Das Ziel dieser Arbeit ist es, wissenschaftlich fundiert, verständlich und korrekt herauszuarbeiten, in welchem Maß die potenziellen negativen Auswirkungen eines Lieferantenausfalls in China durch ein geeignetes Risikomanagementsystem verhindert oder reduziert werden können. Durch die Identifikation möglicher Chancen und Risiken des Global Sourcings sowie die Erläuterung und Bewertung vorhandener Methoden des Risikomanagements sollen den hierfür verantwortlichen Personen vorbeugende Maßnahmen und Handlungsempfehlungen zur Verfügung gestellt werden. Um den Rahmen der vorliegenden Bachelorarbeit nicht zu überschreiten, beschäftigt sich der Autor im Folgenden hauptsächlich mit einem speziellen Bereich des Risikomanagements: den Lieferantenausfallrisiken. Thematiken und Schnittstellen, die diesen eingegrenzten Bereich berühren, werden in die Analyse miteinbezogen.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung
1.3 Methodik und Aufbau
2. Theoretische Grundlagen
2.1 Die Globalisierung
2.1.1 Definition der Globalisierung
2.1.2 Die Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft und Industrie
2.1.3 Der Aufstieg Chinas
2.2 Grundlagen des Global Sourcings
2.2.1 Grundbegriffe
2.2.2 Beweggründe für Global Sourcing
2.2.3 Eintritt in den globalen Beschaffungsmarkt
2.2.4 Global-Sourcing-Prozess
2.2.5 Internationale Wettbewerbsordnung
3. Herausforderungen und Risiken beim China-Sourcing
3.1 Ausgangssituation
3.2 Länderrisiken
3.2.1 Kulturelle Risiken
3.2.2 Rechtliche Risiken
3.2.3 Politische Risiken
3.2.4 Wirtschaftliche Risiken
3.2.5 Sonstige Risiken
3.3 Lieferantenbezogene Risiken
3.3.1 Leistungsrisiken
3.3.2 Verhaltensrisiken
4. Auswirkungen, Methoden und Lösungsansätze
4.1 Auswirkungen/wirtschaftliche Bedeutung
4.1.1 Historische Ereignisse und ihre Auswirkungen
4.1.2 Auswirkungen der Coronapandemie
4.2 Methoden für den Umgang mit Lieferantenrisiken
4.2.1 Supply-Chain-Risikomanagement
4.2.2 Lieferantenrisikomangement
4.3 Lösungsansätze für den optimalen Umgang mit Lieferantenrisiken
4.3.1 IT-gestütztes Supply-Chain-Risikomanagement der Continental AG
4.3.2 Lieferantenbewertung mit einer Balanced Scorecard
4.3.3 Business-Continuity-Plan
5. Beantwortung der Forschungsfragen/Diskussion
6. Fazit
7. Zusammenfassung und Ausblick
Literaturverzeichnis
Anhang A
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
ABBILDUNG 1: RISIKOGRUPPEN/-QUELLEN IN DER SUPPLY-CHAIN
ABBILDUNG 2: ABLAUF DES RISIKOMANAGEMENTS
ABBILDUNG 4: ANALYSE DES LIEFERANTENPORTFOLIOS
ABBILDUNG 5: MATERIAL-SHORTAGE-MANAGEMENT
ABBILDUNG 6: BALANCED SCORECARD
Tabellenverzeichnis
TABELLE 1: LIEFERANTENAUSFÄLLE UND LIEFERKETTENUNTERBRECHUNGEN
TABELLE 2: RISIKOKLASSIFIZIERUNG
TABELLE 3: RISIKOMATRIX
1. Einleitung
In den letzten Jahren haben protektionistische Maßnahmen aufgrund globaler Handelskonflikte und Krisen erheblich zugenommen. Der jüngst erschienene Bericht der Europäischen Kommission zeigt auf, welche Bedeutung Handelsbarrieren für die Existenz deutscher Unternehmen haben. Demnach belasten diese den Handel der Europäischen Union jährlich mit über 15 Milliarden Euro.1
1.1 Problemstellung
In den letzten Jahrzehnten entstand durch die fortschreitende Globalisierung eine komplexe und in hohem Grad vernetzte globale Wirtschaftsstruktur. Bis vor einigen Jahren profitierten hauptsächlich die Industrienationen von der globalen Entwicklung der Wirtschaft und der Politik. Seit einigen Jahren ändern sich jedoch die Machtverhältnisse und das weltweite Wirtschafszentrum verschiebt sich nach Ostasien. Hauptverantwortlich dafür ist die Volksrepublik China (fortan China genannt), die bis zum Jahr 2049 eine Weltmacht werden will. Die chinesische Regierung verfolgt dieses Ziel entschieden, wodurch es vermehrt zu internationalen Handelskriegen mit weitreichenden Folgen (z. B. Ein- und Ausfuhrverboten) kommt.2
Aufgrund des steigenden Kostendrucks, der wachsenden Komplexität von Produkten, der zunehmenden wirtschaftlichen Vernetzung sowie des teilweise drastischen Unterschieds bei Lohn- und Fertigungskosten sind Unternehmen gezwungen, Fertigungs- und Entwicklungsleistungen an globale Lieferanten auszulagern.3 Dies fördert den Zukauf aus China und verstärkt somit die Reduzierung der eigenen Fertigungstiefe. Folglich sind deutsche Unternehmen abhängiger vom chinesischen Beschaffungsmarkt und den Lieferanten aus China geworden. Durch die sich ständig verändernden Umwelteinflüsse entstehen neue Risiken für international tätige deutsche Unternehmen. Besonders folgenreich ist ein Lieferantenausfall und die damit einhergehende Lieferkettenunterbrechung. Wenn ein Unternehmen unzureichend vorbereitet und ausgerüstet in dieses Szenario geht, ist seine Existenz gefährdet.
1.2 Zielsetzung
Das Ziel dieser Bachelorarbeit ist es, wissenschaftlich fundiert, verständlich und korrekt herauszuarbeiten, in welchem Maß die potenziellen negativen Auswirkungen eines Lieferantenausfalls in China durch ein geeignetes Risikomanagementsystem verhindert oder reduziert werden können. Durch die Identifikation möglicher Chancen und Risiken des Global Sourcings sowie die Erläuterung und Bewertung vorhandener Methoden des Risikomanagements sollen den hierfür verantwortlichen Personen vorbeugende Maßnahmen und Handlungsempfehlungen zur Verfügung gestellt werden. Um den Rahmen der vorliegenden Bachelorarbeit nicht zu überschreiten, beschäftigt sich der Autor im Folgenden hauptsächlich mit einem speziellen Bereich des Risikomanagements: den Lieferantenausfallrisiken. Thematiken und Schnittstellen, die diesen eingegrenzten Bereich berühren, werden in die Analyse miteinbezogen.
Global Sourcing in China soll anhand verschiedener relevanter Literatur kritisch hinterfragt werden. Dabei soll der aktuelle Stand der Wissenschaft erarbeitet werden, um zu identifizieren, welche Methoden zur Steuerung des Lieferantenausfallrisikos am geeignetsten sind. Aus diesen Zielsetzungen können folgende Fragen abgeleitet werden, die in dieser Arbeit beantwortet werden sollen:
- Welchen strategischen Wert bietet der angemessene Umgang mit den Lieferantenrisiken aus China?
- Welche Methoden und Werkzeuge für den Umgang mit Lieferantenrisiken gibt es?
- Wie können deutsche Unternehmen ihr Risikomanagement gestalten, um in der Praxis die Lieferantenausfallrisiken aus China angemessen zu managen?
- Wie haben sich die Risikoprofile deutscher Unternehmen durch die globalen Handelskonflikte verändert?
1.3 Methodik und Aufbau
Dieses Unterkapitel dient dazu, um zu erklären, welche Methodik in dieser Bachelorarbeit angewandt wurde, um zu den Ergebnissen zu gelangen. Außerdem wird der Aufbau der Arbeit erklärt.
Um die in Kapitel 1.2 aufgeführten Forschungsfragen zu beantworten, wurde im Zeitraum von Juni 2021 bis Januar 2022 eine Literaturrecherche durchgeführt. Ziel dieser Suche war es, Literatur zu finden, anhand derer die Forschungsfragen beantwortet werden konnten. Dabei wurde gezielt über das Bibliotheksportal der Hochschule RavensburgWeingarten, Google, Google Scholar und Springer Link nach Fachliteratur, wissenschaftlichen Journalen, Magazinen, Statistiken und ähnlichem gesucht. Für die Literaturrecherche wurden folgende Schlüsselwörter verwendet: Risikomanagement, Lieferantenrisikomanagement (fortan LRM genannt), Lieferantenmanagement, Global Sourcing, Beschaffung in China, Supply-Chain-Risikomanagement (fortan SCRM genannt), Risiken beim China-Sourcing, Auswirkungen Globalisierung und Auswirkungen Coronapandemie. Dabei wurde mit Hilfe der Methode des sogenannten ,Schneeballsystems‘ gearbeitet. Der Vorteil dieser Methode liegt unter anderem darin, dass durch eine geringe Anzahl an Quellen relevante Literatur in großem Umfang gefunden werden kann.
Bei der Auswahl der Literatur wurde auf die Qualität der Quellen geachtet und es wurden Ein- sowie Ausschlusskriterien festgelegt. Der Hintergrund des jeweiligen Autors4 wurde dahingehend überprüft, ob dieser bezüglich des in dieser Arbeit untersuchten Themengebiets tätig war. Relevant war auch das Erscheinungsdatum, da Literatur ältern Datums möglicherweise nicht mehr relevant ist. Darüber hinaus wurde die Funktionalität von Google Scholar verwendet, um zu bewerten, ob die untersuchte Literatur zuvor häufig im Kontext anderer wissenschaftlicher Arbeiten verwendet wurde. Es wurde die Annahme getroffen, dass eine Quelle, die in zahlreichen Arbeiten zitiert wird, fachlich und inhaltlich anerkannt ist. Ausgeschlossen wurden Quellen, aus denen nicht hervorgeht, woher die darin enthaltenen Informationen stammen. Die nach diesem Auswahlprozess verbliebenen Quellen wurden zuerst mittels des Abstracts vorausgewählt. Im nächsten Schritt wurden die verbliebenen Quellen anhand des Volltexts untersucht.
Informationen des Statistischen Bundesamts und im Auftrag der Bundesregierung erstellte Berichte sowie Umfragen, Analysen und Veröffentlichungen privater und öffentlicher Institutionen bilden eine allgemeine Datengrundlage für diese Arbeit. Um aktuelle Geschehnisse und weltweite Entwicklungen zu berücksichtigen, wurden relevante Artikel aus renommierten Zeitschriften sowie vertrauenswürdigen Internetquellen herangezogen.
In der Einleitung dieser Arbeit sollen die Problemstellung und der Hintergrund der Arbeit verdeutlicht und die Zielsetzung und die Forschungsfragen festgelegt werden. Zudem soll dem Leser die Methodik deutlich gemacht werden. Im zweiten Kapitel werden die theoretischen Grundlagen vermittelt, die die wissenschaftliche Forschungsbasis für die Beantwortung der Forschungsfragen bilden. Dabei werden relevante Aspekte aus den Themenfeldern Globalisierung und Global Sourcing beleuchtet. Aus den theoretischen Grundlagen werden im dritten Kapitel die Herausforderungen und Risiken abgeleitet. In diesem Kapitel werden die Ursachen der Problemstellung dieser Arbeit umfassend behandelt. Im vierten Kapitel werden die Auswirkungen der Risiken, die Methoden und die Lösungsansätze aus der Literaturrecherche, die zur Beantwortung der Forschungsfragen nötig sind, deskriptiv vorgestellt. Im Anschluss werden im fünften Kapitel die zentralen Forschungsfragen anhand der Forschungsergebnisse beantwortet und diskutiert. Am Ende der Arbeit wird ein Fazit gezogen.
2. Theoretische Grundlagen
Im vorliegenden Kapitel wird in kompakter und gründlicher Form das notwendige Hintergrundwissen zur Globalisierung sowie dem damit zusammenhängenden Global Sourcing erläutert. Dadurch soll ein grundlegendes Verständnis des Forschungsgegenstands dieser Arbeit vermittelt werden.
2.1 Die Globalisierung
Vor über 2000 Jahren wurde durch die Seidenstraße der grenzübergreifende Handel zwischen China und Europa ermöglicht. Schon damals gab es internationale Handelsbeziehungen und Wettbewerb. Heute wiederholt sich die Geschichte der Seidenstraße und wegbereitend dafür ist die fortschreitende Globalisierung. In den letzten Jahrzehnten profitierten hauptsächlich die Industrienationen wie die United States of Amerika (USA) und Europa von der globalen Entwicklung der Wirtschaft und der Politik. Inzwischen stellen jedoch China und sein Projekt der Neuen Seidenstraße erhebliche Herausforderungen für die Industrienationen sowie den internationalen Wettbewerb dar. Im weltgrößten Binnenmarkt China entstehen durch die Globalisierung neue Chancen und Risiken für Unterneh- men.5 In diesem Kapitel beschäftigt sich der Autor mit der Entstehung der Globalisierung und deren Auswirkungen auf deutsche Unternehmen. Auch wird der Aufstieg Chinas erläutert. Im letzten Abschnitt wird die zunehmende Bedeutung internationaler Beschaffungsaktivitäten am Beispiel China aufgezeigt und eingeordnet.
2.1.1 Definition der Globalisierung
Der Begriff ,Globalisierung‘ ist in der Literatur nicht allgemeingültig definiert. Die verschiedenen Standpunkte des Betrachters bringen eine Vielzahl von Begriffsdefinitionen mit. Kern der inhaltlichen Erklärungen ist jedoch die Tatsache, dass es sich bei diesem Phänomen um einen Prozess globaler Verflechtung handelt, der alle Bereiche unseres täglichen Lebens (Wirtschaft, Kommunikation, Politik, Kultur und Ähnliches) beeinflusst. Globalisierung ist vor allem auf technologische Fortschritte in den Verkehrs- und Kommunikationstechnologien sowie auf die zunehmende Liberalisierung des Welthandels und des politischen Handelns zurückzuführen.6 Im Wesentlichen kann der Begriff ,Globalisierung‘ als ein Phänomen erklärt werden, bei dem die Welt ,kleiner‘ und Entferntes in immer stärkerem Maß miteinander vernetzt wird.7 Dadurch werden Faktoren wie Raum und Zeit zunehmend bedeutungsloser. Folglich haben die Grenzen zwischen Ländern und Gesellschaften signifikant an Bedeutung verloren.8 Die Wurzeln der Globalisierung gehen mehrere Tausend Jahre zurück. Bereits im Jahr 3000 vor Christus wurde Handel über Grenzen hinaus betrieben.9 Es bestehen mehrere Dimensionen der Globalisierung. Im Nachfolgenden werden die Entstehung und die Entwicklung in den Bereichen Wirtschaft und Politik erläutert.
Entwicklung der globalen Wirtschaft
Die internationale Schifffahrt von 1450 bis 1640 wird als die erste Phase der Entwicklung der globalen Wirtschaft gesehen. In dieser Phase entstand ein System wirtschaftlicher Arbeitsteilung, das erste Wirtschaftsnetzwerk.10 Die zweite Phase begann durch die Industrialisierung im 19. Jahrhundert. Die Industrialisierung erlaubte die kostengünstigere Produktion von Waren und ermöglichte den Staaten die Entwicklung zu einer Industriegesellschaft. Im 20. Jahrhundert brach das Industriezeitalter an, die dritte Phase der Entwicklung der Globalisierung. Zu diesem Zeitpunkt nahm der Warenaustausch zwischen Europa, den USA, Japan und Russland rasant zu. Nach dem Zweiten Weltkrieg brachte die rasche technologische Entwicklung im Telekommunikations- und Transportsektor unerwarteten Aufschwung für die Globalisierung. Hauptursache dafür waren der Abbau von Handelsbarrieren in den Industrieländern, die gesunkenen Transportkosten und der weltweite Transfer moderner Techniken und Technologien.11
Das Resultat dieser Verflechtung von Regionen und Märkten war ein bislang beispielloses Wachstum des internationalen Handels, der Kapitalmärkte und der ausländischen Direktinvestitionen. Dadurch wurden Produktionsstandorte verlagert und Dienstleistungen global verteilt. Unternehmen begannen, Teile ihrer Wertschöpfungskette auf Spezialisten auszulagern. Die Auslagerung (Outsourcing) brachte Wettbewerbsvorteile durch Einsparungen aufgrund der Flexibilität und hinsichtlich der Stückkosten.12
Gegenwärtig befindet sich die globale Wirtschaft in der Digitalisierungsphase. In dieser Phase liegt der Fokus auf der virtuellen Arbeitsteilung und der weltweiten Vernetzung.
Es soll ein Mehrwert durch Robotisierung, Künstliche Intelligenz (KI), Informationsharing, Big Data, Cloud-Computing, 3D-Druck und Blockchain-Technologie entstehen.13
Entwicklung der globalen Politik
Der Globalisierungsprozess in der Politik begann in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die gegründeten beziehungsweise festgelegten internationalen Institutionen und Regeln, beispielsweise die NATO14 (1945) oder die GATT15 (1947), übten zunehmenden Einfluss auf die Prozesse der politischen Entscheidungsfindung aus.16 Mit dem Beginn der 1980er Jahre setzten sich allmählich der Monetarismus und der Neo-Liberalismus durch. Die Staaten versuchten, durch Liberalismus, Deregulierung und Privatisierung ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Dabei wurden Grenzbarrieren (Zölle und Importquoten) und Handelsbeschränkungen beseitigt, um neue, offene und größere Märkte zu schaffen. Dadurch verloren nationale Grenzen ihre wirtschaftliche Bedeutung und die weltweite Mobilität wurde gefördert. Das Resultat war eine steigende Verflechtung der Volks- wirtschaften.17 Durch diese Verflechtung entstanden ein komplexes internationales Umfeld und grenzüberschreitende Herausforderungen, sodass die Handlungsfähigkeit eines einzelnen Nationalstaats erheblich eingeschränkt wurde.18
Durch den politischen Globalisierungsprozess kam es zu einer Verschiebung der Machtzentren. Die Nationalstaaten erlitten aufgrund der Reduktion an Macht und Entscheidungskompetenz einen Bedeutungsverlust. Weltweit tätige Unternehmen, Organisationen und Institutionen erhielten mehr Entscheidungsbefugnisse und somit einen höheren Grad an Macht.19 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Nationalstaat weiterhin ein zentraler Akteur auf der politischen Ebene ist, jedoch deutlich an Souveränität und Macht verloren hat.
2.1.2 Die Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft und Industrie
Die angestrebte Reintegration in die Weltwirtschaft nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs sorgte für ein konstantes Wirtschaftswachstum in Deutschland. Bedeutsames Fundament für dieses Phänomen waren die weitgehende Ablehnung des Protektionismus und positive Erfahrungen mit dem Freihandel.20 Zudem beschleunigten die Einführung der sozialen Marktwirtschaft, die Währungsreform und die Unterstützung der Alliierten den Aufstieg der Bundesrepublik Deutschland.21 Die hohe Nachfrage nach Exportgütern auf dem globalen Markt und der fortschreitende Abbau von Handelsbarrieren sorgten für einen sogenannten ,Exportboom‘. Als Folge stieg das Bruttoinlandsprodukt zwischen 1949 und 1960 von 79 Milliarden DM auf 300 Milliarden DM.22
In den 1970er Jahren verlangsamte sich das Wirtschaftswachstum in Deutschland. Das wachsende Umweltbewusstsein der Bürger und die Forderung nach Wohlstand führten zu Kosten- und Lohnsteigerungen. Dadurch wurden die Stückkosten höher als jene der globalen Konkurrenz. Es folgten Abwanderungen von Industrien in Billiglohnländer (insbesondere nach China), wodurch die Arbeitslosenquote stieg.23
Die in den 1980er Jahren angestoßene politische Globalisierung kam 1990 in Europa an. Der europäische Integrationsprozess hat die Einbindung der Bundesrepublik Deutschland in die Weltwirtschaft in hohem Maß intensiviert. Die Aufhebung von Handelsbarrieren innerhalb der EU, die Währungsunion und die allgemeine Liberalisierung im Welthandel kamen Deutschland zugute. Das resultierte in einem Anstieg des Außenhandels, wodurch im Jahr 1995 die Exportquote 24 Prozent betrug.24 Laut den Autoren Loitsch, Garcia und Matthes hatten diese Ereignisse folgende Auswirkungen:25
- Viele Unternehmen gründeten neue Produktionszentren im Ausland (insbesondere in China), um Kosten zu sparen und näher an den Verbrauchermärkten zu sein.
- Auch die internationale Beschaffung wurde bedeutsamer, weshalb Unternehmen begonnen, ihre Supply-Chain vertikal integriert auf die Lieferantenmärkte auszudehnen.
- Löhne entwickelten sich nur moderat.
- Im Zeitraum von 1995 bis 2005 wurden 26,9 Prozent der Stellen in beschäftigungsintensiven Industrien abgebaut.
- Der Anteil der ausländischen Vorprodukte stieg zwischen 1995 und 2000 von 6 Prozent auf 26 Prozent.
- In den Jahren 2003 bis 2008 war Deutschland ,Exportweltmeister‘ und hatte eine Außenhandelsquote von 70,5 Prozent.
- Es gab geringes Wirtschaftswachstum seit 1990.
- Der Wohlfahrtsgewinn durch Außenhandelsüberschüsse sorgte für mehr Wohlstand in der Bevölkerung.
- Neue Arbeitsplätze entstanden durch ausländische Direktinvestitionen.
- Es entstanden Preisvorteile für Verbraucher.26
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Globalisierung sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft und Industrie hatte. Laut dem Globalisierungsreport 2020 der Bertelsmann Stiftung konnten im Zeitraum von 1990 bis 2018 volkswirtschaftliche Ersparnisse‘ in Höhe von insgesamt 2,368 Billionen EUR erwirtschaftet werden.27 Deutschland zählt damit zu jenen Staaten, die von der Globalisierung profitieren.
2.1.3 Der Aufstieg Chinas
Vor vierzig Jahren war die Volksrepublik China eines der ärmsten Länder der Welt. Heute zählt China zu einer der bedeutendsten Wirtschaftsnationen und wird bald die größte Volkswirtschaft der Welt sein. Die chinesische Wirtschaft konnte trotz der Coronapan- demie im Jahr 2020 ein Wachstum verzeichnen. Der Erfolg und die Macht Chinas sorgten für eine globale Umstrukturierung der Weltwirtschaft.28 Um diesen Aufstieg zu verstehen, soll die Geschichte erläutert werden.
Am 1. Oktober 1949 wurde die Kommunistische Volksrepublik China gegründet. Es wurden Grundbesitze enteignet und die Landwirtschaft wurde nach dem Vorbild der Sowjetunion reformiert. Aufgrund dieser Machübernahme wurde China die Mitgliedschaft am GATT-Abkommen entzogen.
Im Jahr 1958 führte die chinesische Regierung die Planwirtschaft ein. Dies blieb jedoch erfolglos, wodurch in den ersten vier Jahren 25 Millionen Chinesen an Hungersnot ver- starben. Als 1974 Deng Xiaoping zum Ministerpräsidenten aufstieg, erfolgten grundlegende Veränderungen. Vier Jahre nach seinem Amtsantritt leitete er eine Wirtschaftsreform mit dem Ziel ein, den Handel und die Wirtschaft durch die Anwendung marktwirtschaftlicher Instrumente zu beleben. In der ersten Phase (1979 bis 1984) wurden Reformen auf dem Land umgesetzt. Die Bauern teilten Landflächen untereinander auf und wurden selbstverantwortliche Eigentümer der Flächen. Die Regierung unterstütze sie dabei und es wurden Möglichkeiten geschaffen, Überschussproduktion auf unregulierten Märkten zu verkaufen. Dies motivierte die Landwirte, die Produktion zu erhöhen.29 Es entstanden kleine und mittlere Privatunternehmen auf dem Land.
Der Ministerpräsident weitete die Reformen auf die Städte aus, damit begann die zweite Phase (1984 bis 1991). Aufgrund der Erfolge der Privatunternehmen wurden die marktwirtschaftlich orientierten Reformen vom Volk unterstützt. Zusätzlich wurden dadurch die fundamentalen Veränderungen der chinesischen Wirtschaftsstrukturen beschleunigt.30 Seit 1992 erfolgt die Umsetzung von Reformen, zum Beispiel die Preisreform, die der erste Schritt zur Einführung der Marktwirtschaft war.
Die Chancen der fortschreitenden Globalisierung erkannte die chinesische Regierung früh. Sie versuchte mehrmals, die Mitgliedschaft im GATT wiederzuerlangen und politisches Ansehen zu gewinnen.31 Ihre Versuche blieben vorerst erfolglos. Das Jahr 1995 war ein Wendepunkt für Chinas Wirtschaft und Politik. Ein erfolgreicher politischer Dialog mit der EU führte zu zahlreichen Handelsabkommen. So investierte unter anderem die Bayer AG mehr als 300 Millionen DM in chinesische Produktionsstätten.32 In diesem Jahr erhielt China auch den WTO33 -Beobachterstatus. Die EU und die USA verlangten von China, seine Wirtschaft zu öffnen und Handelsbarrieren zu beseitigen. Die chinesische Regierung kam den Forderungen (teilweise) nach und durfte 2001 der WTO vollständig beitreten.34
Die Wirtschaftsreformen machten China attraktiver für das Ausland, vor allem durch niedrige Kosten. So entwickelte sich China zur ,Werkhalle‘ der Welt. Es folgten Direktinvestitionen aus dem Ausland, es kam zur Gründung neuer Produktionsstandorte und ein Wissens- und Technologietransfer fand statt. Der Warenhandel zwischen China und Deutschland nahm in den folgenden Jahren erheblich zu. Im Jahr 2001 betrugen die deutschen Ausfuhren nach China 11,8 Milliarden EUR (1,88 Prozent der gesamten Ausfuhren). Dieser Wert lag fünf Jahre später bei 27 Milliarden EUR (3,02 Prozent der gesamten Ausfuhren). Auch die Importe aus China nahmen in diesem Zeitraum deutlich zu und betrugen mit 46 Milliarden EUR 6,22 Prozent der deutschen Einfuhren im Jahr 2006.35 Die deutsch-chinesische Wirtschaftszusammenarbeit war für beide Länder vorteilhaft.
Folglich profitierte auch die chinesische Wirtschaft davon. Die Exporte stiegen und das Wirtschaftswachstum war beträchtlich.36 Der internationale Wettbewerbsdruck auf dem chinesischen Markt förderte die rasche Entwicklung der einheimischen Hersteller. Schnell wurden aus einfachen Produktionsstätten hochqualifizierte Hersteller mit eigenen Marken. Die Regierung agierte dabei weitsichtig und investierte in die Infrastruktur, um Netzwerke aufzubauen. Das sorgte für einen Aufschwung in zahlreichen Industrien. Zusätzlich wurden chinesische Unternehmen durch Beteiligungsfonds gefördert, fehlendes Know-how wurde eingekauft und größere Unternehmen wurden zu einem ,National- Champion‘ zusammengelegt. Ziel war es, eine ökonomische Selbstversorgung von Lebensmitteln und Energie sicherzustellen.37
Inzwischen ist China mit circa 13 Billionen USD die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt und für fast 33 Prozent des globalen Wachstums verantwortlich.38 China gelang in vierzig Jahren der Aufstieg von der ,Werkhalle des Westens‘ zum globalen Player.
2.2 Grundlagen des Global Sourcings
Global Sourcing ist eine spezielle und strategische Form der internationalen Beschaffung. Bei dieser Art der Beschaffung werden bestimmte Ziele und Strategien mit internationalen Beschaffungsaktivitäten verfolgt. Angesichts seiner im Unternehmen funktionsübergreifenden und mitgestaltenden Rolle hat das Global Sourcing einen deutlich strategischen Charakter. Ziel dieses Unterkapitels ist es, ein Grundverständnis des Global Sour- cings zu vermitteln. Die Auseinandersetzung mit den Begrifflichkeiten und Zielen steht im Fokus.
2.2.1 Grundbegriffe
Beschaffung ist die „ Zusammenfassung aller Tätigkeiten, die der Versorgung eines Unternehmens mit Material, Dienstleistungen, Betriebs- und Arbeitsmitteln sowie Rechten und Informationen aus unternehmensexternen Quellen dienen “.39 Die Sicherstellung der benötigten Materialien hinsichtlich der Art, der Menge, der Zeit und der Qualität ist das oberste Ziel der Beschaffung. Die Beschaffung lässt sich in operative und strategische Tätigkeiten unterteilen. Die operative Beschaffung, auch Einkauf genannt, wird weiter unten erklärt. Bei der strategischen Beschaffung geht es um langfristige Entscheidungen (zum Beispiel um den Aufbau von Partnerschaften). Hierunter fällt auch das Global Sour- cing.40
Beim Einkauf geht es um die operativen Aufgaben der Beschaffung, also um routinierte Abläufe und kurzfristige Entscheidungen im operativen Tagesgeschäft. Die Hauptaufgabe ist die Bereitstellung von Waren und Dienstleistungen, die direkt und regelmäßig in die Wertschöpfungskette einfließen.41
Die Logistik umfasst die integrierte Planung, Koordination, Abwicklung und Überwachung des gesamten Material- und des dazugehörigen Informationsflusses zwischen einem Unternehmen und seinen Lieferanten, einem Unternehmen und seinen Kunden oder innerhalb der Abteilungen eines Unternehmens.42 Die Aufgabe und Funktion der Logistik ist die effiziente Bereitstellung von Gütern, Waren oder Produkten in der richtigen Menge und Zusammensetzung, zur richtigen Zeit und am gewünschten Ort. In der Logistik werden folgende Ziele verfolgt: die Kostensenkung logistischer Aktivitäten, die Verbesserung der Flexibilität logistischer Systeme und die Sicherstellung des Materialflusses.43 Beschaffungsobjekte sind Materialien, Rohstoffe und Dienstleistungen, aber auch Anlagen, Kapital, Personal und Informationen.
Global Sourcing : Der weltweite Bezug von Beschaffungsobjekten wird im betriebswirtschaftlichen Jargon als Global Sourcing bezeichnet. Dabei orientiert sich das Unternehmen am globalen Weltmarkt und verfolgt einen strategischen, langfristigen und systematischen Ansatz bei der internationalen Beschaffung. Die Versorgung des Unternehmens mit Beschaffungsobjekten wird durch diese Beschaffungsstrategie auf globaler Ebene optimiert, um Wettbewerbsvorteile zu generieren.
Supply-Chain : Der Begriff ,Supply-Chain‘ bedeutet auf Deutsch Wertschöpfungs- beziehungsweise Lieferkette. Diese Wertschöpfungs- beziehungsweise Lieferkette beinhaltet alle Leistungen (Informations- und Materialflüsse), die im Rahmen der Erstellung und Lieferung eines Produkts oder einer Dienstleistung erbracht werden. In einer typischen Lieferkette werden Rohstoffe gewonnen, Materialien hergestellt, Lager und Distributionszentren unterhalten und über verschiedene Handelsstufen schließlich an Endkunden geliefert.44
Risiko : In der Betriebswirtschaftslehre gibt es keine allgemein anerkannte und einheitliche Definition des Risikobegriffs. Dies führt dazu, dass zahlreiche verschiedene Definitionen existieren. Der Begriff ,Risiko‘ wird in der Umgangssprache oft gleichgesetzt mit dem Begriff ,Gefahr‘ und somit als ein möglicher negativer Ausgang einer Unternehmung verstanden.45 Entscheidungsträger bringen Risiken oft nur mit negativen Ereignissen in Verbindung. Die moderne Interpretation von Risiko wird als eine neutrale Abweichung des tatsächlichen Ergebnisses definiert, was wiederum nicht nur negative, sondern auch positive Veränderungen einschließt.46 Risiken werden in der Praxis häufig nicht korrekt definiert. Es fällt auf, dass eher die Ursachen oder die Wirkungen beschrieben wer- den.47 Um ein Risiko korrekt definieren zu können, muss der Unterschied zwischen Ursache, Risiko und Wirkung verstanden werden. Ein Risiko kann nur effektiv gemanagt werden, wenn die Ursache (Risikoquelle) bekannt ist. Um ein Risiko richtig bewerten zu können, muss die Wirkung (Risikofolge) bekannt sein.
Hierzu soll ein konkretes Beispiel gegeben werden: Angenommen, ein Produktions-Output wurde als Ziel definiert. Bei einem Handelskonflikt zwischen den USA und China kommt es zu einer Eskalation und die USA stoppen den Stahlhandel mit China. Dieser Vorfall löst Rohstoffknappheit bei unserem Lieferanten in China aus und es kommt zu einer Betriebsunterbrechung. Der Handelskonflikt und die anschließende Betriebsunterbrechung sind demzufolge als Ursache (Risikoquelle) zu betrachten. Das Risiko ist die negative Produktionsabweichung. Die Wirkung (Risikofolge) kann unterschiedliche Schadensausmaße haben; Strafzahlungen an Kunden oder ein Reputationsverlust sind hier denkbar.
2.2.2 Beweggründe für Global Sourcing
Die Versorgungssicherheit des Unternehmens mit den benötigten Beschaffungsobjekten zu geringen Gesamtkosten gilt als grundsätzliches Hauptziel der Beschaffung. Durch die strategische Ausrichtung des Global Sourcings ändern sich die Rahmenbedingungen der Beschaffung, wodurch neue Chancen entstehen.48 Nachfolgend werden einige dieser Chancen erläutert.
- Generierung einer Kostenreduktion durch Abschöpfung globaler Beschaffungsmärkte: Die unterschiedlichen Faktorkosten (Löhne, Energie, Rohstoffe) in verschiedenen Regionen sorgen für teilweise erhebliche Preisunterschiede bei Lieferanten. Im Jahr 2019 betrugen in Deutschland die Arbeitskosten je Stunde circa 41 Euro, in China hingegen nur 7 Euro.49 Die vollständigen Daten hinsichtlich der Kosten je Arbeitsstunde befindet sich im Anhang A. Folglich können chinesische Lieferanten günstiger produzieren und verkaufen. Dies setzt inländische Lieferanten unter Kostendruck, wodurch auch Verhandlungsspielräume erweitert werden.
- Wahrung der Versorgungssicherheit: Die globalen Bezugsquellen können genutzt werden, um die eigene Abhängigkeit von bestimmten Lieferanten zu reduzieren. Die Einbeziehung globaler Lieferanten diversifiziert die Lieferantenbasis, wodurch Risiken und Abhängigkeiten verringert werden.50 Zusätzlich nimmt die Flexibilität zu.
- Verbesserung der Materialqualität und Leistungsfähigkeit: Der globale Beschaffungsmarkt hat eine hohe Anzahl von Anbietern. Durch eine Analyse der internationalen Beschaffungsmärkte können neue Lieferanten identifiziert werden, die auf höherem Niveau agieren. Es wird das Ziel verfolgt, mit den bestmöglichen Lieferanten zusammenzuarbeiten.
- Zugang zu innovativen Technologien: Um Wettbewerbsvorteile zu generieren beziehungsweise auszubauen, müssen Unternehmen einen Leistungs- und Innovationsvorsprung gegenüber der Konkurrenz haben.51 Ein Ziel des Global Sourcings ist es, Zugang zu den benötigten Technologien und Innovationen zu ermöglichen. Beispielsweise verfügt der asiatische Elektronik- und Computermarkt über einen Wissensvorsprung gegenüber dem deutschen Markt. Durch eine Partnerschaft könnten sich deutsche Unternehmen neues Know-how aneignen, neue Trends könnten verfolgt werden und so könnte am Innovationspotenzial teilgehabt werden.
- Erschließung neuer Absatzmärkte: Die Beschaffungs- und Absatzmarktforschung sind artverwand, wodurch sich Synergien ergeben. Die gesammelten Informationen über Märkte, Lieferanten und kulturelle Besonderheiten können einen Ansatzpunkt für die Erschließung neuer Absatzmärkte bieten.52
- Aufbau eigener Produktionsstätten: Beschließt ein Unternehmen, Produktionsstätten in ausländischen Märkten zu errichten, kann es von Vorteil sein, geeignete Lieferanten vorab zu identifizieren und einzubinden. So kann im Vorfeld ein Lieferantennetzwerk aufgebaut werden, um die Versorgung der neuen Produktionsstätten zu ga- rantieren.53
Die genannten Chancen verdeutlichen, dass das Global Sourcing für jedes Unternehmen einen erheblichen Mehrwert bietet. Das Potenzial im internationalen Handel ist hoch und bietet zahlreiche Chancen.
2.2.3 Eintritt in den globalen Beschaffungsmarkt
Der Eintritt in den globalen Beschaffungsmarkt ist gründlich zu planen und zu organisieren. Die Autoren Koch und Schmid raten den Unternehmen, unter anderem folgende zentrale Fragen zu beantworten, bevor sie eine Entscheidung zum Outsourcing treffen:54
- Welche lang- und kurzfristigen Ziele sollen mit dem Outsourcing erreicht werden?
- In welchem Umfang können welche positiven Effekte erzielt werden?
- Sind Voraussetzungen wie Kapital, Mitarbeiter, Ressourcen und Systeme gegeben und erfüllt?
- Wie wird sich die Wettbewerbssituation verändern?
- Welche unterschiedlichen Risiken gibt es und sind diese tragbar?
Das Unternehmen sollte sich mit diesen Fragen gründlich befassen, denn der Erfolg einer internationalen Beschaffung hängt von zahlreichen verschiedenen Faktoren ab. Gerade auf chinesischen Beschaffungsmärkten ist ein systematisches und strukturiertes Vorgehen erfolgsentscheidend. Die Fachexperten Weigel und Rücker warnen Unternehmen, dass eine halbherzige und unvorbereitete Herangehensweise zum Scheitern verurteilt ist.55 Nachfolgend wird dem Leser anhand von Fachliteratur und Praxisbeispielen eine mögliche Gestaltung des Outsourcings vorgestellt.
2.2.4 Global-Sourcing-Prozess
Die Grundlagen für die Umsetzung einer globalen Beschaffungsstrategie sind laut Rehorst klar definierte und messbare Beschaffungsziele, Unterstützung und Einbindung des Vorstands, finanzielle Ressourcen, personelle Kapazitäten, fachlich und sozial kompetente Mitarbeiter und ein systematisches Vorgehen.56 Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist für den weiteren Ablauf ein methodisch angelegtes Vorgehen erforderlich. In der Literatur gibt es dafür keine einheitlichen Empfehlungen, weil kein einheitliches Verständnis des Global-Sourcing-Prozesses besteht.57 Im Grunde genommen können die unterschiedlichen Vorgehensweisen jedoch stets einer von drei Phasen zugeordnet werden: der Informations- und Analysephase, der Umsetzungsphase oder der Kontrollphase. Die Themen der Informations- und Analysephase sind in der Regel die Beschaffung relevanter Informationen, die Ermittlung der für Global Sourcing geeigneten Bedarfsgüter sowie die Identifizierung passender Märkte und potenzieller Lieferanten. Die Umsetzungsphase ist geprägt vom direkten Kontakt mit den Lieferanten, in dieser Phase finden unter anderem die Verhandlungsführung und die Vertragsunterzeichnung statt. In der letzten Phase wird durch regelmäßige Überwachung und Kontrolle sichergestellt, dass die vereinbarte Qualität und Liefertreue eingehalten werden. In Anlehnung an verschiedene Autoren und Unternehmen wird nachfolgend die Umsetzung von China-Sourcing durch ein systematisches Vorgehen dargestellt.
Situations- und Bedarfsanalyse
Die Basis für jede langfristige Unternehmensaktivität ist eine Situationsanalyse. Das Unternehmen analysiert dabei die Rahmenbedingungen und die Ausgangssituation, um anschließend die eigenen Stärken und Schwächen zu identifizieren. Daraus können Chancen und Risiken für eigene Produkte und Dienstleistungen abgeleitet werden. Auf Grundlage dieser Analyse muss die Unternehmensleitung Ziele festsetzen und Strategien für die internationalen Beschaffungsaktivitäten definieren. Sie muss auch vorgeben, über welche Handlungsfelder und Maßnahmen die Ziele zu erreichen sind. Aus den Ergebnissen müssen Kennzahlen abgeleitet werden, anhand derer gemessen werden kann, ob die Ziele erreicht wurden.58
Nachdem die Unternehmensleitung die Ziele festgelegt hat, kann mit der Identifikation der geeigneten Bedarfsgüter begonnen werden. Dies geschieht mittels Bedarfsanalyse. Dabei sucht das Unternehmen intern nach Beschaffungsobjekten, die für ein potenzielles internationales Sourcing passend sind. Eine Analyse der Verbesserungswürdigkeit über Verfahren wie ABC-Analysen oder Kundennutzen-Analysen bietet sich hier an.59 Laut Rücker und Weigel sollte zu Beginn auf komplexe und hochqualitative Teile verzichtet werden, da diese einen hohen Grad an Lieferantenentwicklung benötigen. Vielmehr sollte der Fokus auf Beschaffungsgüter mit hohen Mengen gelegt werden, um die möglichen Kosteneinsparungen zu realisieren.60 Arnolds ergänzt diese Aussage damit, dass die Barrieren und Risiken für eine internationale Beschaffung bei diesen Beschaffungsobjekten in der Regel geringer sind. Gefahren wie der Schutz des geistigen Eigentums, Know- how-Verlust oder die Abhängigkeit vom Lieferanten können durch die richtige Auswahl der Beschaffungsgüter vermieden werden.61
Das Ergebnis der Bedarfsanalyse bietet einen Überblick über Materialien, bei denen sich die internationale Beschaffung anbietet.
Beschaffungsmarktanalyse und Lieferantenauswahl
Nachdem die Bedarfsgüter identifiziert sind, müssen nun die Beschaffungsmärkte analysiert und selektiert werden - eine Beschaffungsmarktanalyse ist erforderlich. Dadurch sollen mögliche Lieferantenmärkte und Beschaffungsmöglichkeiten überprüft werden und ein passender Lieferant wird ermittelt.62 Eine mögliche Vorgehensweise für diesen Prozess wird in Anlehnung an Arnolds, Bogaschewsky, Weigel und Rücker nachfolgend dargestellt.63
1. Allgemeine Beschaffungsmarktanalyse : Im ersten Schritt werden die Beschaffungsmärkte analysiert. Dabei werden die attraktiven Märkte ausgewählt und im Detail analysiert. Die Ergebnisse der Analyse liefern Indikatoren für Risiken, zum Beispiel Handelsbarrieren, compliance-relevante Aspekte oder infrastrukturelle Gegebenheiten.
2. Marktfestlegung : Die Auswahl der attraktivsten Beschaffungsmärkte anhand der Beschaffungsmarktanalysen.
3. Marktspezifische Lieferantensuche : Die geringe Anzahl an Lieferanten, die den technischen Anforderungen entspricht, wird herausgefiltert.
4. Lieferantenvorauswahl : Hier erfolgen eine Erstanalyse der Lieferanten und eine grobe Evaluation. Es wird der Hintergrund der Lieferanten überprüft, etwa durch Kreditauskunfteien, Referenzberichte von Kunden oder Besuche vor Ort.
5. Lieferanteneingrenzung : Die Anforderungen werden vermittelt, konkrete Anfragen verschickt und die Angebote eingeholt. Alle Unterlagen, die für die Kommunikation mit den Lieferanten nötig sind, sollten in englischer und chinesischer Sprache übermittelt werden. Zusätzlich bedarf es attraktiver Volumina oder der Referenz einer bekannten Marke, um die Aufmerksamkeit chinesischer Lieferanten zu wecken.
6. Vorteilhaftigkeitsanalyse : Hier erfolgen eine Abschätzung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses und die Entscheidung über die Projektfortsetzung. Bedeutsam hierbei ist es, die Gesamtkosten zu betrachten, also auch Nebenkosten wie Transport und Zölle einzukalkulieren.
7. Verhandlungsphase : Hier werden Preis- und Leistungsverhandlungen mit den attraktivsten Lieferanten durchgeführt. Verträge werden spezifiziert. Der Autor Lin- Huber rät bei den Vertragsverhandlungen mit chinesischen Lieferanten dazu, geduldig, ausdauernd und kooperativ zu sein. Die Nennung anderer Formulierungen oder Alternativen gibt dem chinesischen Partner die Möglichkeit, zuzustimmen, ohne das Gesicht zu verlieren.64
8. Lieferantenendauswahl : Es kommt zum Vertragsabschluss mit einem oder mehreren Lieferanten. Ein persönlicher Vertragsabschluss ist die Grundlage für den Aufbau einer vertrauensvollen und robusten Beziehung in China.
Mit dem Vertragsabschluss beginnt die nächste Phase der internationalen Beschaffung, die Kontrollphase.
Die Lieferantenevaluierung
In der Kontrollphase der Beschaffung sollen potenzielle Schwachstellen der Lieferanten identifiziert werden, um sicherzustellen, dass sie vertragsgemäß leisten können. Die eigenen Techniker und Fachexperten sollten dabei die Probleme bei Strukturen und Prozessen erkennen und bewerten.
[...]
1 Vgl. Europäische Kommission 2020.
2 Vgl. Loitsch 2021, S. 60-66.
3 Vgl. Weigel und Rücker 2015, S. 71-73.
4 Diese Arbeit wird, sofern möglich, geschlechterneutral formuliert. Sollte dies in einzelnen Fällen nicht möglich sein, wird hinsichtlich eines besseren Lesefluss die Formulierung des generischen Maskulinums gewählt.
5 Vgl. Loitsch 2021, S. 29.
6 Vgl. Hempel 2009, S. 25 f.
7 Vgl. Osterhammel et al. 2003, S. 8.
8 Vgl. Teusch 2004, S. 16.
9 Vgl. Loitsch 2021, S. 142.
10 Vgl. Brock 2008, S. 24 ff.
11 Vgl. Brock 2008, S. 29-45.
12 Vgl. Loitsch 2021, S. 156 ff.
13 Vgl. Loitsch 2021, S. 156 ff.
14 NATO: North Atlantic Treaty Organization (Nordatlantische Vertragsorganisation).
15 GATT: General Agreement on Tariffs and Trade (völkerrechtlicher Vertrag zur Regelung des internati
onalen Handels).
16 Vgl. Waters 1995, S. 12 f.
17 Vgl. Koch 2017, S. 16 f.
18 Vgl. Beck 1997, S. 73.
19 Vgl. Fessl 2012, S. 10.
20 Vgl. Matthes et al. 2008, S. 19 ff.
21 Vgl. Pollert et al. 2016, S. 122-145.
22 Vgl. Hinz-Wessels und Würz 2016.
23 Vgl. Loitsch 2021, S. 155 ff.
24 Vgl. ebd.
25 Vgl. Loitsch 2021, S. 157 ff. und Llovet Garcia 2008, S. 51 f. und Matthes et al. 2008, S. 19 ff.
26 Vgl. Matthes et al. 2008, S. 19 ff.
27 Vgl. Sachs et al. 2020, S. 19.
28 Vgl. Loitsch 2021, S. 5.
29 Vgl. Chow 1994, S. 10.
30 Vgl. Hantang Qi 2004, S. 80 f.
31 Vgl. Llovet Garcia 2008, S. 46.
32 Vgl. FAZ 29.11.1993, S. 23.
33 WTO: World Trade Organisation.
34 Vgl. Schüller 1999, S. 1156-1168.
35 Vgl. Llovet Garcia 2008, S. 64.
36 Vgl. ebd. S. 48.
37 Vgl. Loitsch 2021, S. 134 f.
38 Vgl. Koch 2019, S. 122 f.
39 Krieger 2018.
40 Vgl. Wannenwetsch 2021, S. 111-115.
41 Vgl. Kummer et al. 2009, S. 93 ff.
42 Vgl. Schulte 2008, S. 1 ff.
43 Vgl. Romeike und Hager 2019, S. 362 f.
44 Vgl. Arnolds et al. 2013, S. 3-6.
45 Vgl. Romeike und Hager 2019, S. 39.
46 Vgl. Wels 2008, S. 7.
47 Vgl. ebd.
48 Vgl. Romeike und Hager 2019, S. 368-372.
49 Vgl. Schröder 2019, S. 68.
50 Vgl. Koppelmann 1997, S. 68.
51 Vgl. Roth 2009, S. 21.
52 Vgl. Weigel und Rücker 2015, S. 73 f.
53 Vgl. Weigel und Rücker 2015, S. 73 f.
54 Vgl. Koch 2017, S. 66 und Schmid 2002, S. 669-679.
55 Vgl. Weigel und Rücker 2015, S. 81.
56 Vgl. Rehorst 2008.
57 Vgl. Weigel/Rücker 2015, S. 81 f. und Arnolds et al. 2013, S. 378 f. und Koch 2017, S. 66 f.
58 Vgl. Arnolds et al. 2013, S. 380 f.
59 Vgl. Arnolds et al. 2013, S. 380 f.
60 Vgl. Weigel und Rücker 2015, S. 83 ff.
61 Vgl. Arnolds et al. 2013, S. 252 f.
62 Vgl. ebd.
63 Vgl. Arnolds et al. 2013, S. 378 ff. und Bogaschewsky 2021, S. 61 f. und Weigel/Rücker 2015, S. 80 ff.
64 Vgl. Lin-Huber 2001, S. 161 f.
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