Peter Petersen war eine der großen Persönlichkeiten der Reformpädagogik, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts überall in Europa neue Erziehungsideen und -modelle hervorbrachte1. Die von ihm entwickelte Jena-Pädagogik sollte nicht nur eine Verbesserung der Unterrichtsmethoden bewirken, sondern die Schule komplett neu gestalten2.
Peter Petersen, am 26.6.1884 in Großenwiehe bei Flensburg geboren, war von 1923 – 1950 Schullehrer und Ordentlicher Professor für Erziehungswissenschaften an der Universität von Jena. Als Leiter der Universitätsübungsschule entwickelte und testete er seinen Jena-Plan, ein Schulsystem, das eine Art Familienerziehung vorsieht. Das Arbeitsprinzip sieht viel Freiheit und Gruppenarbeit für die Schüler vor, aber auch gute Zusammenarbeit mit Eltern und Lehrern. Die Schüler sollen sich selbst erziehen und insbesondere soziales Verhalten lernen. Der Gemeinschaftsbegriff ist demnach für die Erziehung besonders wichtig. Der Jena-Plan war die Umsetzung der Idee von einem spielerischen, handwerklichen und freudigen Lernen, weg vom lehrerzentrierten Unterricht.
Petersen schuf mit seinem Jena-Plan eine besondere Schulreform. Allein in den Niederlanden gibt es über 200 solcher Schulen, die einen sehr guten Ruf genießen3. Beim Wiederaufbau des deutschen Schulsystems nach dem 2. Weltkrieg, wurde das Modell von Petersen lange ignoriert. Dies lag zum einen an der Bildung größerer Schuleinheiten – die meisten Jena-Plan-Schulen waren Volks- und Dorfschulen - , zum anderen, weil Petersens Pädagogik lange Zeit als antimodern, völkisch konservativ und NS-affin betrachtet wurde4. So gab es bis in die Achtziger Jahre nur noch vier Jena-Plan-Schulen in der Bundesrepublik. In der ehemaligen DDR sah es für Petersens Modell noch schlechter aus, denn man betrachtete es als reaktionär und politisch gefährlich. So wurde noch zu Petersens Lebzeiten seine Übungsschule in Jena geschlossen.
Doch der Jena-Plan feiert zur Zeit sein Comeback. Das hohe Maß an Aggressionen und Gewalt an den Schulen hat mitunter dazu geführt, daß Petersens Konzept heute wieder modern ist, da hier ein kommunikatives, verantwortungsvolles und gemeinschaftliches Schulklima erreicht werden kann5.
Die vorliegende Arbeit ist in drei Teile gegliedert. Im ersten Abschnitt werden die theoretischen Grundannahmen, die Petersens Erziehungstheorie zugrunde liegen dargelegt. [...]
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Theoretische Grundlagen
III. Der Jena-Plan in der Schulpraxis
IV. Ausblick
V. Literatur
I. Einleitung
Peter Petersen war eine der großen Persönlichkeiten der Reformpädagogik, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts überall in Europa neue Erziehungsideen und –modelle hervorbrachte[1]. Die von ihm entwickelte Jena-Pädagogik sollte nicht nur eine Verbesserung der Unterrichtsmethoden bewirken, sondern die Schule komplett neu gestalten[2].
Peter Petersen, am 26.6.1884 in Großenwiehe bei Flensburg geboren, war von 1923 – 1950 Schullehrer und Ordentlicher Professor für Erziehungswissenschaften an der Universität von Jena. Als Leiter der Universitätsübungsschule entwickelte und testete er seinen Jena-Plan, ein Schulsystem, das eine Art Familienerziehung vorsieht. Das Arbeitsprinzip sieht viel Freiheit und Gruppenarbeit für die Schüler vor, aber auch gute Zusammenarbeit mit Eltern und Lehrern. Die Schüler sollen sich selbst erziehen und insbesondere soziales Verhalten lernen. Der Gemeinschaftsbegriff ist demnach für die Erziehung besonders wichtig. Der Jena-Plan war die Umsetzung der Idee von einem spielerischen, handwerklichen und freudigen Lernen, weg vom lehrerzentrierten Unterricht.
Petersen schuf mit seinem Jena-Plan eine besondere Schulreform. Allein in den Niederlanden gibt es über 200 solcher Schulen, die einen sehr guten Ruf genießen[3]. Beim Wiederaufbau des deutschen Schulsystems nach dem 2. Weltkrieg, wurde das Modell von Petersen lange ignoriert. Dies lag zum einen an der Bildung größerer Schuleinheiten – die meisten Jena-Plan-Schulen waren Volks- und Dorfschulen - , zum anderen, weil Petersens Pädagogik lange Zeit als antimodern, völkisch konservativ und NS-affin betrachtet wurde[4]. So gab es bis in die Achtziger Jahre nur noch vier Jena-Plan-Schulen in der Bundesrepublik. In der ehemaligen DDR sah es für Petersens Modell noch schlechter aus, denn man betrachtete es als reaktionär und politisch gefährlich. So wurde noch zu Petersens Lebzeiten seine Übungsschule in Jena geschlossen.
Doch der Jena-Plan feiert zur Zeit sein Comeback. Das hohe Maß an Aggressionen und Gewalt an den Schulen hat mitunter dazu geführt, daß Petersens Konzept heute wieder modern ist, da hier ein kommunikatives, verantwortungsvolles und gemeinschaftliches Schulklima erreicht werden kann[5].
Die vorliegende Arbeit ist in drei Teile gegliedert. Im ersten Abschnitt werden die theoretischen Grundannahmen, die Petersens Erziehungstheorie zugrunde liegen dargelegt. Im zweiten Teil sollen einige Hauptmerkmale von Petersens Methoden in der Praxis dargelegt werden. Der Schlußteil enthält ein aktuelles Interview mit Walter Heilmann über das Comeback der Jena-Plan-Schulen.
II. Theoretische Grundlagen
Allen sozialwissenschaftlichen Theorien liegen Grundannahmen und Vorstellungen über den Menschen und seine Umwelt zugrunde. Peter Petersen hat nicht, wie viele seiner Zeitgenossen, eine Anthropologie – wie es Paul Steiner getan hat – oder eine Psychologie als Basis für seine erziehungswissenschaftlichen Grundsätze verfaßt[6], sondern entwickelte durch philosophische ( u.a. durch eine intensive Auseinandersetzung mit der aristotelischen Lehre) und theologische Grundfragen seine „Metaphysik“. In ihr erforschte er die Gemeinsamkeiten aller Menschen, quasi eine Definition des „Menschseins“. Erst später übertrug er seine Erkenntnisse über den Menschen auf die Pädagogik. Die Autorin Birgit Ofenbach bezeichnete diese Nutzung der Metaphysik, als „Folie für seine Kritik am bestehenden Schul- und Unterrichtswesen und das Fundament für seine neuen Zielsetzungen“[7].
Nach Petersens Ansicht läßt sich die Gesamtheit der Welt durch ausschließlich rationale Auseinandersetzung mit der Umwelt nicht erfassen. Erst durch die typisch menschlichen Charaktereigenschaften, wie Triebe, Neigungen und Gefühle, die zum Teil gegen die Vernunft des Verstandes agieren, erfaßt der Mensch die gesamte Welt oder erahnt sie zumindest. Nicht durch reines Ansammeln und Ordnen von Kenntnissen, sondern nur durch permanente Auseinandersetzung und Erschließung der gesamten Umwelt ist es möglich einen mündigen und sittlichen Charakter zu entwickeln[8]. Eine Ausgrenzung bestimmter menschlicher Eigenschaften behindert den Menschen in seiner Selbstverwirklichung und Autonomie.
Es ist das vorrationale, richtiger das nicht räsonierende Ich, das der Wirklichkeit und ihren Erscheinungen ganz hingebende und einfach darin eintauchende, in dieser Totalität von Beziehungen und Zusammenhängen handelnde, dahin lebende Ich, das dabei wohl räsonierende Akte vollzieht, aber als Akte des Lebens, nicht als Akte um des Räsonnements oder um der Ergebnisse des Räsonnements Willen. Es ist ein Leben und Sein im Unmittelbaren, und ein Leben, Denken und Handeln aus einem „unmittelbaren Wissen“ heraus... (Petersen, Peter, Der Ursprung der Pädagogik, Berlin, Leipzig, 1931, S. 53)
Hieraus wird deutlich, daß erst durch das Zusammenwirken von Vernunft und affektiven Handlungen, also durch psychische Kontraste, eine neue psychische Qualität entsteht. Die Verschmelzung psychischer Kontraste wird zur Antriebskraft der geistigen Entwicklung[9]. Petersen bezog sich hier auf die These von Wundts „Schöpferischer Synthese“ und dessen Entdeckung über den Wirkungszusammenhang von der Entwicklung neuer geistiger Werte. Hier sah er die Grundlage für die geistige Entwicklung. Durch Auseinandersetzung mit der Umwelt, im speziellen mit der menschlichen Gemeinschaft entwickelt sich der menschliche Geist[10]. Durch diese Annahme von der Ganzheit des Menschen, erscheint das Verhältnis von Individuum und Gemeinschaft in einem neuen Licht. Die Verflechtung des Menschen mit seiner Umwelt führt dazu, daß man den Menschen nicht mehr isoliert erfassen kann[11]. Aus dieser steten Wechselwirkung, auch mit dem vorherrschenden Zeitgeist, ergibt sich schließlich Entwicklung.
Peter Petersen war zu seiner Zeit der Pionier einer Pädagogik, die auf der Gesellung, also dem Menschen in der Gemeinschaft, und nicht auf einer Theorie der Individualität basierte[12]. Im Gegensatz zur Individualpädagogik eines Kant, die nach Petersens Ansicht zur Bildung von individuellen Egoisten führt, vertrat er eine Erziehung des Menschen zu einem wertvollen Mitglied der Gesellschaft. Deshalb lehnte er auch den Begriff der „Bildung“ ab, der nur auf die Formung des Einzelnen abzielt. Statt dessen vertrat er den Begriff der „Erziehung“ als lebenslangen Prozeß in der Gemeinschaft[13].
Petersen sah in seiner Erziehungswissenschaft auch eine Möglichkeit zur Überbrückung gesellschaftlicher Klüfte, die zu seiner Zeit immer offenkundiger wurden. Er vertrat mit seiner Theorie den Übergang von der Individualethik zur Sozialethik. Hier folgte er der anthropologischen Wende[14], daß nämlich der Mensch nur unter Menschen ein Mensch wird. Um den einzelnen Menschen zu betrachten, müssen alle seine sozialen Bindungen und sein soziales Leben in die Beobachtung mit einfließen.
Aus diesen Annahmen heraus entwickelte Petersen seine „illusionsfreie Erziehungswissenschaft“[15]: illusionsfrei insofern, daß sich seine Theorie auf konkrete und sichtbare Bezüge und Vorgänge des Menschen als Mitglied der Gemeinschaft bezieht. Nach seiner Ansicht, sind Sitte, Recht und Kultur Ausdruck dieses Gemeinschaftslebens. So soll das ursprüngliche, sich überall und permanent vollziehende Erziehungsgeschehen in der konkreten Situation aufgezeigt werden, um erfolgreich in die Erziehungspraxis und auf den Menschen einzuwirken. Illusionsfrei bedeutet auch, daß der „fehlerhafte“ und nicht auf Perfektion angelegte Mensch mit der Zeit gebessert und gezügelt werden soll. Den Menschen zu humanisieren, ist aber nicht gleichbedeutend damit, seine animalischen Triebe zu unterdrücken.
[...]
[1] Ofenbach, Erziehung in Schule und Unterricht, Donauwörth, 2000, S. 5
[2] Ebenda S. 6
[3] Behr/Jeske, Schulalternativen, Düsseldorf, 1982, S. 83
[4] Schwan, Die Petersen-Rezeption 1948 bis1984 in der Bundesrepublik, Frankfurt a.M., 1999, S. 670
[5] Forum Bildung – Pressemitteilung 14/2001 vom 3.5. 2001
[6] Ofenbach, Erziehung in Schule und Unterricht, Donauwörth, 2000, S. 20
[7] Ebenda, S. 21
[8] Ebenda, S. 22
[9] Ofenbach, S. 30
[10] Ebenda, S. 31
[11] Ebenda, S. 39
[12] Ebenda, S. 41
[13] Ebenda, S. 43
[14] Ebenda, S. 47
[15] Dietrich, Die Pädagogik Peter Petersens, Bad Heilbrunn, 1995.
- Arbeit zitieren
- Sebastian Schmid (Autor:in), 2001, Peter Petersen - Die Jena-Plan-Schule, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/11966
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