Martin Luther King, eine historisch interessante und bedeutende Persönlichkeit, erregt in seiner womöglich berühmtesten Rede „Ich habe einen Traum“ die Emotion Zorn. Diese Feststellung mag für diejenigen, die seinen Vortrag ohne Vorkenntnisse durchlesen nicht nachvollziehbar sein, zumal dieser für jene alles andere als zornerregend wirkt, sondern einen eher friedlichen Eindruck bei der Leserschaft hinterlässt. Wenn man sich seine Rede jedoch erneut, nach Kenntnis der Emotionserregung und der zur Rede relevanten Hintergründe achtsam durchliest, erkennt man, wieso die oben genannte Aussage zutrifft. Diese Arbeit versucht nun die Frage zu beantworten: Inwieweit erregt Martin Luther King in seiner Rede „Ich habe einen Traum“ die Emotion Zorn beim dunkelhäutigen Publikum kunstgemäß nach Aristoteles‘ Rhetorik? Im Laufe der Arbeit wird überdies zum einen verdeutlicht, weshalb Emotionen zur Überzeugung relevant sind und zum anderen, wie Redner (z.B.: Politiker, Anführer usw.), unser Urteil emotional beeinflussen. Ein grober, interessanter Einblick in die amerikanische Geschichte und in Martin Luther Kings Leben sind ebenfalls Bestandteile dieser Arbeit.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Aristoteles' Rhetorik
2.1 Die Überzeugungsmittel
2.2 Erregung von Emotionen
2.2.1 Die Emotion ,Zorn‘
3 Die Rede „Ich habe einen Traum“
3.1 Martin Luther King
3.2 Busboykott
3.3 Inhalt der Rede
4 Analyse der Rede „Ich habe einen Traum“
5 Fazit
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abstract
Martin Luther King, eine historisch interessante und bedeutende Persönlichkeit, erregt in seiner womöglich berühmtesten Rede „Ich habe einen Traum“ die Emotion Zorn. Diese Feststellung mag für diejenigen, die seinen Vortrag ohne Vorkenntnisse durchlesen nicht nachvollziehbar sein, zumal dieser für jene alles andere als zornerregend wirkt, sondern einen eher friedlichen Eindruck bei der Leserschaft hinterlässt. Wenn man sich seine Rede jedoch erneut, nach Kenntnis der Emotionserregung und der zur Rede relevanten Hintergründe achtsam durchliest, erkennt man, wieso die oben genannte Aussage zutrifft. Diese Arbeit versucht nun die Frage zu beantworten: Inwieweit erregt Martin Luther King in seiner Rede „Ich habe einen Traum“ die Emotion Zorn beim dunkelhäutigen Publikum kunstgemäß nach Aristoteles‘ Rhetorik? Im Laufe der Arbeit wird überdies zum einen verdeutlicht, weshalb Emotionen zur Überzeugung relevant sind und zum anderen, wie Redner (z.B.: Politiker, Anführer usw.), unser Urteil emotional beeinflussen. Ein grober, interessanter Einblick in die amerikanische Geschichte und in Martin Luther Kings Leben sind ebenfalls Bestandteile dieser Arbeit.
Die Abkürzung „Rhet.“ in den Fußnoten steht für „Rhetorik“ (Werk des Aristoteles).
1 Einleitung
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Emotionserregung nach Aristoteles‘ Rhetorik in Martin Luther Kings Rede „Ich habe einen Traum“. Auf die drei Überzeugungsmittel, bin ich während der Themensuche durch das Internet gestoßen und habe mich für Aristoteles‘ Behandlung dieser Mittel entschieden, da er im Lateinunterricht bei der Behandlung der Rhetorik erwähnt wurde. Martin Luther King, eine historisch relevante und interessante Persönlichkeit und seine Rede wurden im Englischunterricht, aufgrund der 2020 aktuellen internationalen Bewegung „Black Lives Matter“ in den USA, behandelt. Speziell für die kunstgemäße Emotionserregung habe ich mich entschieden, da der Sinn dieser Arbeit darin liegt herauszufinden, ob King durch den Inhalt seiner Rede Emotionen erregt. Außerdem finde ich es interessant welche Rolle Emotionen bei der Überzeugung spielen und wie die kunstgemäße Erregung von Emotionen richtig funktioniert. Für die Behandlung der Emotion Zorn habe ich mich aus dem Grund entschieden, dass ich es interessant finde, wie Martin Luther King in seiner, eher friedlich wirkenden Rede, ausgerechnet diese Emotion erregt. Das Publikum habe ich daher nur auf die dunkelhäutigen Menschen eingeschränkt, da der Großteil seines Publikums dunkelhäutig war.
Ziel dieser Arbeit ist es, folgende Frage zu beantworten: Inwieweit erregt Martin Luther King in seiner Rede „Ich habe einen Traum“ die Emotion Zorn beim dunkelhäutigen Publikum kunstgemäß nach Aristoteles‘ Rhetorik? In dieser Arbeit werden zunächst die für die Beantwortung der Leitfrage notwendigen Aspekte aus Aristoteles‘ Rhetorik zusammengefasst. Anschließend werden die für die Rede ausschlaggebenden Hintergründe, ohne tiefgehende Details, wiedergegeben, die für eine nachvollziehbare Analyse verstanden werden sollten. Abschließend wird die Rede, anhand der im zweiten Kapitel behandelten Emotion in Bezug auf das dunkelhäutige Publikum analysiert. Schlussendlich setze ich mich im letzten Kapitel mit der Beantwortung der Leitfrage auseinander. Gesellschaftlich ist das Thema insofern relevant, dass die Emotionserregung die Meinungen und Verhaltensweisen der Menschen subtil prägt. Ich möchte anhand von einer erfolgreichen Rede, verdeutlichen, wie Redner (z.B.: Anführer, Politiker, usw.) die Hörer beeinflussen. Es ist deshalb wichtig sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen, weil jeder diese Technik, sei es mit guten oder schlechten Intentionen zu seinem eigenen Vorteil, anwenden kann, der sie beherrscht.
2 Aristoteles‘ Rhetorik
Dieses Kapitel behandelt die Erregung von Zorn aus Aristoteles‘ Rhetorik beginnend mit einer kurzen Wiedergabe der Überzeugungsmittel mit Fokus auf die kunstgemäßen, da die kunstfremden irrelevant für diese Arbeit sind. Im Anschluss dazu wird die Emotionserregung selbst erklärt. Zum Schluss wird die Erregung von Zorn erläutert.
2.1 Die Überzeugungsmittel
Man unterscheidet zwischen kunstfremden und kunstgemäßen Überzeugungsmitteln. Während Aristoteles kunstfremde Überzeugungsmittel als solche bezeichnet,1 „die nicht durch uns zustande gebracht worden sind, sondern (schon) zuvor bestanden haben“,2 versteht er unter kunstgemäßen Überzeugungsmitteln jene, die erstens durch uns, zweitens mit Hilfe der Methode3 (,logos‘,4,éthos‘, ,pathos‘5 )6 und drittens durch die Rede entstehen.7 Von den kunstfremden Überzeugungsmitteln gibt es fünf, die der Gerichtsrede zugeordnet werden, und zwar Eide, Verträge, Zeugen, Gesetze und Aussagen, die man durch Folter erzielt.8 Von den kunstgemäßen sind drei vorhanden, nämlich die Argumentation (logos), Charakterdarstellung (ethos) und Emotionserregung (pathos), wobei der Philosophiehistoriker Christof Rapp angibt, dass seitens Aristoteles weder eine Erklärung noch eine Begründung vorhanden ist, wie er exakt zur Erkenntnis dieser drei kommt und weshalb zusätzliche Mittel ausgeschlossen sind.9 Obwohl diese drei Überzeugungsmittel laut Rapp grundsätzlich unabhängig voneinander zum Persuadieren der Hörerschaft anwendbar sind,10 behauptet er, dass die Argumentation, würde man die Überzeugungsmittel zusammenhängend gewichten, prioritär ist.11 Denn durch das Talent der Zuhörer, Wahres zu erkennen, sind sie, wenn sie der Ansicht sind, dass etwas bewiesen wurde, überwiegend überzeugt.12 Bei der Charakterdarstellung versucht der Orator innerhalb der Rede einen seriösen und verlässlichen Eindruck zu erwecken,13 mit dem Zweck, die Hörer so zu beeinflussen, dass sie empfänglicher hinsichtlich seiner Position sind und sich dieser anschließen, denn14 „[w]er keine begründeten Zweifel am Redner hat, hat gar keine Zweifel am Redner“.15 Dabei geht es darum, zweifelhafte Aspekte, die im Wege einer Überzeugung stehen, zu eliminieren und nicht darum, die Zuhörer dazu zu verleiten, blindes Vertrauen gegenüber den Aussagen des Orators zu schenken.16
2.2 Erregung von Emotionen
Rapp zufolge fasst Aristoteles den Begriff ,pathos‘,17 zusammengesetzt aus ,leiden‘ bzw. ,erleiden‘,18 als folgende Aufzählung auf:19 „Unter ,pathos‘ verstehe ich Begierde [...], Zorn [...], Furcht [...], Zuversicht [...], Neid [...], Freude [...], Freundschaftlichkeit [...], Hass [...], Sehnsucht [...], Eifer [...], Mitleid [...], überhaupt alles, das Lust und Schmerz zur Folge hat“.20 Psychologisch gesehen bedeutet dieser Begriff ,Affekt‘, ,Gefühl‘ oder ,Emotion‘. Emotionen bezeichnet er dabei als ,Widerfahrnisse‘, bzw. als ,Widerfahrnisse der Seele'.21 Zwar fehlt eine klare Definition der Emotionen durch Aristoteles, jedoch besteht die Definition, nach Rapp, aufgrund von Aristoteles‘ Bemerkung und Formulierung aus zwei Teilen: Das eine definitorische Merkmal ist, dass Emotionen sich mit einer Lust- oder Schmerzempfindung assoziieren.22 Lust und das Gegenteil davon, Schmerz,23 sind die fühlbaren Aspekte jeder Emotion.24 Die zweite Bemerkung ist, dass Emotionen eine Veränderung in Menschen verursachen. Diese differenzieren sich dadurch in ihren Urteilen.25 Da Emotionen die Urteile der Hörer prägen, spielen sie in der Rhetorik,26 die genau diese anstrebt,27 eine bedeutende Rolle, denn28 „... wir fällen unsere Urteile nämlich nicht in gleicher Weise, wenn wir trauern und wenn wir uns freuen oder wenn wir lieben und wenn wir hassen“.29 Wie Aristoteles erklärt, scheinen die Dinge30 „für diejenigen, die lieben, und für diejenigen, die hassen, nicht dieselben zu sein“.31 Zur Erregung einer Emotion muss man deren drei Momente, nämlich den Zustand, in welchem man die jeweilige Emotion üblicherweise empfindet, die Zielpersonen, ergo Personen, welchen man gegenüber die Emotion empfindet, und den Gegenstand, also aufgrund welcher Dinge eine gewisse Emotion entsteht, identifizieren.32 „Wenn wir nämlich das eine oder zwei davon hätten, nicht aber alle, wäre es unmöglich, den Zorn hervorzubringen; ebenso aber auch bei den anderen (Emotionen)“.33 Diese von Aristoteles angegebene These wird, wie Rapp erklärt, eingeschränkt mit der Begründung, die drei Momente könnten nicht explizit bei jeder Emotion variiert werden bzw. die Merkmale der Momente würden sich gegenseitig inkludieren.34 Um eine Emotion zu bewirken, müssen außerdem körperliche („z.B. das Sieden des Blutes rund ums Herz“35 ) und seelische („z.B. das Erlebnis, der Eindruck einer erlittenen Erniedrigung“36 ) Voraussetzungen erfüllt werden,37 auf die der Redner, welcher nur Einschätzungen und Urteile prägen kann, keinen Einfluss hat:38
„Wenn z.B. der Zorn eine bestimmte Erhitzung des Blutes voraussetzt, der Betreffende aber in Anbetracht einer zornerregenden Situation die für den Zorn erforderliche Körperwärme nicht mitbringt, dann bleibt der Zorn aus, obwohl ein ,starker und klarer Eindruck‘ von einer erlittenen Erniedrigung durch jemanden, dem es nicht zukommt, vorliegt. Umgekehrt kann es sich zutragen, dass ,der Körper zürnt‘, d.h. dass die körperlichen Voraussetzungen des Zorns gegeben sind ([...]), so dass geringfügige und undeutliche Erlebnisse ([...]) genügen, um die betreffende Emotion auszulösen“.39
Selbstverständliche Prämissen im Charakter derer, die zuhören, müssen ebenfalls gegeben sein.40 Folglich ist es z.B. bei einer Person ohne Selbstachtung im Charakter nicht möglich, Zorn auszulösen, denn diese geht ohnehin nicht davon aus, wertgeschätzt zu werden.41 Des Weiteren gibt es unterschiedliche Charaktertypen, also42 „von welcher Art jemand hinsichtlich seiner Emotionen [...] und seiner Charaktereigenschaften [...] ist“,43 unter den Zuhörern, die ebenso nicht unter der Kontrolle des Redners stehen.44 Die Charaktertypen sind unterteilt in zwei Teile, nämlich in verschiedene Altersgruppen45 (Jugend, Blütezeit [Unter Blütezeit wird46 „die mittlere Altersstufe zwischen Jung' und ,alt‘“47 verstanden.48 Dabei ist die Blüte des Körpers, im Alter von 30 bis 35, und die der Seele im Alter von 49 Jahren.49 ], Alter)50 und die vom Glück abhängigen Faktoren51 (Macht, Reichtum, edle Herkunft).52
2.2.1 Die Emotion ,Zorn‘
Zorn ist nicht auf eine spezielle Gruppe von Personen (z.B. alle Dunkelhäutige/Hellhäutige), sondern in jedem Fall auf Individuen gerichtet, aus dem Grund, dass es Einzelpersonen sind, welche entweder der zürnenden Person selbst oder einer Person aus dessen näheren Umkreis Schaden zufügten oder zufügen wollten. Er ist sowohl mit einer Schmerz- als auch, in gewisser Weise, mit einer Lustempfindung verbunden.53 Zwar heißt es in der Definition des Zorns, er ist54 „ein mit Schmerz verbundenes Streben nach Vergeltung bzw. nach dem, was dem Zürnenden als Vergeltung erscheint, für eine Herabsetzung [...] bzw. für das, was den Zürnenden als eine Herabsetzung erschienen war“,55 jedoch ist es ebenfalls angenehm Vergeltung zu üben, wenn man bedenkt, dass all das, was man nicht erreicht Schmerzen bereitet, doch, wenn man es erreichen sollte, komfortabel ist.56 Die Degradierung muss eben entweder der zürnenden Person selbst oder ihrem näherem Umkreis gewidmet sein und von einer, in den Augen des Zürnenden nicht zur Erniedrigung berechtigten Person, ausgehen.57 Hierzu gehören Personen, für die es sich gehört den Zürnenden zu ehren, sei es, weil diese selbst in Dingen (z.B.: Macht, Herkunft), in denen der Zürnende überlegen ist, unterlegen sind,58 sei es, weil der Zürnende allgemein meint von solchen Personen, aufgrund von ihnen gegenüber erbrachten Wohltaten, Anspruch auf gute Behandlung zu haben.59 Darüber hinaus ist auch die Hoffnung auf eine erstrebte Vergeltung eine Lustempfindung,60 die den nicht aushaltbaren Schmerz der Zürnenden, die keine Vergeltung ausüben, durch Freude sänftigt.61 Dabei ist Schmerz das Haupt- und Lust ein nebensächliches, nicht essenzielles, Merkmal des Zorns.62 Die Gegenemotion zum Zorn ist die ,Sanftmut‘, also die63 „Beilegung [...] und Beruhigung [...] des Zorns“.64 Der zornerregende Gegenstand ist eine Herabsetzung, also die Meinung, jemand oder etwas sei wertlos, wovon drei Arten vorhanden sind, nämlich65 „Verachtung [...], Boshaftigkeit [...] und Übermut bzw. übermütige Misshandlung“.66 Wenn man verachtet, heißt es, dass man jemandem oder etwas keinen Wert beimisst und sich deswegen gegenüber jener Person oder Sache herabsetzend verhält.67 Boshafte, die sich in den Weg der68 „Verwirklichung von Wünschen eines anderen“69 stellen, mit dem einzigen Zweck, dass der Zürnende70 „die betreffenden Güter“71 nicht erlangt, verhalten sich herabsetzend dadurch, dass solche Personen eben mit der bewussten Überlegung, weder einen Nutzen noch einen Schaden zu erwarten, handeln.72
Übermütige, die ohne die Absicht, einen Nutzen aus der Situation zu ziehen oder eine angebrachte Vergeltung auszuüben, sondern aus73 „Freude an der erzielten Wirkung“74 agieren, indem sie etwas sagen oder machen,75 „was für den anderen eine Schande bedeutet“,76 gehen mit Menschen herabsetzend um.77
Nun zu den Zuständen, in welchen jemand zürnt: Wenn man jemandem Schmerz, durch direktes oder indirektes Verhindern eines Wunsches, zufügt. Als Beispiel einer direkten Hinderung, ist das, Abhalten eines Dürstenden vom Wassertrinken angegeben, und eine indirekte Hinderung kommt dann zustande, wenn man entweder keine Zusammenarbeit oder sogar Rivalität gegen denjenigen, der sein Ziel zu erreichen versucht, führt. Beide Verhalten inkludieren den Gegenstand, eine Herabsetzung in Form von Boshaftigkeit, sowie die Zielperson, nämlich jemand, der eben solch ein Verhalten gegenüber jemandem aufweist.78 Der zweite Zustand ergibt sich, wenn man einen bestimmten Ablauf eines Geschehnisses vor Augen hat und erwartet, jedoch genau das Gegenteil davon eintritt, wodurch der Schmerz enormer wird, was79 „eine höhere Neigung zum Zorn hervorbringt“.80 Im folgenden Fall handelt es sich um eine Zielgruppe, welche Zorn erregt, die sich nicht durch ein gewisses Verhalten, wie in den anderen Fällen, sondern durch ein Verhältnis zum Zürnenden, kennzeichnet: Der Zorn, den man bei Freunden verspürt, wenn man von ihnen Schlechtes erfährt, ist besonders gravierender als der, den man anderen gegenüber verspürt, zumal man der Ansicht ist, es stehe einem zu, von Freunden gut behandelt zu werden.81 Daher sind Freunde der zürnenden Person, die ihm nicht Gutes tun, über ihn schlecht reden, anders agieren, als das was von ihnen erwartet wird oder82 „nicht bemerken, welcher Dinge man bedarf“,83 Erreger des Zorns, weil das, was für den Zürnenden bedeutend ist, übersehen oder vergessen wird, was auf eine Herabsetzung schließen lässt dadurch, dass die gebührende Beachtung ausfällt.84
Zielpersonen des Zorns sind Menschen, die einem Schaden aus Übermut zufügen, was den Gegenstand des Zorns, eine Herabsetzung durch übermütige Misshandlung, impliziert.85 Jene, die die Ziele, die der Zürnende wertschätzt und anstrebt, schlecht reden und verachten, sind ebenfalls Zielpersonen. Wie schon zuvor, ist auch hier wieder der Gegenstand, eine Herabsetzung durch Verachtung, miteinbezogen.86 Weitere Zielpersonen sind Leute, die dem Zürnenden für gewöhnlich Ehre und Beachtung schenken, diesem beides jedoch ab einem Punkt nicht länger leisten. Solch ein Benehmen wird ebenfalls als eine Verachtung angesehen.87 Ferner zürnt man denjenigen, die die vom Zürnenden erbrachten Wohltaten nicht, oder zumindest nicht im gleichen Maß, erwidern, da Zielpersonen diese als Wohltaten von Unterlegenen behandeln. Man zürnt auch denen,88 „die einem, obwohl sie unterlegen sind, zuwider handeln [sic!]“,89 denn sie gehen mit einem um, als ob man selbst unterlegen sei.90 Des Weiteren sind es Personen, die dem Zürnenden irrelevant sind und eine herabsetzende Verhaltensweise aufweisen. Diese Menschen zählen, da sie in den Augen des Zürnenden unterlegen sind, dadurch, dass diese ihm bedeutungslos erscheinen, zu jenen, denen es nicht zusteht, ein derartiges Verhalten zu zeigen.91 Personen, die sich über erlittene Unglücksfälle eines anderen freuen oder, bei solch einem Widerfahrnis in gute Stimmung versetzt sind, sind ebenfalls Angehörige der Personengruppe, welche Zorn erzeugen, da diese Freude ein Merkmal von Herabsetzung (oder Hass) ist.92 Weiters sind Zielpersonen jene, die Schmerz auslösen, ohne dass es sie interessiert, dass sie dadurch Zorn zustande bringen93 oder dem Schmerzerleidendem gleichgültig bzw. mitleidslos zusehen oder zuhören.94 „Wenn man sich nämlich auf entgegengesetzte Weise verhält und ein Freund ist, dann leidet man mit“.95 Zielpersonen sind vor allem die, die einen vor bestimmten Menschen herabsetzen, bei denen der zürnenden Person entweder der Mensch an sich oder dessen Meinung über ihn von Bedeutung ist. Zu solchen gehören Menschen, gegenüber welchen man ehrgeizig ist, welche man bewundert, bei welchen man es anstrebt, bewundert zu werden, vor denen man sich schämt oder die sich vor einem schämen.96 Weitere Zielpersonen sind: Undankbare, denn undankbares Verhalten, eine Art der Herabsetzung, bildet in diesem Fall den Gegenstand zum Zorn.97 Personen mit ironischem Verhalten gegenüber Bemühten, denn Ironie ist mit Verachtung identifizierbar.98 Jemand, der anderen Gutes tut, dem Zürnenden im Vergleich dazu jedoch nicht. Diese Unterscheidung der Umgangsweisen ist mit Verachtung verbunden.99
[...]
1 Vgl. Rhet. 1355b35-1356a.
2 Ebd.
3 Vgl. Rhet. 1355b35-1356a1.
4 Vgl. Rapp, Christof, 2002, 1. Halbband, S. 455. Griechisch: Argument
5 Vgl. ebd. S. 460. Griechisch: Charakter, Emotion
6 Vgl. Rhet. 1377b19.
7 Vgl. Rhet. 1355b35-1356a1.
8 Vgl. Rhet. 1375a22-1375a25.
9 Vgl. Rapp, Christof, 2002, 1. Halbband, S. 355.
10 Vgl. ebd. S. 356.
11 Vgl. ebd.
12 Vgl. ebd. S.357.
13 Vgl. Rhet. 1356a5-135615.
14 Vgl. Rhet. 1356a1-1356a20.
15 Ebd.
16 Vgl. Rapp, Christof, 2002, 1. Halbband, S.357f.
17 Vgl. ebd. 2. Halbband, S.546.
18 Vgl. ebd. S.543.
19 Vgl. ebd. S.546.
20 EN II 4,1105b21-23. zit. n. Rapp, Christof, 2002, 2. Halbband, S. 546.
21 Vgl. Rapp, Christof, 2002, 2. Halbband, S.543.
22 Vgl. ebd. S.540.
23 Vgl. ebd. S.457.
24 Vgl. ebd. S.548.
25 Vgl. ebd. S.540.
26 Vgl. ebd. S.575.
27 Vgl. ebd. S.577.
28 Vgl. ebd. S.575.
29 Rhet. 1356a15f.
30 Vgl. Rhet. 1379b31f.
31 Rhet. 1379b31f.
32 Vgl. Rhet. 1378a20-1378a28.
33 Rhet. 1378a25-1378a30.
34 Vgl. Rapp, Christof, 2002, 2. Halbband, S.542.
35 Ebd. S.551.
36 Ebd.
37 Vgl. ebd.
38 Vgl. ebd. 1. Halbband, S.363.
39 Vgl. ebd. 2. Halbband, S.551.
40 Vgl. ebd. 1. Halbband, S.363.
41 Vgl. Rapp, Christof, 2002, 1. Halbband, S.363.
42 Vgl. Rhet. 1388b31-1388b32.
43 Vgl. Rhet. 1388b31-1388b32.
44 Vgl. Rapp, 2002, 1. Halbband, S. 363.
45 Vgl. Rhet. 1388b31-1388b32.
46 Vgl. Rhet. 1388b36.
47 Ebd.
48 Vgl. ebd.
49 Vgl. Rhet. 1390b9-1390b11.
50 Vgl. Rhet. 1388b33-1389a2.
51 Vgl. Rhet. 1388b31-1388b32.
52 Vgl. Rhet. 1388b33-1389a2.
53 Vgl. Rhet. 1378a33-1378b9.
54 Vgl. Rhet. 1378a31-1378a33.
55 Ebd.
56 Vgl. Rhet. 1378a33-1378b9.
57 Vgl. Rhet. 1378a31-1378a33.
58 Vgl. Rhet. 1378b34-1379a6.
59 Vgl. Rhet. 1379a6-1379a8.
60 Vgl. Rhet. 1378a33-1378b9.
61 Vgl. Rhet. 1370b29- 1370b32.
62 Vgl. Rhet. 1378a33-1378b9.
63 Vgl. Rhet. 1380a5-1380a8.
64 Ebd.
65 Vgl. Rhet. 1378b10-1378b15.
66 Ebd.
67 Vgl. Rhet. 1378b15-1378b17.
68 Vgl. Rhet. 1378b17-1378b22.
69 Ebd.
70 Vgl. ebd.
71 Ebd.
72 Vgl. ebd.
73 Vgl. Rhet. 1378b22-1378b26.
74 Ebd.
75 Vgl. ebd.
76 Rhet. ebd.
77 Vgl. ebd.
78 Vgl. Rhet. 1379a9-1379a22.
79 Vgl. Rhet. 1379a22-1379a28.
80 Ebd.
81 Vgl. Rhet. 1379b2-1379b4.
82 Vgl. Rhet. 1379b13-1379b17.
83 Ebd.
84 Vgl. ebd.
85 Vgl. Rhet. 1379a30- 1379a32.
86 Vgl. Rhet. 1379a32-1379b2.
87 Vgl. Rhet. 1379b4-1379b6.
88 Vgl. Rhet. 1379b6-1379b10.
89 Ebd.
90 Vgl. ebd.
91 Vgl. Rhet. 1379b10-1379b13.
92 Vgl. Rhet. 1379b17-1379b19.
93 Vgl. Rhet. 1379b19-1379b20.
94 Vgl. Rhet. 1379b21-1379b24.
95 Ebd.
96 Vgl. Rhet. 1379b24-1379b27.
97 Vgl. Rhet. 1379b29-1379b30.
98 Vgl. Rhet. 1379b31-1379b32.
99 Vgl. Rhet. 1379b32-1379b34.
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