Neue Möglichkeiten, im Internet zu publizieren und zu interagieren, werden
oft unter dem Begriff „Web 2.0“ zusammengefasst. Besonders die Erkenntnis,
ohne großen Aufwand eigene Text‐, Video‐ oder Audiobeiträge im Netz
veröffentlichen zu können, wird von vielen Nutzern begeistert aufgegriffen. In
zahlreichen Community‐Plattformen wie: „MySpace“, „studiVZ“, diversen
Chatrooms, Foren und nicht zuletzt Blogs, wird der Ausdruck von
persönlichen, sprachlich‐kommunikativen Kompetenzen verliehen. Der
mediale Rausch, ausgelöst durch die neuen Möglichkeiten des Internets, und
der unkomplizierte Zugang zu den einzelnen Kommunikationswerkzeugen
haben zufolge, dass wir wenig darüber nachdenken, wie wir kommunizieren.1
Internetbeiträge werden seit einigen Jahren von Sprachforschern, Publizisten,
Medienwissenschaftlern, Kommunikationswissenschaftlern und Journalisten
auf ihre Eigenschaften analysiert. Die Untersuchungsergebnisse decken einen
breiten thematischen Horizont ab. Meine Arbeit sollte eine Antwort auf die
im Thema ausgeschriebene Frage geben: Welchen Einfluss haben die neuen
Online‐Medien auf unsere Sprachkultur? Können wir von einer Bereicherung
für die deutsche Sprache ausgehen, oder ist mit gewissen Risiken zu rechnen?
Die Ergebnisse meiner Ausarbeitung sollen nachvollziehbare Antworten auf
diese Fragen liefern.
Es würde allerdings die vorgeschriebenen Umfangsrahmen überschreiten alle
webbasierten Textsorten, sofern man davon sprechen kann, auf ihre
linguistischen Aspekte zu untersuchen. Aus diesem Grund möchte ich mich
auf die deutschen Weblogs im einzelnen und auf die deutsche Blogosphäre im
allgemeinen beschränken.
Inhaltsverzeichnis:
Einführung
1. Gegenstand der Untersuchung
1.1. Sinn des Bloggens
1.2. Definition von Weblogs
1.3. „Der“ oder „das“ Weblog
1.4. Bestandteile von Weblogs
2. Chats, E-Mails und Weblogs im linguistischen Vergleich
2.1. Chats vs. Weblogs
2.1.1. Chatten− Plaudern mit anderen Mitteln
2.1.2. Chats und Weblogs, zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit
2.1.3. Strukturanalyse
2.1.4. Fazit
2.2. E−Mails vs. Weblogs
2.2.1. Die E−Mail Forschung
2.2.2. Einflüsse des E−Mail−Kanals auf die Schreibkompetenz
2.2.3. Charakteristika der E−Mails Kommunikation
2.2.4. Fazit
3. Linguistische Analyse
3.1. Konzeptionell mündlich oder konzeptionell schriftlich
3.2. Transferformen
3.3. Orthographisches System
3.3.1. Groß− und Kleinschreibung
3.3.2. Flüchtigkeitsfehler
3.3.3. Hervorhebungen
3.3.4. Zusammenschreibung
3.3.5 Graphische Gestik
3.4. Lexikalische Ebene
3.4.1. Umgangssprachliche und dialektologische Elemente
3.4.2. Fremdwörter
3.4.3. Anglizismen
3.5. Syntaktische Strukturen
4. Weblogs als Hybridmedium
4.1. Zwischen Text und Hypertext
4.2. Text− und Bildverhältnis
5. Blogeintrag und Blogkommentar
6. Themenschwerpunkte
7. Auswertung der Untersuchungsergebnisse
8. Chancen und Risiken für die deutsche Sprachkultur
9. Weblogs als selbstständiges Medium
10. Abbildungsverzeichnis
11. URL- Verzeichnis
12. Literaturverzeichnis
Einführung
Neue Möglichkeiten, im Internet zu publizieren und zu interagieren, werden oft unter dem Begriff „Web 2.0“ zusammengefasst. Besonders die Erkenntnis, ohne großen Aufwand eigene Text−, Video− oder Audiobeiträge im Netz veröffentlichen zu können, wird von vielen Nutzern begeistert aufgegriffen. In zahlreichen Community−Plattformen wie: „MySpace“, „studiVZ“, diversen Chatrooms, Foren und nicht zuletzt Blogs, wird der Ausdruck von persönlichen, sprachlich−kommunikativen Kompetenzen verliehen. Der mediale Rausch, ausgelöst durch die neuen Möglichkeiten des Internets, und der unkomplizierte Zugang zu den einzelnen Kommunikationswerkzeugen haben zufolge, dass wir wenig darüber nachdenken, wie wir kommunizieren.1
Internetbeiträge werden seit einigen Jahren von Sprachforschern, Publizisten, Medienwissenschaftlern, Kommunikationswissenschaftlern und Journalisten auf ihre Eigenschaften analysiert. Die Untersuchungsergebnisse decken einen breiten thematischen Horizont ab. Meine Arbeit sollte eine Antwort auf die im Thema ausgeschriebene Frage geben: Welchen Einfluss haben die neuen Online−Medien auf unsere Sprachkultur? Können wir von einer Bereicherung für die deutsche Sprache ausgehen, oder ist mit gewissen Risiken zu rechnen? Die Ergebnisse meiner Ausarbeitung sollen nachvollziehbare Antworten auf diese Fragen liefern.
Es würde allerdings die vorgeschriebenen Umfangsrahmen überschreiten alle webbasierten Textsorten, sofern man davon sprechen kann, auf ihre linguistischen Aspekte zu untersuchen. Aus diesem Grund möchte ich mich auf die deutschen Weblogs im einzelnen und auf die deutsche Blogosphäre im allgemeinen beschränken.
Erste kritische Stimmen werden sich bestimmt fragen: Warum gerade Weblogs? Was fasziniert die Menschen so an dieser oft primitiven und ordinären Form der Kommunikation?
Seit über einem Jahr steht kein anderes Kommunikationskanal so stark im Mittelpunkt des akademischen, öffentlichen und analytischen Interesses wie das Phänomen des Bloggens. Weltweit gibt es über 70 Millionen von der Meta−Suchmaschine Technorati.com durch Tracking erfasste Weblogs, und jeden Tag kommen 120.000 neue dazu.2 Täglich werden in Weblogs 1,4 Millionen Artikel veröffentlicht. Während sich das Weblog−Phänomen in den Vereinigten Staaten schon seit Mitte der 90er Jahre entwickelt, ist es in Deutschland erst in den letzten vier Jahren in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt. Im Juni 2007 veröffentlichten die Betreiber von Blogcensus.de die ersten Zahlen, die ein mehr oder weniger reales Bild über die Gesamtzahl aktiver Weblogs in Deutschland vermitteln:3
- Deutschsprachige Blogs, die innerhalb der vergangenen 2 Monate aktualisiert wurden: 132.500,
- Deutschsprachige Blogs, die innerhalb der vergangenen 4 Monate aktualisiert wurden: 175.400,
- Deutschsprachige Blogs, die innerhalb der vergangenen 6 Monate aktualisiert wurden: 204.500.4
Zeitgleich mit der Verbreitung der Weblogs und mit dem zunehmenden medialen Interesse sind zahlreiche wissenschaftliche Publikationen erschienen, die sich mit diversen Aspekten dieser Unterhaltungsform beschäftigen. Während einige Wissenschaftler die sozialen wie kulturellen Auswirkungen des Bloggens betrachten5, beschäftigen sich andere mit der Frage, welche Konkurrenz die Weblogs zum klassischen Journalismus darstellen.6 Darüber hinaus werden thematische Felder aufgegriffen, wie: Medienpädagogische Einflüsse im Sinne eines persönlichen Lernjournalismus und Werkzeugs des Wissensmanagements7, der Nutzen und Einsatz von Weblog−Formaten für die interne wie externe Unternehmenskommunikation8 oder auch Weblogs als Kommunikations− und Koordinationsinstrument in der politischen Szene.9
Auf sprachwissenschaftlicher Ebene untersuchten Schlobinski und Siever Weblogs auf ihre Merkmale.10 Die Untersuchung liegt jedoch vier Jahre zurück und verliert mit jedem neuen Weblog und jeder weiteren Veröffentlichung ihre Aussagekräftigkeit. Die Sprachwissenschaft bedarf eines neuen Datenmaterials. Die Schwierigkeit, entsprechende Forschung durchführen zu können, ist auf der einen Seite mit der großen Fluktuation deutscher Weblogs zu erklären, auf der anderen Seite wird das Medium meist nicht ernst genug genommen, um als Forschungsgrundlage zu fungieren.11
So vage uns Weblogs auch erscheinen mögen, sollten wir sie doch auf jeden Fall ernsthaft betrachten. Sie sind ein mächtiges Werkzeug in Händen vieler Millionen Kommunikatoren, darunter vorwiegend Laien, die früher nur gehorsam schweigende Zuschauer nun die Bühne der Öffentlichkeit betreten können.
Diese Arbeit möchte ich einerseits der theoretischen Fragestellung nach den allgemeinen Charakteristika von Weblogs widmen, andererseits soll sie deren sprachliche Merkmale aufzeigen, und gleichzeitig eventuelle positive oder negative Auswirkungen auf die Sprache beleuchten. Mit ausführlichen praktischen Beispielen wird das Thema abgerundet. Folgende Themenblöcke strukturieren meine Untersuchung:
Theoretische Fragen:
1. Was sind Weblogs überhaupt?
2. Welche Merkmale zeichnen Weblogs aus im sprachwissenschaftlichen Vergleich zu anderen Webkanälen, wie Chatrooms oder E−Mails?
Methodische Fragen:
1. Welche textlichen und sprachlichen Aspekte lassen sich bei deutschsprachigen Weblogs beobachten?
Empirische Fragen:
1. Welche Probleme gibt es bei der Erhebung von praktischem Datenmaterial?
2. Wie sind die Untersuchungsergebnisse auszuwerten?
Im Anschluss sollen die Ergebnisse meiner Untersuchung in einen logischen Zusammenhang eingebunden, die wichtigsten Schlüsse gezogen sowie eine grundsätzliche Frage beantwortet werden: Welchen kreativen oder zerstörerischen Einfluss haben Weblogs auf die deutsche Sprachkultur?
1. Gegenstand der Untersuchung
Dieses Kapitel befasst sich, neben den allgemeinen Informationen über die deutsche Blogosphäre und das Bloggen selbst, hauptsächlich mit der Herkunft des Mediums „Weblog“ sowie mit der Etymologie des Begriffs.
1.1. Sinn des Bloggens
Jede neue Kulturtechnik wirft in ihrer Entstehung eine Menge Fragen auf, wozu diese überhaupt nötig sei. Brauchte man wirklich neben dem Brief auch noch das Telefon? Wieso Fotografie, wenn es doch Lithografie gibt? Warum sollte die E−Mail das Fax ersetzen? Und wozu sollte man noch bloggen, wenn das Internet doch schon mehr Informationen enthält, als man nutzen kann? Warum sich am Bürgerfunk beteiligen, oder warum für eine Boulevardzeitung texten, könnten wir uns analog fragen. Die Antwort ist einfach: weil die Menschen unterschiedlichste Stilformen und Wege der Kommunikation zu
schätzen wissen, und weil unsere gegenwärtige Technologie die Möglichkeiten dazu bietet.12
Weblogs sind seit geraumer Zeit ein Zauberwort in der Welt des Internet. Bloggen ist „in“ und wird in den Medien immer stärker diskutiert. Denn zum ersten Mal seit Bestehen des Webs ist Karl Mustermann dazu in der Lage, ohne technisches Vorwissen seine persönlichen Inhalte im World Wide Web regelmäßig zu platzieren und auf diese Weise mit der Öffentlichkeit zu interagieren. Ungefähr seit 2004 wurden Weblogs von den deutschen
Sprachwissenschaftlern als ein neues interessantes thematisches Feld erkannt.13 Der neuen Möglichkeit, öffentlich zu kommunizieren, sind weder inhaltliche noch formale Schranken gesetzt. Man kann erzählen oder Gedichte schreiben, debattieren und Freunde finden, Kochrezepte tauschen und neue Welten entdecken, streiten und bewundern. Bloggen öffnet Horizonte und bringt Menschen dazu, durch das Schreiben sich mit ihrem eigenen Handeln auseinanderzusetzten.14
Die Blogger−Szene spaltet sich in verschiedene Richtungen genau wie die Themenbereiche, die sie aufgreift, und die Textformen, die sie aufweist. Einige fanden hier ein schönes Hobby. Profis entdeckten mit Bloggen eine Alternative zu den klassischen Medien und verstehen sich selbst als eine Art „moderne Journalisten“. Schließlich wird heiß debattiert, ob Weblogs auch ein Mittel der Unternehmenskommunikation sein können.
Also noch mal, wozu Weblogs? „Weil damit alles geht, was bisher nicht ging. Und natürlich: Weil es einen enormen Spass macht.“− Don Alphonso.15
1.2. Definition von Weblogs
Das vorwiegend verbreitete Wort „Blog“ ist die Abkürzung für den ursprünglichen Begriff „Weblog“. Darin steckt neben der Silbe „Web“, die auf die Umwelt hinweist, der Teil „Log“, bekannt aus der Sprache der Seeleute als Logbuch. Im Logbuch verzeichnet der Kapitän eines Schiffes die für die jeweilige Fahrt relevanten Ereignisse. Jedem Eintrag ist das Datum die Uhrzeit und die Position des Schiffes vorangestellt. Analog dazu wird das Weblog meist als Internet−Tagebuch verstanden.16 Laut Wikipedia ist ein Blog häufig endlos, stellt eine Liste chronologisch sortierter Einträge dar, die in bestimmten Abständen umbrochen wird. Im Prinzip handelt es sich um eine Webseite, die aber meist nur eine Inhaltsebene umfasst. Ein Weblogs ist ein Medium zur Darstellung von Aspekten eigenen Lebens und eigener Meinungen zu oftmals spezifischen Themengruppen.17
1.3. „Der“ oder „das“ Weblog
Der Begriff „Weblog“ tauchte erstmals 1997 auf der Webseite von Jorn Barger auf, die Kurzform „Blog“ im Jahr 1999. Inzwischen spricht man weltweit nur noch vom Blog. Im deutschen Sprachraum streiten sich auf Grammatik bedachte Anwender und Sprachwissenschaftler immer wieder, ob es „der“ oder „das“ Blog heißt. Wenn man den Begriff korrekterweise von „Weblog“ ableitet, dann muss es „das Blog“ heißen, denn es heißt ja auch „das Logbuch“. „Der Blog“, so die Ansicht altgedienter Blogger, leitet sich aus dem Missverständnis her, dass Blog eine Verballhornung des Wortes „Block“ sei, also „der Blog“ heißen müsse. Laut Duden sind beide Formen korrekt.18 Im Schweizer Sprachgebrauch heißt es übrigens fast durchgehend „der Blog“. Die Österreicher dagegen sind unentschieden.19
1.4. Bestandteile von Weblogs
Anhand von vier Blog−Charakteristika können Internetnutzer erkennen, ob sie einen Weblog lesen, oder eine herkömmliche Internetseite:
- Chronologie: Jeder Weblog−Beitrag ist mit einem Zeitstempel versehen, der zeigt, wann der Beitrag veröffentlicht wurde. Die Beiträge eines Blogs sind chronologisch sortiert, der aktuellste Beitrag nimmt in der Regel die erste Stelle ein.20
- Aktualität: Die meisten Beiträge nehmen Bezug auf aktuelle Ereignisse, oder aktuelle Erlebnisse des Autors. Neue Beiträge werden aktuell und in kurzen Abständen eingestellt.21
- Interaktion: Blog−Leser können zu den Beiträgen Stellung nehmen, sie können die Beiträge kommentieren.
- Internetbezug: Die Beiträge enthalten Links, die entweder auf eine Fundstelle, oder auf eine weiterführende Informationen verweisen. Links zu anderen Blogs, so genannte Trackbacks, sind üblich.22
2. Chats, E-Mails und Weblogs im linguistischen Vergleich
Zum Ende des zwanzigsten Jahrhunderts schien das Interesse der Linguisten an den neuen Webkanälen eher zögerlich.23 Inzwischen erweitern E−Mails und Chatts die Palette vertrauter Verständigungsformen so selbstverständlich, dass sich auch die Fachleute diesen neuen Kommunikationsformen nicht länger verschließen mögen. Im folgenden Kapitel konzentriere ich mich auf die Formen und Funktionen von Chats, E−Mails und Weblogs, als medienspezifische Textsorten im Spannungsfeld zwischen Schrift und Rede, Text und Gespräch. Diese Gegenüberstellung soll die allgemeinen linguistischen Merkmale von Weblogs aufzeigen als Grundlage für die weiteren Abschnitte dieser Arbeit.
2.1. Chats vs. Weblogs
2.1.1. Chatten- Plaudern mit anderen Mitteln
Neben den Linguisten haben auch Kulturwissenschaftler und Philosophen das Thema Chat für sich entdeckt. Die computervermittelte Chat−Kommunikation ermöglicht wegen ihrer synchronen Übertragung eine Art schriftlicher Mündlichkeit. Sandbothe etwa wertet den Chat als performatives Schreiben eines Gesprächs, in dem Sprache interaktiv geschrieben statt gesprochen wird, was eine Verschriftlichung der Sprache zur Folge hat.24
Aus linguistischer Sicht besteht die kommunikative Innovation des Chattens darin, dass Schrift für die situationsgebundene, direkte und gleichzeitige Kommunikation verwendet wird, ohne dass ein vorgängiger oder nachträglicher mündlicher Kontakt stattgefunden hat. Chatten hat, wie das Telefongespräch, den Charakter einer synchronen Kommunikationssituation, die medial durch die Konstellation der zeitlichen Nähe zu räumlicher Distanz ausgezeichnet ist.25
Während die Schrift „um zu sein, was sie ist, in radikaler Abwesenheit eines jeden empirisch festlegbaren Empfängers überhaupt funktionieren kann“ 26 , setzt die Schriftlichkeit des Chats die Anwesenheit von Sender und Empfänger notwendig voraus, auch wenn sich diese an räumlich entfernten Computern befinden. Diese Bedingung hat für Blogger wenig Relevanz. Was vielleicht beim Bloggen irreführend ist und dadurch die Frage nach dem tatsächlichen Unterschied zwischen Blog und Chat aufwirft, ist die Möglichkeit auf geschriebene Beiträge Kommentare abzugeben. Nicht selten leiten die Kommentare zu anderen Blog−Beiträgen weiter. Auch ist nicht auszuschließen, dass die Kommentare länger sind, als der ursprüngliche Beitrag. Oft werden sie mit scharfer Zunge geschrieben und sorgen so für Erregung. Daraufhin werden Kommentare zu den bereits geschriebenen Kommentaren abgegeben. So entsteht eine Art Kommunikationsplattform, die ad−hoc einen dialogähnlichen Charakter annimmt.27
Chat−Kommunikation gilt als ein Hybridmedium im World Wide Web zwischen geschriebener und gesprochener Sprache. Teilnehmer schreiben bewusst ihren Beitrag als Redebeitrag. Die Synchronität und Interaktivität sind Merkmale dieser spezifischen Dialogform. Dies ist anders als bei den Bloggern, die hauptsächlich Gedanken äußern oder Stellungnahmen beziehungsweise Kommentare in Schriftform abgeben, ohne dabei absichtlich einen Dialogcharakter bilden zu wollen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1 Beispiel_1 Kommentarfolge 28
2.1.2. Chats und Weblogs, zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit
Nun folgt ein kleiner Ansatz, der uns den nächsten Unterschied zwischen
„Chat“ und „Blog“ aus linguistischer Sicht veranschaulichen soll:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
28 http://blog.handelsblatt.de/indiskretion/eintrag.php?id=1857 Das oben aufgeführte Beispiel ist ein Abschnitt aus einem Blogeintrag in „Indiskretion Ehrensache“ betrieben von Thomas Knüwer. Sein Blog gehört zu den Top 15 der deutschen Bloggerszene. Der Beitrag handelt von einem Misserfolg der Online Ausgabe des „Spiegel“. Nachdem der Text veröffentlicht worden war, rief er eine Welle an Kritik wie Lob hervor. Die über achtzig geschriebenen Kommentare zu diesem Beitrag spiegeln diesen Sachverhalt wieder. Relevante Angaben und Informationen sind rot markiert.
Peter Koch und Wulf Österreicher haben schon früh29 die Kommunikationsbedingungen und Versprachlichungsstrategien einer „Sprache der Nähe“ (Dialogstruktur, Vertrautheit der Gesprächspartner, face− to−face−Situation, Freiheit der Themenentfaltung, Privatheit, Spontaneität, Affektivität; geringere Informationsdichte etc.) mit denen einer „Sprache der Distanz“ (Monologstruktur, Fremdheit der Partner, raum−zeitliche Trennung, Themenfixierung, Öffentlichkeit, Reflektiertheit, Texthaftigkeit, größere Informationsdichte etc.) gegenübergestellt. Mit dieser Zuordnung lässt sich die Dialogform „Chat“ als konzeptionell mündlicher Text in schriftlicher Form beschreiben. Ein Dialog mit freier Themenentwicklung: spontan, emotional, expressiv, also eine „Sprache der Nähe“.
Diese Zuordnung lässt sich prinzipiell auf die Weblogs nicht übertragen. Wobei das Adverb „prinzipiell“ auf einige Abweichungen von der Regel hindeutet. Weblogbeiträge sind keine Texte, die unter hohem zeitlichem Druck leiden. Der Verfasser nimmt sich Zeit um seinen Text sorgfältig zu formulieren. Es ist von A bis Z ein gut überdachter Inhalt in einer gut überdachten Form. Der Beitrag wird also schon im Vorfeld mit der Absicht konzipiert, schriftlich veröffentlicht zu werden. Nach der Begrifflichkeit von Koch und Österreicher sind Weblogeinträge also konzeptionell schriftliche Texte in schriftlicher Form. Es handelt sich um eine überdachte, organisierte, mediale Kommunikation, also eine „Sprache der Distanz“.
Damit aber die Weblogs mit ihren Eigenschaften präzise abgegrenzt werden können, muss noch die angesprochene Abweichung konkretisiert werden. Wie unter dem Punkt 2.1.1 beschrieben, verursachen einige Einträge eine regelrechte Kommentarexplosion. Gerade im Fall der journalistischen oder Corporate−Blogs, die politische, wirtschaftliche oder imagebildende Informationen beinhalten, sind die Blogbetreiber gezwungen, innerhalb kürzester Zeit zu interagieren, um Missverständnisse zu vermeiden. In solchen Situationen entwickelt sich durch ständiges Kommentieren des Weblogbeitrags, bzw. der weiteren Kommentare eine dialogähnliche Kommunikationsplattform. Dies sind allerdings vereinzelte Vorkommnisse, die keine ausschlaggebende Auswirkung auf die ursprüngliche Form oder den Sinn des Weblog−Schreibens haben.
Aufgrund des neuen spezifischen Modus der webbasierten Kommunikationsformen hat sich eine Differenzierung zwischen konzeptueller und medialer Mündlichkeit und Schriftlichkeit als sehr hilfreich erwiesen.30 Die genauere Auslegung der von Peter Koch und Wulf Österreicher definierten Begriffe möchte ich allerdings in einem weiteren Teil dieser Arbeit behandelt.
2.1.3. Strukturanalyse
Die Analyse der Phasenstrukturen, beispielsweise der Prozeduren der Gesprächseröffnung, Themenentfaltung, Insertionen, Gesprächsbeendigung etc. ist schwierig, weil ein Gesamtchat aus etlichen einzelnen Komponenten, den so genannten Einzelchats, bestehen kann. Demnach enthält der Gesamtchat gar keinen auf technischer oder inhaltlicher Ebene erkennbaren formalen Anfang oder Schluss.31 Gegenüber diesem Endlostext lassen sich dagegen bei den offenen Gesprächssträngen sehr wohl ein− und ausleitende Grußsequenzen ausmachen. Aufgrund der sich ständig ändernden Redekonstellation nehmen diese dialogischen Vor− und Nachfelder 32 einen großen Raum ein.
[...]
1 Vgl. http://www.dfjv.de/fileadmin/user_upload/pdf/DFJV_Thesenpapier_Blogs.pdf
2 Über die Gesamtheit der Weblogs liegen grobe Schätzungen vor. Exakte Zahlen sind äußert schwer zu ermitteln, da verschiedene Mess− und Abgrenzungsprobleme bestehen. (Vgl. http://www.bamberg−gewinnt.de/wordpress/wp−content/pdf/PraktikenDesBloggens.pdf): Wie häufig muss eine Webseite aktualisiert werden, um als Weblog zu gelten? Ab wann gilt ein Weblog als inaktiv? Sind Kommentare ein notwendiger Bestandteil eines Weblogs? Ein Versuch die verfügbaren Daten und Schätzungen in einem Wiki zusammenzutragen findet sich unter: www.eu.socialtext.net/loicwiki/index.cgi?the_european_blogosphere.
3 Thesenpapier.pdf Convento Workshop: „Weblogs, Chancen und Risiken für die Unternehmenskommunikation. Definition 3. 28. November 2007, Frankfurt, (sieh. CD− Anlage).
4 Vgl. Blogcensus−Report Februar 2008. http://www.blog.blogcensus.de/
5 Hier beispielsweise die soziologische Auslegungen von Dibbel, J. in „Portait of the Blogger as a Young Man.“, Graham, B. in „Why i Weblog: A Rumiation and Where the Hell I’m going with this Website.“, oder Chesher, C. in „Blogs an the crisis of authorship.“
6 Am 10.10.2007 hat der deutsche Fachjournalisten Verband ein Thesenblatt über „Weblogs
– Konkurrenz oder Bereicherung für den Journalismus?“ zum Downloaden bereitgestellt unter: http://www.dfjv.de/fileadmin/user_upload/pdf/DFJV_Thesenpapier_Blogs.pdf
7 Beispielsweise eine Untersuchung von Fiedler, Sebastian in „Personal Webpublishing as a reflektive conversational Tool for self−organized learning.“
8 Beispielsweise eine Untersuchung von Zerfass, Ansgar/ Boelter, Dietrich in „Die neuen Meinungsmacher: Weblogs als Herausforderung für Kampagnen, Marketing, PR und Medien.“
9 Beispielweise eine Untersuchung von Hienzsch, Ulrich/ Prommer, Elisabeth in
„Mediennutzung in konvergierenden Medienumgebungen.“
10 Schlobinski, Peter/ Siever, Torsten: Textuelle und sprachliche Aspekte in deutschen Weblogs. Hannover. 2005.
11 Vgl. Seeber, Tino: Weblogs− die 5. Gewalt? Eine empirische Untersuchung zum emanzipatorischen Mediengebrauch von Weblogs. Verlag Werner Hülsbusch. Boizenburg. 2006. S. 10−11.
12 Vgl. Bartel, Rainer: Blogs für alle. Das Weblog− Kompendium. Smart Books Publishing AG. Baar. 2007. S. 8−9.
13 Z.B. Zweites internationales Symposium zur gegenwärtigen linguistischen Forschung über computervermittelte Kommunikation. Universität Hannover 4.–6. Oktober 2004, die Untersuchungen von Schlobinski im Jahre 2005 oder die Dritte Tagung Deutsche Sprachwissenschaft in Italien Rom, Februar 2008.
14 Vgl. Bartel, a.a.O., S.10.
15 Don Alphonso ist eine Kunstfigur und einer der prominentesten Blogger im deutschsprachigen Raum. Er betreibt die bekannten Blogs „Rebellen ohne Markt“ (http://rebellenmarkt.blogger.de/) und „Blogbar“ (http://blogbar.de/).
16 Die Ersten Betreiber von Weblogs haben übrigens zunächst fast ausschließlich gefundene Links publiziert, diese mit dem Datum des Fundtages versehen und kommentiert. So konnte der Leser eines solchen Blogs den Reisen des Bloggers durch die Weiten des Internets Tag für Tag folgen und hinterher reisen (Bartel, 2007).
17 Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Weblog
18 Vgl. http://www.duden.de/duden−suche/werke/fx/002/002/Blog.2002669.html
19 Vgl. Bartel, a.a.O., S.14.
20 Vgl. http://www.wikipedia.org/wiki/Weblog
21 Vgl. http://www.abseits.de/weblogs.html
22 Vgl. Krauß, Daniel: Diffusion von Innovation durch Weblogs. Eine kausalanalytische Studie. GRIN Verlag. Mainz. 2006. S. 6−7.
23 Vgl. Geers, Rainer: Der Faktor Sprache im unendlichen Daten(t)raum. Eine linguistische Betrachtung von Dialogen im Internet Relay Chat. In: Naumann, Bernd: Dialogue Analysis und the Mass Media. Proceedings of the International Conference Erlangen 1998. Tübingen.1999. S. 83.
24 Vgl. Sandbothe, Mike: Grundpositionen zeitgenössischer Medienphilosophie und die Pragmatisierung unseres Mediengebrauchs im Internet. In: Leeker, Martina (Hrsg.). Interfaces− Interaktion− Performance. Zum Umgang mit digitaler Technik im Theater. Berlin. 2000. S. 451− 470.
25 Vgl. Storrer, Angelika: Getippte Gespräche oder dialogische Texte? Zur kommunikationstheoretischen Einordnung der Chat−Kommunikation. In: Lehr, Andrea et al (Hrsg.). Sprache im Alltag. Beiträge zu neuen Perspektiven in der Linguistik. Berlin New York. 2001. S. 439−465.
26 Derrida, Jacques: Signatur Ereignis Kontext. In: Derrida Jacques (Hrsg.) Randgänge der Philosophie. Frankfurt am Main et al.1976. S. 134.
27 Sieh. Beispiel. S.12.
29 Das erste Buch, das die Theorie beider Autoren beinhaltete wurde schon 1985 veröffentlicht unter dem Titel: "Sprache der Nähe – Sprache der Distanz. Mündlichkeit und Schriftlichkeit im Spannungsfeld von Sprachtheorie und Sprachgeschichte"
30 Koch, Peter/Oesterreicher, Wulf : Schriftlichkeit und Sprache. In: Günther, Hartmut
/Ludwig, Otto: Schrift und Schriftlichkeit / Writing and Its Use. Berlin/ New York.1994. vol. 1. S 587–604.
31 Sassen, Claudia: Phatische Variabilität bei der Initiierung von Internet−Relay−Chat Dialogen. In: Thimm, Caja: Soziales im Netz. Sprache, Beziehungen und Kommunikationsstrukturen im Internet. Opladen, Wiesbaden.2000. S. 93.
32 Geers, Rainer: a.a.O., S.94.
- Citar trabajo
- Janusz Berger (Autor), 2008, Weblogs - Chancen und Risiken für die deutsche Sprachkultur, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/119584
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