"Warum in die Ferne schweifen? Sieh‘, das Gute liegt so nah!" (Goethe, 1827, S. 67).
Goethe hat sich mit Sicherheit hierbei nicht auf das Thema „Ethno-Marketing“ bezogen. Der Sinn, der hinter diesem Zitat steht, ist trotzdem auf die im Folgenden beschriebene Marketingausrichtung hinsichtlich der in Deutschland lebenden ethnischen Gruppierungen türkisch- sowie russischstämmiger Menschen zu beziehen.
Unternehmen in Deutschland sehen sich gesättigten Konsummärkten, einem verschärftem
Wettbewerb und der Notwendigkeit langfristiger Kundenbindung ausgesetzt. Ein vielfach gewählter
Schritt, ist das Schweifen in die Ferne. Durch zahlreiche Internationalisierungsstrategien
werden Auslandsmärkte für Unternehmensentwicklungen immer häufiger in Betracht gezogen.
Die Herausforderung zur geographischen Ausdehnung der Unternehmensaktivitäten
wird hierbei genauestens analysiert. Aber wenn das Gute doch so nah liegt, warum werden
dann hohe Kosten, potentielle Imageverluste und sogar eine scheiternde Internationalisierung
in Kauf genommen?
Um Potentiale zu entdecken, reicht vielfach bereits der Blick auf die internationalen Märkte
im Inlandsmarkt. Aufgrund der Gastarbeiteranwerbung und Migrationsbewegungen der letzten
Jahrzehnte fand eine deutliche Steigerung der ethnischen Vielfalt statt. Die unterschiedlichen
Schnittstellen des gemeinsamen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Lebens,
werden zunehmend klarer. Zwar schaffen die neuen Informations- und Kommunikationsmittel
den sog. Einheitskonsumenten, jedoch gerade durch die Tendenz der Annäherung ist eine Gegenreaktion
zur Bewahrung der eigenen Kultur zu erwarten. Die Bedeutung der kulturellen
Vielfalt erschließt sich daher aus dem hohen Potential, welches v.a. im wirtschaftlichen Bereich
erkennbar ist. Denn die etwa 15,3 Mio. Menschen mit einem vom Statistischen Bundesamt
definierten Migrationshintergrund, also mit einem anderen Sprach- und Kulturbackground,
weisen ein abweichendes Konsumentenverhalten, vom schnäppchen- und preisorientierten
Deutschen, auf. Es muss klar werden, dass die Mitglieder ethnischer Gruppen hier nicht nur wohnen und arbeiten,
sondern auch stark konsumieren. Aus dieser Tatsache heraus entstand ein neuer Bereich
des Marketings, der sich speziell mit den Bedürfnissen der in Deutschland lebenden ethnischen Minderheiten befasst. Diese zielgruppenspezifische Ausrichtung nach kulturellen Aspekten
wird als Ethno-Marketing bezeichnet. [...]
Inhaltsverzeichnis
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Einführung
1.2 Problematik und Zielsetzung
1.3 Vorgehensweise
2 Ethno-Marketing
2.1 Definition und Herkunft
2.1.1 Begriffserläuterung
2.1.2 Begriffsabgrenzung
2.1.3 Geschichte des Ethno-Marketings
2.2 Das Marketing im Ethno-Marketing
2.2.1 Zur Verfügung stehende Marketinginstrumente
2.2.2 Kommunikationspolitik als Teil des Marketing-Mixes
2.3 Folgerungen
3 Kultur als Determinante des Marketings
3.1 Schnittstelle zwischen Kultur und Marketing
3.1.1 Die multikulturelle Gesellschaft Deutschlands
3.1.2 Entwicklung der ethnischen Gruppen in Deutschland
3.2 Interkulturelle Kommunikation
3.3 Kulturspezifische Marktsegmentierung
3.4 Kultur und Konsumentenverhalten
3.5 Folgerungen
4 Türkischstämmige Menschen in Deutschland als Zielgruppe für das Ethno- Marketing
4.1 Geschichte der drei Generationen
4.2 Soziodemografische Merkmale
4.3 Psychografische Merkmale und kulturelle Besonderheiten
4.4 Konsumentenverhalten
4.5 Mediennutzung
5 Russischstämmige Menschen in Deutschland als Zielgruppe für das Ethno- Marketing
5.1 Historie
5.2 Soziodemografische Merkmale
5.3 Psychografische Merkmale und kulturelle Besonderheiten
5.4 Konsumentenverhalten
5.5 Mediennutzung
6 Folgerungen für das interkulturell ausgerichtete Marketing
6.1 Vergleich der interkulturell ausgerichteten Marketingmaßnahmen für die beschriebenen Zielgruppen
6.1.1 Unterschiede
6.1.2 Gemeinsamkeiten
6.2 Erfolgsaussichten sowie Chancen durch Ethno-Marketing
6.3 Probleme sowie Risiken durch Ethno-Marketing
7 Schlussbetrachtung
7.1 Fazit
7.2 Ausblick
Literaturverzeichnis
Anhang 1
Anhang 2
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Anhang 1
Abb. 1: Bekanntheitsgrad von Ethno-Marketing
Abb. 2: Wichtigkeit von Ethno-Marketing
Abb. 3: Mediale Einflüsse
Abb. 4: Schichtenmodell
Abb. 5: Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund
Abb. 6: Ablauf der Kommunikation im Sender-Empfänger-Modell
Abb. 7: Detailmodell der Einflussfaktoren auf das Konsumverhalten
Abb. 8: Gruppenabhängige Mediennutzung
Abb. 9: Russischstämmige Konsumentensegmente
Anhang 2
Abb. 1: Segmentierungen der Werte
Tab. 1: Segmente der Studie „Lebenswelten Deutschtürken 2002“
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Erfolgt im Text zugunsten einer besseren Lesbarkeit keine explizite Differenzierung zwischen der weiblichen und der männlichen Form, so sind dennoch stets beide gemeint.
1 Einleitung
1.1 Einführung
"Warum in die Ferne schweifen? Sieh‘, das Gute liegt so nah!" (Goethe, 1827, S. 67).
Goethe hat sich mit Sicherheit hierbei nicht auf das Thema „ Ethno-Marketing – Wettbewerbsvorteile durch kulturelle Vielfalt im Zielgruppenverständnis der in Deutschland lebenden Türken und Russen“ bezogen. Der Sinn, der hinter diesem Zitat steht, ist trotzdem auf die im Folgenden beschriebene Marketingausrichtung hinsichtlich der in Deutschland lebenden ethnischen Gruppierungen türkisch- sowie russischstämmiger Menschen zu beziehen.
Unternehmen in Deutschland sehen sich gesättigten Konsummärkten, einem verschärftem Wettbewerb und der Notwendigkeit langfristiger Kundenbindung ausgesetzt. Ein vielfach gewählter Schritt, ist das Schweifen in die Ferne. Durch zahlreiche Internationalisierungsstrategien werden Auslandsmärkte für Unternehmensentwicklungen immer häufiger in Betracht gezogen. Die Herausforderung zur geographischen Ausdehnung der Unternehmensaktivitäten wird hierbei genauestens analysiert. Aber wenn das Gute doch so nah liegt, warum werden dann hohe Kosten, potentielle Imageverluste und sogar eine scheiternde Internationalisierung in Kauf genommen ?
Um Potentiale zu entdecken, reicht vielfach bereits der Blick auf die internationalen Märkte im Inlandsmarkt. Aufgrund der Gastarbeiteranwerbung und Migrationsbewegungen der letzten Jahrzehnte fand eine deutliche Steigerung der ethnischen Vielfalt statt. Die unterschiedlichen Schnittstellen des gemeinsamen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Lebens, werden zunehmend klarer. Zwar schaffen die neuen Informations- und Kommunikationsmittel den sog. Einheitskonsumenten, jedoch gerade durch die Tendenz der Annäherung ist eine Gegenreaktion zur Bewahrung der eigenen Kultur zu erwarten. Die Bedeutung der kulturellen Vielfalt erschließt sich daher aus dem hohen Potential, welches v.a. im wirtschaftlichen Bereich erkennbar ist. Denn die etwa 15,3 Mio. Menschen mit einem vom Statistischen Bundesamt definierten Migrationshintergrund, also mit einem anderen Sprach- und Kulturbackground, weisen ein abweichendes Konsumentenverhalten, vom s chnäppchen - und preisorientierten Deutschen, auf.
Es muss klar werden, dass die Mitglieder ethnischer Gruppen hier nicht nur wohnen und arbeiten, sondern auch stark konsumieren. Aus dieser Tatsache heraus entstand ein neuer Bereich des Marketings, der sich speziell mit den Bedürfnissen der in Deutschland lebenden ethnischen Minderheiten befasst. Diese zielgruppenspezifische Ausrichtung nach kulturellen Aspekten wird als Ethno-Marketing bezeichnet.
Die Veränderung vom Verkäufer- zum Käufermarkt gehört in beinahe allen Branchen bereits zur Normalität, denn die Instabilität der Präferenzen und Verhaltensweisen konfrontiert das Marketing mit der Unberechenbarkeit des modernen Konsumenten. Im Kampf um erfolgreichere Wettbewerbspositionen spielt, entgegen einer konkurrenzbezogenen Sichtweise, die Ausrichtung auf kulturelle Eigenheiten der Kunden eine zunehmend wichtige Rolle. So wird bei den betrachteten ethnischen Zielgruppen versucht, anstelle der üblichen Profitorientierungen, durch eine eher konsumentenorientierte Ausrichtung, ein Wir-Gefühl zu erzeugen, welches Kunde und Unternehmen verbindet.
Kulturelle Besonderheiten werden oftmals aus Unwissenheit, aber auch aus den Berührungsängsten heraus, die Zielgruppe kommunikativ falsch anzusprechen, unterschätzt. Aufgrund dieser weitverbreiteten Befürchtungen, besteht die Aufgabe für das Marketing und insb. für die Werbewirtschaft darin, den Trend zu verdeutlichen und die Wichtigkeit des Ethno-Marketing-Konzeptes darzulegen. Die Zielgruppe der Menschen mit Migrationshintergrund muss pro-aktiv, also bewusst angesprochen werden, um das „ schlummernde“ Potential auszunutzen und der deutschen Wirtschaft mögliche Chancen aufzuzeigen. Jedoch darf dies weder konzeptlos noch ohne Vorbereitung geschehen, denn sowohl fehlerhafte Ansprachen als auch falsche Mittel können eine gegenteilige Wirkung auslösen.
1.2 Problematik und Zielsetzung
Aus der Situation der kulturell-vielfältigen Gesellschaft, ergibt sich die Problematik einer differenzierten Zielgruppenansprache, mit der sich diese Arbeit auseinandersetzten wird. Es stellt sich folglich die Frage, inwiefern Marketingkonzepte dazu beitragen können, dass sowohl die Bedürfnisse der Menschen mit Migrationshintergrund wirtschaftlich Beachtung finden, als auch die Ziele der Unternehmen erreicht werden. Lassen sich die neuen Zielgruppen in einem bereits erschlossenen, vom Verdrängungswettbewerb geprägten Inlandsmarkt überhaupt identifizieren, um sie anschließend in das Ethno-Marketing integrieren zu können? Oder sollten sie weiterhin als „Ausländer“ angesehen werden, die man nur schwer erreichen beziehungsweise beeinflussen kann ? Im Verlauf dieser Arbeit werden weitere Teilfragen aufgeworfen, die entsprechend beantwortet werden.
Zur Erschließung des Themas müssen Schwerpunkte unterschiedlicher Wissenschaftsdisziplinen betrachtet werden. Neben den marketingbezogenen Aspekten stehen v.a. interkulturelle Elemente, so z.B. die spezifischen Merkmale der betrachteten Kulturen, mitsamt der Besonderheiten im Konsumentenverhalten und die interkulturelle Kommunikation im Mittelpunkt. Die Relevanz der aufgeworfenen Fragen, die Besonderheit ethnischer Gruppen sowie die zunehmend hohe Aufmerksamkeit der ethnischen Gruppen in den Medien waren entscheidende Beweggründe, sich mit diesem Thema intensiv auseinanderzusetzen. Der Entschluss, sowohl auf die türkischstämmige als auch auf die russischsprachige Bevölkerungsgruppe einzugehen, entstand aus der Tatsache heraus, dass es sich um die beiden größten hierzulande lebenden, ethnisch gruppierten Minderheiten handelt.
In Deutschland wird Ethno-Marketing oft mit der türkischstämmigen Community, also der Gruppe türkischstämmiger Menschen in Verbindung gebracht, denn diese scheint allem Anschein nach, die größte ethnische Minderheit zu sein. Wenig Beachtung fanden bisher die russischsprachigen Mitbürger, die ebenfalls über ein hohes Konsumpotential sowie einer breiten Medienstruktur verfügen. Diese Arbeit möchte auch dieser Gruppe Raum geben, um auf ihre wirtschaftliche Bedeutung hinzuweisen. Deshalb beziehen sich nachfolgende Ausführungen auf die beiden genannten Gruppen.
Das Ziel dieser Diplomarbeit ist es, die bereits vorhandenen Kenntnisse bzgl. der Merkmale beider Gruppen zu veranschaulichen und klarzustellen, wie durch eine Anwendung des Ethno-Marketings Wettbewerbsvorteile erzielt werden können. Hierzu soll die Notwendigkeit einer bezweckten Einbeziehung (inter-)kultureller Faktoren in das Marketing verdeutlicht werden. Folglich werden an verschiedenen Stellen Anregungen für das praktische Ethno-Marketing gegeben. Da diese Arbeit innerhalb des Studienschwerpunktes Internationale Wirtschaft und Globales Management geschrieben wird, müssen die interkulturellen Grundlagen mit dem Wissen aus den Bereichen Marketing und Soziologie ergänzt werden.
1.3 Vorgehensweise
Eingangs wird in Kapitel 2 das Konzept des Ethno-Marketings beschrieben, während darauffolgend genauer auf die kommunikationspolitische Ausrichtung und deren werbliche Umsetzung eingegangen wird. Auf eine branchen- oder produktspezifische Analyse muss hierbei verzichtet werden. Als Anregung werden an gegebenen Stellen Beispiele aufgezählt, für die Absatzchancen zu erwarten sind.
Das dritte Kapitel beschäftigt sich ausführlich mit der Kulturgebundenheit des Marketings. Dabei wird durch das themenbezogene Herleiten eines einheitlichen Kulturverständnisses auf die Wechselwirkung von Kultur und Marketing eingegangen. Gerade im Bereich der interkulturellen Kommunikation wird der Schnittpunkt zwischen dem Marketing und der Interkulturellen Forschungsrichtung deutlich.
Im vierten und fünften Kapitel wird ein Blick auf die ethnischen Gruppen der in Deutschland lebenden türkisch- sowie russischstämmigen Menschen gerichtet. Im Sinne der vorbehaltslosen, politisch korrekten Formulierungen, werden hier die kulturellen Hintergründe und nicht die Staatsangehörigkeiten von Bedeutung sein. Daher werden die Begriffe Türken in Deutschland, Deutschtürken, türkische oder türkischstämmige Mitbürger, trotz zahlreicher Unterschiede als Synonyme verwendet. Dasselbe gilt auch für die russischstämmigen oder russischsprachigen Mitbürger beziehungsweise Russen in Deutschland. Die soziodemografischen Ausführungen werden durch die verhaltens- und lebensstilorientierten, den sog. psychografischen Merkmalen ergänzt. Aufbauend auf der Darstellung des ausgeprägten Kauf- und Konsumverhalten wird abschließend die Medienstruktur verdeutlicht, über welche eine zielgerichtete Ansprache – werbliche Konzentration auf Zielobjekte – erfolgen kann. Die Ausführungen sollen die Besonderheiten einer kulturspezifischen Auseinandersetzung mit den betrachteten Gruppen aufzeigen.
Die beiden Kapitel bilden den Übergang zu einer Betrachtung der Unterschiede und Gemeinsamkeiten beider Zielgruppen. In Kapitel sechs werden v.a die Chancen und Risiken hervorgehoben, die mit einer gezielten Kommunikation in der Praxis einhergehen.
Abschließend werden im siebten Kapitel die aufgeworfenen Fragen samt ihrer Lösungen in einem Fazit zusammengefasst und ein Ausblick gibt Ausschluss darüber, inwiefern sich das Ethno-Marketing in der Zukunft etablieren bzw. anpassen sollte.
Diese Arbeit stützt sich neben den Quellen der themenspezifischen Literatur und des Internets auch auf persönliche Erfahrungen sowie Anregungen aus Gesprächen mit Bekannten und Freunden aus verschiedensten Kulturkreisen.
2 Ethno-Marketing
2.1 Definition und Herkunft
Die Grundlage für ein einheitliches Verständnis der interkulturellen Marketingdisziplin des Ethno-Marketings bildet eine konsistente Betrachtung und Abgrenzung der Begrifflichkeit. Dazu wird vorab definiert, was unter der Ethno-Marketing zu verstehen ist. Hauptsächlich wird hierbei die Kommunikationspolitik samt ihrer werblichen Aktivitäten betrachtet.
2.1.1 Begriffserläuterung
Der Begriff Ethno-Marketing ist abgeleitet vom griechischen Wort ethnos [ἔθνος] und bedeutet übersetzt Volk bzw. Volksstamm. Nach Karmasin und Karmasin (1997, S. 86) wird beim Marketing versucht, die Bedürfnisse und Wünsche von Konsumenten durch Austauschprozesse zu befriedigen und Produkte wirkungsvoller als die Wettbewerber anzubieten. Es handelt sich hierbei um eine nachgelagerte Wertaktivität, die ein kundenbezogenes Wirkungsfeld aufweist. Der Ausgangspunkt für ein interkulturell ausgerichtetes Marketing ist die Annahme, dass Konsumenten sowohl auf Auslands- als auch auf Inlandsmärkten unterschiedliche Konsumpräferenzen, Einstellungen, Erwartungen und Wahrnehmungsgewohnheiten verfolgen (Rinas, 2007, S. 58 & S. 121). Besonders die deutliche Beeinflussung durch kulturelle Faktoren spiegelt sich in der Kaufentscheidung der Menschen wider (Lindner, 2004, S. 11).
Das Ethno-Marketing ist ein spezielles Teilgebiet der interkulturellen Marketingwissenschaft, welches sich auf die Subkulturen der in Deutschland lebenden ethnischen Gruppen bezieht. Der Kerngedanke beinhaltet die explizite Berücksichtigung interkultureller Unterschiede, jedoch genauso die Nutzung kultureller Gemeinsamkeiten. Mitglieder ethnischer Gruppen müssen folglich aufgrund ihrer sprachlichen, religiösen, kulturellen Merkmale und ihrer psychografischen Wertorientierungen zu Marktsegmenten zusammengefasst und in die Marketingpolitik eingebunden werden (Förster & Kreuz, 2003, S. 68). Eine engagierte Auseinandersetzung mit dem kulturellen Background sowie einer Weiterentwicklung des Zielgruppenverständnisses, ist aufgrund der Dynamik des Themas notwendig, um Marktpotentiale im Bereich der Kulturkreise erobern und ausschöpfen zu können.
Definitorisch kann in Anlehnung an Rinas (2005, S. 110) sowie Kraus-Weysser und Uğurdemir-Brincks (2002, S. 12) folgende Definition für Ethno-Marketing gegeben werden: Es handelt sich um einen segment- bzw. zielgruppenorientierten Marketingansatz, der sich an den kulturspezifischen Besonderheiten und Anforderungen ethnischer Gruppen i.S. von Teilöffentlichkeiten innerhalb eines Landes ausrichtet.
Zur Beschreibung könnten weitere Definitionen herangezogen werden. Im Zuge der Recherche wurde hingegen deutlich, dass sich diese inhaltlich überschneiden. Vielfach wird in der Literatur Ethno-Marketing (zum Teil auch Ethnomarketing) synonym mit den Begriffen Diversity- bzw. Minoritäten-Marketing (Govoni, 2004, S. 68) oder Kulturkreis-Marketing (Hermes, 2006b, S. 15) verwendet.
Die besondere Form der Zielgruppenbetrachtung kann mit „ Marketing von der Stange “ (Bücker, 2007, S. 94) nicht erfolgreich einhergehen. Laut Hahn (2006, S. 22) hat das Thema „ nach dem ersten Hype “ der neunziger Jahre nie wirklich an Boden verloren und kommt langsam aus dem Schatten einer Marketingnebenbeschäftigung heraus. Ausländische Mitbürger als neuen Markt zu entdecken, scheint das Interesse traditioneller Unternehmensstrategen allmählich zu wecken. Abbildung 1 (Anhang 1) macht deutlich, inwiefern noch Steigerungspotential besteht. Innerhalb der Unternehmen müssen dafür neben dem Budget v.a. die Ressourcen vorhanden sein. Während für wesentlich kleinere Kundensegmente hierzulande deutlich mehr Aufwand betrieben wird, ist das auf die 15,3 Mio. Menschen mit Migrationshintergrund spezialisierte Marketing bislang noch ein Geschäftsfeld für spezielle Kommunikations- und Werbeagenturen Das Angebot dieser sog. Ethno-Agenturen stellt sich den Unternehmen bislang noch „ relativ intransparent dar “ (Peymani, 2007, S. 60).
Mittel- bis langfristig lässt sich v.a. das Ziel der Neukundenakquisition erreichen (Kreuz & Förster, 2004, S. 20 f.). Selbst auf einem gesättigten Markt können Rinas (2007, S. 59) zufolge durch bewusste Anwendungen von kulturspezifischen Marketingmaßnahmen neue Konsumentengruppen erschlossen werden. Durch eine spezifische Ansprache differenzieren sich Unternehmen von ihren Wettbewerbern und erhoffen einen potentiellen Vorbild-Bonus zu erzielen (Kotler et al., 2007, S. 276), da im Zuge der Beachtung ethnischer Minderheiten eine tolerante Einstellung des Unternehmens gegenüber Menschen anderer Kulturen oder Religionen vermittelt wird. Eine Emotionalisierung von Marke und Unternehmen führt zu einer generellen Verbesserung des Images.
Dies alles sind positive Beiträge zum gesamtunternehmerischen Ziel der Gewinnmaximierung. Die dabei zu erfüllende Aufgabe liegt insb. darin, Konsumenten kulturspezifisch und mit einem angepassten muttersprachlichen Serviceangebot als neues Kundensegment zu umwerben (Valente & Yetgin, 2006, S. 103). Es sollte gleichwohl vorab geprüft werden, ob die bedarfs- und kulturgerechte Ansprache einer ethnischen Gruppe von dieser überhaupt erwünscht wird bzw. in Bezug auf ihre Größe wirtschaftlich sinnvoll ist. Diese Rahmenbedingungen gelten für die hier betrachteten Gruppen der russisch- und türkischstämmigen Menschen in Deutschland als erfüllt. Neben der zur genaueren Beachtung nötigen kritischen Masse bringen sie v.a. eine beachtliches Kaufkraftpotential mit sich (Peymani, 2007, S. 60).
Bezogen auf die von den Unternehmen verfolgten Interessen, betont Peren (2006, S. 12) ausdrücklich, dass diese vordergründig wirtschaftlicher Natur sind und nicht auf christlicher Nächstenliebe beruhen. Durch das „ Ködern der kaufkräftigen Minderheiten “ (Pfister, 2002, S. 1) findet nichtsdestotrotz auch ein gesellschaftpolitischer Beitrag statt, der im Laufe dieser Arbeit hervorgehoben werden soll.
2.1.2 Begriffsabgrenzung
Im Unterschied zum Internationalen Marketing stellt die nationale Ebene hinsichtlich ethnischer Gruppierungen i.S. von Kulturkreisen den Analyse-Rahmen des Ethno-Marketings dar (Lindner, 2004, S. 73). Eine häufig sinngemäße Gleichsetzung der Begriffe Ethno-Marketing und Interkulturelles Marketing ist festzustellen . Beide Forschungsrichtungen beziehen sich auf zielgruppenspezifisches Handeln und funktionieren im Prinzip ähnlich, jedoch muss man verdeutlichen, dass beim Interkulturellen Marketing homogene Auslandsmärkte als Cluster - Segmente innerhalb eines Ganzen - betrachtet werden (Müller & Gelbrich, 2004, S. 206 f.). Das Ethno-Marketing hingegen verkörpert nach Müller und Gelbrich (ebd., S. 219) eine Spielart des Interkulturellen Marketings. Hier werden jene kulturellen Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Konsumenten fokussiert, die auf den verschiedenen Käufermärkten im Inland bestehen (Pires & Stanton, 2002, S. 113).
In der Praxis bieten sich verschiedene Ansatzpunkte Ethno-Marketing zu betreiben: Es ist v.a. dann angebracht, wenn die zu bearbeitenden inländischen Käufermärkte kulturell heterogen sind, kultursensible und erklärungsbedürftige Leistungen erbracht werden sollen und sich demnach eine standardisierte Marktbearbeitung verbietet. Hauptsächlich wird Ethno-Marketing in bundesdeutschen Ballungsräumen wie dem Ruhrgebiet oder Großstädten, insb. Berlin, praktiziert. Laut Valente und Yetgin (2006, S. 104) sind die Bedingungen in diesen Bundesgebieten ideal, da aufgrund des hohen Personenaufkommens hier den kulturellen Eigenheiten ethnischer Minderheiten Rechnung getragen werden kann.
2.1.3 Geschichte des Ethno-Marketings
Der Grundgedanke des Ethno-Marketings stammt aus den Vereinigten Staaten. Die US-amerikanische Gesellschaft erreichte durch die Aufnahme ethnisch stark differenzierter Immigranten eine nie gekannte Multikulturalität. Infolge dieser Immigrationsschübe, der schwarzen Bürgerrechtsbewegung und des ethnic revival stieg das Interesse der Wirtschaft und ließ die Notwendigkeit nach dem sog. ethnic marketing entstehen. Es gründeten sich Medienanbieter, Verlage sowie Werbeagenturen die die Lebenswirklichkeit der Latinos, Schwarzen oder Asiaten abbilden konnten. Gleichzeitig war damit eine attraktive Plattform für Werbetreibende geschaffen worden (Bücker, 2007, S. 92).
Im sog. melting pot (zu Deutsch: Schmelztiegel) der USA kommt die Eingliederung von kulturellen und sprachlichen Aspekten in die Marketingpolitik einer Normalität gleich. Insbesondere die gezielte Ansprache, über die zahlreichen Kommunikationsmöglichkeiten gehört zu den Marketingstandards des größten Ethno-Marktes der Welt (Klähn, 2006, S. 26). Die USA, als traditionelles Einwanderungsland, haben im Jahr 2006, trotz der restriktiven Einwanderungsbestimmungen infolge der Terroranschläge vom 11. September 2001, mehr Immigranten aufgenommen als die restlichen Länder der Erde gemeinsam (Barzen, 2007, S. 63). Daher gehört heute beinahe ein Viertel der US-Amerikaner einer ethnischen Minderheit an (Förster & Kreuz 2003, S. 62). Diese multikulturelle Entwicklung wird sich weiter fortsetzten. Nach Schätzungen werden die Menschen mit Migrationshintergrund bis zum Jahr 2050 rund 60% der US-Bevölkerung ausmachen (Valente & Yetgin, 2006, S. 103 f.). Somit sind auch für die Zukunft die Voraussetzungen für interkulturelle Ansprachen jeglicher medialer Art gegeben und immer attraktivere Wirtschaftszweige werden entstehen.
Im Vergleich zu den USA stehen die Unternehmen hierzulande auf einer der untersten Entwicklungsstufen des Ethno-Marketings. Hauptgrund dafür, ist laut Tulay (2007, S. 78) die bislang noch extreme Abhängigkeit „[...] vom öffentlichen Diskurs über andere Ethnien, Minderheiten, multikulturelle Prozesse, Integration und Migration “ in Deutschland. Dennoch bieten die multikulturellen Bevölkerungsstrukturen hierzulande eine grundlegende Voraussetzung für effizientes und effektives Ethno-Marketing. Anstelle des multikulturellen Prinzips des melting pots muss das Konzept der salad bowl (zu Deutsch: Salatschüssel) treten. Beschreibt man die deutschen Gesellschaftsstrukturen in dieser Art und Weise, „ verschmelzen “ die Menschen nicht zu einer homogenen Einheitsgesellschaft, sondern bewahren trotz der lokalen Nähe ihre kulturell-farbenfrohe Individualität (Guion & Kent, 2005, S. 1). Dieser Unterschied sollte in den Entscheidungen der werbenden Unternehmen Beachtung finden.
Dank der Gastarbeiteranwerbung der sechziger Jahre und der damit verbundenen Zuwandererwelle sowie der Migrationsbewegungen zahlreicher Spätaussiedler der Neunziger ist ein langsamer, aber positiver Trend hinsichtlich der Beachtung ethnischer Gruppen zu verzeichnen (Bücker, 2007, S. 96; Ballhaus, 2006, o. S.). Laut Hermes (2006b, S. 14) liegt dieser auch darin begründet, dass die Kaufkraft der klassisch deutschen Zielgruppe schwindet. Die deutschen Konsumenten wurden zudem unzählige Male segmentiert und differenziert und nun muss woanders nach Potential für gute Geschäfte gesucht werden. Noch läuft Ethno-Marketing hierzulande, trotz einiger Avantgardisten, im Verborgenen. Der Studie „ Marketing-Trends “ ist zu entnehmen, dass unter den Befragten, Ethno-Marketing erst 34% bekannt sei und es lediglich 23% für wichtig bzw. sehr wichtig halten (vgl. Abb. 1 & 2 in Anhang 1). Den
Aussagen Perens (2006, S. 12) zufolge, steht ein Großteil der Unternehmen in Deutschland bereits in den Startlöchern, braucht jedoch erst noch die Bestätigung, dass es sinnvoll ist, auf ethnische Gruppen ausgerichtete Marketingmaßnahmen zu betreiben.
2.2 Das Marketing im Ethno-Marketing
2.2.1 Zur Verfügung stehende Marketinginstrumente
Der im Rahmen der Unternehmenspolitik gewählte Marketing-Mix beinhaltet jene Aktivitäten, die zur Zielerreichung, Verbesserung der Wettbewerbsposition und somit zur Nachfragesteigerung nach Produkten beitragen (Lindner, 2004, S. 31). Zur besseren Lesbarkeit wird fortan von Produkten die Rede sein, doch können die Aussagen auch auf Dienstleistungen bezogen werden. Eine Einteilung der Marketingmaßnahmen in die vier absatzpolitischen Instrumente Produkt-, Preis-, Distributions- und Kommunikationspolitik gilt als klassischer vier P -Ansatz (product, price, place und promotion) und ist in der Praxis üblich.
Zur Umsetzung der Ethno-Marketingziele müssen zunächst verschiedene Märkte durch eine kulturell geprägte Marktsegmentierung erfasst und beurteilt werden. Daraufhin wird versucht, durch eine Auswahl, Gewichtung und Ausgestaltung des Marketing-Mixes die Kundenbedürfnisse möglichst gut zu befriedigen (Valente & Yetgin, 2006, S. 19). Ein integrierter Auftritt aller Marketing-Instrumente ist von zentraler Bedeutung, um die besagten Ziele effizient zu realisieren. Rinas (2005, S. 119) vergleicht dieses Koordinieren der vier P’s mit einem Orchester, welches im Gleichklang schwingen muss, um Harmonie aufzubauen. Nur wer die unterschiedlichen Gewohnheiten, Vorlieben und Wünsche seiner Kunden kennt, weiß um ihre Bedürfnisse und ist in der Lage, richtig zu kommunizieren. Jedoch nicht nur der kulturelle Hintergrund, sondern auch Faktoren wie die Migrationsmotivation, die Sprachkompetenz, der Kontakt zum Herkunftsland oder der Aufenthaltsstatus spielen hier eine zu beachtende Rolle. Marktgerechte Produkte sowie passgenaue Kommunikationsstrategien müssen somit entwickelt werden, die auch langfristig Bestand haben (Allgayer, 2007, S. 9)
Die Aufgabe einer kulturspezifischen Anpassung besteht darin, eine Marketingstrategie zu entwickeln, welche zum einen durch weitreichende Adaptionen den relevanten kulturellen Unterschieden im Zielmarkt gerecht wird. Andererseits sollen aber auch die bestehenden Gemeinsamkeiten innerhalb der Gruppen, im Sinne eines „ größten gemeinsamen kulturellen Nenners “ genutzt werden, um mögliche Skaleneffekte erzielen zu können (Müller & Gelbrich, 2004, S. 488). In dem Maße wie dieses Prinzip systematisch verfolgt und jeweils der optimale strategische Fit zwischen Differenzierung und Standardisierung gesucht wird, folgen die Unternehmen der Devise „ so viel standardisieren wie möglich, so viel differenzieren wie nötig “ (Lindner, 2004, S. 79). Durch entsprechende Mischstrategien können trotz kultureller Differenzen, Synergien genutzt und die Unternehmens- und Markenidentitäten gesteigert werden.
Aufgrund des eingeschränkten Rahmens dieser Arbeit wird auf die produkt-, distributions- und preispolitischen Besonderheiten im Falle des Ethno-Marketings nicht eingegangen. Eine genauere Betrachtung der Kommunikationspolitik macht deutlich, dass Unternehmen mit größerer Wahrscheinlichkeit eher ihre Produktpolitik, als ihre Marktkommunikation in Form von Werbestrategien standardisieren. Gerade durch sie ist es möglich, Aufmerksamkeit zu erwecken. Die zielgerichtete Anpassung der kommunikativen Instrumente an die jeweiligen kulturellen Hintergründe der Konsumenten führt zur Problemlösung und Überbrückung von kulturbedingten Hindernissen. Durch die Kommunikation wird deutlich, wie Verbraucher über einen Produktnutzen oder eine bestimmte Dienstleistung informiert werden. Im Folgenden wird die Erstellung der Konzepte in Betracht gezogen, die auf die Gewohnheiten und Bedürfnisse der entsprechenden Menschen eingehen. Es soll aufgezeigt werden, wie kulturspezifische Elemente die Kaufentscheidungen beeinflussen. Auch in der Praxis findet bislang der Entwurf angepasster Kommunikationskonzepte die meiste Beachtung (Wiedmann & Klee, 2003, S. 237). Die Bedeutung eines abgestimmten Verkaufskonzepts bleibt zu betonen. Neben der betrachteten kommunikativen Umsetzung des Ethno-Marketings besteht nach Valente und Yetgin (2006, S. 17) durchaus eine Notwendigkeit, Überlegungen anzustellen, inwieweit der gesamte Marketing-Mix anzupassen ist.
2.2.2 Kommunikationspolitik als Teil des Marketing-Mixes
Unternehmen stehen heutzutage immer seltener in einem Produktwettbewerb und immer häufiger in einem Kommunikationswettbewerb. Gesellschaftliche, politische, technologische und wirtschaftliche Veränderungen erschweren die Rahmenbedingungen für die Marketingkommunikation. Im Vergleich zur massenmedialen Ansprache gelten eine zielgerichtete Kommunikation und ein angepasster Kommunikations-Mix eher als Erfolgsfaktoren.
Unternehmen kommunizieren mit ihrer Umwelt um ihren Bekanntheitsgrad bzw. den ihrer Produkte zu steigern. Ziel ist es, einen sog. goodwill bei den Adressaten zu generieren - ein positives Image, durch das zum Kauf animiert werden soll. Dieses Marketingziel lässt sich nur dann erreichen, wenn der Konsument die gelieferte Werbebotschaft auch wahrnimmt (Müller & Gelbrich, 2004, S. 622). In welchem Maße Werbebotschaften aus der Flut derzeitiger Kommunikationsangebote Beachtung finden, hängt u.a. vom Interesse am Thema sowie dem sog. Involvement (Grad der Ich-Beteiligung) ab. Diese Wahrnehmung dient als Grundvoraussetzung zur Informationsaufnahme mit anschließender Verarbeitung und eventueller Speicherung bei Akzeptanz (Valente & Yetgin, 2006, S. 26). Das Verständnis der Mitteilung in seiner Wirkung setzt voraus, dass die Gesetze der Informationsverarbeitung für die angesprochenen Zielgruppen allgemein gelten (Felser, 2007, S. 285).
Zu den Bestandteilen der Kommunikationspolitik gehören nach Lindner (2004, S. 38) neben klassischer Werbung, Sales Promotion und Public Relations auch das Sponsoring, der persönliche Verkauf und die Internet-Kommunikation (vgl. Abb. 3). Im Folgenden liegt der Schwerpunkt zwar auf der werblichen Betrachtungsweise, jedoch sollte Ethno-Marketing nicht auf die Werbung reduziert werden, sondern eine passende Strategie bzgl. des gesamten Kommunikations-Mixes umfassen.
Werbung ist im Marketing eine von mehreren Funktionen der Marktkommunikation. Sie befasst sich, unter Einsatz spezieller Kommunikationsmittel wie bspw. dem Fernsehen, mit dem Transport von Werbebotschaften an eine Zielgruppe. Durch diese Art der Informationsverbreitung soll vordergründig Vertrauen geschaffen werden, um mögliche Unsicherheiten auf Seiten der Nachfrager zu verringern (Müller & Gelbrich, 2004, S. 659). Die Werbung will als Instrument der Manipulation dabei auch verführen, unbemerkt Bedürfnisse wecken und den Konsumenten „ vorgaukeln“, ein gewisses Produkt verschaffe z.B. Freiheit, Sicherheit oder Anerkennung. Ziel ist es also die Konsumenten von der Vorteilhaftigkeit eines Produktes zu überzeugen, und dadurch eine Steigerung der Kaufintensität bzw. Konsumfrequenz zu bewirken. Der Markt wird zunächst in Zielsegmente geteilt, um sie wie Ögüt (2002, S. 15) beschreibt, in kleine Portionen zu sortieren. In dieser Arbeit wäre die Segmentierung nach den russisch- und türkischstämmigen Menschen gemeint. Jede potentielle Gruppe möchte umworben und auf ihre ganz spezielle Weise angesprochen werden, sonst wendet sie sich eventuell ab. Die Akzeptanz von Werbung, also die Einstellung ihr gegenüber, kann interkulturell variieren. Die Ethno-Marketing-Betreiber müssen den Kommunikationsgewohnheiten der einzelnen Zielsegmente ausdrücklich entgegenkommen.
Werbende Unternehmen können laut Leppälä (1999, S. 127) ihre Adressaten einerseits über kognitive Mittel erreichen. Hierbei stellen informative Botschaften wesentliche Eigenschaften des Produktes heraus und erhöhen das Wissen über Hersteller oder Marke. Andererseits stehen die auf die Psyche der Empfänger wirkenden emotionalen Appelle zur Verfügung. Sie dienen der Imagebildung, Einstellungsformierung und Motivationsschaffung. Unabhängig von der Art der Ansprache, empfiehlt Allgayer (2007, S. 142) eine authentische Vorgehensweise, bei der die werbenden Unternehmen ohne Anbiederung, auf die konkreten Bedürfnisse ihrer potentiellen Konsumenten eingehen. Es bedarf dabei einer Anpassung der Marketingkommunikation auf die vorherrschenden Wertorientierungen der einzelnen ethnischen Gruppen. Hierzu müssen für die ethnischen Gruppen differenzierte Marketingstrategien gewählt werden. Zwar können vereinzelte Aspekte des Kommunikations-Mixes standardisiert werden, d.h. durch bereits vorhandenes Know-how zu kostengünstigerem und schnelleren Handeln beitragen, dennoch ist eine kulturspezifische Anpassung der Bewerbung – werbliche Ansprache – unausweichlich um gezielt die Kernwerte der Mitglieder gesellschaftlicher Subkulturen anzusprechen. Die Aufgabe des Ethno-Marketings liegt darin, diese verschiedenen Kernwerte richtig zu deuten und herauszustellen. Von wörtlichen Übersetzungen oder dem einfachen Synchronisieren der Werbespots muss abgeraten werden, denn die Menschen müssen in ihrer eigenen Emotionalität erreicht werden. Bücker (2006, S. 99) zufolge, muss man die Kunden also dort abholen, wo ihre Bedürfnisse liegen. Neben den teils ungenauen Textübersetzungen, anstelle von erfolgversprechenderen sprachlichen Adaptionen, muss beachtet werden, dass gewisse kulturelle Sprachgewohnheiten oder Redewendungen ohnehin nicht einfach in eine fremde Sprache transferiert werden können. Mitglieder verschiedener Kulturen halten unterschiedliche Kommunikationsstile für wünschenswert, was wiederum die formale und inhaltliche Gestaltung der Werbebotschaft beeinflusst. Es existieren bspw. Wörter mit doppeldeutiger Bedeutung, welche die Sprachkompetenz der Empfänger evtl. überfordern, da sie einerseits andere Werte zu Grunde legen und andererseits auf unterschiedliches Wissen zurückgreifen. Die Ambiguität gewisser Begriffe kann sogar etwas Widersprüchliches aus der eigenen kulturellen Sicht beinhalten. Häufig wird die „ teutonische Direktheit“ (Gesteland, 1996, S. 211), ausgedrückt durch die plumpe und kalte deutsche Sprachlogik, als Grund für Verständigungsschwierigkeiten bzw. die Verletzung ethnischer Sprachsensibilitäten genannt (Pfister, 2002, S. 3; Müller & Gelbrich, 2004, S. 218). Deutsche Texte sind für das türkische Sprachgefühl zu wenig bildhaft und somit zu wenig vertrauensbildend, wissen Kraus-Weysser und Uğurdemir-Brincks (2002, S. 40). Der türkische Kommunikationsstil ist eher diffus, weniger zielgerichtet, sondern kontextorientiert. So fügt Rinas (2007, S. 58) hinzu, dass die türkischstämmigen Werbeempfänger eher blumige und warme Bildmotive und dichterische Sätze in der Werbung bevorzugen. Abschließend nennt Lindner (2004, S. 66) den möglichen fehlenden kulturellen Fit als weiteren Grund für ein Scheitern der werblichen Kommunikation. Die unterschiedlichen Auffassungen beruhen auf differenziert ethnischen und moralischen Normvorstellungen. Werbung muss also diese verschiedenen Normen und Wertevorstellungen im Hinblick auf Tabus, Humor und Anstand verstehen und bewusst vermeiden oder ansprechen (Rinas, 2005, S. 107). Neben den aufgeführten sprachlichen Besonderheiten sind aus inhaltlicher Sicht Floskeln oder Klischees zu vermeiden. Wichtig ist hierbei die Missachtung kultureller Tabus zu verhindern. Symbole, die bei den Gruppenmitgliedern unter Umständen bestimmte Befindlichkeiten verletzen, sollten nicht verwendet werden. Kröger (2002, o. S.) nennt bspw. die übertriebene Darstellung von Matrojschkas bei den Russischstämmigen als Faktor für eine potentielle Zielgruppenverfehlung. Bei den Türkischstämmigen wäre es die stereotype Abbildung von schnauzbärtigen Männern mit weitgeöffnetem Hemd, Goldkette und Aldi-Tüte (Pfister, 2002, S. 4). Verstöße gegen die konservativen Ansichten bzgl. Nacktheit oder Erotik, können dazu führen, dass Kampagnen grundsätzlich abgelehnt werden. Die Gefahr einer misslungenen Ansprache wird meist durch unzureichende Zielgruppenkenntnisse und wenig qualitative Marktdaten verstärkt.
Werden die Empfänger, unabhängig von ihren Deutschkenntnissen, in ihrer Muttersprache angesprochen, erfährt dies eine hohe Wertschätzung. Demzufolge ist der entscheidende Erfolgsfaktor bei der Bewerbung von Menschen mit anderssprachigem Hintergrund nicht die Kreation an sich, sondern dass sie überhaupt hinsichtlich ihrer kulturellen Besonderheiten angesprochen werden (Batato, 2005, S. 92). Ein Gefühl von Akzeptanz, Verständnis und Vertrauen wird erzeugt. Echte Bemühungen werden mit Sympathie und Markentreue belohnt, dennoch ist weiterhin Vorsicht bei der Ansprache geboten. Die Vernunft der Konsumenten darf nicht unterschätzt werden, so erkennen die Umworbenen, ob die Werbung nur für den kurzfristigen Absatz angepasst wurde oder ob bewusst ihre emotionalen Werte angesprochen werden (o. V., 2007, S. 23). Sie sollten daher nicht unter gesellschaftpolitischen Aspekten, sondern immer als ein Jedermann, also als potentieller Kunde angesehen werden.
Kraus-Weysser und Uğurdemir-Brincks (2002, S. 19) betonen, dass konsequent umgesetzte und differenzierende ethnische Werbung nur dann überzeugt, wenn sie den „[...] unterschiedlichen Interpretationen in einem Umfeld werblicher und informatorischer Kommunikationsüberflutung keinen Raum “ lässt. Folgendes Merkmal unserer heutigen Gesellschaft wird hieraus ersichtlich: Nicht der Mangel, sondern der allgemeine Überfluss scheint das Problem zu sein. „ Von allem scheint es zu viel zu geben “ (Karmasin & Karmasin, 1997, S. 86). Um nicht in der Masse unterzugehen, sind Konzepte mit Potential stets in Betracht zu ziehen.
Wesentliche Voraussetzung für kulturspezifisch erfolgreiche Werbung, ist die Existenz einer gut ausgeprägten Medieninfrastruktur, die sich sowohl sprachlich als auch inhaltlich an die ethnische Minderheit richtet (Çinar, 2002, S. 27). Wie die Kapitel 4 und 5 zeigen werden, sind bei den hier betrachteten Gruppen, weit verzweigte lokale Mediensysteme aus Fernsehsendern, Radiostationen und einer vielfältigen Printlandschaft vorhanden.
2.3 Folgerungen
Die aus dem Ethno-Marketing hervorgehenden und nach Affinität sowie Wirkung bei der Zielgruppe selektierten, zum Marketing-Mix gebündelten Instrumente müssen strategisch und mediatechnisch bestmöglich den Nutzen der Unternehmenspositionierung umsetzen. Passen demnach Kommunikation, Distribution und Produktdesign stimmig zur Kultur und Lebensgefühl ethnischer Gruppen, so sind gute Markterfolge und Wettbewerbsvorteile möglich.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich nicht alle Produkte dazu eignen, um in mehreren Sprachen beworben zu werden (Pires & Stanton, 2002, S. 114). Dieses Wissen stellt die Grundlage dar, von der aus im nächsten Kapitel eine Schnittstelle zwischen der Kultur und dem Marketing festzustellen ist.
3 Kultur als Determinante des Marketings
3.1 Schnittstelle zwischen Kultur und Marketing
Dem sozialen Phänomen Kultur haften verschiedene Definitionen an. Alles ist oder hat Kultur. Unklar bleibt, was für allgemein gültig und als greifbar angesehen werden kann. Eine Umschreibung bezogen auf die Thematik soll den bisweilen inflationär benutzten Begriff Kultur eingrenzen. Mit dieser Annäherung kann jedoch der Komplexität des Begriffs nicht Rechnung getragen werden.
Im Rahmen dieser Arbeit ist der Begriff eher kulturpsychologisch zu verstehen, da die Gesetzmäßigkeiten im Verhalten der Marktteilnehmer betrachtet werden müssen (Keller, 1999, S. 106; Felser, 2007, S. 273). Kultur wird als schwer mess- und kontrollierbare Übereinstimmung der Verhaltensmuster vieler Individuen bezeichnet. Diese Übereinstimmung ermöglicht es, soziale Einheiten wie ethnische Gruppen kulturspezifisch voneinander abzugrenzen. Bei einer ethnischen Gruppierung handelt es sich um eine, von der Mehrheitsgesellschaft kulturell differenzierte Gemeinschaft, die sich durch die Identifikationsmerkmale der gemeinsamen Herkunft, einer einheitlichen Sprache oder dem Zusammenhalt in einer bestimmten Situation auszeichnet (Jamal, 2003, S. 1603). Je nach Stärke des Zugehörigkeitsgefühls zu der ethnischen Gruppe, kann die Identifikation, also die sog. ethnische Identität variieren. Eine Definition von Kultur kann, aus Sicht der interkulturellen Marketingkommunikation, wie folgt lauten:
K ultur besteht aus expliziten und impliziten Denk- und Verhaltensmustern, die durch Symbole, Helden und Traditionen und Praktiken erworben und durch kollektive Werthaltungen und Überzeugungen von Generation zu Generation weitergegeben werden.
Die Kultur unterliegt einem dynamischen sowie sozialen Wandel, der durch fortwährende Änderungen in der menschlichen Umwelt bedingt ist. Die Umwelt und insb. das persönliche Umfeld des Menschen wirkt sich folglich bestimmend auf sein Verhalten aus (Panjawin, 2007, S. 13). Der gemeinsame kulturelle Background dient den Menschen innerhalb der Subkulturen als Orientierungs- und Identifikationssystem, indem eine gemeinsame soziale Realität konstruiert wird (Müller & Gelbrich, 2004, S. 61).
Deutschland ist durch die breite Medienlandschaft, durch die multikulturelle Gesellschaftsstruktur und die immer einfacher zu erreichenden Teile der Nation zu einem Dorf geworden. Mitglieder der vorherrschenden Kultur stehen mit subkulturell geprägten Menschen alltäglich in Kontakt. Obwohl sich ihre Wertvorstellungen als auch ihre Denkweisen vermischen, dennoch bleiben zentrale Unterschiede bestehen. Die Marketingmaßnahmen müssen auch an die Veränderungen innerhalb der Gesellschaftssegmente angepasst werden.
Im Kontext des Ethno-Marketings helfen kulturspezifische Werte, grundlegende kollektive Überzeugungen (ebd., S. 303) zu erklären, weshalb sich Mitglieder verschiedener Subkulturen in unterschiedlicher Weise verhalten. Die Unternehmen müssen sich besinnen, dass die Marketingkommunikation keine wertfreie Wissenschaft ist (Kraus-Weysser & Uğurdemir-Brincks, 2002, S. 27). Der kulturelle Background ist immer dann ein bedeutsamer marketingpolitischer Entscheidungsparameter, wenn es gilt, kultursensible Produkte in einem kulturell heterogenen Umfeld zu vermarkten. Banken und Kreditinstitute sind hier beispielhaft zu nennen, bei denen erklärungsbedürftige Produkte selbst für deutsche Muttersprachler schwer verständlich sein können.
Schichtenmodelle, z.B. in Form der Kulturzwiebel von Hofstede (2001, S. 9), versuchen die unterschiedlichen Facetten von Kultur zu strukturieren, um kulturelle Unterschiede beschreiben zu können. Die Praktiken in Form von Symbolen, Helden und Ritualen verkörpern die leicht zu erschließende Außenschicht, während der nicht-sichtbare Kern einer Kultur aus Normen, Werten und Grundannahmen besteht. Eine leicht modifizierte Darstellung der Kulturzwiebel liefern Müller und Gelbrich (2004, S. 67; vgl. Abb. 4). Ihnen zufolge lassen sich nur die drei äußeren Schichten unmittelbar beobachten. Nimmt man einige Tränen beim vorsichtigen Lösen der Schichten in Kauf, so besteht die Möglichkeit, den Kern einer Kultur freizulegen. Über die dann konkret zu erkennenden Werte lassen sich Kulturen identifizieren und somit auch voneinander abgrenzen (Karmasin & Karmasin, 1997, S. 49).
Auf das Ethno-Marketing übertragen, lässt sich Folgendes festhalten: nur diejenigen Unternehmen, die aufgrund von Investitionen in das Ethno-Marketing eine umfassende Kenntnis bzgl. der Werte und Normen ihrer ethnischen Zielgruppe aufweisen, sind auch in der Lage ihre Produkte so zu kommunizieren, dass sie auf Akzeptanz und nicht auf Ablehnung stoßen.
3.1.1 Die multikulturelle Gesellschaft Deutschlands
Kein Land in Europa ist so bevölkerungsreich wie Deutschland. Gleichwohl ist bekannt, dass hierzulande immer weniger Menschen leben. Nach Schätzung des Statistischen Bundesamtes wird die Bevölkerungszahl bis zum Jahr 2050 auf 68,7 Mio. Bürger zurückgehen. Offensichtlichster Grund für die „ sterbende deutsche Mehrheitsgesellschaft “ (Bücker, 2006, S. 96) ist die seit Jahren geringe Geburtenquote der deutschen Gesamtbevölkerung. Ohne eine fortwährende Zuwanderung oder die hohe Geburtenrate – etwa 30% höhere durchschnittliche Kinderzahl von Müttern mit ausländischer Staatsangehörigkeit (Hermes, 2006a, S. 11) - wäre demnach der Alterungsprozess in der Gesellschaft noch fortgeschrittener, als er es heute bereits ist. Dies hat wiederum weitreichende, negative Folgen für das deutsche soziale Sicherungssystem. Dröge (2007, S. 95) zufolge, werden schon in etwa fünf Jahren 40% der unter 40-Jährigen einen Migrationshintergrund haben.
Trotz der intensiven, öffentlichen Debatte über die soziale Lage Deutschlands sowie der Integrationsstufe der Menschen mit Migrationshintergrund in das gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Leben existiert noch zu wenig Wissen über die ethnischen Gruppen. Wie die Zahlen des jüngsten korrigierten „ Mikrozensus“ des Statistischen Bundesamts (2006, S. 73 f.) aufzeigen, leben gegenwärtig 15,3 Mio. Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland. Über die Staatsangehörigkeit hinaus wurden bei dieser sog. „ kleinen Volkszählung“ repräsentative Daten zu Geburtsort und zur Einbürgerung erfragt (Peter & Borstel von, 2006, o. S.). Ausgehend von einer Gesamtbevölkerung von 82,3 Mio. Menschen liegt der Anteil der Bürger mit Migrationshintergrund bei ca. 19% (vgl. Abb. 5). Das entspricht, im Vergleich zu den bis dahin vorherrschenden Zahlen über den ausländischen Bevölkerungsteil, einer offiziellen Verdoppelung des Gesamtpotentials von Mitbürgern mit Migrationshintergrund. Demnach leben 7,3 Mio. Ausländer und 8 Mio. eingebürgerte Ausländer, eingebürgerte Kinder von Ausländern oder Spätaussiedler und Kinder von Spätaussiedlern im Bundesgebiet (Statistisches Bundesamt, 2006, S. 73). Zusätzlich halten sich nach Schätzungen etwa 1,5 bis 2 Mio. ausländische Staatsbürger illegal in der BRD auf, was den Anteil auf über ein Fünftel der Bevölkerung steigen lässt (Valente & Yetgin, 2006, S. 51). Mehr als die Hälfte der registrierten Mitbürger gehört einer der beiden großen „Ethno-Gruppen“ der Russisch- bzw. Türkischstämmigen an (Bücker, 2007, S. 94). Die aufgeführten Daten verdeutlichen, warum es bei verschärfendem Wettbewerbsdruck, für viele Unternehmen trotz Schwierigkeiten und Barrieren wirtschaftlich sinnvoll erscheint, die Möglichkeiten des Ethno-Marketings auszuschöpfen.
Die Tendenz zu einer multikulturellen Gesellschaft Deutschlands entstand durch die Gastarbeiteranwerbung der sechziger Jahre, und folglich aus ökonomischem Zweckdenken. Trotz vieler Ansätze, die der Integration der Einwanderer in die deutsche Gesellschaft dienen sollen, ist man auf dem Weg in eine multikulturelle Gesellschaft ins Stolpern geraten. Analysiert man die heutige Lage, ist ein Wandel in der deutschen Bevölkerung feststellbar. Akkaya, Özbeck und Şen (1998, S. 312) konstatieren eine eher bikulturelle Gesellschaft, in der sich Türkisch- sowie Russischstämmige mit einer eigenständigen sozialen und politischen Infrastruktur eingerichtet haben. Müller und Gelbrich (2004, S. 213) bestätigen die zunehmende kulturelle Pluralität der Wohnbevölkerung Deutschlands. Menschen mit Migrationshintergrund werden demnach von zwei Seiten aus beeinflusst: Durch das deutsche Umfeld der Schule oder Arbeit einerseits und andererseits durch die kulturellen Prägungen der Freunde, Familienmitglieder oder Bekannten. Es sind zunehmend heterogenere Lebensstile beobachtbar, was auf eine Entwicklungstendenz schließen lässt, die durch subkulturelle Einflüsse beherrscht werden. Die Erkenntnis einer Beständigkeit kultureller Unterschiede in Einstellungen und Werthaltungen der Menschen muss sich verstärken. Eine von Seiten der werbenden Wirtschaft gewünschte Homogenität der Konsumenten wird sich nie ergeben.
Deutschland ist weder national-einheitlich noch kulturell heterogen, aber ein Land mit zahlreichen Subkulturen. Kulturen sind umso heterogener, je mehr Subkulturen, also ethnische Gruppierungen innerhalb der Gesellschaft, sie beinhalten (ebd., S. 54). Die 15,3 Mio. Menschen verstärken den oben aufgeführten Trend in Richtung Multikulturalität, indem sie sich in sog. Nationalitätengruppen zusammenfinden (Kotler et al., 2007, S. 277). Es bestehen zwar enge Bindungen an die dominante Gesellschaft, dennoch grenzen sie sich durch ihre eigenen Wertvorstellungen und Haltungen, ihren eigenen Glauben und ihr eigenes Konsumverhalten erkennbar von der vorherrschenden Kultur ab. Keller (1999, S. 108) führt dieses bewusste Bedürfnis nach Abgrenzung auf ein ablehnendes Reaktanzverhalten zurück. Es erscheint aus psychologischer Sicht plausibel, dass Randgruppen und Subkulturen einen umso stärkeren Wunsch nach Eigenständigkeit hegen, je näher sie den jeweils anderen sind (Felser, 2007, S. 280). Dies würde auch die zu erkennenden ethnischen Gruppenbildungen erklären, die nach Allgayer (2007, S. 133) einem „ kulturellen Cocooning “ gleichkommen. In deutschen Großstädten existieren Stadtteile mit bspw. ausschließlich türkischen Wohnvierteln. Berlin ist gemessen an seiner Einwohnerzahl nach Istanbul die zweitgrößte türkische Stadt (Förster & Kreuz, 2003, S. 64). Diese Konzentration ethnischer Minderheiten erleichtert es für das Ethno-Marketing, Zielgruppen mit differenzierten, aber nicht standardisierten Aktionen zu erreichen. Besonders die subkulturellen Unterschiede sind für die Entstehung von Bedürfnissen und Wünschen von großer Bedeutung. Die Zugehörigkeit zu einer Gruppe kann Auskünfte über das Konsumverhalten oder Lebensmittelpräferenzen geben. Die Mitglieder gesellschaftlicher Subkulturen bilden demnach einen wesentlichen Bestandteil des Interesses der Wirtschaft eines Landes.
3.1.2 Entwicklung der ethnischen Gruppen in Deutschland
In Deutschland bestimmt nicht die Politik das Klima, sondern liefert nur die Stichworte. Den Ton gibt die Wirtschaft an, denn im Vergleich zur Politik scheint sie die Bedürfnisse und Wünsche der Bürger besser zu kennen. Warum wird jedoch aus wirtschaftlicher Sicht, den kulturellen Besonderheiten nur begrenzt oder ungern Beachtung geschenkt?
Ein Schlüssel zum Zielgruppenverständnis ist die bewusste Auseinandersetzung mit den Prozessen der Entstehung kultureller Identitäten. Politik und Wirtschaft müssen sich mit der Entwicklung der ethnischen Identität und der Beeinflussung durch das soziale Umfeld beschäftigen. Ein Überblick wird im Folgenden geliefert.
Soziale Interaktionen in Form von Lösungen alltäglicher Lebensprobleme und Kommunikationsverläufe prägen den Prozess der Vergesellschaftung und sichern den Fortbestand der kulturellen Besonderheiten. Der Großteil der hierzulande lebenden türkisch- und russischstämmigen Menschen ist durch die erwähnten mischkulturellen Verhältnisse geprägt. Ihre ethnische Identität wird sowohl durch den alltäglichen Austausch innerhalb der deutschen Gesellschaft beeinflusst als auch durch Werte und Traditionen, die sie in ihrem primären sozialen Umfeld, dem Elternhaus, kennen gelernt haben (Valente & Yetgin, 2006, S. 16). Jedes Individuum übernimmt, während des Sozialisierungsprozesses, von seinem sozialen Umfeld grundlegende Vorstellungen, Glaubensrichtlinien, Präferenzen, fundamentale Werte und Normen (Kotler et al., 2007, S. 277). Kulturell akzeptable Maßstäbe des sozialen Handelns werden sukzessiv verinnerlicht und das soziale Rollenverhalten erlernt (Valente & Yetgin, 2006, S. 33). Dieser unbewusst ablaufende Lernprozess beinhaltet die Übernahme kultureller Muster. Die erlernte Fähigkeit, Harmonie in der Gruppe zu wahren, wird in der weiteren Entwicklung generalisiert, d.h. auf andere Bereiche des sekundären sozialen Umfeldes, so z.B. das Arbeitsleben, die Schule oder den Sportverein transferiert. Eine daraus entstehende Entwicklung der kulturellen Persönlichkeit bezeichnet man als Enkulturation. Sowohl russisch- als auch türkischstämmige Menschen haben in ihrer unterschiedlichen kulturellen und sprachlichen Prägung eine wichtige qualitative Gemeinsamkeit, auf die man sich mit den Methoden des Ethno-Marketings erfolgreich einstellen kann: den Migrationshintergrund (Schmidt-Fink, o. J., o. S.).
Zusammenfassend gilt, dass während biologische Eigenschaften wie Geschlecht, Haut- oder Haarfarbe genetisch vererbt werden, die Kultur, wie beschrieben, im Zuge der Sozialisation erlernbar ist (Hofstede, 2001, S. 4 ff.).
In Abgrenzung zur Enkulturation meint die Akkulturation das Hineinwachsen in eine neue soziale Umgebung und die Anpassung an eine fremde Kultur (Müller & Gelbrich, 2004, S. 797). Der Mensch muss bspw. infolge von Zuwanderung langsam erlernen, unter den neuen Bedingungen zu leben (Jamal, 2003, S. 1611). Dieser kulturelle Assimilationsprozess wird umso schwieriger, desto weiter die Enkulturation und der Migrationszeitpunkt auseinander liegen (Valente & Yetgin, 2006, S. 34). Es gibt zahlreiche Beispiele für dieses Problem: So sprechen ältere, in Berlin lebende Türken oft nach Jahrzehnten kaum Deutsch und grenzen sich bewusst von ihren deutschen Mitmenschen ab (Lindner, 2004, S. 29). Anstelle einer grundlegenden Anpassung der türkischstämmigen Minderheit an die gesellschaftliche Mehrheit, erfolgte die Entwicklung einer eigenständigen Infrastruktur. Parallel zur deutschen Gesellschaft wird mit Kultur- und Sportvereinen, Lebensmittelgeschäften, Cafés sowie Restaurants, Ärzten und Rechtsanwälten ein eigenes Netzwerk, zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse aufgebaut. Dies unterstreicht die kulturelle Identifikation mit ihrer ethnischen Gruppe.
Ethnozentrismus gilt als der Grund, warum Menschen die eigene Kultur als Maß aller Dinge ansehen und andere Kulturen durch ein kollektives Wir-Gefühl abwerten. Müller und Gelbrich (2004, S. 797) bezeichnen die ethnozentrische Sichtweise auch als „ Egoismus auf kollektiver Ebene “, wobei das Fremdbild vom Eigenbild hergeleitet wird. Das Verhalten von Mitgliedern anderer Kulturkreise wird z.B. als seltsam oder merkwürdig abgetan. Dies erfolgt hauptsächlich aufgrund einer Nichtübereinstimmung mit dem vorherrschenden bzw. vorhandenen kulturell Erlerntem. Für das Ethno-Marketing ist das Phänomen des ethnozentrisch handelnden Menschen bzgl. seines Konsumentenverhaltens von Wichtigkeit. Produkte die kulturfremd beworben werden, erfahren eher Ablehnung, als diejenigen, die dem kulturellen Background entsprechen und heimatlich wirken. Zudem sollte aus Sicht der Werbetreibenden versucht werden, die persönliche kulturelle Konditionierung und die damit einhergehenden Gebräuche und Normen nicht als Standard jeglicher Beurteilungen heranzuziehen.
Für das Ethno-Marketing folgert die Erkenntnis, dass jeder Mensch von seinem sozialen und kulturellen Umfeld stark beherrscht wird und die damit verbundenen Überzeugungen und Werte größtenteils unbewusst im täglichen Leben auslebt. Betroffen hiervon sind nach Müller und Gelbrich (2004, S. 63) v.a. soziale Bedürfnisse, wie der Wunsch nach Anerkennung oder Selbstverwirklichung. Eine pro-aktiv ausgerichtete Kommunikation kann aus der Befriedigung dieser Anliegen, Vorteile erwirtschaften.
3.2 Interkulturelle Kommunikation
Die Kommunikation ist Bestandteil aller Bereiche des persönlichen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Lebens. Treten Menschen verschiedenster Kulturen miteinander in Kontakt laufen Prozesse interkultureller Kommunikation ab. Die hieraus entstehenden Schwierigkeiten des kulturellen Verstehens, der eigenen kulturellen Konditionierung sowie den mangelnden Kenntnissen hinsichtlich fremder Denk- und Verhaltensweisen beeinflussen den Erfolg (Valente & Yetgin, 2006, S. 29). Eine erfolgreiche interkulturelle Kommunikation findet unter der Herausforderung statt, dass die jeweiligen Kommunikationspartner ein grundlegendes Verständnis für das Fremde entwickeln. Die Besonderheit liegt in der notwendigen, wechselseitigen Auseinandersetzung mit der jeweils anderen Kultur und Sprache, dem Humor, den Tabus sowie den Wertorientierungen (Lindner, 2004, S. 54). Durch kulturelle Erfahrungswelten wird ein Bewusstsein für das Fremde des Kommunikationspartners sowie den fremden Kontext geschaffen, um sich einer notwendigen Auseinandersetzung mit der anderen Kultur erfolgreich zu stellen (Müller & Gelbrich, 2004, S. 368).
In dieser Arbeit wird auf die interkulturell-ausgerichtete, kommunikative Umsetzung von Ethno-Marketing, die innerhalb Deutschlands zwischen Mitgliedern unterschiedlicher ethnischer Gruppen stattfindet, eingegangen. Betrachtet man das Ethno-Marketing als Austauschprozess, so ist dessen zentrales Element die Kommunikation. Aus Sicht der werbenden Unternehmen wird das kommunikative Ziel verfolgt, eine Basis der Verständigung zu schaffen. Die Interessen zum Zweck der Steuerung von Meinungen, Einstellungen, Erwartungen und Verhaltensweisen werden durch die gezielte Übermittlung kulturspezifisch angepasster Botschaften gewahrt. Die Massenmedien dienen als Botschaftsträger der Kommunikation, um den Voraussetzungen der Erreichbarkeit spezieller Zielgruppen nachzukommen. Besonders in komplexen Umgebungen dienen massenmediale Botschaften als unverzichtbare Orientierungshilfen. Zu den eigenen Erfahrungen und Beobachtungen der Wirklichkeit werden ergänzend die durch Fernsehbeiträge, Tagespresse oder Nachrichtenmagazine erzeugten Bilder und Informationen angenommen (Valente & Yetgin, 2006, S. 28 f.). Neben der Botschaft sowie dessen Träger sind die entsprechenden Sender und Empfänger Voraussetzung für Kommunikation (Lindner, 2004, S. 54). Der Ablauf der Kommunikation geht aus dem sog. Sender-Empfänger-Modell, in Form der Übertragung einer Botschaft vom Sender zum Empfänger, hervor (vgl. Abb. 6). Der Kommunikator kodiert zunächst die Botschaft hinsichtlich seines Ziels. Unter diesem Code werden die gemeinsam verstandenen Symbole zusammengefasst. Je genauer die Botschaft definiert ist, desto effizienter kann sie auch übermittelt werden (ebd., S. 116). Der Sender vermittelt sie über einen geeigneten Träger, z.B. in Form eines Werbespots, als Signal an die Zielgruppe. Der Empfänger dekodiert die Botschaft, verarbeitet den Inhalt gemäß seinem kulturellen Hintergrund und reagiert entsprechend darauf. Es kann hierbei durch Störungen oder Unverständnis zu Verfälschungen kommen. Unterschiedliche Interpretationen des Kommunizierten können durch das „ Wechselspiel von codieren und decodieren “ hervorgerufen werden (Müller & Gelbrich, 2004, S. 367). Die Voraussetzung für eine erfolgreiche Kommunikation, stellt folglich die Verwendung einer gleichen Kodierung durch Sender und Empfänger dar (Allison, 1999, S. 103). Dafür erforderlich ist eine relative Schnittmenge an Codes. Durch das darin enthaltene gemeinsame Wissen begründet sich eine „Ökonomie der Verständigung“ (Müller & Gelbrich, 2004, S. 368). Die türkischstämmigen Mitbürger fassen bspw. bestimmte Begriffe anders auf als ihre Mitmenschen in der Türkei oder verwenden für denselben Sachverhalt differenzierte Begriffe. Bei der Planung von werblichen Ansprachen sollte darauf geachtete werden, ob die Zielgruppe überhaupt in der Lage ist, die Mitteilung richtig zu interpretieren und zu verarbeiten. Die Gestaltung der Botschaft kann in Form von Bildern und Sprache bzw. Ton geschehen. Hierbei ist deutlich zu beachten, dass jede Gruppe ihr eigenes, interkulturell variierendes System in Form von Symbolen, Zeichen oder Farben entwickelt hat (ebd., S. 49). Karmasin und Karmasin (1997, S. 93) zufolge, gibt es keine Symbole oder Zeichen an sich. Sie können nur aus der sozialen Interaktion zwischen Menschen und den sich daraus ergebenden Berührungspunkten innerhalb eines kulturellen Systems entstehen. Jede Kommunikation erfolgt mittels dieser von entsprechenden Menschengruppen geteilten Zeichen.
[...]
- Citar trabajo
- Timo Lindt (Autor), 2008, Ethno-Marketing. Wettbewerbsvorteile durch kulturelle Vielfalt im Zielgruppenverständnis der in Deutschland lebenden Türken und Russen, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/120213
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