Führen die Weblogs dank ihrem Partizipationspotenzial zu einer Verbesserung der amerikanischen Demokratie? Wenn ja, woran liegt es, dass ausgerechnet in den USA die Weblogs eine größere politische Macht als anderswo haben? Und inwieweit beeinflussen die Weblogs die amerikanische Politik?
Ziel dieser Analyse ist es zu demonstrieren, dass die Weblogs in den USA zu einer stärkeren bürgerlichen Partizipation verhelfen, weil sie dank der politischen Demokratievoraussetzungen, der gesellschaftlichen Grundzüge der Bevölkerung und der damit verbundenen günstigeren Kontextfaktoren ihre Macht leichter entfalten können.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Das Internet und die Faszination der E-Demokratie
2.1. Theoretischer Ansatz: das Modell der deliberativen Demokratie von Jürgen Habermas
2.2. US-Kontextfaktoren zur Entwicklung der Weblogs
2.2.1. Demokratieverständnis und amerikanische Öffentlichkeit
2.2.2. American way of life
3. Zur politischen Macht der amerikanischen Weblogs
3.1. Die Kreislaufbeziehung zwischen Weblogs, Medien und Politik
3.2. Das „Komet“ Howard Dean
4. Schlussbetrachtung
5. Literaturverzeichnis
6. Anhang
1. Einleitung
Marshall McLuhan stellte fest, dass unsere Welt zu einem globalen Dorf wird. Seine Aussage wird dank des Internets jeden Tag bekräftigt. Die Anzahl der vernetzen Haushalte steigt rasant an; das Internet revolutioniert unseren Alltag, da es langsam, aber sicher, abhängig macht. Kein anderes Medium schaffte es in so kurzer Zeit, sich so erfolgreich durchzusetzen. Das Internet – eine der erfolgreichsten Erfindungen der Neuzeit – ist das einzige Medium, das die Dimensionen Zeit und Nähe außer Kraft setzt. Es bietet alles an: angefangen von rechtsextremen und abartigen Seiten bis hin zu seriösen Seiten mit Hilfsangeboten für die Steuererklärung, öffentlichen Spendenaufrufen und Anbietern für das Senden und Empfangen von privaten E-Mails. Die Möglichkeiten des Internets sind unerschöpfbar.
Das Internet machte in den letzten Jahren zwei Revolutionen durch: e-commerce und e-buissnes. Die dritte wird die politische Revolution zwischen Bürgern und Politikern sein (vgl. Jensan / Priddat 2001: 10). Trotz der Tatsache, dass sie nur fünf Prozent des gesamten Internets ausmachen, werden Weblogs, die elektronischen Tagebücher, und andere partizipative Formate diesem revolutionierenden Prozess einen zusätzlichen Aufschwung verleihen. Ganz besonders während der Wahlperiode versuchen die Politiker von dem Internetangebot zu profitieren und schöpfen dabei die Macht des Internets aus. In dem amerikanischen Wahlkampf 2004 schaffte es Howard Dean durch ein Weblog und einen sehr professionellen Internetauftritt näher an seine Wähler zu kommen. Die Weblogs sind ein unentdecktes Terrain für Politiker, die die politische Partizipation fördern könnten. Führen die Weblogs dank ihrem Partizipationspotenzial zu einer Verbesserung der amerikanischen Demokratie? Wenn ja, woran liegt es, dass ausgerechnet in den USA die Weblogs eine größere politische Macht als anderswo haben? Und inwieweit beeinflussen die Weblogs die amerikanische Politik?
Um diesen Fragen nachzugehen, wird in einem ersten Schritt untersucht, inwieweit es Ähnlichkeiten zwischen der Theorie der deliberativen Demokratie von Jürgen Habermas und der Praxis der amerikanischen Demokratie gibt.
Der Ausgangpunkt dieses Vergleichs ist der Gedanke, dass die E-Demokratie eine neue Form der Bürgernähe repräsentiert, die ein großes Partizipationspotenzial besitzt, das die Vision von Habermas von einer deliberativen Demokratie zum Greifen nahe erscheinen lässt. Um die Demonstration weiterzuführen und das Milieu der Weblogs in den USA zu analysieren, wird in einem zweiten Schritt empirisch vorgegangen. Anhand der von Drezner und Farrell durchgeführten Studie zur politischen Macht der Weblogs wird die wechselseitige Beziehung zwischen Medien, Weblogs und Politik beschrieben. Die theoretische Matrix wird durch das Praxisbeispiel von Howard Dean verdeutlicht.
Ziel dieser Analyse ist es zu demonstrieren, dass die Weblogs in den USA zu einer stärkeren bürgerlichen Partizipation verhelfen, weil sie dank der politischen Demokratievoraussetzungen, der gesellschaftlichen Grundzüge der Bevölkerung und der damit verbundenen günstigeren Kontextfaktoren ihre Macht leichter entfalten können. Man geht davon aus, dass, zumindest theoretisch, das politische System der USA Ähnlichkeiten mit dem Modell der deliberativen Demokratie aufweist.
Um den Rahmen der Arbeit nicht zu sprengen, wird die Problematik der politischen Macht der Weblogs nur theoretisch aus einer idealistisch-optimistischen Perspektive behandelt. Zu diesem Zweck werden nur die Chancen der E-Demokratie berücksichtigt und der negativen Kritik der deliberativen Demokratie keine Beachtung geschenkt. Um die These zu verstärken, dass das Internet zu mehr Partizipation führt, wird nicht auf die Frage eingegangen, ob die Internet-Öffentlichkeit die speziellen demokratischen Kriterien erfüllt.
2. Das Internet und die Faszination der E-Demokrat ie
„Can we build a new kind of politics? Can we construct a more civil society with our powerful technologies? Are we extending the evolution of freedom among human beings? Or are we nothing more then a great, wired babble pissing into the digital wind?” (Joe Katz zitiert in Jensan / Priddat 2001:1)
Joe Katz, stellt sich die Frage, ob das Internet zu mehr Bürgerbeteiligung und somit zu einer besseren Form von Demokratie führen kann. Um der Frage auf den Grund zu gehen, müssen wir erstens verstehen, was eigentlich Demokratie ist und zweitens sollten wir auf das Kommunikationspotenzial des Internets eingehen, um drittens die Chance der Cyberdemokratie nachvollziehen zu können.
Demokratie heißt wortwörtlich übersetzt „die Herrschaft des Volkes“ und sie wurde schon in der Antike thematisiert. In „Politeia“ (der Staat) befasste sich Platon mit der politischen Philosophie (vgl. Vorländer 2004: 5). Er bemerkte, dass die politische Partizipation eine existenzielle Bedingung für die Demokratie ist, aber dass es die gesellschaftlichen Schranken sind, die die Teilnahme an den demokratischen Prozessen verhindern (vgl. Beer 2002: 1). Die Politologen verstehen heute unter Demokratie eine Sammelbezeichnung unterschiedlicher Regierungsformen, die ihre Macht und ihre Legitimation aus dem Willen des Volkes ziehen (vgl. Horn 2000: 10).
In der Praxis ist die Art oder die Form der Demokratie weniger wichtig, da sich die Qualität einer Demokratie an der Einhaltung der demokratischen Prinzipien festlegen lässt: Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung, Gerechtigkeit und Solidarität und Partizipation sind nicht nur leere, theoretische Konzepte, sondern stellen das Lebenselixier einer Demokratie dar. (Abbildung 1). Das wichtigste Element aus dieser Kette ist die bürgerliche Partizipation, denn ohne sie wäre die Demokratie nicht legitimiert (vgl. Müller-Prothmann Stand 15.03.06).
Die Diskussion über mehr Demokratie und mehr Bürgerbeteiligung wird jedes Mal neu aufgegriffen, wenn sich ein neues Medium in der Gesellschaft durchsetzt. Bertold Brecht forderte in seiner Radiotheorie, dass das Radio sowohl die Rolle des Senders, als auch die des Empfängers übernimmt und sich dabei zu einem großen demokratischen Forum entwickelt (vgl. Bauer Stand 17.11.2005).
Das Internet ist sich nicht nur aus kleinen demokratische Foren gebildet; es verfügt über eine flache Hierarchie und wegen der Interaktivität findet eine permanente Wechselwirkung zwischen Sender und Empfänger statt (vgl. Bauer Stand 17.11.2005). Das Medium Internet bietet nicht nur eine Fülle an Informationen, sondern auch die Chance einer direkten politischen Beteiligung und einem direkten Kontakt mit der Politik. Es ermöglicht der Bevölkerung sich besser und aktueller zu informieren, an politischen Diskussionen teil zu nehmen, es für politische Entscheidungen zu nutzen, Referenden, Wahlen, Abstimmungen oder Petitionen durchzuführen usw. Theoretisch ermöglicht das Internet eine bessere Beteiligung und ermöglicht eine direkte Demokratie. (vgl. Hoecker Stand 12.11.05). Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob und wie das Internet sich zu einer „Knopfdruckdemokratie“ entwickeln kann.
2.1. Theoretischer Ansatz: das Modell der deliberativen Demokratie von Jürgen Habermas
Habermas, als positiver soziologischer Denker, ist ein Repräsentant der Frankfurter Schule. Er stellte mit seinem Modell der Öffentlichkeit 1962 ein Szenario der Welt vor, das für heftige Debatten sorgte, denn er beschrieb den Zerfall der Öffentlichkeit im zwanzigsten Jahrhundert. Die deliberative Demokratie ist eine idealtypische Form der direkten Demokratie, wo sich die Öffentlichkeit an dem politischen Geschehen direkt beteiligen muss. Das Prinzip der direkten Partizipation wird dadurch ermöglicht, dass alle Bürger bei Habermas gleiche soziale Rechte und einen allgemeinen Zugang zur Öffentlichkeit haben.
Habermas entwickelt in seinem Buch „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ im Kontext der Theorie des kommunikativen Handels eine neue Form der Öffentlichkeit: das Modell einer bürgerlichen Öffentlichkeit, das nur dann realisiert werden kann, wenn „eine diskursive Meinungs- und Willensbildung eines Publikums von Staatsbürgern“ existiert. (Habermas zitiert in Löhnert / Carle Stand 15.02.06). Habermas setzt eine uneingeschränkte Kommunikation zwischen Bürgern und Politikern voraus, die den Politikern helfen wird, jegliche Konflikte und Meinungsverschiedenheiten durch direkte Kommunikation zu lösen (vgl. Löhnert / Carle Stand 15.02.06). Diese Art von Freiheit nennt er „ kommunikatives Handeln “. Er differenziert es von dem „strategischen Handeln“, bei dem die Menschen interessenorientiert miteinander kommunizieren (vgl. Rahm 2005: 26).
Damit die gleichberechtigte politische Partizipation aller Bürger gewährleistet wird, stellt Habermas einen Katalog mit sozialen Grundrechten und Verpflichtungen zusammen, die von verschieden Autoren entweder als Diskursregeln oder als Hauptmerkmale der Öffentlichkeit eingestuft werden. Erstens stipuliert Habermas, dass „jedes sprach- und handlungsfähige Subjekt […] an Diskursen teilnehmen [kann].“ (Habermas zitiert in Rahm 2005: 28). Das heißt, dass unabhängig von dem Status und dem sozialen Rang, sich jeder Mensch gleich in der Öffentlichkeit beteiligen kann (vgl. Löhnert / Carle Stand 15.02.06). Der zweite Set der Diskursregel betrifft sowohl das Verhalten der Menschen in der Öffentlichkeit, als auch die Themen, die zur öffentlichen Debatte gebracht werden: „Jeder darf jede Behauptung problematisieren“, „Jeder darf jede Behauptung in den Diskurs einführen“ und „Jeder darf seine Einstellungen, Wünsche und Bedürfnisse äußern“ (Habermas zitiert in Rahm 2005: 28), solange die Meinungs- und Willensbildung durch einen rationalen Austausch von Argumenten erfolgt (vgl. Löhnert / Carle Stand 15.02.06). Die dritte Gruppe der Diskursregel sieht vor, dass die Agenda Setter der Öffentlichkeit nicht nur Autoritäten sein sollten, sondern dass die Menschen die Möglichkeit haben sollten, über alle Themen öffentlich zu debattieren: „kein Sprecher darf durch innerhalb oder außerhalb des Diskurses herrschenden Zwang daran gehindert werden […]“ seine sozialen Rechte wahrzunehmen (vgl. Löhnert / Carle Stand 15.02.06).
Das Modell der bürgerlichen Öffentlichkeit beschreibt einen demokratischen Sollzustand der Politik (vgl. Schüle 1998: 92) und basiert auf den Prinzipien der Französischen Revolution: Brüderlichkeit, Freiheit, Gleichheit. (vgl. Habermas 1992: 180). Habermas bemerkt die demokratische Krise, in der sich die heutige Gesellschaft befindet. Basierend auf die Theorie des kommunikativen Handels und auf den Prinzipien der Deliberation und gleicher Partizipation (vgl. Habermas 1992: 180), stellt er einen „Rettungsplan“ der Demokratie vor:
„Um ihre eigene Stabilität zu gewährleisten, müssen moderne Demokratien ihre Mitglieder mit hinreichenden Ressourcen ausstatten, damit dieses befähigt werden, gleichberechtigt und mündig an demokratischen Entscheidungsprozessen teilzunehmen, um so die Demokratie lebendig halten zu können.“ (Beer 2002: 219)
Die elektronische Demokratie verfolgt im Grunde genommen die gleichen Ziele wie die deliberative Demokratie: durch mehr Information wird mehr Partizipation und ermöglicht und dadurch die Qualität der Demokratie verbessert. Auch wenn sich die Theoretiker über eine einheitliche Definition der digitalen Demokratie nicht geeinigt haben, wird über eine Cyberdemokratie, E-Agora, Teledemokratie oder E-Demokratie gesprochen, wenn die Prinzipien der Gleichheit, der bürgerlichen Partizipation und der Deliberation eingehalten werden.
Durch die digitale Demokratie ist die reine Information zu einem öffentlichen Gut geworden. Leggewie spricht in seinem Essay „Netizens oder: der gut informierte Bürger heute“ über das Potenzial des Internets, das zu einer verstärkten Demokratie verhelfen könnte:
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- Dipl. Soz. Wiss. Anca Comaniciu (Author), 2006, www.politicsgoesblog.com - wie die amerikanischen Weblogs zu mehr Demokratie verhelfen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/119721
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