbeitspapiere/band3/3_argebau.shtml. [5.2.2005]
- Citation du texte
- Magister Artium Timo Metzner (Auteur), 2005, Empowerment Zones und Soziale Stadt, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/120932
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