Die heutige Gesellschaft scheint zweigespalten im Umgang mit den Tieren und der
Umwelt. Früher waren sie Nutztiere, die der Lebenserhaltung und Ernährung der
Menschen dienten. Heute gelten einige Tiere als „Helfer und Heiler“, sind manchmal gar Partnerersatz und werden aufwendig umsorgt und gepflegt. Es gibt (Wellness-) Hotels für den geliebten Vierbeiner, homöopathische Therapien, kostspielige medizinische Versorgungen und Operationsmöglichkeiten und Tierfriedhöfe. Tiere fungieren als Servicetiere, zum Beispiel als Begleithund für Körperbehinderte oder für Blinde, aber auch Katzen, Schafe, Lamas und andere Nutztiere werden in Besuchsdiensten oder Therapien eingesetzt. Mit der Entdeckung positiver Wirkfaktoren durch die Tiere wird von der Entwicklung eines neuen Wissenschaftszweiges, der „Mensch-Tier-Beziehung“, gesprochen,1 dessen Konturen noch nicht ganz klar sind. Strenggenommen hätte diese Wissenschaft noch nicht einmal einen Namen.2 „Im Spiel sind folgende Wissenschaften: menschliche und tierische Verhaltensforschung,
allgemeine und spezielle Psychologien, Psychoanalyse und Psychiatrie, Soziologie, Pädagogik, Gerontologie, Sozialisationsforschung, Human- und Veterinärmedizin.“3 Andererseits nimmt die Umweltzerstörung (siehe den oft genannten „Klimawandel“) und damit auch die Ausrottung von Tierarten zu. In Tierversuchen, Massentierhaltungen und „modernen“ Züchtungen werden Tiere gequält und dienen der menschlichen Gesellschaft ohne Rücksicht auf ihre Empfindungen. Der Alltag des Menschen wird vielfach technisiert und dabei scheint die Sehnsucht nach der Natur zu wachsen. Slogans wie „Zurück zur Natur“ oder „Urlaub auf dem Bauernhof“ hört man vielfach. Es sei daher die Herausforderung des 21. Jahrhunderts, der zunehmenden Umweltzerstörung entgegen zu wirken und ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Umwelt und Mensch anzustreben.4 Der Mensch scheint zu merken, dass er ohne die Natur und den Bezug dazu (in Form von Tieren) nicht leben kann und ihm etwas fehlt.
Inhaltsverzeichnis
1. Vorwort
2. Einleitung
3. Mythologie und Geschichte der Mensch-Tier-Beziehung
3.1 Mythologie
3.2 Geschichte
3.2.1 Christliche Religion und der Wandel der Mensch-Tier-Beziehung
3.3 Ambivalente Beziehung in der modernen Gesellschaft
4. Aspekte der Interaktion zwischen Mensch und Tier
4.1 Verbundenheit der Menschen und Tiere und Erklärungsversuche der therapeutischen Wirkung
Scheldrakes morphologische Felder
4.1.1 Gemeinsame Evolutionsgeschichte
4.1.2 Biophilie- Hypothese
4.1.3 Du- Evidenz
4.1.4 Weitere theoretische Ansätze
4.2 Kommunikation von Menschen, Tieren und miteinander
5. Wirkungen und Lerneffekte der Mensch-Tier-Beziehung
5.1 Tiere als Therapeuten?
5.1.2 Ein Beispiel für tiergestützte Therapie mit Kindern und Jugendlichen
Eckpfeiler der Therapie
5.2 Wirkungen auf Körper und Geist
5.2.1 Wirkungen auf die Physis des Menschen
5.2.2 Auswirkung auf seelischer und geistiger Ebene
„Eisbrecher“-Funktion der Tiere
Emotionale Unterstützung
Vertrauen und Akzeptanz
Auswirkungen im nicht-therapeutischen Kontext
Schlussfolgerung
5.3 Tiere als Rückbesinnung auf die Natur (des Menschen)
5.4 Tiere in der Resozialisierung
Forensische Resozialisierung in den USA
Resozialisierung in Deutschland
6. Kinder und Tiere
6.1 Autistische Kinder
6.2 Tiergestützte Kinderpsychotherapie
7. Entwicklung und Geschichte der tiergestützten Pädagogik und Therapie zum heutigen Handlungsfeld
7.1 Begriffserklärungen und Definitionen
7.1.1 AAA-Animal Assisted Activity
7.1.2 AAT- Animal Assisted Therapy
7.1.3 TIPS
8. Kontraindikationen für die Haltung von Tieren und deren Einsatz in der Therapie und Pädagogik
8.1 Gesundheitliche Risiken
8.2 Einwände gegen Tierbeziehungen
8.3 Kontraindikationen zum Therapeutischen Reiten
9. Geschichte der Beziehung von Menschen und Pferden und dessen Bedeutung in Mythologie und Religion
9.1 Eine gemeinsame Geschichte
9.2 Das Pferd in Mythologie und Religion
10. Besonderheiten der Beziehung zwischen Mensch und Pferd
10.1 Wesen der Pferde und Interaktion mit dem Menschen
10.1.1 Wesen und Kommunikation
10.1.2 Heilende Interaktionen und Stimuli durch das Pferd
10.1.2.1 Emotionale Ebene
10.1.2.2 Körperliche Nähe- taktile Stimulation
10.1.2.3 Bewegung auf und mit dem Pferd- vestibuläre Stimulation
Wirken von Bewegung und Rhythmus des Tieres
Rhythmisch bewegen lassen
Gleichgewicht schulen und Eigenwahrnehmung fördern
Inneres verändern durch äußere Bewegung
Verknüpfungen im Gehirn gefördert
Biofeedback für den Reiter
Bewegungserfahrungen für Kinder
10.1.2.4 Selbsterfahrung im Umgang mit dem Pferd
10.1.3 Pferde spiegeln den Menschen
10.2 Mädchen und Pferde
10.3 Pferde für Senioren
Zusammenfassung 10. Kapitel
11. Tiergestützte Therapie und Pädagogik mit dem Pferd
11.1 Internationale Geschichte des Therapeutischen Reitens
Wissenschaftliche Fundierung
11.2 Reiten in der Medizin
11.2.1 Hippotherapie (Medizin, Physiotherapie)
Definition
Klientel
Physische Wirkungen
Bewegung neu lernen
Psychische Wirkungen
11.2.2 Therapeutisches Reiten in der Therapie nach Herzerkrankungen
11.3 Das Pferd in der Psychotherapie
11.3.1 Klientel
11.3.2 Begriffsbestimmung der Pferdegestützten Psychotherapie
Psychodynamisches Erklärungsmodell
11.3.3 Position und Verhalten des Therapeuten
11.3.4 Drei Ebenen der Beziehung und möglicher Widerstand
11.3.5 Therapeutisches Setting und jeweilige Wirkung
Arbeiten in der Gruppe und anschließendes Verbalisieren des Erlebten
11.3.6 Therapeutische Wirkfaktoren durch das Tier
Motorische Selbsterfahrung
Angst bewältigen und Grenzen setzen
Beziehungsarbeit
Nonverbale Kommunikation
Identifikationsobjekt
Möglichkeiten bei verschiedenen Störungsbildern
11.3.7 Das Pferd in der Arbeit mit traumatisierten Menschen
11.3.7.1 Definition Trauma
11.3.7.2 Mögliche Verhaltensweisen und Auffälligkeiten traumatisierter Menschen
Therapie in drei Phasen
11.3.7.3 Heilende Wirkungen durch das Therapeutische Reiten
Angst und Ohnmacht überwinden- Kontrolle gewinnen
Grenzen setzen und Verhalten neu lernen
Sicherheit und Vertrauen bieten
Zusammenfassung
11.4 Behindertenreitsport
11.4.1 Integration und Rehabilitation für den Behinderten
11.4.2 Besonderheiten in der Ausbildung
11.4.3 Reiten mit verschiedenen Einschränkungen
11.5 Heilpädagogisches Reiten und Voltigieren (Pädagogik, Psychologie, Psychotherapie)
11.5.1 Darstellung der Begriffe
11.5.2 Therapeutisches Setting
11.5.2.1 Anforderungen an den Therapeuten und seine Beziehung zum Klienten
„Sachorientierte Partnerschaft“
11.5.3 (Lern-) Erfahrungen im Umgang mit dem Pferd
11.5.3.1 Beziehung und Dialog
11.5.3.2 Emotionale und kognitive Lernerfahrungen
11.5.3.3 Soziales Lernen in der Reitgruppe
11.5.3.4 Das Pferd als Unterstützung für Kinder und Heranwachsende
Der Reitstall als Lernfeld
11.5.4 Verschiedene Durchführungsformen im Heilpädagogischen Reiten und Voltigieren
11.5.5 Heilpädagogisches Voltigieren (HPV)
Durchführung
Klientel
11.5.5.1 Individuelle Ziele und wie sie erreicht werden können
Ängste abbauen
Vertrauensvolle Beziehungen
Selbstwertgefühl stabilisieren
Konzentrationsfähigkeit
Prozesse in der Gruppe
11.5.6 Heilpädagogisches Reiten (HPR)
HPR als Weiterentwicklung gegenüber dem HPV
Durchführung
11.5.6.1 Wirkungen im HPR
Beziehungen in der Gruppe
Mit dem Pferd konstruktiv auseinander setzen
11.5.7 Sprachtherapie durch Reiten
11.5.8 Erlebnispädagogik mit dem Pferd
11.5.8.1 Begriff der Erlebnispädagogik und Verbindung zum Therapeutischen Reiten
11.5.8.2 Erlebnispädagogische Wanderritte
11.6 Finanzierungsmöglichkeiten des Therapeutischen Reitens
Hippotherapie
Heilpädagogisches Reiten und Voltigieren
12. Das Therapiepferd
12.1 Eigenschaften eines Therapiepferdes
Körpergröße
Rücken
Geschlecht und Farbe
Rasse
12.1.1 Anatomie
12.1.2 Interieur
12.2 Ausbildung des Therapiepferdes
Bodenarbeit
Longenarbeit
Therapiebezogenes Training
12.3 Therapiebegleitendes Training- Abwechslung schaffen
12.4 Artgerechte Haltung
13. Fazit
Literaturverzeichnis
Internetquellen
Abbildungsverzeichnis
1. Vorwort
Solange ich mich erinnern kann, gab es in meinem Leben Tiere. Meine Familie hatte immer Haustiere und ich wuchs in einer sehr ländlichen Gegend auf, so dass Bauernhöfe, Pferdekoppeln und streunende Hunde und Katzen Bestandteile meiner Kindheit waren. Mit Beginn meiner Schulzeit „entdeckte“ ich die Pferde für mich, wie viele Mädchen in diesem Alter liebte ich „mein“ Pferd und in der Pubertät waren sie mir oftmals der einzige Trost. Bis heute ist die Leidenschaft zu den Vierbeinern ungebrochen. Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie eng man mit seinem Haustier verbunden sein kann, wie sehr man, nicht nur als Kind, mit ihnen leidet und ihren Verlust betrauert. Zugleich habe ich am eigenen Leib oder bei Mitmenschen erleben können, wie positiv Tiere sich auf den Menschen auswirken können. Die schnurrende Katze auf dem Schoß, der schlafende Hund zu Füssen oder ein gemächlicher Ritt durch die Natur - Alltagsbeispiele, die viele von uns kennen und wissen, wie entspannend, beglückend und aufheiternd ein Zusammensein mit Tieren sein kann.
Es scheint eine „neue Mode“, dass man zunehmend Slogans hört wie: „zurück zur Natur“, „der Mensch besinnt sich auf seinen Ursprung“, „Tiere helfen Menschen“ oder „Tiere als Therapeuten“. Ein jeder mag schon von „Delfintherapien“ gehört haben, aber dass auch „alltägliche“ Tiere, wie Hunde im Altersheim oder Kaninchen auf dem Krankenbett therapeutisch wirksam sein können, erscheint neu. Als sehr tierbegeisterter Mensch bin ich der festen Überzeugung, dass ein (Haus-) Tier dem Menschen „helfen“ und heilsam sein kann. Mein „persönlicher Therapiekater“ ist ein gutes Beispiel dafür - er „weiß“, wann ich Sorgen habe und kuschelt sich dann eng an mich oder springt einem kummervollen Freund auf dem Schoß, schnurrt und spendet allein damit schon Trost. Doch gibt es wissenschaftlich fundierte Studien und Nachweise für dieses subjektive Empfinden? Und worauf stützen sich die Thesen, dass Tiere Mensche helfen können? Und vor allem, wie helfen sie dem Menschen?
Während meines Studiums wurde dieses Themengebiet nie bearbeitet, sodass sich mir hier die Gelegenheit bot, ein völlig neues Themengebiet zu erschließen. Die steigende Anzahl an Publikationen und wissenschaftlichen Arbeiten zum Thema „Therapie & Pädagogik mit Tieren“ zeigt, dass diese heranwachsende Wissenschaft nicht länger als „Modeerscheinung“ abgetan werden kann.
2. Einleitung
Die heutige Gesellschaft scheint zweigespalten im Umgang mit den Tieren und der Umwelt. Früher waren sie Nutztiere, die der Lebenserhaltung und Ernährung der Menschen dienten. Heute gelten einige Tiere als „Helfer und Heiler“, sind manchmal gar Partnerersatz und werden aufwendig umsorgt und gepflegt. Es gibt (Wellness-) Hotels für den geliebten Vierbeiner, homöopathische Therapien, kostspielige medizinische Versorgungen und Operationsmöglichkeiten und Tierfriedhöfe. Tiere fungieren als Servicetiere, zum Beispiel als Begleithund für Körperbehinderte oder für Blinde, aber auch Katzen, Schafe, Lamas und andere Nutztiere werden in Besuchsdiensten oder Therapien eingesetzt. Mit der Entdeckung positiver Wirkfaktoren durch die Tiere wird von der Entwicklung eines neuen Wissenschaftszweiges, der „Mensch-Tier-Beziehung“, gesprochen, dessen Konturen noch nicht ganz klar sind. Strenggenommen hätte diese Wissenschaft noch nicht einmal einen Namen. „Im Spiel sind folgende Wissenschaften: menschliche und tierische Verhaltensforschung, allgemeine und spezielle Psychologien, Psychoanalyse und Psychiatrie, Soziologie, Pädagogik, Gerontologie, Sozialisationsforschung, Human- und Veterinärmedizin.“
Andererseits nimmt die Umweltzerstörung (siehe den oft genannten „Klimawandel“) und damit auch die Ausrottung von Tierarten zu. In Tierversuchen, Massentierhaltungen und „modernen“ Züchtungen werden Tiere gequält und dienen der menschlichen Gesellschaft ohne Rücksicht auf ihre Empfindungen. Der Alltag des Menschen wird vielfach technisiert und dabei scheint die Sehnsucht nach der Natur zu wachsen. Slogans wie „Zurück zur Natur“ oder „Urlaub auf dem Bauernhof“ hört man vielfach. Es sei daher die Herausforderung des 21. Jahrhunderts, der zunehmenden Umweltzerstörung entgegen zu wirken und ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Umwelt und Mensch anzustreben. Der Mensch scheint zu merken, dass er ohne die Natur und den Bezug dazu (in Form von Tieren) nicht leben kann und ihm etwas fehlt.
Vorliegende Arbeit vermittelt zuerst einen Überblick über die Entwicklung der Mensch-Tier-Beziehung, welche sich auf der gemeinsamen Evolution begründet und durch Mythologie und Religion beeinflusst wurde. Im Folgenden wird aufgezeigt, warum und wie Tiere sich auf die Physis und Psyche des Menschen und auf ausgewählte Gruppen auswirken können. Dabei wurde bewusst auf die Darstellung der vielbeschriebenen Delfintherapie verzichtet, deren Wirkungen bereits wissenschaftlich belegt ist. Vorliegende Arbeit soll aufzeigen, dass auch „europäische“ Haus- und Nutztiere therapeutisch wirksam und die Therapien vergleichbar effektiv sein können.
Der zweite Teil stellt die Besonderheit der Mensch-Pferd-Beziehung in den Vordergrund und die Einsatzmöglichkeiten dieses Tieres in Pädagogik, Psychologie, Psychiatrie und Medizin dar. Zum Abschluss wird ein kurzer Überblick gegeben, welchen Anforderungen ein Therapiepferd genügen muss, um als solches arbeiten zu können. Zugleich soll damit verdeutlicht werden, dass nicht jedes beliebige Tier in der Therapie eingesetzt werden kann und die Therapie für die Co-Therapeuten (Schwerst-) Arbeit bedeutet.
Die überwiegende Verwendung der männlichen Bezeichnungsform soll der besseren Lesbarkeit dienen. Grundsätzlich sind mit dieser Formulierung sowohl Männer als auch Frauen gemeint.
3. Mythologie und Geschichte der Mensch-Tier-Beziehung
Die Beziehung von Mensch und Tier unterliegt seit je verschiedenen religiösen, kulturellen, mystischen und ökonomischen Einflüssen und wandelte sich entsprechend dem Zeitgeist. „Der kulturelle, ökonomische und soziale Stellenwert, den eine Gesellschaft den Tieren gibt, lässt immer auch auf die Haltung der jeweiligen Gesellschaft mit ihren Wertvorstellungen schließen“ . Zudem können daraus Rückschlüsse auf die Bewertung des Lebens und die Wertschätzung der Tiere gezogen werden.
3.1 Mythologie
Sagenumwoben sind die Halb-Mensch/Halb-Tier-Wesen, welche in beinah jeder Kultur zu finden sind. Die Sphinx, ein ägyptisches Steinbild in Löwengestalt mit Menschkopf; der Zentaur, welcher der griechischen Fabelwelt entstammt (Pferdeleib mit menschlichem Oberkörper), pelzfüßige Trolle, Meerjungfrauen, Engel, Minotaurus (griechisches Sagenwesen, halb Mensch- halb Stier) trieben mit den Menschen Handel und waren ihnen hilfreich - im Alltag wie im Erleben des Mystischen. Zugleich demonstrieren sie die enge Verbindung von Mensch und Tier.
Die Frühmenschen glaubten daran, dass jede Kreatur eine unverwundbare, unsterbliche Seele besitzt und jede Tierart einen Wächtergeist besitzt, der das Töten eines Tieres rächen wird. Um diesen zu besänftigen, wurde Tiere zur Gottheit erhöht. Die Menschen begegneten den Jagdtieren mit großem Respekt, Ehrerbietung und Achtung seiner Fähigkeiten, brachten nach Erlegen des Tieres Sühneopfer, gaben Gastmahle zu Ehren des Tieres und besangen die Auferstehung von diesem in den Himmel. Wahrscheinlich dienten die Höhlenmalerein von Pferden, Auerochsen, Mammuten, Bären, Nashörner u.a. der Versöhnung mit den gejagten Tieren, sie sollten in den Bildern weiterleben. Ähnliche Beschwörungs- und Entschuldigungsriten werden noch heute in Naturvölkern gelebt. Selbst im hiesigen Jagdbrauchtum hat sich ein ähnlicher Ritus erhalten, indem dem erlegten Tier zur Ehrung ein Baumzweig in das Maul gelegt wird („letzte Äsung“). Die Bilder und Zeichnungen früherer Menschen zeigen aber auch, dass sie Tiere als verwandtschaftlich verbunden erlebten und sich noch nicht über diese erhoben. Tiere wurden und werden gegenwärtig von traditionellen Völkern als heilig verehrt und die Beziehung zu ihnen ist von jeher mehr als eine reine Nutzbeziehung, vielmehr von gegenseitigem Respekt und vielfältigen Formen des Zusammenlebens gekennzeichnet. Frühzeitliche Kulturen schrieben bestimmten Tieren einen gottähnlichen Status zu bzw. sahen sie als Vermittler zur Götterwelt und als Botschafter göttlicher Botschaften. Aufgrund ihrer spirituellen Begabung waren sie den Göttern mehr zugewandt und folglich dem Menschen übergeordnet. Sie zu töten, würde die Verbindung zu Gott trennen. Zum Beispiel galten Hunden im Alten Ägypten als heilig, u.a. dargestellt im hunde- oder schakalköpfigen Gott der Toten - Anubis, zugleich Arzt und Apotheker der Götter und Hüter sämtlicher Geheimnisse der Mumifizierung und Reinkarnation. Die Tiere wurden nach ihrem Tod einbalsamiert und auf einem eigenen Hundefriedhof bestattet. Auch in vielen anderen Völkern wurde insbesondere dem Hund heilende Fähigkeiten zugeschrieben, beispielsweise die Sumerer, Babylonier (Gott der Heilkunst als Hund bzw. in Hundegestalt) oder die alten Griechen. Sie glaubten, dass Hunde Krankheiten heilen könnten und nutzen sie als Co-Therapeuten in ihren Heiltempeln. Der oberste Gott der Heilkunst, Asklepios, würde seine Heilkraft durch heilige Hunde übertragen. Gegenwärtig werden sie, entgegen der sonst liebevollen Beziehung von Mensch und Hund, in der arabischen Welt teils verachtet und werden in Teilen von Birma, Indonesien und Polynesien auch nicht sehr geschätzt, dienen dort sogar als Menschennahrung.
Die bis heute existierende radikal-ethische Religion des Janismus, welche im 6. und 5. Jahrhundert v. Chr. entstand, hat als oberstes Prinzip das strikte Verbot lebende Wesen zu töten oder schädigen. Im Hinduismus und Buddhismus werden noch heute die Ansichten vertreten, dass Tiere dem Menschen ebenbürtig seien und das Töten der Tiere zur Nahrungsgewinnung ist somit verboten. In Indien gelten Elefanten, Kühe (als Symbol der mütterlichen Schöpfungskraft) und Affen als heilig - Beispiele dafür, dass das Gefühl des Verbundenseins früherer Zivilisationen bis in die Neuzeit anhält.
Andere Traditionen sahen in der Erbringung von Tieropfern zu Ehren der Natur die Garantie, den ewigen Kreislauf von Leben und Tod zu erhalten. Die Besetzung von Tierbildern mit Symbolen ist Ausdruck der Wertvorstellungen und Traditionen der jeweiligen Gesellschaft. Zugleich waren sie oft übertrieben dargestellt und mit Zuschreibung von Fähigkeiten versehen, womit der Mensch sich Zusammenhänge zu erklären versuchte, welche mit Sinn und Verstand nicht erfasst wurden bzw. nicht ausreichend verbalisiert werden konnten. Aus diesem Unvermögen entstanden mystische (Tier-)Gestalten, die naturhafte Ereignisse erklärbar machten. Aus den Helfer- und Krafttieren wurden Wappentiere, mit denen sich im Mittelalter Ritter und ganze Familien identifizierten. Später trugen auch Berufsgruppen und Zünfte eigene Symboltiere (bspw. die Schlange mit dem Äskulap - Stab als Symbol der Heilberufe). Wappentiere prangten auf Fahnen, an Burgen, auf Siegeln, Münzen, Rüstungen, heute noch in Stadtwappen oder für ganze Länder (bspw. Bär für Stadt Berlin, Bär für Russland, Adler für Deutschland und USA, Hahn für Frankreich), deren Eigenschaften auf menschliches Verhalten und Handeln projiziert werden sollen. Weiterhin tragen Gasthäuser (meist an alten Handelsstraßen gelegen) oft Tiernamen und Fußball-, Baseball- und Eishockeymannschaften (bspw. Eishockeymannschaften Eisbären Berlin, Füchse Weißwasser) wollen sich in „ihrem“ Tier wiedererkennen. „Tiere als Sinnbilder sind fester Bestandteil unserer gegenwärtigen Umwelt und dienen als Imageträger.“ Selbst in der Werbung werden Krafttiere eingesetzt (bspw. Kaffeesahne Bärenmarke, Krokodil bei LaCoste, Tiger im Tank für Kraftstoff), womit Einfluss auf unser Unterbewusstes ausgeübt und Handlungen gelenkt werden sollen. Ein realistischer Bezug mag dabei oftmals zweifelhaft erscheinen.
3.2 Geschichte
Unsere frühen Vorfahren lebten als Jäger und Sammler, wobei das Sammeln wichtiger war als die Jagd. Sie verstanden sich als Teil der Natur und ihr Schicksal mit dem der Tiere in einen natürlichen Kreislauf eingebettet. Sie lebten „wie Bruder und Schwester“ mit den Tieren, ungleich doch wesensgleich, sahen sich als den Tieren gleichwertig und achteten diese. „Das Leben der damaligen Menschen war symbiotisch mit jenem der Tiere verbunden; ...“ Diese Einstellung zu Tieren und der Umwelt veränderte sich mit zunehmender Sesshaftigkeit und dem Wandel von der Jagd als Lebensgrundlage hin zur Landwirtschaft, als sich mit dem Ende der Eiszeit die Steppen zu unwirtlichen Wäldern wandelten und Tierherden sich dezimierten. Die bis dahin geltenden friedliche Co-Existenz wurde mit der Domestikation der Tiere durch den Menschen und damit einhergehenden Kontrollgewinn über diese stark verändert. Der Mensch begann das Tier beherrschen und kontrollieren zu wollen, nutzte es für seine Bedürfnisse und erhöhte sich gegenüber dem Tier. Sie dienten der Lebensgrundlage und dem Wohl der Menschen Zugleich mussten die Menschen "ihre" Tiere versorgen, ihre Bedürfnisse kennen und entsprechend beantworten um ihre Vitalität und Nutzbarkeit zu erhalten. Dabei gingen sie eine persönliche Beziehung zu ihnen ein .
Das Aufkommen erster Haustiere (gezähmte Hunde) zum Nutzen der Menschen wird auf den Zeitraum 12.000 bis 10.000 v.Chr. datiert. Andere Tiere, beispielsweise Katzen und Pferde, wurden erst vor 5000 Jahren domestiziert. Die Beweggründe zur Domestikation des Hundes, des Menschen ältestem Haustier, sind nicht eindeutig geklärt - war sein Nutzen (bspw. Wachhund) für den Menschen wichtig oder seine beruhigende, zugleich belebende Gefährtenschaft? Neue Untersuchungen zeigen, dass der Hund sogar mehrmals domestiziert wurde und fortwährend mit wilden Wölfen gekreuzt wurde. Dabei scheint es das einzige Haustier zu sein, das freiwillig beim Menschen blieb, ihn als vollwertigen Sozialpartner ansah und dessen Gesellschaft der von Artgenossen vorzog. Der australische Tierarzt David Paxton ist sogar der Ansicht, dass nicht so sehr der Mensch den Wolf, sondern dieser den Menschen domestizierte. Es bestehen ein beiderseitiger, langfristiger Nutzen und eine symbiotische Beziehung zwischen Mensch und Hund wie bei keinem anderen Haustier, so dass dieser eine Sonderstellung gegenüber anderen Tieren einnimmt.
Bei der Katze kann darüber hinaus jede Nützlichkeitserwägung zur Domestikation abgesprochen werden. Erst nachdem sie aus den Städten verbannt wurde, sich in die Wälder zurückzog und verwilderte, kehrte sie in der Neuzeit zurück in die menschliche Nähe, um Schädlinge aus dem Haus zu halten. Nutztiere wie Pferde, Wasserbüffel oder Hühner wurden eingefangen und gezielt gezüchtet, so dass ein Jagen dieser Tiere nicht mehr nötig war, da sie permanent als Nahrungslieferant und Last- und Zugtier zur Verfügung standen. Der Mensch erhob sich als Herr über Leben und Tod der Tiere und degenerierte sie zu seinen Sklaven, rückte somit immer mehr von der früheren Beziehung zum Tier ab.
In der Antike (in Griechenland, Indien, Persien, Ägypten, Spanien) waren die Tiere eng in den Alltag des Menschen eingeflochten. So dienten Ochsen in der Landwirtschaft, Pferde wurden im Militär eingesetzt und Stutenmilch als Nahrungsmittel verwertet. Ferner dienten Hunde in der Bewachung der Pharaonengräber. Dennoch besetzten sie nicht nur einen funktionalen Status, sondern verkörperten in vielen Kulturen auch das spirituelle und religiöse Leben. Ein Beispiel aus dem 17. Jahrhundert (Hochmittelalter, frühe Neuzeit) zeigt, dass die Spiritualität der Tiere auch negative Entwicklungen zu Folge haben kann, als Katzen als Teufelstiere verurteilt und bis zur fast vollständigen Ausrottung verfolgt und getötet wurden. Einzig in Ägypten war dies verboten, da sie als heilig galten . Tierliebe wurde im Europa des Mittelalters grausam verfolgt und bestraft: Frauen, die eine Affinität zu Tieren, insbesondere Katzen besaßen, wurden der Geisterbeschwörung und der Nutzung schwarzer Magie angeklagt und als Hexe verurteilt und verfolgt. Das Bild der verschlagenen, untreuen Katze, die sich nicht an Ort und Mensch bindet, hat sich bis heute gehalten, wobei Katzen, die mit Menschen zusammen leben, an sozialer Sensibilität dem Hund in nichts nachstünden .
3.2.1 Christliche Religion und der Wandel der Mensch-Tier-Beziehung
Das Naturverständnis änderte durch die aristotelische Lehre (Aristoteles lebte von 384 bis 322 v.Chr.), welche postuliert, dass Veränderungen in der Natur wahrgenommen und mit Hilfe der Vernunft und der Wirklichkeit systematisiert und ergründet werden könne. Tiere besitzen eine gewisse Wahrnehmungsfähigkeit und könnten eine untere Erkenntnisstufe erreichen. Alle Lebewesen durchlaufen sogenannte Entwicklungsstufen und es würde sich, abhängig vom Verhältnis von sinnlicher Wahrnehmung und Vernunft, eine Stufenfolge aller Lebewesen ergeben, bei der das Tier eine untergeordnete Stellung einnimmt. Die Abfolge "Mensch-Tier-Pflanze", bei das niedere Vermögen vom Höheren eingeschlossen wird, wird als Argument wie Legitimation für die Unterwerfung des Tieres angesehen. „Die aristotelische Annahme wurde Basis des abendländischen Verständnisses der Mensch-Tier-Beziehung und bestimmte so auch die entscheidend das menschliche Handeln gegenüber dem Tier mit.“
Diese Reihenfolge wird von Thomas von Aquin (Dominikaner, 1225- 1274) als gottgewolltes Recht erklärt. Demzufolge stehe dem Mensch die Herrschaft über andere Lebewesen zu, da der Gott der Christen die Natur erschaffen hat und kein Teil dieser ist. Der Mensch wurde so "auf einen Sockel ins Zentrum der Schöpfung" gestellt. Die archaische Verbindung zwischen Mensch und Tier zerriss. Die jüdisch-christliche Kultur verschärfte diese Aussage:
„Das Tier ist geschaffen, um den Menschen zu dienen Der Mensch hat nicht nur die Macht über, sondern auch die Verantwortung für das Tier.“
Im Frühchristentum wurde alles Animalische im menschlichen Verhalten stigmatisiert und unerwünschtes Verhalten dem Bösen zugesprochen. Tiere wurden dämonisiert und das Christentum grenzte sich immer mehr von anderen Religionen, die beispielsweise die Anbetung von Tieren vertraten, ab. Ebenso wurde der Schamanismus, eine Urreligion, die „...über ein fast verloren gegangenes Wissen von der Verbindung zum Tierreich und zur Natur, der menschlichen Seele und von Heilmitteln für unsere heutige Psyche verfügt.“ , vom Christentum dämonisiert und auszulöschen versucht. Noch heute sind Schamanen in Tibet, Nepal, Indien, Russland, Korea, Afrika, auf den Philippinen und beim Volk der Samen zu finden und dort überwiegend als Heiler tätig. Mit der Hinwendung zum Monotheismus wurde das Tier als Mittler zu Gott entbehrlich. Kulturen, die an dieser Verbindung festhielten, bspw. Indien, galten als rückständig und empfingen Misstrauen, teilweise Verachtung von der sich von der Natur entfernenden „zivilisierten“ Welt.
Die christliche Schöpfungstheologie gipfelte in den Aussagen des französischen Philosophen René Descartes (1596- 1650), ein Novum in Theologie und Philosophie. Demnach seien Tiere "... komplexe Apparate, die (vergleichbar mit Automaten) nach einem mechanischen Prinzip funktionieren, aber nicht in der Lage seien bewusst zu denken oder zu fühlen" . Nur der Mensch besäße demnach eine unsterbliche Seele. Diese Ansicht (= Cartesianismus) wurde als Rechtfertigung für grausame Experimente an Tieren heran gezogen, jedoch ab dem 18. Jahrhundert in Frage gestellt und der Tierschutz erlangte in Folge immer mehr Aufmerksamkeit. Man erkannte, u.a. nach ethischer Reflexion der Schriften Rousseaus (1712-1778), dass Tiere gleich dem Mensch fühlen und sensitiv wahrnehmen, so dass das ethische Handeln auf dem Empfindungsvermögen der Tiere basieren musste. Erste Tierschutzbewegungen organisierten sich und erwirkten bspw. 1822 in England „Martins Act“ (auf die Initiative des Parlamentariers Richard Martin hin erlassen). Die seit 1770 bestehende Rechtsordnung war damit rechtlich verankert und in Folge grausame und mutwillige Tiermisshandlung strafbar.
Eine Ausnahme findet sich in der Person des Franz von Assisi (geboren 1181 oder 1182, gestorben 1226). Er ist ein Heiliger der römisch-katholischen Kirche und predigte Zuneigung und Einfühlsamkeit gegenüber Tieren, womit die Theologie des Christentums vereinbar wäre. Er sah Tiere als lebendige Geschöpfe Gottes und als Bruder der Menschen an. Er sprach:
„Alle Geschöpfe der Erde fühlen wie wir, sie streben nach Glück wie wir, sie lieben und sterben wie wir. Also sind uns alle Geschöpfe gleichgestellt.“
Franz von Assisi hätte mit Wölfen und Vögeln gesprochen und die Fähigkeit mit Tieren zu sprechen galt im Mittelalter und lange danach als untrügliches Zeichen für Heiligkeit. Er postulierte den Einheitsgedanken der Schöpfung im Sinne der Gleichheit aller vor Gott und untereinander und lebte diese Einstellung auch vor. Zwei Jahre nach seinem Tod wurde er am 4.Oktober 1228 heilig gesprochen und dieser Tag gilt international als „Welttierschutztag“.
Die bis dato als einzig wahre angesehene christliche Schöpfungsgeschichte, wurde durch die Evolutionstheorie Charles Darwins (1809- 1882) grundlegend erschüttert und sorgte für Unmut seitens der Geistlichen. Darwins Theorie besagt, dass der Mensch den Primaten zuzuordnen und das Tier somit der Vorfahre des Menschen ist. In Folge fand der Umwelt- und Tierschutz stärker Beachtung und wurde intensiviert, auch die Haltung von Haustieren wurde populärer, und der Mensch sah sich wieder als Teil der Natur. Der Schöpfungsgedanke des Christentums ordnet dem Menschen alles andere Leben unter und die Kirche widersprach auch nicht der Lehre Descartes. Die Theorie Darwins wurde spöttisch abgewertet, zugleich wird von Beziehungen des Menschen zu den Tieren berichtet, welche dem Menschen halfen, bspw. die Taube, die Noah die Flut ankündigt, Hieronymus, der von einer Löwin genährt und beschützt wird und Daniel in der Löwengrube, der von diesen verschont blieb. Die Tierschutzbewegungen des 18. und 19. Jahrhunderts sind dennoch überwiegend von Atheisten und Antiklerikern ausgegangen .
Das Tier diente dem Menschen in vielerlei Hinsicht: als Nahrungs- und Kleidungslieferant, als Nutz- und Lastentier oder auch als Wachschutz und Wärmequelle. Durch Zähmung und Domestikation verloren die ehemaligen wilden Tiere ihren Fluchtrieb, so dass unseren heutigen Heimtieren die Flucht- und Individualdistanz fehlt und sie sich meist gern berühren und streicheln lassen. Das tiergestützte Helfen und Heilen sei die vermutlich intensivste Form der Domestikation der Tiere, da das Tier nicht nur im Dienst des Menschen stünde, sondern alleine seine Existenz hilfreich sei . Als „Gegenleistung“ empfängt das Tier Schutz, Nahrung und Kameradschaft, wobei man im Fazit sehen muss, dass der Mensch von dieser Beziehung mehr profitiert als das Tier, sich sogar eher negativ auf andere Spezies und ihre Lebensbedingungen ausgewirkt als andersherum .
3.3 Ambivalente Beziehung in der modernen Gesellschaft
In der modernen Zeit werden Tiere oftmals zu Objekten degradiert, die Nahrung und Rohstoffe liefern, als Versuchstiere nützen, ansonsten jedoch überflüssig sind. „Die noch immer vorherrschende orthodoxe mechanistische Theorie des Lebens (abgeleitet von Descartes, Anm.d.Verf.) behauptet, dass lebende Organismen nichts weiter seien als komplexe, genetisch programmierte Maschinen. Sie gelten als unbeseelt und seelenlos.“ Zugleich leben in deutschen Haushalten 22,7 Millionen Heimtiere, davon 7,2 Millionen Katzen, 5,8 Millionen Hunde und 5,8 Millionen Kleintiere wie Meerschweinchen, Kaninchen und Hamster. Fast 50% der Tiere leben in Familien mit Kindern. In Westeuropa lebt in fast jedem zweiten Haushalt ein Haustier. Das sind geschätzte 30 Millionen Hunde, 28 Millionen Katzen und 45 Millionen andere Säugetiere, Fische und Vögel innerhalb der EU, in den USA sogar 480 Millionen Haustiere bei 230 Millionen Einwohnern . Einerseits werden
„...Tiere als Ersatz zwischenmenschlicher Beziehungen liebevoll umsorgt und vermenschlicht ... [andererseits fallen]... in den Schlachthäusern täglich unbemerkt tausende Tiere dem übermäßigen Fleischkonsum zum Opfer..., denen jeder Form von Würde oftmals genommen wird."
Es bestehe eine gewaltige Kluft zwischen dem tierischen Gefährten als Familienmitglied, einer Ich-Du-Beziehung, und Tieren in industriellen Viehzuchtbetrieben und Versuchslaboren, einer Ich-Es-Beziehung. Frömming beschreibt die Bindung des Menschen zu Tier und Umwelt als ambivalent und zwischen den Polen „Verwendung, Kontrolle“ und der Sehnsucht nach dem „Bruder Tier“ schwankend.
Der Mensch befinde sich in einem Konflikt, denn um Nahrung zu besitzen müsse er Tiere und Pflanzen schädigen, wobei nach Koltermann (Jesuit, Naturphilosoph) vielmehr nach Quantität und Qualität dieser Schädigung gefragt werden müsse, da der Mensch an diese Naturzusammenhänge unschuldig gestellt wurde. John Passmore (1980) wiederum beruft sich auf Kant und sieht den Menschen als einziges Subjekt und Objekt der Sinnlichkeit, so dass die Natur nur Mittel und zu benutzen sei. Vertreter des radikalen Biozentrismus hingegen, sprechen dem Menschen jede Sonderstellung innerhalb der Natur ab. Der gemäßigte Biozentrismus sieht in den Tieren als empfindsames Wesen ein Subjekt von Zwecken, dass Schmerzen fühlen kann, die es zu vermeiden gilt, da sie wie Menschen empfinden. Folglich könne es nicht mehr als bloßes Mittel im Dienst für den Mensch betrachtet werden.
4. Aspekte der Interaktion zwischen Mensch und Tier
4.1 Verbundenheit der Menschen und Tiere und Erklärungsversuche der therapeutischen Wirkung
Die meisten Menschen haben ein Lieblingstier oder eine große Abneigung gegen eine bestimmte Spezies, und können daher entsprechend ihrer Vorliebe als „Pferdemenschen“, „Katzenmenschen“, „Hundemenschen“ etc. eingeordnet werden. Die Liebe zur favorisierten Spezies spiegelt die Tiefen der Seele wider, da das Lieblingstier die Eigenschaften besitzt bzw. das symbolisiert, wonach man strebt. Sollte jemand kein spezielles Tier mehr als andere mögen, kann dies ein Indiz sein, dass dieser Mensch die oft widersprüchlichen Facetten der Natur in sich in ein Gleichgewicht gebracht hat. Dabei kann der Mensch von jedem Tier etwas lernen: sei es das Loslassen in einer Beziehung im Zusammenleben mit der selbstständigen Katze, die gerne ihre eigenen Wege geht, geduldiges Abwarten im Umgang mit der langsamen, eigenbrötlerischen Schildkröte oder im Umgang mit dem Hund, der eine verlässliche und liebevolle Zuwendung und Versorgung fordert.
Scheldrakes morphologische Felder
Rupert Scheldrake beschrieb die Verbindung zwischen Mensch und Tier mit den Begriffen „morphologischer Resonanz“ bzw. „morphogenetischer Felder“. Innerhalb eines solchen Feldes seien die Mitglieder miteinander derart emotional verbunden, dass sie telepathisch miteinander kommunizierten. Durch die Elastizität der sozialen Bande geschieht dies unabhängig in welcher Distanz sie sich voneinander befinden. Er schreibt Tieren teils paranormale, wissenschaftlich meist nicht erklärbare und daher tabuisierte, Fähigkeiten/ Wahrnehmungsvermögen zu: Telepathie (zwischen Mensch und Tier in beide Richtungen, z.B. „wissen“ Hunde, teils auch Katzen, wann ihr Mensch nach Hause kommt), Orientierungssinn (Vögel finden ihren Weg über tausend Kilometer, selbst domestizierte Tiere finden ihr Zuhause/ ihren Menschen in weiter Entfernung wieder „... als wären sie durch ein unsichtbares Gummiband verbunden.“ und Vorahnungen (Warnen vor Erdbeben). Dies konnte er in verschiedenen Experimenten auch nachweisen. Sheldrake führt weiter aus, dass der Beziehung zwischen Mensch und Tier nicht nur eine metaphorische, sondern eine reale Verbindung zu Grunde läge. Die Bande zwischen Mensch und Tier seien eine Art Kreuzung aus den Beziehungen der Tiere untereinander, welche wie wir von Natur aus sozial seien, und der Zwischenmenschlichen.
Der Philosoph George Jaidir bezeichnet diese Bindung gar als „Nabelschnurprozess“ , folglich wäre Kommunikation inner- wie außerhalb von Spezies möglich. Ein Großteil der Indianerstämme in Nordamerika verfolgen ihre animistische Tradition (Animismus: besonderer Völkerglaube, der Glaube an seelische Mächte, Geister) noch heute. Sie glauben daran, dass jedem Mensch ein Totemtier bestimmt ist, welches ihm ein Vorbild sein und Ungleichgewichte der Energien in dem Menschen ausgleichen soll. Das Pferd weist demnach ein Gleichgewicht an Yin- und Yan- Energien auf. Löwen oder Rotwild haben dagegen ein Übergewicht auf einer Energieseite und nützen folglich den Menschen als Totem, die auf dieser Seite ein Defizit aufweisen. Animistische Beziehungen seien deswegen so machtvoll, da sie über die körperliche Dimension hinausgehen. Ähnliche Ansichten vertrat Franz Meyer Ende des 18. Jahrhunderts. Er sah in der Verbindung zur Tierwelt einen „animalischen Magnetismus“, dessen Energien angezapft und für die physische und mentale Heilung genutzt werden könnten.
4.1.1 Gemeinsame Evolutionsgeschichte
Die grundlegendste Annahme besteht in einer archaischen Verbindung zwischen Mensch und Tier, welche eine gemeinsame Kommunikationsebene eröffnet und tiergestützte Therapien erst möglich macht .
Tatsächlich gibt es eine physiologische Basis für das Gefühl der Verwandtschaft und Identifikation mit der Tierwelt. Da der Mensch die Evolutionsgeschichte mit anderen Lebewesen teilt, haben sich diese Erfahrungen in morphologischen wie physiologischen Merkmalen, aber auch in sozialen und psychologischen Prozessen niedergeschlagen. So lassen sich in tieferen Neuralschichten des menschlichen Gehirns Strukturen und Funktionalitäten nachweisen, die denen anderer Spezies gleichen. Der Mensch besitzt dabei das am höchsten entwickelte Großhirn im Tierreich.
„Beim heutigen Menschen ist die Verwandtschaft noch in den vielen vitalen Regulationen des Hirnstamms und der tiefen Regionen des Zwischenhirns entsprechend dem Reptilienhirn zu sehen. Die höheren Regionen des Zwischenhirns und seiner Funktionen, einschließlich emotionaler Reaktionen, lassen uns nach wie vor den älteren Säugern ähnlich sein. Die Entwicklung des Großhirns entspricht der Entwicklung der höheren Säuger“
Während der Keimesentwicklung im Mutterleib wird die Stammesgeschichte rekapituliert, indem der Fötus bei seiner Entwicklung uralte Strukturen vorübergehend aufweist, wie zum Beispiel Schwänze, Kiemen und sogar Schwimmflossen. Darüber hinaus zeigen Mensch und Tier Gemeinsamkeiten im äußerlichen Erscheinungsbild- beispielsweise in der Anordnung von zwei Augen, Nase und Mund im Gesicht. Aber auch „... vergleichbare Grundbedürfnisse nach Nahrung, Schlaf, Sexualität, spielerischem Kontakt und sozialer Gemeinschaft...“ sind Indizien für die Analogie von Mensch und Tier. Beide Spezies zeigen ähnliche Schemata in der Verhaltensregulation, wenn doch mit artspezifischen Akzentuierungen, bspw. im Umgang mit Hindernissen (Unterwerfung, Überwindung oder Finden neuer Lösungen). Der Mensch ist dem Tier in der Verhaltenssteuerung dem Tier ähnlicher, als er lange Zeit gelten ließ.
Die gemeinsame Evolutionsgeschichte begründet auch das angeborene Interesse der Menschen an den Tieren. Kellert & Wilson zeigten 1993 auf, dass Menschen das Bedürfnis haben, mit anderen Lebwesen in Verbindung zu treten wie auch mit selbst nicht-lebendige Landschaften und Ökosysteme, die Leben zumindest ermöglichen.
Der Mensch lebte immer eng mit anderen Lebewesen zusammen und orientierte sich an diesen und der Natur, da er sich in denselben Landschaften und Ökosystemen aufhielt. Während das Kleinkind noch eine allumfassende Verbundenheit mit der Natur und den Instinkten spürt, entfernt es sich mit steigender Bewusstseinentwicklung von diesem Empfinden. Im Jugendalter findet diese Entwicklung seinen Höhepunkt und erreicht das Wissen um Zweiheit.
4.1.2 Biophilie- Hypothese
In dem Versuch die Verbundenheit des Menschen mit den Tieren zu erklären, veröffentlichte der Biologe Edward O. Wilson 1984 in „Biophilia: The Human Bond with Other Species “ seine Biophilie - Hypothese. Sie besagt, dass der Mensch ein angeborenes Interesse an allem Lebenden hat. Ursache dafür sei die gemeinsam durchlebte Evolution. Es sei eine angeborene Tendenz, die Aufmerksamkeit auf Leben und lebensähnliche Prozesse zu richten. „Er (der Mensch; Anm.d.Verf.) setzt sich mit allen Lebensformen und Lebensprozessen auseinander und empfindet eine Verbundenheit mit allen lebenden Spezies.“ Biophilie sei "...eine physische, emotionale und kognitive Hinwendung zu Leben und zu Natur...[mit einer] fundamentalen Bedeutung für die Entwicklung der Person... " . Der Mensch fühlt demnach eine emotionale Affinität zum Leben und lebensähnlichen Bedürfnissen sowie das Bedürfnis damit Verbindungen einzugehen. Aufgrund dieser Bindung ist es überhaupt erst möglich, dass der Mensch auf Signale des Tieres reagieren kann und dessen Ausdrucksverhalten richtig deutet. Verhaltensweisen der Tiere können somit auf den Menschen wirken, z. B. die beruhigende Wirkung von Fischen im Aquarium. Tiere schafften somit eine „evolutionär bekannte“ Situation, wodurch Transaktionen zwischen den Lebewesen überhaupt erst möglich würden, um aus den bewussten und unbewussten Erfahrungen Heilsames erleben zu lassen.
4.1.3 Du- Evidenz
Menschen und höhere Tiere können miteinander Verbindungen eingehen, die den Beziehungen von Menschen bzw. Tieren untereinander gleichen. Diese können genauso gut funktionieren wie im zwischenmenschlichen Bereich. Im Verhältnis zum Tier braucht der Mensch keine Sprache. Dieses muss jedoch für den Menschen ausdruckfähig sein, wozu bspw. Insekten nicht imstande sind. Deshalb wählt der Mensch solche Tiere als Heimtiere, in deren Ausdrucksverhalten er sich wieder zu erkennen glaubt und die sozial leben. Diese haben ebenfalls das Verlangen nach einer Du- Beziehung, um emotionale und soziale Grundbedürfnisse zu stillen. Dabei geht die Initiative meist vom Menschen aus und es ist unwichtig, ob das Tier die Evidenz erwidert bzw. ob objektiv das Wesen des Partners erreicht wird. Eine Gegenseitigkeit ist keine Voraussetzung, sondern lediglich der Mensch braucht die „subjektive Gewissheit, es handle sich bei einer solchen Beziehung um Partnerschaft“ . Die Du-Evidenz findet Ausdruck in der Namensgebung durch den Menschen, so dass das Tier individualisiert wird und aus der Masse der Artgenossen herausragt. Das Tier wird als Gefährte gesehen, ist oft Teil der Familie mit Rechten und Bedürfnissen, fungiert als Ansprechpartner und in der Zuschreibung personaler Qualitäten. Du- Evidenz basiert auf Erleben und Emotionen, ist Grundlage der Mensch-Tier-Beziehungen und nonverbaler Kommunikation, sowie „... unumgängliche Voraussetzung, dass Tiere therapeutisch und pädagogisch helfen können“ . Trotzdem sollte die Mensch-Tier-Beziehung in sofern ungleich bleiben, dass der Mensch um sein Ich weiß und im Tier nicht ein anders Ich sieht und es damit „vermenschlicht“ (Antropomorphismus).
4.1.4 Weitere theoretische Ansätze
Das Konzept der Biophilie sei eine Bereicherung im Versuch, die spezifische Mensch-Tier-Beziehung theoretisch zu erklären, jedoch dies nicht ausreichend. „Neben weiteren Ansätzen aus der Lerntheorie, Objekt-Beziehungen, Konzepten der Ähnlichkeit und Komplementarität, wurde vor allem auch die Bindungstheorie hinsichtlich ihres Erklärungswertes diskutiert (z. B. Collis & McNicholas, 1998; Endenburg, 1995)“. Weniger dienlich wäre der Versuch, die Beziehung zu Tieren der Mutter-Kind-Bindung gleichzusetzen, da dort ablaufende Interaktionen nicht einfach auf die Mensch-Tier-Beziehung übertragen werden können.
Gemäß dem tiefenpsychologische Ansatz (Levinson) hat der Mensch ein Bedürfnis nach Nähe zum Tier. Eine gesunde Gefühlswelt entsteht durch die Verbindung von unbelebter und belebter Natur, welche sehr gut durch Tiere zu vermitteln ist. Der Psychologe Brickel erläuterte die Wirkfähigkeit anhand des lernpsychologischen Ansatzes. Demnach ändert der Mensch sein Verhalten bzw. behält es bei, je nachdem ob die Rückmeldung aus der Umwelt darauf positiv oder negativ ist. Wird auf ein Verhalten längerfristig nicht positiv reagiert, wird es abgelegt. Die Begegnung mit dem Tier wird von vielen als belohnend empfunden und mit Hilfe der Tiere kann unerwünschtes Verhalten, wie Ängste und Phobien, gelöscht werden. Diese Erklärungsansätze fügen sich jedoch nicht zu einer schlüssigen Gesamttheorie zusammen, teilweise widersprechen sie sich sogar. Bislang fehle es an einer hinreichenden theoretischen Erklärung der hilfreichen Effekte von Tieren auf Menschen.
4.2 Kommunikation von Menschen, Tieren und miteinander
Die Kommunikation von Mensch und Tier ist von wesentlicher Bedeutung in der therapeutischen Situation und jedoch im Gegensatz zu der zwischenmenschlich nonverbal. Bereits der französische Philosoph Michel de Monteigne (1533- 1592) erkannte die Möglichkeiten der nonverbalen Kommunikation und sozialer Beziehungen zwischen Mensch und Tier. Getreu Watzlawick gilt auch in der Kommunikation mit Tieren, dass der Mensch nicht nicht kommunizieren kann. Watzlawick, Beavin und Jackson (1969) unterscheiden die verbal-digitale Kommunikation, welche den Menschen von dem Tier unterscheidet. Sie ist durch Sprache und Schrift ausgestaltet und dient der Vermittlung von Sachinhalten, Wissen und Informationen über Dinge. Dabei kann der Mensch lügen und somit eine Diskrepanz entstehen, zwischen dem was der Mensch sagt und was seine wirklichen Empfindungen oder Bewertungen sind. Die nonverbal-analoge Kommunikation wird hingegen größtenteils ohne Worte, vielmehr durch taktile Interaktionen und nonverbale Signale gestaltet, und drückt Bezogenheit aus. Sie ist ursprünglichste Art der Kommunikation, wenngleich nicht so präzise wie die digitale, und „... nutzt die Sprache der Augen, Mimik und Gestik sowie der Stimme, und evtl. werden zudem Berührungen und Bewegungen berücksichtigt“ . Sie ist ins sofern ehrlicher und „... wird immer dann „gesprochen, wenn intensives Erleben relativ ungebrochen ausgedrückt wird.“, ist in sofern auch die Sprache der Liebenden und des Kampfes. Analoge Kommunikation ist phylogenetisch und ontogenetisch älter als die verbale, im Gegensatz zu dieser frei von bspw. Sarkasmus, Ironie, Lüge, die ein Tier nicht kennt. In der nonverbal-analogen Kommunikation können Erfahrungen (bspw. Urvertrauen erwecken, Beziehungsfähigkeit anbahnen) vermittelt werden, die schließlich in den verbalen Dialog aufgenommen werden können. Diese Kommunikationsform wird auch in der frühen Kindheit zwischen Mutter und Kind verwendet und in der Spiegelung durch die Mutter, gewinnt der kleine Mensch das Gefühl für seine ureigenen Bedürfnisse, die der unmittelbaren Umwelt und lernt diese zu unterscheiden.
Daneben ist die „symbolische“ Sprache ein wichtiges Mittel in der therapeutischen Arbeit. Tiere symbolisieren Gottheiten oder „beschreiben“ Feindbilder, drücken zudem Positionen, besondere Fähigkeiten und Sehnsüchte von Menschen aus. Symbole sind mit einem hohen Gefühlswert beladen und Projektionsfläche von Wünschen, dabei nicht bewusst erdacht, sondern meist aus unbewusster Seelentätigkeit entstanden. Mit dem bloßen Bewusstsein sind sie in ihrer Bedeutung nie ganz auszuschöpfen und dadurch bleiben sie lebendig. Der Mensch vermag nur zu erahnen was sie bedeuten können, zumal sie dem zeitlichen Wandel unterworfen und oft nur für einen gewissen Zeitraum in einem bestimmten Lebensabschnitt bedeutungsvoll sind. Als Verbindung zwischen dem bewussten Ich und tieferen Motivationen, sind sie v.a. in der Traumarbeit bedeutend, da die Psyche in Träumen fortwährend Symbole produziert. Nach Jung ist die Integration von Unbewusstem und Bewusstem ein psychischer Entwicklungsschritt. „Damit erschließt sich der Person die Möglichkeit von Erfahrungen, die über das verbal Mittelbare hinausgehen.“
Die „menschliche“ Kommunikation ist oftmals geprägt von Erwartungen und Eigeninteressen der Kommunikationspartner, bewusster und unbewusster Manipulation, Projektionen oder auch der Kampf um Kontrolle und Macht. All dies ist in der Beziehung zu Tieren sinn- und nutzlos. Das Tier verfolgt keine Eigeninteressen und reagiert unverfälscht auf das ihm Gebotene, auf unsere Gefühle, auch die „unter der Oberfläche“. Dabei „liest“ es die Botschaften, die der Mensch unbewusst mit seinen Bewegungen und Gerüchen aussendet. „Tiere können ahnen, fühlen und verstehen- und zwar in einem Maße, das für uns Menschen immer unerreichbar sein wird“ . Nach Hediger seien Tiere oftmals schneller in der Lage Stimmungen aufzunehmen und entsprechend zu reagieren und seien daher bessere Beobachter, für die der Mensch auf oft unangenehme Weise durchsichtig sei. Sie können in das Innere des Menschen sehen und wir fühlen uns verstanden, obwohl es tatsächlich nicht so sei, dass sie den Menschen einsichtig und verstehend trösten, sondern lediglich auf die Stimmung reagieren ohne die Situation erfassen zu können. Tiere können Angst, Wut, aber auch positive Gefühle wie Zufriedenheit rieche, weil mit Emotionen chemische Veränderungen im menschlichen Organismus einhergehen, welche teilweise zur Ausschüttung von Pheromonen führen. Sie verstehen Menschen anhand der Körpersprache, der Mimik und Gestik, Blickkontakt, Stimmung, Stimme und Köpergeruch. Der Mensch versucht ebenfalls das Tier anhand seiner Gestik, Mimik (z.B. Zähne fletschen), Körpersprache, -haltung (z.B. Ohrenstellung, Schwanzwedeln) und Lautgebung (z.B. Knurren, Schnurren) zu verstehen. Die Ausdrucksweise der Tiere ist eindeutiger als der Mensch dieselben Gefühle verbalisieren könnte. Der Mensch interpretiert das Verhalten der Tiere oftmals falsch, worin die Ursachen für unerfüllte Erwartungen an das Tier und das Fehlen einer gemeinsamen Kommunikationsebene angesiedelt sind. Es gibt „... einen großen Fundus gemeinsamer Grundstimmung bei höheren Tieren, zusammen mit gleichen Ausdrucksformen dafür.“ , sowie vergleichbare Formen im Sozialverhalten (Begrüßungsrituale, Zeichen von Angst), die es uns ermöglichen miteinander zu kommunizieren und zu verstehen. Das Tier spiegelt den (unbewussten) Gemütszustand der Person, so dass sie sich dessen und ihres Kommunikationsverhaltens bewusst wird und diese Erkenntnisse in der therapeutischen Arbeit genutzt werden können. Unsicherheiten des Menschen, welche er unwillkürlich mit der Körperhaltung ausdrückt, werden vom Tier wahrgenommen und mit einem entsprechenden Verhalten „belohnt“. Dies hilft der Person sich selbst einfach und wahr zu erfahren und sich in dieser Form auch mit dem Gegenüber auszutauschen. Beispielsweise reagieren Lamas und Alpakas mit Flucht, wenn der Klient mit einer Nähe-Distanz-Problematik zu stürmisch und übermäßig auf sie zugeht. Er muss daher eine abwartende und geduldige Haltung einnehmen und lernt so das richtige Verhältnis zwischen Nähe und Distanz zu finden.
Damit das Tier vertrauensvoll und ohne Angst eine Beziehung zum Menschen eingehen kann, ist von diesem eine eindeutige Haltung und bewusste, klare Ausdrucksweise gefordert. Der Mensch muss sich auf die analoge Kommunikation einlassen können um einen Kontakt herzustellen. Ihm wird eine „ehrliche, entschiedene und v.a. authentische Haltung seiner Selbst“ abverlangt und diese Fähigkeiten sind auch im zwischenmenschlichen Bereich von Nutzen. Die Kongruenz innerhalb der Person wird vermindert und zwischenmenschliche Kommunikation verbessert, indem verbale (mitgeteilter Sachaspekt) und nonverbale Botschaften (Beziehungsaspekt) besser aufeinander abgestimmt werden. Die Ausdrucksweise des Individuums kann so bereichert und die Sensibilität für andere (Menschen) im Alltag gefördert werden.
Das Haustier ist ein verlässlicher Dialogpartner, der seinem Menschen zuhört, mit dem Gefühle, Ängste, Sorgen und Freude geteilt werden können, der körperlichen Kontakt zulässt und aus dem Zustand der Trägheit oder Traurigkeit heraushelfen kann. Indem es einen Namen bekommt, wird es aus der Masse der anderen Tiere herausgehoben und damit zu einem Individuum und Partner/ Teil im Leben seines Menschen, zu dem sich ein großes Vertrauen und eine innere Bindung aufbauen kann. Menschen können sich Tieren scheinbar eher emotional öffnen und anvertrauen als einem Menschen. Da er sich instinktiv zu dem Tier hingezogen fühlt, welches der eigenen Persönlichkeit am ehesten entspricht, sei es auch Ausdruck des eigenen Selbst gegenüber der Umwelt .
5. Wirkungen und Lerneffekte der Mensch-Tier-Beziehung
5.1 Tiere als Therapeuten?
„Tierliebe heilt. Das ist eine ebenso lapidare wie profunde Erkenntnis, die sich aus wissenschaftlichen Untersuchungen ergab.“ Tiere werden oftmals als Heiler, Therapeuten oder Hilfsmittel zur Heilung betitelt, doch ist diese Idee nicht neu, wie am Beispiel der „heilenden Hunde“ der alten Griechen bereits erläutert wurde. Heilung ist die „Wiederherstellung des Gesundheitszustandes unter Erreichung des Ausgangszustandes“. Jedoch sei der Patient sei durch Erfahrungen während der Krankheit, die daraus resultierende Behandlungen und physischen wie psychischen Therapien geprägt, und für das Leben beeinflusst. Eine Wiederherstellung in diesem Sinne ist daher nicht möglich, jedoch vermag eine solche Behandlung die Lebensqualität zu steigern. Ein heilender Prozess in der Interaktion mit einem Tier heißt nicht, dass durch die Begegnung mit dem Tier die Krankheit geheilt wird, statt dessen würden durch die Begegnung mit dem Tier Impulse gesetzt werden, die körperliche, seelische, geistige, und soziale Kräfte mobilisieren und so zur Heilung beitragen könnten. Dieser Heilungsprozess kann von verschiedenen Tieren in unterschiedlichsten Interaktionen ausgelöst werden, bereits ein Blickkontakt kann Empfindungen bei dem Klienten auslösen. Um die Wirkung von Tieren in Therapie und Pädagogik zu verstehen, ist ein naturwissenschaftliches Verständnis eher irreführend, denn Tiere wirkten nicht wie eine Arznei nach bekannten Kausalbeziehungen um bio-chemische Störungen gezielt zu korrigieren. Positive Wirkungen von Tieren auf Patienten sind auch nur dann zu erwarten, wenn dieser Tiere gern hat, sich an ihnen erfreuen kann, ihnen angstfrei begegnet und den Kontakt befürwortet. Diese Therapieformen sind so effektiv, weil Tiere Kindern, alten, kranken und behinderten Menschen Anreize zur aktiven Mitarbeit bieten und neue Motivation bei "therapiemüden" Patienten erzeugen können. In der Psychiatrie, v.a. der Kinder-Psychiatrie, ist zu beobachten, dass Patienten, die vorher für keine Methode ansprechbar waren, auf Tiere reagieren und so wieder für klassische Methoden empfänglicher werden.
In ihrer Unterstützung der Therapie halten sich Tiere nicht wie der menschliche Therapeut an ein Programm, sie verfolgen keine Therapieziele und es stehen nicht die kognitiven Prozesse im Vordergrund. Stattdessen treten sie mit dem Menschen in eine archaische Verbindung, die auf tiefere als die bewussten Schichten des Nervensystems und so unter der kognitiven Ebene wirkt. Dabei können auch Prozesse auf tieferen Schichten ablaufen, ohne das höhere Schichten beteiligt sind. Demnach sind auch kognitiv eingeschränkte Personen, wie Alzheimer- Patienten in der Lage, mit anderen Lebewesen mitzuleben. Diese These wird u.a. von der modernen Neurologie (Birnbaum & Schmidt 1999) bestätigt und besagt, dass höhere Schichten in ihrer Funktionalität von den tieferen abhängig sind, nicht aber umgekehrt. Therapeutische Effekte von Tieren sind daher nur indirekt kognitiv erfassbar. Es gilt, dass der (heilende) Nutzen von Tieren auf den Menschen im verstärkten Maß für behinderte Kinder gilt. Da sie eine „... ontogenetisch bedingt größere Nähe zu Tieren.“ haben, gelingt die nonverbale Kommunikation besser und die stärkere Vertrautheit zwischen Kind und Tier ließe sich therapeutisch in beide Richtungen nutzen. „Junge Tiere können über das Kindchen-Schema diese emotionale Beziehung noch verstärken.“ .
5.1.2 Ein Beispiel für tiergestützte Therapie mit Kindern und Jugendlichen
Als eine der international renommiertesten und bewährtesten Einrichtungen für tiergestützte Therapie bei Kindern und Jugendlichen gilt „Green Chimneys“, eine Einrichtung in Brewster/ Staat New York. Neben 35 Tageschülern werden bis zu 102 vorrangig männliche Kinder mit verschiedensten Störungen, überwiegend aus den sozialen Brennpunkt der Großstadt New York, in der Einrichtung betreut. Das Klientel ist überwiegend zwischen fünf und zwölf Jahren alt. Einige bleiben bis zu ihrem 21. Lebensjahr, im Durchschnitt jedoch 28 Monate und ca. 60% kehren in ihre Ursprungsfamilie zurück. Sie kommen oft aus Familien mit Drogen- und Alkoholproblemen, ihre Lebensgeschichten sind gekennzeichnet von Vernachlässigung, sexuellen, psychischen, emotionalen Missbrauch. Die Kinder weisen erhebliche schulische Probleme und Lernstörungen auf, versagten nach allgemeiner Beurteilung in allen Bereichen. Das Team der menschlichen Therapeuten ist multiprofessionell und arbeitet eng mit Fachkräften bspw. der Tiermedizin zusammen. Neben der Versorgung der kranken Tiere, gibt es verschiedene Programme, in denen sich die Kinder betätigen, bspw. Outdoor- Programme, Therapeutisches Reiten, dass auch Bewohnern der Umgebung angeboten wird, Besuchsdienste in Schulen, bei denen die Kinder die Tiere vorstellen und die Ausbildung von Behindertenbegleithunden.
Die Einrichtung ist in einer ländlichen Umgebung gelegen und integriert Heim-, Haus- und Wildtiere in sein therapeutisches Konzept. Es gibt über 380 Tiere - Ziegen, Schweine, Schafe, Kühe, Hühner, Kaninchen, Esel, Gänse, Hühner, Pferde u.a. Diese werden oftmals von Tierschutzorganisationen an die Einrichtung übergeben, aber auch ein staatlich anerkanntes Rehabilitationszentrum für Wildtiere ist Teil der Einrichtung. Die Kinder pflegen die verletzten und misshandelten Tiere. Sie erleben dabei wichtig und kompetent zu sein und „... die Erfahrung, dass ein verletztes Tier mit seiner Hilfe überleben kann, vermittelt einem Kind die Hoffnung, dass es auch selbst überleben kann und eine zweite Chance bekommt.“ Im Gegenzug bringen die Tiere den Kindern Vertrauen, Geduld und bedingungslose Liebe entgegen.
Eckpfeiler der Therapie
Den emotional dysfunktionalen und traumatisierten Kindern werden die Pflege und das Wohl der Tiere anvertraut, was ihnen ermöglicht, eine Verbindung zu einem Lebewesen einzugehen. Sie lernen, sich um ein anderes Lebewesen zu sorgen, zu kümmern, fühlen sich dabei erfolgreich und finden eine Basis, emotionale Beziehungen herzustellen. Die Betreuer identifizieren die Fähigkeiten der Kinder und heben diese hervor, um auf den Stärken des Kindes aufzubauen und das Selbstwertgefühl zu stabilisieren. Das gesamte Milieu ist therapeutisch und multiprofessionell ausgerichtet. Es werden absichtlich viele Lehrer, Praktikanten, Berater und Besucher mit den Bewohnern konfrontiert, um ihre Fähigkeiten zu trainieren, sich in die Gemeinschaft zu integrieren, sich auf andere Menschen einzulassen und so zu einem „normalen“ Leben zurück zu finden. Die Einrichtung ist auf besonders junge Kinder ab dem fünften Lebensjahr spezialisiert, um ihnen eine möglichst frühe Rettung statt letzter Chance bieten zu können. Zudem sind bei älteren Kindern die Probleme manifestierter, die Therapie dauert länger und ist mit höheren Kosten verbunden.
Ingesamt sei die Therapie in „Green Chimneys“ ein Vorbild für tiergestützter Therapie: ein multiprofessionellen Team versucht, in ländlicher Umgebung und mit Hilfe von Tieren, die Stärken des Kindes hervorzuheben, Vertrauen in die Menschen und in sich selbst zu vermitteln und den Umgang mit emotionalen und sozialen Probleme zu meistern.
5.2 Wirkungen auf Körper und Geist
Vor allem unerwartete Kontakte zwischen Mensch und Tiere geben Impulse für einen heilenden Prozess. Der Mensch kann sich besser auf den Kontakt einlassen, ohne Erwartungen oder Motive zu verfolgen und steht gespannt und abwartend der neuen Situation gegenüber.
5.2.1 Wirkungen auf die Physis des Menschen
Tiere scheinen sehr komplexe Vorgänge im menschlichen Organismus beeinflussen und fördern zu können, so dass Greiffenhagen behauptet, dass wer Haustiere habe, gesünder und länger lebe. Eine australische Studie konnte zum Beispiel einen Zusammenhang von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und dem Heimtierbesitz nachweisen, demnach die Besitzer deutlich niedriger Blutdruckwerte zeigten. Schon das bloße Betrachten eines Tieres wirke stabilisierend auf Herz und Kreislauf. Tiere verhelfen den Menschen sich zu entspannen, besonders mittels Berührungen, die nicht ungeteilte Aufmerksamkeit aufeinander und Blickkontakt erfordern, bspw. beiläufiges Kraulen, Streicheln und Zersausen des Tierfells. Der Mensch kommt zur Ruhe und auch das Tier entspannt sich. Begleitet vom entspannenden Effekt des Streichelns, würden verschiedene Sinne angesprochen werden und die Wahrnehmung stimulieren, bspw. Vermittlung taktiler Reize durch das weiche Fell, ausgeglichenen Bewegungen, ruhiger Atem (bspw. Schnurren einer Katze) und der Geruch des Tieres. Katcher und Beck testeten 1984 die Reaktion auf verschiedene Entspannungstechniken (stillsitzen und konzentrieren; Poster konzentriert anschauen; Betrachten eines Fischaquariums; Hypnose) während des Aufenthaltes im Wartezimmer eines Zahnarztes. Es konnte nachgewiesen werden, dass die nachhaltigste Entspannung in der Kombination von Hypnose und der Betrachtung eines Zierfischaquariums erzielt werden konnte. Sie erklärten dies damit, dass die Ruhe eines Tieres (=gemächlich schwimmende Fische) ein Bild der „ungestörten Natur“ für den Menschen darstellt, welches er aus der Evolutionsgeschichte kennt, und Sicherheit anzeigten. Die Forscher zeigten auch auf, dass ein Mensch, der mit Tieren spricht, die Stimme verändert und seine Gesichtsmuskulaturen und das Lächeln entspannter wird. Eine andere Studie von Katcher und Lynch zeigte, dass die bloße Anwesenheit eines Hundes im Praxisraum den Blutdruck und die Herzfrequenz der Probanden senken konnte und Stress abbauen ließ und erklärten dies damit, dass der Hund ein Gefühl der Sicherheit und Vertrauen vermittele.
Der körperliche Kontakt zum Tier ist auch von daher enorm wichtig, da in unserer (nördlichen) Gesellschaft überwiegend sparsam mit intensivem körperlichem Kontakt gehandelt wird. Dieser stellt jedoch ein tiefes Bedürfnis eines jeden Menschen nach Berührung und Nähe dar. Dabei verspüren Männer ein ähnlich starkes Gefühl nach Zärtlichkeit, Nähe und nicht-sexueller Berührung, dennoch dürfen sie dies in der Öffentlichkeit noch weniger ausleben als Frauen. Im Anfassen, Streicheln und Liebkosen eines Tieres besteht daher die Möglichkeit, dieses Verlangen unverpönt auszuleben und das hat für Männer eine noch größere Bedeutung als für Frauen. Liebe und Zuwendung sei das Lebenselixier der Seele und folglich auch für den Körper des Menschen.
Neben den direkten körperlichen Auswirkungen regen Tiere zum Spielen und Lachen an, wirken aktivierend auf den Menschen (bspw. Spielen, Gassi gehen, Fellpflege) und lenken von Alltagssorgen und Traurigkeit ab. Zudem ließe deren stressvermindernde Wirkung eine Zuwendung zu anderen Themen als das Krankheitsgefühl zu. Jedoch seien v.a. auf der Seite der psychologischen Wirkungen beachtliche und weitreichende Effekte zu beobachten, u.a. darin, dass Tiere dank ihres motivierenden Auforderungscharakters psychisch kranke Patienten aus ihrer Isolation herauslocken könnten. Kranke oder alte Menschen sind motiviert, trotz Schmerzen oder mühsamer Wege, diese Strapazen auf sich zu nehmen, um bspw. in den Garten zu den Tieren zu gelangen oder sie zu streicheln. Somit werden motorischen Fähigkeiten geschult, wozu der Krankengymnast die Patienten nur schwer bewegen kann.
5.2.2 Auswirkung auf seelischer und geistiger Ebene
„Eisbrecher“-Funktion der Tiere
Greiffenhagen schreibt Tieren „die Rolle als soziales Gleitmittel“ zu, was bedeutet, dass Tiere bei der Überwindung von sozialer Einsamkeit bzw. bei der Kontaktaufnahme zu Mitmenschen hilfreich sein können. Einerseits sind sie dem Besitzer ein ständiger (Ersatz-) Dialogpartner, der immer Zeit für „seinen“ Menschen hat, so dass sich auch der alleinstehende Mensch ständig in soziale Interaktion übt und kommunikative Fähigkeiten erhalten bleiben. Andererseits werden Menschen in Begleitung von Tieren positiver von Mitmenschen eingeschätzt und oft dienen Tiere auch als Aufhänger für Gespräche, da es leichter scheint über das Tier als über sich zu reden, und ermöglichen dem Tierhalter somit größere Kontaktchancen. Dies wird auch als "Eisbrecher"- Funktion beschrieben. Zudem verhelfen Tiere dem Menschen sich zu öffnen und aus sich herauszugehen, so dass Erfolge im therapeutischen Kontext möglich werden. In ihren Studien Ende der 1970er beschrieben die Corsons Tiere als „soziale Katalysatoren“, indem sie den sozialen Austausch mit anderen Menschen oder Lebewesen ermöglichen und erleichtern, sowie bestehende soziale Beziehungen weiterentwickeln und beleben können. Die Kommunikation des Patienten mit dem Tier sei ein erster Schritt zur folgenden Kommunikation mit dem Arzt, anderen Patienten, Klinikpersonal und schließlich auch der weitreichenderen sozialen Umwelt. Beginnend mit einer auf nonverbaler, taktiler Interaktion beruhenden guten Beziehung von Mensch und Tier, würde der soziale Kontakt sich langsam kreisförmig ausdehnen. Verbale Kommunikation, Gefühle und Stimmungen werden einbezogen und immer weitere Teile der Umwelt so erschlossen. Das Experiment des britischen Psychologen Peter Messent (1983) zeigte, dass Menschen, die in Begleitung eines Tieres im Londoner Hyde-Park spazierten, mehr beachtet wurden als ohne Hund, angelächelt, gegrüßt und zum Teil sogar angesprochen wurden. Ihre soziale Attraktivität wurde augenscheinlich gesteigert. Auch der amerikanische Psychologe Randall Lockwood (1983) bestätigte mit Studien obige Aussagen: er zeigte den Versuchspersonen Zeichnungen von einer oder mehreren Personen, dieselbe Zeichnung mal mit, mal ohne Anwesenheit eines Tieres. War ein Tier mit abgebildet, wurden die Personen als freundlicher, offener, entspannter, unterhaltsamer und weniger bedrohlich (in Begleitung eines gutmütigen Tieres) eingeschätzt als ohne Tier.
Emotionale Unterstützung
Tiere weichen Kranken oder behinderten Menschen nicht aus wie gesunde Menschen es oftmals tun. In der Betreuung chronisch kranker Menschen können Tiere zwar nicht die praktische Unterstützung bieten wie für beispielsweise Körperbehinderte, jedoch bedeutet ihre ständige Präsenz eine psychische Entlastung für den Erkrankten wie auch für die Pflegeperson. Besonders die Pflege todkranker Patienten fiele leichter, da die Vitalität des Tieres positiv auf die Stimmung wirke. Pflegepersonal kann unter dem Burnout-Syndrom leiden und sendet dann unbewusst Signale an den zu Pflegenden, die bei ihm Kränkungen und Konflikte auslösen können. Ein Tier sendet solche Signale offenbar nicht, so dass es teils der bessere Therapeut/ Betreuer sei. Heimbewohner sind oftmals nur noch daran gewöhnt, ständig betreut zu werden und keiner mag ihnen mehr zuhören. Im Kontakt zum Tier erleben sie sich umgekehrt in der Rolle des Fürsorgenden, der Zuwendung und Geborgenheit spendet, und finden im Tier einen geduldigen Zuhörer.
Tiere sind zu Empathie (im Sinne von Mitfühlen, Mitleiden) fähig, indem sie auf die Körpersprache bzw. andere sinnliche Informationen mitfühlend reagieren. Diese soziale Unterstützung mindert bzw. wirkt als Puffer gegen Stress. Zu den Tieren, die ihnen die größte Empathie zeigen können (Pferd, Hund, Katze) geht der Mensch auch die engste Verbindung ein. Die Nähe und Geborgenheit eines Tieres wirkt sich heilend auf die Seele eines Menschen aus („Tiere trösten und heilen“) und bietet beispielsweise traumatisierten Menschen oft die einzigste Chance wieder Nähe, Körperkontakt und Intimität zuzulassen. Die Interaktion mit Tieren erscheint ihnen weniger bedrohlich und ist authentischer als mit Menschen. „Das Tier kennt den Menschen nicht als fehlbares Wesen, es kennt die jeweilige Vergangenheit nicht, so dass es ihm auch nicht bewertend gegenübersteht.“ Der Klient erlebt das Gefühl angenommen zu sein und kann dies auf sein Ich rückkoppeln, wodurch nicht nur sein Selbstbewusstsein gesteigert, sondern auch körperliche, geistige, seelische Kräfte und soziale Talente gestärkt werden. Nur der jeweilige Augenblick ist dabei wichtig und kann besonders bei Demenz - Patienten Erinnerungen und Gefühle wachrufen, zu denen sonst nur schwer oder gar kein Zugang gefunden wird. Hinterbliebene würden im Zusammenleben mit einem Haustier weniger deprimiert sein, sich weniger verzweifelt und isoliert fühlen und ein besseres Allgemeinbefinden angeben. Das Tier könne emotionale Lücken füllen, biete sich als Sozialpartner an und die Verantwortung für das Tier würde Menschen vom Suizid abhalten. Diese Verantwortung hilft älteren Menschen in der Strukturierung ihres Tagesplans und schafft so Stabilität. Als "kognitiver Katalysator" regen sie Menschen zu geistiger Aktivität an, was besonders für ältere Menschen bedeutsam ist. Bei ihnen würde durch den Tierkontakt die durchschnittliche Vigilanz, Reaktionsbereitschaft und Aufmerksamkeit, erhöht und zu neuen Aktivitäten gereizt.
Vertrauen und Akzeptanz
Will man eine echte Vertrauensbasis zum Tier aufbauen, kann dies nur mit absoluter Ehrlichkeit, gegenseitigem Respekt und Mitgefühl passieren. Gleichzeitig können sie uns ein Vorbild in Sachen Einfühlungsvermögen und Menschlichkeit sein, da ihre Gefühle füreinander echt, tief und somit anrührend für den Menschen sind. Ihre spirituelle Liebe kann als erstrebenswert für den Mensch angesehen werden. Tierkontakt sei für Erwachsene wie Kinder auch deshalb so wichtig, weil man lernt „... sich auf ein Gegenüber gefühlsmäßig so einzustellen, dass nicht die eigenen Bedürfnisse im Vordergrund stehen, sondern die des anderen.“ Aufgrund ihrer bedingungslosen Liebe dem Menschen gegenüber, ihrer kontinuierlichen Zuwendung, Akzeptanz und Bestätigung des Menschen, sieht dieser sich selbst positiver, gewinnt an Selbstachtung und Selbstvertrauen, so dass Tiere zur psychischen Stabilität und allgemeinen emotionalem Wohlbefinden beitragen können. Die Liebe eines Tieres kann von Menschen mit geringem Selbstwertgefühl besser angenommen werden, da sie keine Scheinheiligkeit der Gefühle wie bei Mitmenschen befürchten. In der Beziehung zum Tier erfährt der Mensch tiefes Vertrauen und fühlt sich bedingungslos angenommen, so dass er sich ungezwungener und hemmungsloser geben kann, seine sozialen und physischen Kompetenzen erweitert oder gar erst erkennt.
Auswirkungen im nicht-therapeutischen Kontext
Solche positiven Aspekte zeigen sich nicht nur im therapeutischen Kontext, sondern auch im alltäglichen Umgang und nahezu unbeabsichtigt beim Heimtierhaltern. In dem Fall erwartet der Mensch nicht aus der Gesellschaft mit Tieren zu profitieren, dennoch üben sie einen positiven Einfluss aus. Als Familienmitglied sorgen sie für Abwechslung und Gesprächsstoff und fördern den Zusammenhalt. Sie können gerade den Menschen zur Erdung ins „Hier und Jetzt“ verhelfen, die im Alltagsstress zu versinken drohen, da das Tier immer wieder Aufmerksamkeit und eine Konzentration auf sich einfordert. Mit ihrem hohen Aufforderungscharakter und ihrer Vitalität können sie Menschen aus der Lethargie reißen, die Stimmung ihrer Menschen aufhellen und Depressionen entgegen wirken. Tiere nehmen Anteil und fördern die Regeneration nach psychischen Belastungen und tragen somit zur seelischen Entspannung bei, so dass negative Erlebnisse (im Alltag) umbewertet werden. Tierliebende Menschen seien im Allgemeinen zufriedener, gelassener, optimistischer, selbstbewusster und umgänglicher als ihre Mitmenschen ohne Tiere. Sie sind im Allgemeinen gesünder und benötigen weniger Arztbesuche (16% bis 21% weniger) . Auch führten Tierfreunde bessere Ehen und versöhnten sich schneller. Tiere seien eine Quelle von Humor, Begeisterung und Verbundenheit, vertreiben Gefühle der Einsamkeit durch ihre bloße Anwesenheit, bringen Menschen zum Lachen und steigern die Motivation. Der Tierbesitzer muss sich immer wieder für die täglichen Pflichten aufraffen, selbst wenn es ihm aufgrund Krankheit oder Alter nicht so gut geht. Das Tier stellt ihm somit eine Aufgabe und regt zu Aktivität an. McCulloch stellte die These auf, dass sie sich deswegen positiv auf die Gesundheit des Menschen auswirkten.
Schlussfolgerung
Bei alledem stelle das Tier kein Ersatz für den zwischenmenschlichen Kontakt dar, sondern könne die Behandlung und Heilung lediglich erleichtern. Dr. Mary Stewart von der tierärztlichen Fakultät der Universität Glasgow verglich die Eigenschaften eines Haustieres mit denen, die von einem „guten“ Psychologen gefordert werden. Ein Hund beispielsweise zeichnet sich durch Aufrichtigkeit, Einfühlsamkeit und Ehrlichkeit aus, er hört dem Menschen vorurteilsfrei zu, ohne dabei selbst (zu viel) zu reden und ist absolut vertraulich. Sie sind einem Psychologen nicht gleichzusetzen, da sie weder sprechen noch intervenieren. Der „tierische Psychologe“ kann unverfänglich gestreichelt und berührt werden und im körperlichen Kontakt Trost spenden, was in der Form mit einem Psychologen aufgrund möglicher Missbrauchsvorwürfe schwer möglich sein dürfte.
Es gäbe eine Vielzahl klinischer Indikatoren, welche die „Verschreibung“ eines Tieres sinnvoll erscheinen ließen, so Michael McCulloch, einer der bedeutendsten Forscher auf dem Gebiet der therapeutischen Wirkung von Tieren auf den Menschen. Dennoch könne der Einsatz von Tieren herkömmliche Therapien nicht ersetzen, sondern bliebe eine Ergänzung. Nach einer Untersuchung des Forschungskreises Heimtiere in der Gesellschaft folgte, dass 85% der Ärzte Vertrauen in Tiere als Co-Therapeuten setzen, die Umsetzung in der Praxis jedoch am mangelnden wissenschaftlichen Basiswissen scheitere. Gerade im deutschsprachigen Raum sind tiergestützte Therapieformen noch nicht etabliert und "Unter Therapeuten, Ärzten, Psychologen, Pädagogen usw. muss erst bekannt gemacht werden, dass die Wirksamkeit von Tieren wissenschaftlich erforscht und Stück für Stück nachgewiesen wird."
5.3 Tiere als Rückbesinnung auf die Natur (des Menschen)
Die Tierwelt wird unverfälscht von natürlichen Gesetzen regiert, wobei der Mensch sich aufgrund seines Intellektes und Selbsttäuschung von dieser Urtümlichkeit entfremdet hätte. Im Kontakt zu Tieren besteht die Option, dass der Mensch sich seiner ur-natürlichen Verhaltensweisen erinnert und diese ausleben, „die Maske“ abnehmen und natürlich sein kann. So geben uns Tiere die Gelegenheit uns mit anderen Lebewesen „bedingungslos zu vereinen“, den Fokus von uns selbst auf andere Lebewesen zu verlagern und sie lehrten uns Bindungsfähigkeit, welche dem Menschen in der zivilisierten, kulturellen Welt abhanden gekommen sei. Der Umgang mit Tieren könne helfen, das Gleichgewicht zwischen dem überbetonten Denken und Nutzen der Intelligenz in der Zivilisation und den nicht weniger wichtigen Bindungen und Emotionen herzustellen. Menschen, die in einer urbanen und technologisch geprägten Umwelt, im Extrem in einer virtuellen Welt der Medien, leben, könnten sich weder emotional, geistig noch kognitiv voll entwickeln. Die Technisierung und Urbanisierung unserer direkten Lebensumwelt hat sich erheblich verstärkt, woran der Mensch in der kurzen Zeit der zivilisatorischen Entwicklung noch nicht optimal anpassen konnte. „Jeder Schritt hin zum Tier führt gleichermaßen zurück zum Ursprung und vorwärts.“
Dem „modernen“ Menschen mangelt es weitgehend an wahren Instinkten, die so tief im „Gewebe unseres Seins“ verwoben und so für den Menschen nicht sichtbar seien. Sie zeigen sich jedoch in menschlichen Verhaltensweisen, beispielweise werden Aspekte der tierischen Herden-, Rudel- und Schwarminstinkte auch von Menschen umgesetzt. In verschiedenen menschlichen Sozialsystemen können Parallelen zu diesen Strukturen gefunden werden, denkt man beispielsweise an Peer-Groups und deren Konstellation im Gegensatz zu der Gruppe der Kollegen und Vorgesetzten im Berufsleben. Untersucht man dieses Gruppenverhalten, wird das eigene, innere Bindungs- und Kommunikationsverhalten bewusst und die eigene Dynamik kann hinterfragt werden.
So gebe es heute in der menschlichen Gesellschaft mehr Jäger-Beute-Beziehungen statt Herdenzusammenschlüsse, worin auch die Gründe für die steigende Kriminalität zu suchen seien. Förster vermutet in der zunehmenden Entfremdung des Menschen von der Natur und seinen Instinkten mögliche Ursachen für das Ansteigen psychischer Krankheiten, Depressionen und Suizidfällen. Demnach könne man gesünder und zufriedener leben, wenn man mit sich und der Natur in Einklang lebte und nichts derart Elementares ausschließe. „Mehr denn je sind wir auf sie (Tiere, Anm.d.Verf.) angewiesen, weil wir ohne sie nicht menschlich bleiben.“
„Die meisten von uns benötigen Tiere offenbar als Teil ihres Lebens - unsere menschliche Natur ist untrennbar mit der Natur des Tieres verbunden. Sind wir von ihr isoliert, fehlt uns etwas. Wir verlieren ein Teil unseres Erbes.“
„Der Preis, den der Mensch für Kultur und Zivilisation zu zahlen hatte, war die Auflösung dieser Bindung, die zerrissen werden mußte, um dem Menschen die Freiheit des Willens zu geben. Aber unsere unaufhörliche Sehnsucht nach dem verlorenen Paradies ist nichts anderes als das halb unbewusste Verlangen nach diesen Banden.“
5.4 Tiere in der Resozialisierung
Die Idee, Tiere als therapeutische Helfer in forensischen Arbeitsfeldern einzusetzen, stammt aus den USA, wo David Lee 1975 im Lima State Hospital erstmals Tiere als Co-Therapeuten in einer Forensischen Klinik einsetzte. Im angelsächsischen Raum wurde diese Idee schnell weiterentwickelt und heute in vielen Haftanstalten der USA angewendet, bspw. in der Ausbildung von Blindenhunden oder Reitpferden. In Deutschland integrieren bisher nur wenige Justizvollzugsanstalten Tiere in ihr Konzept, bspw. JVA Vechta, JVA Bochum und JVA Siegburg. Die Beziehung zu Tieren kann den Menschen helfen, in die Gesellschaft zurückzufinden und am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, da negative Erfahrungen mit Mitmenschen über die Arbeit mit Tieren kompensiert werden können.
Forensische Resozialisierung in den USA
Im Jahr 1981 entstand in einem Hochsicherheitsgefängnis für Frauen in Gig Harbour/ Washington das Prison Pet Partnership Program, bei dem inhaftierte Frauen Hunde aus Tierheimen zu Behindertenbegleithunden ausbilden. Nach der Erziehung im Grundgehorsam werden die Hunde als Therapie- bzw. Behindertenbegleithund ausgebildet, bzw. wenn sie dafür nicht geeignet scheinen, an Familien vermittelt und entgehen damit der Einschläferung, die in den USA nach 21 Tagen bei Nichtvermittlung oft praktiziert wird. Durch die Arbeit mit den Hunden haben die Frauen die Möglichkeit sich beruflich zu qualifizieren (Ausbildung zur Tierpflegerin oder Tierarzthelferin), wodurch sich die Chance erhöht, nach Haftentlassung Arbeit zu finden und somit zu produktiven Mitgliedern der Gesellschaft zu werden. In ihrer Tätigkeit sehen viele Frauen die Möglichkeit der Gesellschaft etwas zurückgeben zu können und im Abschlusstraining mit dem behinderten Menschen und dem Hund den Sinn ihrer Arbeit. Durch den neuen Bezugsrahmen dieses Projektes können die Häftlinge ein neues Welt- und Selbstbild entwickeln und Defizite bisheriger Sozialisationsversuche aufgearbeitet werden. In der Arbeit mit den Hunden erleben die Frauen, die an den Anforderungen in ihrem Leben bisher gescheitert sind, Erfolge und diese Erfahrungen sind positiv für ihr Selbstbild. In der Zuneigung und nicht bewertenden Haltung der Tiere erleben die Frauen, dass sie dennoch liebenswert sind und können darüber Beziehungen zu ihren Hunden und später auch zu Mitmenschen eingehen. Die Tiere werden somit zu einem wichtigen Resozialisationsfaktor. Über die Hunde wird die Kommunikation und der Kontakt zu Mitgefangenen, Anstaltspersonal, externen Helfern und dem späteren Hundebesitzer gefördert, mit dem die Trainerinnen oft in Kontakt bleiben und so schon während der Haftzeit Kanäle zur Außenwelt eingeleitet und eine Reintegration in die Gesellschaft stattfindet.
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- Diplom-Sozialarbeiterin/Sozialpädagogin Stefanie Nicole Waurig (Author), 2008, Tiergestützte Therapien. Geschichte und Nutzen der heilenden Beziehung zwischen Menschen und Tieren, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/119643
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