Die Totenkopfflagge der Piraten des 18. Jahrhunderts symbolisierte die Bruderschaft der Seeräuber mit dem Tod. Sie war zum einen ein Symbol der tödlichen Gewalt, die sie ihren Opfern auszuüben versprachen, zum anderen ein Symbol der eigenen Todesnähe, die das Leben in der Gesetzlosigkeit mit sich brachte. Piraterie war und ist nichts Anderes als Raub auf dem Meer, verbunden mit Anderen zugefügten und erlittenen Grausamkeiten.
Woher kommt die Faszination, die die Totenkopfflagge heute noch ausübt? Kein St Paulifan würde morden oder Beutekrieg führen. Kein Kind, dass sich Fasching als Pirat verkleidet, ist sich der harten und grausamen Realität der Piraten bewusst.
Einige Seeräuberrealitäten wirken aber offenbar aus der Distanz anziehend. Da ist zum einen die anarchische Freiheit derjenigen, die sich jeder Autorität außer ihrer eigenen widersetzten, zum anderen das anarchische Element - das Meer. Die Totenkopfflagge befriedigt eine Sehnsucht nach einem zwar kurzen und riskanten, aber aufregenden Leben, einem Leben voll Abenteuern. Ihr heutiges romantisches Image bekommt die Totenkopfflagge demnach durch die Demonstration von Gegenmacht und der Verachtung staatlicher Autoritäten, aber auch ihrem Kontext zu Abenteuer und wildem Erlebnis außerhalb der Norm.
Die Totenkopfflagge schreckte die Mächtigen ihrer Zeit zudem tatsächlich. Piratenkapitäne wie Blackbeard oder Roberts waren eine reale Gegenmacht. Die Totenkopfflagge steht folglich für eine eigene Art zu leben und sich frei zu definieren, ein Zunftsymbol der Unangepassten. Sie war und ist ein Zeichen der Unabhängigkeit.
Die Totenkopfsymbolik auf schwarzem Grund steht für einen Inhalt, für eine Art zu leben. Jugendliche, die als St. Pauli-Fans heute die Piratenflagge schwenken, sehen sich als Teil einer Gegenkultur zur herrschenden Kultur. Die Flagge steht in diesem Kontext nach wie vor für Subversion und gegen Anpassung.
Totenkopf und Stundenglas – Zur Symbolgeschichte der Totenkopfflagge
Thema dieses Beitrags ist die Symbolgeschichte der Totenkopfflagge auf Piratenschiffen. Dabei soll untersucht werden, was die Aussage dieses Symboles ist, und was den Totenkopf auf Piratenflaggen von anderen Totenköpfen zum Beispiel auf Friedhöfen unterscheidet. Anlass für diese Untersuchung war die Kontinuität des Totenkopfsymbols. Heutige Subkulturen, die historischen Piraten affirmativ gegenüberstehen, verwenden die Totenkopfflagge: Die Fahnen der Fussballfans des Hamburger Vereins St. Pauli zeigen einen Totenkopf mit Gebeinen auf schwarzem Grund. Das Symbol ist nicht ohne Geschichte; die Flagge zeigt die Symbole der Piraten des 18. Jahrhunderts, Totenkopf und Gebeine.
Die Totenkopfflagge der Fans des Vereins aus dem Hamburger Hafenviertel St. Pauli hat einen engen Zeitbezug: Fahnen mit Totenköpfen wehten 1986 auf den besetzten Häusern der Hamburger Hafenstraße. Eine Kneipe auf dem Hafenstraßengelände hieß Störtebecker. Hamburger Linke verkaufen heute fair gehandelten „Störtebecker“-Kaffee in Packungen mit Totenkopfemblem unter dem Slogan: Kaffee gegen die Pfeffersäcke. [1] Dieser Kaffee wird im Libertad – Zentrum in Hamburg- Ottensen gehandelt, steht demnach in einem politisch linken und gegen die Ausbeutung des Trikonts gerichteten Kontext.
Der Kontext „Kaffee gegen die Pfeffersäcke“ ist regionalspezifisch: Pfeffersäcke ist ein –nicht eben positiver- Begriff für die hanseatischen Überseekaufleute. Der Handel mit Gewürzen und anderen damaligen Luxusgütern aus „aller Welt“ machte die hanseatischen Kaufleute in der frühen Neuzeit reich. Piraten überfielen die Schiffe, mit denen die Kaufleute diese Güter aus den Tropen nach Hamburg brachten. Die Menschen, die in Dritte-Welt-Initiativen arbeiten, überfallen keine Schiffe, Hamburger Kaufleute ziehen heute ihren Reichtum nicht primär aus mit Pfeffer gefüllten Säcken. Die Verwendung des Totenkopfsymbols „gegen die Pfeffersäcke“ ist im übertragenen Sinn zu verstehen. „Pfeffersäcke“ sind demnach Kapitalisten, die ihren Reichtum aus der Ausbeutung der Dritten Welt ziehen. Das Totenkopfsymbol der Piraten ist das Symbol der Feinde der Pfeffersäcke, ein Symbol dafür ihnen den auf Ausbeutung basierenden Reichtum zu nehmen. Die Aussage „Kaffee gegen die Pfeffersäcke“ in Verbindung mit dem Totenkopfsymbol legt eine Affinität der Vertreiber des Kaffees zu den historischen Piraten nahe.
Der räumliche Kontext ist der zur Seefahrt. Hamburg ist eine Hafenstadt und eine Gegenkultur zu den Hamburger Großkaufleuten definiert sich logischerweise über ein Symbol des See raubes. Auch das Hissen der Totenkopfflagge auf den besetzten Häusern der Hafenstraße steht in diesem Kontext. Die Besetzung der Häuser in der Hamburger Hafenstraße in den 1980er Jahren war selbst ein auch symbolischer Akt. Der Hafen ist das Zentrum des Welthandels in Hamburg. Hier wickeln Großkonzerne aus der ganzen Welt ihre Geschäfte ab. Die Besetzung war eindeutig gegen eine Politik gerichtet, die die Profitinteressen des Kapitals fördert und gegen die Mehrheit der Menschen stand. Die Totenkopfflagge auf den besetzten Häusern ist als Kampfansage gegen das Hamburger Großkapital zu werten. Die Besetzung von leer stehenden Häusern, um sie nicht Wohnungsspekulanten zu überlassen ging in die gleiche Richtung wie fairer Handel, der den Herstellern im Trikont die Produkte zu menschenwürdigen Preisen abkauft.
Auf einer erweiterten Interpretationsebene stellt das Totenkopfsymbol beim „Kaffee gegen die Pfeffersäcke“ und bei der Besetzung von Häusern das geltende Gesetz in Frage. Legitim und legal werden bewusst als zwei verschiedene Richtlinien gezeigt. Piraten, die die Totenkopfflagge hissten, handelten gegen die damals bestehenden Gesetze. Eine Selbstdefinition über Piraten für fairen Handel impliziert, dass es gerechtfertigt ist, bestehende Gesetze zu brechen, um gegen Ungerechtigkeiten zu kämpfen.
Der Bezug auf den Piraten Klaus Störtebecker steht in dem Kontext, von den Reichen zu nehmen und die Armen zu beschenken. So sang die Hamburger Punk-Band Slime in den 1980er Jahren: „ „ Er beklaute die Reichen und beschenkte die Armen, doch die Mächtigen, sie kannten kein Erbarmen und er verlor seinen Kopf.““ [2]
Der Verfasser befasst sich im weiteren mit der Geschichte des Totenkopfsymbols. Was hat es mit der Totenkopfflagge auf sich?
Das Totenkopfsymbol im 18. Jahrhundert
Seeräuberei gibt es, seit es Seefahrt gibt. Die Totenkopfflagge etablierte sich unter Piraten aber erst im frühen 18. Jahrhundert n. Chr. Und nicht zur Zeit Störtebeckers, dem späten Mittelalter. Die Zeit zwischen 1690 und 1730 gilt als „goldenes Zeitalter der Piraterie“. Kapitäne aus dieser Zeit sind noch heute berühmt, waren Gegenstand der Literatur und des Theaters - Henry Avery, Bartholemew Roberts, Sam Bellamy, Blackbeard oder Captain Kidd.
Es war die Zeit der Ostindienfahrer, der großen Handelsschiffe, die von Südostasien in die Niederlande und nach England fuhren und der Seerivalität zwischen England, Frankreich und Spanien. Es war auch die Zeit des Handels zwischen Westindien und Europa. Die Reichtümer der Kolonien mussten auf dem Seeweg in die Mutterländer gebracht werden. Dieser Seeweg führte durch Gebiete, die kaum militärisch kontrollierbar waren.
Die europäischen Großmächte setzten Freibeuter gegen ihre Kontrahenten ein, englische Kaperkapitäne plünderten französische Handelsschiffe, französische Freibeuter plünderten englische. Freibeuter waren irreguläre Truppen.
Inseln der Karibik, Madagaskar und andere Inseln im indischen Ozean mit unzähligen Buchten, lang gestreckten Riffen und einer Bevölkerung, die aus de facto freien Siedlern und Indigenen bestand, boten Schlupfwinkel und Umschlagplätze für Piraten. [3]
Einige dieser Kaperkapitäne machten sich selbstständig; Seeleute entflohen den drakonischen Strafen der Handelsmarine, Piraterie, die Freibeuterei nicht im Dienst der Krone, sondern auf eigene Faust, übte eine magische Anziehungskraft auf die Verelendeten in den Hafenstädten Amerikas und Englands aus. [4]
[...]
[1] Der Verfasser lebte in Hamburg und befragte circa vierzig Personen aus dem Umfeld der St. Pauli Fans und der Hafenstraße,
[2] Slime: Störtebecker. Auf der LP Alle gegen alle.
[3] Vgl.: David Cordingly: Unter schwarzer Flagge. Legende und Wirklichkeit des Piratenlebens. Erste deutsche Auflage Zürich 1999. S.135-140
[4] Douglas Botting: Die Piraten. Aus der Reihe „Die Seefahrer“. Deutsche Ausgabe Amsterdam 1979. S.30-32.
-
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X.