Auf den ersten Blick scheint es paradox, in Cicero einen der Totengräber der Republik sehen zu wollen. Schließlich wird er oft als die Verkörperung des republikanischen Gedankens angesehen und hat sich auch selber so dargestellt. Dennoch hat er mit seinen Philippischen Reden ungewollt zum Untergang der Republik beigetragen.
Es ist das Ziel dieser Arbeit, diese Behauptung anhand von ausgewählten Aspekten in den Philippischen Reden zu beweisen.
Der erste Teil der Arbeit beschäftigt sich mit der Darstellung Octavians in den Philippischen Reden. Um jedoch verstehen zu können warum sich Cicero so sehr für den Adoptivsohn Caesars einsetzte, müssen zuerst die Hintergründe dieses Bündnisses genauer betrachtet werden. Im zweiten Teil der Arbeit soll es um die außerordentlichen Kommanden gehen, die Cicero für Octavian, M. Iunius Brutus und C. Cassius Longinus beantragte. Wie versuchte er deren eigenmächtiges Vorgehen zu rechtfertigen? Inwiefern verdeutlichen oder fördern Ciceros Anträge und seine Argumentation die allgemeine Krise, in der sich die Republik befand?
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Cicero und Octavian
2.1 Verhältnis zwischen Cicero und Octavian im Herbst 44 v. Chr
2.2 Überhöhung Octavians in den Philippischen Reden
3 Die nachträgliche Anerkennung von Hochverrat?
3.1 Forderung nach einem außerordentlichen Imperium für Octavian
3.2 Forderung nach außerordentlichen Imperien für Brutus und Cassius
4 Resümee
5 Quellenverzeichnis
6 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Auf den ersten Blick scheint es paradox, in Cicero einen der Totengräber der Republik sehen zu wollen. Schließlich wird er oft als die Verkörperung des republikanischen Gedankens angesehen und hat sich auch selber so dargestellt.1 Dennoch hat er mit seinen Philippischen Reden ungewollt zum Untergang der Republik beigetragen. Es ist das Ziel dieser Arbeit, diese Behauptung anhand von ausgewählten Aspekten in den Philippischen Reden zu beweisen.
Der erste Teil der Arbeit beschäftigt sich mit der Darstellung Octavians in den Philippischen Reden. Um jedoch verstehen zu können warum sich Cicero so sehr für den Adoptivsohn Caesars einsetzte, müssen zuerst die Hintergründe dieses Bündnisses genauer betrachtet werden. Im zweiten Teil der Arbeit soll es um die außerordentlichen Kommanden gehen, die Cicero für Octavian, M. Iunius Brutus und C. Cassius Longinus beantragte. Wie versuchte er deren eigenmächtiges Vorgehen zu rechtfertigen? Inwiefern verdeutlichen oder fördern Ciceros Anträge und seine Argumentation die allgemeine Krise, in der sich die Republik befand?
Die Quellenlage ist insofern günstig, da sich die Fragestellung speziell auf die Philippischen Reden bezieht, die allesamt überliefert sind. Es gibt auch zahlreiche andere Dokumente aus dieser Zeit, das Problem besteht nur darin, dass die meisten von Cicero selber stammen. Man sieht die Ereignisse also nur aus der optimatischen Sicht und es ist manchmal schwer zu entscheiden, an welchen Stellen Cicero, vor allem in Bezug auf Marcus Antonius übertreibt.
2 Cicero und Octavian
2.1 Verhältnis zwischen Cicero und Octavian im Herbst 44 v. Chr.
In diesem Kapitel soll es zuerst darum gehen wie Cicero und Octavian im Herbst 44. Chr. zueinander standen. Wieso bemühte sich Octavian so sehr um Cicero2 und wie stand dieser zu Octavian? Zur Beantwortung dieser Fragen sollen vor allem die Atticus-Briefe und die Cicero-Biografie von Plutarch herangezogen werden.
Octavian hatte Caesars Veteranen in Kampanien mobilisiert und wollte diese zur Bekämpfung von Marcus Antonius auf Rom führen.3 Für diesen ungesetzlichen Akt brauchte Octavian dringend eine nachträgliche Legitimierung durch den Senat, und Cicero sollte ihm dabei helfen.4 Die Basis des gemeinsamen Einverständnisses war, dass beide zu diesem Zeitpunkt mit Marcus Antonius verfeindet waren (Cicero spätestens seit Antonius' Antwort auf die 1. Philippische Rede5 ). Laut Plutarch sah der Handel zwischen Cicero und Octavian folgendermaßen aus: Cicero sollte als Redner und Staatsmann Octavian im Senat und vor dem Volk unterstützen und dafür bot Octavian die Hilfe seiner Truppen an.6 Als Hauptgründe, warum sich Cicero darauf einließ führt Plutarch folgende an: „Ciceros Hass gegen Antonius und dazu noch seine unwiderstehliche Veranlagung zu Ehrgeiz [...]. Er war des Glaubens, [Octavians] bedeutenden Einfluß seiner Politik dienstbar machen zu können“.7 Das scheint der wesentliche Grund zu sein, warum sich Cicero auf Octavian einließ. Er war sich zwar nicht genau über Octavians Haltung und Absichten im Klaren, das geht aus zahlreichen Stellen in den Atticus-Briefen deutlich hervor,8 aber er glaubte den 19jährigen kontrollieren und für seine Zwecke einspannen zu können.9 Er wollte Octavian als Gegengewicht zu Antonius aufbauen, eines das der Senat leicht kontrollieren könnte.10 Octavian war für ihn nur ein plane puer11 ohne auctoritas12. Dazu passt auch der angebliche Ausspruch Ciceros: laudanum adulescentem, ornandum, tollendum13. Obwohl nicht sicher ist, ob der Ausspruch wirklich von Cicero stammt, ist er doch eine treffende Zuspitzung von Ciceros Absichten.
Seine letzten Zweifel hinsichtlich einer Allianz wurden mit der Zusage Octavians ausgeräumt, dass dieser nichts gegen die Caesarmörder unternehmen würde.14
2.2 Überhöhung Octavians in den Philippischen Reden
Der römische Kaiserkult, der vor allem im griechischsprachigem Osten verbreitet war, rückte den Prinzeps in die Sphäre göttlicher Verehrung. Augustus wurde als der Garant für Frieden und Wohlstand angesehen.15 Octavian wurde allerdings nicht erst seit der Verleihung des Ehrennamens Augustus 27 v. Chr. in eine sakrale Aura gehüllt. Die erste Überhöhung seiner Person erfuhr er bereits in den Philippischen Reden Ciceros. Natürlich diente diese Überhöhung einzig dem Zweck, Octavians eigenmächtiges Vorgehen vor dem Senat zu rechtfertigen, damit dieser ihm ein Imperium verleiht. Dennoch ist es bemerkenswert, dass schon Cicero teilweise die gleichen Ehrenbezeichnungen verwendete, mit denen Octavian erst später offiziell ausgezeichnet wurde.
Cicero bezeichnete Octavian als divinum adulescentem16 und stellte ihn als einen von den Göttern gesandten Retter der Republik dar.17 Dem immani [...] belua18 und impurior19 Antonius wurde Octavian schon damals als inlustrius exemplum veteris sanctitatis20 gegenübergestellt.
Mit dem Titel pater patriae wurde Octavian erst um 2 v. Chr. vom Senat ausgezeichnet,21 aber Cicero stellte schon in der 13. Philippischen Rede fest, dass Octavian diesen Titel bereits verdiene, mehr jedenfalls als sein Adoptivvater Caesar.22
Cicero verglich Octavian unter anderem mit Alexander dem Großen, um die Senatoren davon zu überzeugen, den 19jährigen in den Rang eines Propraetors zu erheben.23 Zwar wollte Cicero nur beweisen, dass das Alter keine Rolle spiele, wenn es darum gehe große Taten zu vollbringen, aber dass er dabei gerade den Monarchen Alexander anführt, erscheint für jemanden, der sich selbst mit der res publica gleichsetzte,24 doch ungewöhnlich.
3 Die nachträgliche Anerkennung von Hochverrat?
3.1 Forderung nach einem außerordentlichen Imperium für Octavian
Wie schon erwähnt wurde, hatte sich Octavian auf eigene Initiative ein Heer verschafft und erwartete vom Senat eine nachträgliche Legalisierung seines eigenmächtigen Vorgehens.25 Octavians Vorgehen war im Grunde Hochverrat, vor allem, wenn man bedenkt, dass er seine Truppen gegen den amtierenden Konsul richtete. Das war auch Cicero bewusst, der darauf drängte Antonius nicht länger als Konsul, sondern als hostis zu betrachten: nam, si ille consul [...] sceleratus Caesar [...], qui contra consulem privato consilio exercitus conparaverunt26. Offiziell wurde Antonius erst nach den beiden Schlachten bei Mutina im April 43 v. Chr. zum hostis erklärt.27 Cicero stilisierte Octavian dennoch zum Retter des Staates und forderte für ihn ein propraetorisches Imperium, die damit verbundene Aufnahme in den Senat28 und dass er sich um Ämter bewerben dürfen sollte, als wenn er anno superiore quaestor fuisset29.
Schon die Verleihung eines imperium extraordinarium an sich war nach Jochen Bleicken „in den Augen der Traditionalisten ein Angriff auf die res publica gewesen“30, da ein solches die Grundprinzipien der Magistratur, wie beispielsweise die Kollegialität aufhob.
Cicero begründete den Antrag mit der necessitas rerum gerendarum31 und dass Octavian schließlich die Republik vor Antonius gerettet hätte.32 In der 11. Philippischen Rede führte er weiterhin an, dass der Senat Octavian nur die fasces gegeben habe, sein Imperium verdanke er der belli necessitas33. Außerdem sei es schließlich undenkbar, dass jemand ein Heer ohne ein Imperium besäße.34 Ciceros Argumentation wirkt an dieser Stelle nicht sehr überzeugend. Ob der Staat wirklich dringend auf Octavians Legionen angewiesen war, darf bezweifelt werden,immerhin hatte sich der Senat noch nicht einmal zum Krieg gegen Antonius entschlossen.
[...]
1 Vgl. Habicht, Christian: Cicero der Politiker. München 1990, S. 65.
2 Octavian sandte besonders im November 44 v. Chr. eine große Zahl von Briefen an Cicero. Vgl. Cic. Att. 16, 9; 16, 11, 6.
3 Vgl. Cic. Att. 16, 8, 2.
4 Vgl. Habicht: Cicero, S. 97.
5 Vgl. Cic. Phil. II 1.
6 Vgl. Plut. Cic. 44.
7 Plut. Cic. 45.
8 Vgl. insbesondere Cic. Att. 16, 9; 16, 14, 1.
9 Vgl. Cic. Att. 15, 12, 2.
10 Vgl. Fuhrmann, Manfred: Cicero und die römische Republik. Eine Biographie. München / Zürich 1989, S. 264 und Habicht: Cicero, S. 100.
11 Cic. Att. 16, 11, 6.
12 Vgl. Cic. Att. 16, 14, 2.
13 Cic. ad fam. XI 18.
14 Vgl. Cic. Att. 16, 15, 3.
15 Vgl. Schlange-Schöningen, Heinrich: Augustus. Darmstadt 2005, S. 111–113, sowie Bringmann, Klaus / Schäfer, Thomas: Augustus und die Begründung des römischen Kaisertums (Studienbücher Geschichte und Kultur der Alten Welt). Berlin 2002, S. 47.
16 Cic. phil. V 43.
17 Vgl. ebd., sowie cic. phil. III 14; V 49.
18 Cic. phil. IV 12.
19 Cic. phil. III 15.
20 Ebd.
21 Vgl. Schlange-Schöningen: Augustus, S. 97.
22 Vgl. cic. phil. XIII 25.
23 Vgl. cic. phil. V 48.
24 Vgl. Habicht: Cicero, S. 65.
25 Vgl. S. 2f. dieser Arbeit.
26 Cic. phil. III 14.
27 Vgl. Gotter: Diktator, S. 284.
28 Vgl. Cic. phil. V 45f.
29 Cic. phil. V 46.
30 Bleicken: Lex publica, S. 501.
31 Cic. phil. V 45.
32 Cic. phil. V 28.
33 Cic. phil. XI 20.
34 Vgl. ebd.
- Quote paper
- Maja Hetmank (Author), 2008, Die Philippischen Reden von Cicero, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/120719
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