Geschichtlich betrachtet, gilt das Wort in der Sprachwissenschaft seit jeher als ein wichtiger Baustein der Sprache. Umso verwunderlicher ist es, dass die Identifizierung des Wortes in größeren sprachlichen Ausdrücken eine relativ späte Entdeckung in der kulturellen Entwicklung war. Dies ist der Grund, warum es weder im Griechischen, noch im Lateinischen ein Wort mit der sprachwissenschaftlichen Bedeutung „Einzelwort“ gibt. So bedeutet ónoma im Griechischen neben ‚Wort’ auch ‚Name’ und im Lateinischen bedeutet verbum neben ‚Wort’ auch ‚Rede’ und ‚Sprichwort’.
Grundannahme war, dass die Kategorie ‚Wort’ allen Angehörigen einer Sprachgemeinschaft bekannt ist, das heißt, dass auch der Analphabet die Fähigkeit besitzt, in einer zusammenhängend gesprochenen Rede nachträglich diejenigen Lautfolgen voneinander zu trennen, die der Sprachwissenschaftler unter der Kategorie des ‚Wortes’ eingereiht hat. Die Aufgabe des Sprachwissenschaftlers liegt nun darin, herauszufinden, woher wir das Wissen haben, eine Lautfolge unter die Kategorie ‚Wort’ einzureihen.
Es gibt jedoch keinen anderen Gegenstand, der in der Wissenschaft so wenig erforscht worden ist, wie der des ‚Wortes’. Daher liegt die Vermutung nahe, dass für etwas vermeintlich Selbstverständliches keine wissenschaftliche Klärung und Fundierung mehr notwendig sei. In der Geschichte der Sprachwissenschaft hat sich immer wieder herausgestellt, dass die ergiebigsten Fragestellungen gerade bei denjenigen Erscheinungen lagen, die aus mangelnder Distanz für selbstverständlich angesehen wurden.
Eine solche Distanzierung zum Wort ist für uns als Sprecher europäischer Sprachen sehr schwierig, da in der Schrift Lautkomplexe als Wörter voneinander getrennt werden. Dem Wissenschaftler wird das ‚Wort’ vielleicht erst dann zum Problem, wenn er sich mit einer noch nicht schriftlich fixierten Sprache auseinandersetzt. Merkwürdig ist, dass auch die strukturalistische Sprachwissenschaft in Amerika, die gerade solche Situationen schwerpunktmäßig untersucht, sich mit der Definition des ‚Wortes’ äußerst schwer tut. Sie rechnet wohl mit ihm als Element, aber es wird an keiner Stelle in der Literatur klar, wo der prinzipielle Unterschied zwischen Wort und Morphem liegt.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Verschiedene Wortbegriffe
2.1 Der semantische Wortbegriff
2.1.1 Aristoteles
2.1.2 Nachfolger von Aristoteles
2.1.3 Die Problematik des semantischen Wortbegriffs
2.2 Der grammatische Wortbegriff
2.2.1 Dionysios Thrax
2.2.2 Thomas von Erfurt
2.2.3 Neuere Sprachwissenschaft
2.2.4 Die Word and Paradigm Grammar
2.2.5 Die Problematik des grammatischen Wortbegriffs
2.3 Der operationelle Wortbegriff
2.3.1 Vorbemerkungen
2.3.2 Kriterien für die Bestimmung des Wortes im Sinne des operationellen Wortbegriffs
2.4 Der pragmatische Wortbegriff
3. Probleme im Französischen bei der Definition des Wortes
4. Das „Wort als Zeichen und Wirklichkeit“
4.1 Das mot morphologique
4.2 Das mot phonétique
4.2.1 Typologie des Akzents und des mot phonétique
4.2.2 Die Entstehung des mot phonétique
5. Zusammenfassung
6. Bibliographie
1. Einleitung
Geschichtlich betrachtet, gilt das Wort in der Sprachwissenschaft seit jeher als ein wichtiger Baustein der Sprache. Umso verwunderlicher ist es, dass die Identifizierung des Wortes in größeren sprachlichen Ausdrücken eine relativ späte Entdeckung in der kulturellen Entwicklung war. Dies ist der Grund, warum es weder im Griechischen, noch im Lateinischen ein Wort mit der sprachwissenschaftlichen Bedeutung „Einzelwort“ gibt.[1] So bedeutet ónoma im Griechischen neben ‚Wort’ auch ‚Name’ und im Lateinischen bedeutet verbum neben ‚Wort’ auch ‚Rede’ und ‚Sprichwort’.
Grundannahme war, dass die Kategorie ‚Wort’ allen Angehörigen einer Sprachgemeinschaft bekannt ist, das heißt, dass auch der Analphabet die Fähigkeit besitzt, in einer zusammenhängend gesprochenen Rede nachträglich diejenigen Lautfolgen voneinander zu trennen, die der Sprachwissenschaftler unter der Kategorie des ‚Wortes’ eingereiht hat. Die Aufgabe des Sprachwissenschaftlers liegt nun darin, herauszufinden, woher wir das Wissen haben, eine Lautfolge unter die Kategorie ‚Wort’ einzureihen.
Es gibt jedoch keinen anderen Gegenstand, der in der Wissenschaft so wenig erforscht worden ist, wie der des ‚Wortes’. Daher liegt die Vermutung nahe, dass für etwas vermeintlich Selbstverständliches keine wissenschaftliche Klärung und Fundierung mehr notwendig sei. In der Geschichte der Sprachwissenschaft hat sich immer wieder herausgestellt, dass die ergiebigsten Fragestellungen gerade bei denjenigen Erscheinungen lagen, die aus mangelnder Distanz für selbstverständlich angesehen wurden.
Eine solche Distanzierung zum Wort ist für uns als Sprecher europäischer Sprachen sehr schwierig, da in der Schrift Lautkomplexe als Wörter voneinander getrennt werden. Dem Wissenschaftler wird das ‚Wort’ vielleicht erst dann zum Problem, wenn er sich mit einer noch nicht schriftlich fixierten Sprache auseinandersetzt. Merkwürdig ist, dass auch die strukturalistische Sprachwissenschaft in Amerika, die gerade solche Situationen schwerpunktmäßig untersucht, sich mit der Definition des ‚Wortes’ äußerst schwer tut. Sie rechnet wohl mit ihm als Element, aber es wird an keiner Stelle in der Literatur klar, wo der prinzipielle Unterschied zwischen Wort und Morphem liegt.
2. Verschiedene Wortbegriffe
In der Geschichte der Sprachwissenschaft haben bisher drei Gesichtspunkte bei der Definition der Einheit ‚Wort’ eine Rolle gespielt. Der älteste ist der semantische. Er geht auf Aristoteles zurück und dominiert in der traditionellen Logik, der Lexikographie und der Semantik.[2]
Der grammatische Wortbegriff wurde von der alexandrinischen Grammatik ausgearbeitet. Dieser bildet die Grundlage für nahezu alle traditionellen Grammatiken. Das Hauptaugenmerk der amerikanischen Deskriptivisten liegt auf dem operationellen Wortbegriff, da auf semantischer und grammatischer Ebene das Morphem an die Stelle des ‚Wortes’ getreten ist.
Die oben vorgeschlagenen Möglichkeiten das Wort zu definieren entsprechen der traditionellen Einteilung der Sprachwissenschaft. Der grammatische Wortbegriff, der die formale Wortstruktur untersucht, ist Gegenstand der Wortsyntax. Der semantische Wortbegriff hingegen, welcher sich auf das bezieht, was durch ein Wort bezeichnet wird, ist Gegenstand der Wortsemantik. Der Wortbegriff der amerikanischen Deskriptivisten entspricht dem pragmatischen Wortbegriff, welcher sich mit den verschiedenen Kommunikationssituationen auf verbaler und nonverbaler Ebene auseinandersetzt. Im Folgenden sollen nun die verschiedenen Wortbegriffe dargelegt werden.
2.1 Der semantische Wortbegriff
2.1.1 Aristoteles
Wie bereits erwähnt wurde der semantische Wortbegriff von Aristoteles grundlegend bestimmt. Zu seiner Zeit war die Sprache in ihrer grammatischen Struktur noch nicht erfasst. Des weiteren grenzte man die Wörter in der Schrift üblicherweise noch nicht ab, weshalb nur eine semantische Definition des ‚Wortes’ möglich war. Bei der Definition verwendet Aristoteles entweder den sehr eng gefassten Ausdruck ‚Name’ oder er gebraucht Umschreibungen. Die wichtigsten Äußerungen von Aristoteles finden sich in den Kategorien der Hermeneutik und der Poetik.[3] Darin differenziert Aristoteles zwischen verbundenen und unverbundenen Äußerungen. Erstere ist laut Aristoteles’ Definition ein Satz, letztere ein einzelnes Wort. Die unverbundenen Äußerungen teilt Aristoteles ihrerseits noch einmal in zehn Unterkategorien ein. Die Zuteilung eines Wortes in eine Kategorie hängt davon ab, was es bezeichnet. Eine Definition des Wortes unter den Gesichtspunkten der Kategorien könnte wie folgt aussehen: „Wörter sind unverbundene Äußerungen, die eine Substanz, eine Qualität oder sonst eine der übrigen Kategorien bezeichnen.“[4] Aus dieser Definition gehen zwei Kriterien hervor. Zum einen ein relativ schwach formuliertes Abgrenzungskriterium zu den verbundenen Kategorien und zum anderen ein Inhaltskriterium, welches in der Kategorienlehre zur Anwendung kommt.
Die Definition des Nomens nach hermeneutischen Gesichtspunkten ähnelt bei Aristoteles der Definition der Kategorien sehr, da er hierfür dieselben Definitionskriterien verwendet. Das Abgrenzungskriterium von verbundenen und unverbundenen Äußerungen ist hier jedoch klarer erkennbar, da das Nomen als kleinste Einheit gilt, und seine Einzelbestandteile an sich nichts mehr bedeuten. In dem Beispielsatz „Das Piratenschiff greift an“[5] bezeichnet das Wort „Piratenschiff“ einen Gegenstand der Wirklichkeit, das Suffix ‚-schiff’ hingegen nicht. Ein Satz wiederum besteht aus Teilen, wobei jedes Element für sich etwas bezeichnet, das heißt, eine Substanz oder eine Tätigkeit. Die Substanz entspricht in diesem Fall dem „Piratenschiff“ und die Tätigkeit dem „Angreifen“.
In der Poetik definiert Aristoteles Nomen, Verb und Satz nach genau denselben Kriterien wie in der Hermeneutik. Allerdings führt er an sich nichts bedeutende Konjunktionen und Artikel als Lautformen ein, die aber für die Abgrenzung von solchen Lautformen, die etwas bezeichnen, von größter Bedeutung sind.
Da die aristotelische Definition des Wortes noch unvollständig ist, fällt seinen Nachfolgern die Aufgabe zu, für die übrigen Wortarten eine semantische Definition zu finden.
2.1.2 Nachfolger von Aristoteles
Thomas von Erfurt nimmt in seiner Grammatica speculativa, welche im 14. Jahrhundert entstanden ist, eine umfassendere Definition des Wortes vor. Allerdings bleibt auch bei ihm der Abgrenzungsaspekt völlig außen vor. Im 17. und 18. Jahrhundert wurde eine Definition gefunden, welche diesen zumindest ansatzweise enthält. Sie lautet: „Die Worte sind bestimmt abgegrenzte und artikulierte Laute [...], aus denen die Menschen Zeichen zur Kennzeichnung dessen, was in ihrem Geist vorgeht, gemacht haben.“[6]
Als Angehöriger der modernen Sprachwissenschaft bestimmt Ferdinand de Saussure hingegen die konkrete sprachliche Einheit mittels eines Inhalts- und eines Abgrenzungskriteriums. Für ihn ist die sprachliche Einheit nur vollständig bestimmt, wenn sie von allem dem, was sie in der sprachlichen Reihe umgibt, abgetrennt ist.[7] De Saussures Abgrenzungskriterium enthält semantische und strukturelle Gesichtspunkte, da seiner Meinung nach eine Analyse nicht möglich ist, wenn man nur die lautliche Seite der Sprache berücksichtigt. Aus dieser Auffassung hat De Saussure später seine Minimalpaaranalyse entwickelt, bei der teilgleiche Sätze miteinander verglichen werden. Doch selbst die sehr ausführlichen Gedanken und Argumente Saussures haben nicht zu einer konkreten Wortdefinition geführt. Für ihn sind die von ihm definierten Einheiten nicht gleich eigenständige Wörter, weil er nämlich noch viel kleinere Einheiten als Wörter unterschieden hat, wie Stämme, Suffixe und Präfixe. Des weiteren untersuchte er Einheiten, welche sehr viel größer als Wörter sind, wie beispielsweise Redensarten.
Trotz einiger Abweichungen von den übrigen Definitionen kann De Saussures Definition immer noch als semantisch bezeichnet werden.
2.1.3 Die Problematik des semantischen Wortbegriffs
Der semantische Wortbegriff hat sich von Aristoteles bis in unsere Zeit hinein kaum verändert. Verfolgt man seine Geschichte genauer, so stellt man fest, dass das Abgrenzungskriterium schon immer problematischer war als das Inhaltskriterium. Wie bereits oben erwähnt ist das Abgrenzungskriterium schon bei Aristoteles nur ungenügend definiert. In späteren Definitionen wurde es teils sogar weggelassen oder umformuliert. Als ein weiteres Problem stellt sich dar, dass nicht durchgängig der Begriff ‚Wort’ als Bezeichnung des untersuchten Gegenstandes verwendet wurde, sondern viele verschiedene Termini. Der semantische Wortbegriff ist wie Togeby gezeigt hat nur begrenzt anwendbar beziehungsweise gültig.
Togeby sagt: « La faiblesse de cette définition est le manque de limitation donnée au concept de signe : une phrase peut aussi représenter une idée et avoir un sens ».[8]
Nun stellt sich die Frage, was Elemente wie ‚und’, ‚dass’, ‚noch’, usw. bezeichnen. Aristoteles hat diese noch als bedeutungslos bezeichnet. Für ihn grenzten sie lediglich die bedeutungshaltigen Wörter ab. Der Einwand der Vagheit der Definition relativiert sich jedoch, wenn man bedenkt, dass eine vage Definition nicht falsch ist, sondern eher inhaltsarm. Diese ‚Armut’ lässt sich relativ leicht durch Präzisierung und vor allem durch Klärung der Bedeutungsproblematik verringern. Des weiteren wissen wir als Muttersprachler auch ohne Definition, ob ein Wort zu unserer Sprache gehört oder nicht.
Im Folgenden wird sich die Arbeit nun mit dem grammatischen Wortbegriff beschäftigen. Dieser ist nicht als Widerspruch, sondern als Ergänzung zum semantischen Wortbegriff zu sehen.
[...]
[1] Vennemann, Th et al.: Sprache und Grammatik. Grundprobleme der linguistischen Sprachbeschreibung, Darmstadt 1982, S.1
[2] Weber, H.: „Zur Systematik und Geschichte des Wortbegriffs“, In: H. Weber: Aristotelische Sprachwissenschaft, Tübingen 1981.161
[3] Weber, H.: „Zur Systematik und Geschichte des Wortbegriffs“, In: H. Weber: Aristotelische Sprachwissenschaft, Tübingen 1981. 163
[4] Weber, H.: „Zur Systematik und Geschichte des Wortbegriffs“, In: H. Weber: Aristotelische Sprachwissenschaft, Tübingen 1981. 164
[5] Weber, H.: „Zur Systematik und Geschichte des Wortbegriffs“, In: H. Weber: Aristotelische Sprachwissenschaft, Tübingen 1981. 165
[6] Weber, H.: „Zur Systematik und Geschichte des Wortbegriffs“, In: H. Weber: Aristotelische Sprachwissenschaft, Tübingen 1981.169
[7] Weber, H.: „Zur Systematik und Geschichte des Wortbegriffs“, In: H. Weber: Aristotelische Sprachwissenschaft, Tübingen 1981. 172
[8] Weber, H.: „Zur Systematik und Geschichte des Wortbegriffs“, In: H. Weber: Aristotelische Sprachwissenschaft, Tübingen 1981. 178
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- Rainer Kohlhaupt (Autor), 2006, Der Status der Einheit Wort im Französischen, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/120491
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