Alfred Hitchcocks „Rear Window“ aus dem Jahr 1954 ist sicherlich einer seiner bekanntesten Filme. Er basiert auf einer Kurzgeschichte von Cornell Woolrich und gilt als einer der typischsten Hitchcocks, er selbst bezeichnete ihn als „die Möglichkeit, einen vollkommen filmischen Film zu machen“ .
Dennoch war „Rear Window“ gemeinsam mit vier weiteren Werken der Öffentlichkeit lange Zeit nicht zugänglich. Hitchcock selbst hatte die Rechte an den Filmen zurückgekauft und sie als Erbe an seine Tochter vermachen wollen. Erst 1984 wurden die fünf „verlorenen“ Hitchcocks wieder aufgeführt, was ihnen einen außerordentlichen Schub an Popularität verlieh.
Unabhängig davon ist „Rear Window“ ein bemerkenswerter Film. Vordergründig ein Thriller, beschäftigt er sich mit Voyeurismus, männlichen Sichtweisen, Entwicklung von Weiblichkeit, Wahrnehmung von eigener Identität, ist aber auch rein technisch ein grandioses Meisterwerk, das vielleicht sogar der beste Hitchcock sein mag.
Laura Maulvey stellte in den 70er Jahren die Theorie auf, daß Hollywood-Kino in erster Linie von Männern für Männern gemacht ist und cineastische Darstellung auf Gewaltdarstellungen reduziert, die meist gegen Frauen gerichtet sind; die Frau somit als bloßes Objekt männlichen Sadismus und Voyeurismus, als dingliches „Eigentum“ des Mannes dargestellt und somit passiv als Zuseherin in eben eine solche, minderwertige Rolle gedrängt wird .
Hitchcocks filmisches Konzept, psychologische Interpretationen mit der Hilfe von „Thrill“ und „Suspense“ zu verkaufen, widerspricht dabei Mulveys Theorie, im Falle von Rear Window sogar in vollkommener Hinsicht, denn hier ist es eine Frau die (zuletzt sogar buchstäblich) die „Hosen an hat“ und nicht nur einen Mörder sondern auch einen heiratsunwilligen Junggesellen „überlistet“ .
„Rear Window“ ist also ein Film, der sich auf den ersten Blick mit männlichen Sichtweisen beschäftigen mag, tatsächlich aber von weiblicher Durchsetzungskraft in einer männlich dominierten Welt handelt.
Inhalt
I. Einleitung
II. Die Geschichte von „Rear Window“
III. Besetzung der Hauptrollen
A. James Stewart
B. Grace Kelly
IV. Die Anfangssequenz
V. Zur Rolle des Voyeurismus
VI. Schluß
VII. Bibliographie
I. Einleitung
Alfred Hitchcocks „Rear Window“[1] aus dem Jahr 1954 ist sicherlich einer seiner bekanntesten Filme. Er basiert auf einer Kurzgeschichte von Cornell Woolrich[2] und gilt als einer der typischsten Hitchcocks, er selbst bezeichnete ihn als „die Möglichkeit, einen vollkommen filmischen Film zu machen“[3]. Dennoch war „Rear Window“ gemeinsam mit vier weiteren Werken[4] der Öffentlichkeit lange Zeit nicht zugänglich. Hitchcock selbst hatte die Rechte an den Filmen zurückgekauft und sie als Erbe an seine Tochter vermachen wollen. Erst 1984 wurden die fünf „verlorenen“ Hitchcocks wieder aufgeführt, was ihnen einen außerordentlichen Schub an Popularität verlieh.
Unabhängig davon ist „Rear Window“ ein bemerkenswerter Film. Vordergründig ein Thriller, beschäftigt er sich mit Voyeurismus, männlichen Sichtweisen, Entwicklung von Weiblichkeit, Wahrnehmung von eigener Identität, ist aber auch rein technisch ein grandioses Meisterwerk, das vielleicht sogar der beste Hitchcock sein mag.
Laura Maulvey stellte in den 70er Jahren die Theorie auf, daß Hollywood Kino in erster Linie von Männern für Männern gemacht ist und cineastische Darstellung auf Gewaltdarstellungen reduziert, die meist gegen Frauen gerichtet sind; die Frau somit als bloßes Objekt männlichen Sadismus und Voyeurismus, als dingliches „Eigentum“ des Mannes dargestellt und somit passiv als Zuseherin in eben eine solche, minderwertige Rolle gedrängt wird[5] .
Hitchcocks filmisches Konzept, psychologische Interpretationen mit der Hilfe von „Thrill“ und „Suspense“ zu verkaufen, widerspricht dabei Mulveys Theorie, im Falle von Rear Window sogar in vollkommener Hinsicht, denn hier ist es eine Frau die (zuletzt sogar buchstäblich) die „Hosen an hat“ und nicht nur einen Mörder sondern auch einen heiratsunwilligen Junggesellen „überlistet“[6] .
„Rear Window“ ist also ein Film, der sich auf den ersten Blick mit männlichen Sichtweisen beschäftigen mag, tatsächlich aber von weiblicher Durchsetzungskraft in einer männlich dominierten Welt handelt.
II. Die Geschichte von „Rear Window“
Der Fotoreporter L. B. Jeffries[7] , von seinen Freunden Jeff genannt, hat sich bei einem Unfall ein Bein gebrochen und ist dadurch für einige Wochen an den Rollstuhl gebunden. Bei erdrückend schwüler Hitze verbringt er die Tage in seiner Wohnung im New Yorker Stadtteil Greenwich Village, die er aufgrund seiner Behinderung nicht verlassen kann. Geplagt von erdrückender Langeweile bekommt er nur regelmäßige Besuche von seiner Pflegerin Stella[8] und seiner Freundin Lisa Fremont[9] , die verzweifelt versucht ihn zu einem Eheversprechen zu bewegen. Jeff beobachtet unterdessen die umliegenden Wohnungen und „schnüffelt“ im Privatleben seiner Nachbarn herum. Dabei kommt er zu dem Verdacht, daß der Handlungsreisende Lars Thorwald[10] seine bettlägerige, kranke Frau ermordet hat, da diese plötzlich verschwunden ist. Er versucht Lisa und den befreundeten Polizisten Tom Doyle[11] von seiner Vermutung zu überzeugen, jedoch glaubt ihm zunächst niemand. Doch schliesslich lassen sich seine Pflegerin und seine Freundin auf seine These ein und unterstützen Jeff, indem sie für ihn die Spuren suchen, die er aufgrund seiner Behinderung nicht sammeln kann. Als Lisa in Thorwalds Wohnung eindeutige Beweise findet, bemerkt dieser, daß als auch von wem er beobachtet wird und versucht Jeff in einem nächtlichem Attentat umzubringen, indem er ihn aus exakt dem Hinterhoffenster stürzt, welches Jeffs Beobachtungen gedient hat. Gerade rechtzeitig wird Thorwald festgenommen, Jeff stürzt jedoch dennoch in den Hinterhof und bricht sich das zweite Bein. Der Film endet damit, dass Jeff nun mit zwei Gipsbeinen im Rollstuhl sitzt, von Lisa jedoch so sehr beeindruckt ist, dass er ihrem Werben nachgibt und einer Heirat zustimmt.
III. Besetzung der Hauptrollen
A. James Stewart[12]
James „Jimmy“ Stewart wurde am 20. Mai 1908 in India, Pennsylvania geboren und gilt bis heute als einer der herausragendsten Schauspieler des Hollywood-Kinos. Zumeist war er die „ideale Verkörperung des anständigen Amerikaners“[13] , obwohl seine wahrscheinlich besten Filme diesem Image nicht entsprechen.
Er besuchte die Princeton University und schloss Architektur ab, praktizierte dennoch niemals diesen Beruf, trat stattdessen den Famous Players bei und spielte schließlich am Broadway.
Im Jahr 1935 unterzeichnete er einen Vertrag bei Metro-Goldwyn-Mayer und spielte in seinem ersten Film „The Murder Man“. Mit „Mr. Smith geht nach Washington“ avancierte er dann zum amerikanischen Publikumsliebling und stellte daraufhin überwiegend den „all american guy“, den braven amerikanischen Nachbarsjungen dar. 1936 versuchte er dann sein Rollenbild zu ändern, als er in „Die Rückkehr des dünnen Mannes“ einen Killer spielte.
Mit Eintritt der USA in den zweiten Weltkrieg diente er bei der US Air Force, verlängerte den Vertrag bei der Metro-Goldwyn-Meyer nicht und verdingte sich ohne feste vertragliche Bindungen. Es folgte der Capra-Klassiker „Ist das Leben nicht schön“, der an den Kinokassen erfolglos blieb, bis heute aber einen der amerikanischen Weihnachtsklassiker darstellt.
Mit der Komödie „Mein Freund Harvey“ wurde Stewart bereits das dritte Mal für einen Oscar nominiert. Gleichzeitig nahm er die Rolle des Linn McAdam im Universal-Western „Winchester 73“ an, was sein Rollenprofil endgültig verändern sollte.
Er spielte fortan vor allen Dingen in Westernfilmen, die für ihn ein „reines“, völlig visuelles Kino darstellten[14]: „Meuterei am Schlangenfluss“, „Das war der wilde Westen“, „Der Mann, der Liberty Vallance erschoss“ und andere Filme gehören zu dieser Phase seines Schaffens.
Daraus resultierte eine neue Identität für Stewart, er wurde zum „knochenharten Outlaw“[15] und oft tragischen Helden. Die folgende Zusammenarbeit mit Alfred Hitchcock vertiefte dieses „Image“ und stattete es mit komplexeren psychologischen Zügen aus. Gemeinsam drehten sie „Rope“, „Rear Window“, die zweite Version von „The Man Who Knew Too Much“ sowie „Vertigo“. Stewart bezeichnete Hitchcock als „ausgesprochen [...] perfektionistischen Regisseur. [...] Er legte gesteigerten Wert auf den optischen Aufbau einer Sequenz...“[16] .
Mit „Philadelphia Story - Die Nacht vor der Hochzeit“ wurde Stewart schliesslich der Oscar verliehen.
Stewart heiratete im Alter von 41 Jahren Gloria Hatrich McLean, aus der glücklichen Ehe gingen Zwillinge hervor.
James Stewart starb schliesslich am 2. Juli 1997 in bescheidener Zurückgezogenheit in Beverly Hills, Kalifornien.
B. Grace Kelly[17]
Am 12. November 1929 wurde Grace Kelly in Philadelphia, Pennsylvania geboren. Sie erhielt bereits in ihrer frühen Kindheit Schauspielunterricht, absolvierte die High School, besuchte danach die New Yorker American Academy of Dramatic Arts und hatte im Jahr 1949 ihren ersten Auftritt am Broadway.
Sie debütierte 1951 mit „Vierzehn Stunden“ und wurde nach großem Erfolg direkt bei Metro-Goldwyn-Meyer unter Vertrag genommen. Bereits drei Jahre später verlieh man ihr den Oscar für die beste weibliche Hauptrolle in „Ein Mädchen vom Lande“ und noch im selben Jahr engagierte sie Alfred Hitchcock, um mit ihr in nur 36 Tagen „Dial ‚M‘ for Murder“[18] sowie „Rear Window“ zu drehen. Da Hitchcock in ihr die ideale Frau sah, die Reinkarnation von Hure und Heiliger[19] - Hitchcock sprach selbst davon, daß er „Damen, wirkliche Damen, die dann im Schlafzimmer zu Nutten“[20] werden haben wolle - folgte ein weiterer Film, „To Catch a Thief“[21], bei dessen Dreharbeiten sie Fürst Rainier III. von Monaco kennen lernte.
Zurück in den USA drehte sie 1956 „Der Schwan“ und ihren letzten Film „Die oberen Zehntausend“, gleichzeitig verlobte sie sich mit Fürst Rainier.
Nach ihrer Hochzeit zog sich Grace Kelly - gezwungener Maßen - vom Filmgeschäft zurück, bis sie schliesslich am 14. September 1982 als monegassische Fürstin in den Bergen von Monaco bei einem Autounfall um ihr Leben kam.
[...]
[1] In Deutschland unter dem Titel „Das Fenster zum Hof“ ausgestrahlt.
[2] Woolrich, Cornell, Das Fenster zum Hof und vier weitere Kriminalstories (OT.: Rear Window), Zürich, 1989.
[3] Truffaut, Francois, Mr. Hitchcock, wie haben sie das gemacht?, München, 1973, S.211.
[4] Es handelt sich um: „Rope“ (Cocktail für eine Leiche) von 1948, „The Trouble With Harry“ (Immer Ärger mit Harry), von 1955, der zweiten, amerikanischen Version von „The Man Who Knew Too Much“ (Der Mann der zuviel wusste) von 1956 und „Vertigo“ (Aus dem Reich der Toten) von 1958.
[5] Vgl. dazu: Mulvey, Laura, Visual Pleausure and Narrative Cinema. Screen 16, Nr.3, 1975, S. 6 ff. Sowie: Modleski, Tania, The women who knew too much, New York, 1989, S.1.
[6] Obwohl Mulvey einen äusserst umfangreichen Rahmen klassischer Hollywoodfilme zur Begründung ihrer Thesen heranzieht, widmet sie „Rear Window“ lediglich einen einzigen, kurzen Paragraphen. Dies erscheint angesichts der Bedeutung des Films seltsam, kann aber durchaus daran liegen, dass Mulvey den Film als ungenügenden, weil widersprüchlichen Beleg zu ihrer These sieht.
[7] James Stewart.
[8] Thelma Ritter.
[9] Grace Kelly.
[10] Raymond Burr.
[11] Wendell Corey.
[12] Vgl.: http://www.rasscass.com/templ/te_bio.php?PID=266&RID=1 .
[13]Gadenstätter, Lisa, Die Darstellung der Frau bei Alfred Hitchcock, dargestellt am Beispiel Rear Window, Wien, 2001, S.78.
[14] Gadenstätter, S. 79.
[15] Ebd.
[16] Zit. n.: Gadenstätter, S.80.
[17] Vgl.: http://www.rasscass.com/templ/te_bio.php?PID=298&RID=1 .
[18] In Deutschland: “Bei Anruf Mord”.
[19] Vgl.: Modleski, The Women who knew too much; sowie: Truffaut, Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht?.
[20] Truffaut, S.220.
[21] In Deutschland: “Über den Dächern von Nizza”.
- Arbeit zitieren
- Cand. phil. Eric A. Leuer (Autor:in), 2006, "To See You Is To Love You!" - Zur Rolle des Voyeurismus in Alfred Hitchcocks „Rear Window“ , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/119897
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