Der Minimalismus ist eine jahrtausendealte Idee, welche im 21. Jahrhundert plötzlich an neuer Aufmerksamkeit gewinnt. Einerseits, weil es immer mehr Menschen an Glück fehlt oder sie merken, dass das, was von dem Kapitalismus als glücksfördernd beworben wird, nur eine Farce ist. Andererseits, weil das Umweltbewusstsein steigt und Nachhaltigkeit wichtiger ist als je zuvor. Es gilt sich zu befreien von den ganzen Produkten, die uns täglich angeboten werden und wir müssen uns klar machen, dass wir eigentlich kaum Besitztümer brauchen, um glücklich zu sein. Was wir brauchen, ist unsere Lebenszeit, die durch diese monumentalen Angebotswellen verschluckt wurde, um zu uns zu finden. Egal wie wir es tun, aber wir müssen es tun. Ob durch einen Umzug oder einkaufen in Secondhand-Läden. Schon die kleinste Änderung verändert unser Wohlbefinden und hilft der Umwelt. Die einfache Frage: „Brauche ich das wirklich?“, sollten wir anfangen, uns immer zu stellen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Hintergrund des Minimalismus oder das einfache Leben und der Verzicht
2.1 Philosophie
2.2 Religionen und Bewegungen
3. Was und Warum?
3.1 Ursprung des Konsums und seine Psychologie oder Besitz als Identitätsersatz
3.2 Konsumreduzierung durch neues Bewusstsein
3.3 Die Umwelt und wir als Konsumenten
3.4 Wohnraum
4. Fazit
1. Einleitung
Überall blinken uns Neonschilder, riesige Buchstaben, Ausrufezeichen, Produkte und Farbexplosionen entgegen, die alle Eines gemeinsam haben: Anregung zum Konsum. Über Jahrtausende hatten die Menschen mit Mangel zu kämpfen. Erst seit der Industrialisierung entstand eine derartige Konsumrevolution, dass kaum noch jemand weiß, was Mangel ist. Diese Art der Reizüberflutung ist nur die Spitze des Eisberges, was den Konsum unserer Gesellschaft betrifft. Besitztümer und Gelder fließen hin und her in der kapitalistischen globalisierten Welt. Wir lassen unser Erspartes und Verdientes hier und dort für einen kurzen Belohnungsmoment und eine momenthafte Euphorie, bevor wir nach weiteren Produkten Ausschau halten. Vieles davon gefällt uns am nächsten Tag schon nicht mehr und wird weggeworfen oder verschenkt. Konsequenzen sind Verschwendung und unnötiger Müll und keine dauerhafte Erfüllung unseres Bedürfnisses nach Glück und Zufriedenheit. Die Lösung für diesen endlosen Konsumkreislauf ist, sich von der Angst, etwas zu verpassen oder eine Möglichkeit nicht komplett auszuschöpfen, zu lösen, um gezielt an seiner Lebensqualität zu arbeiten, welche nicht von Quantität und Genuss auf Knopfdruck geprägt sein sollte, sowie Geld nicht gegen wertvolle Freizeit einzutauschen und dem Hedonismus den Rücken zu kehren.
2. Hintergrund des Minimalismus oder das einfache Leben und der Verzicht
Der Minimalismus ist keineswegs ein moderner Revolutionsgedanke, welcher die Befreiung aus dem Konsum verspricht, vielmehr hat die Idee des einfachen Lebens, welches das Sein mit Wenig zu Mehr macht, den Ursprung in der Antike bzw. in der Philosophie sowie in einigen Religionen.
2.1 Philosophie
Der 340 v. Chr. geborene Philosoph Epikur vertrat zu seiner Zeit schon die Ansicht, dass alle Handlungen eines Individuums darauf ausgerichtet sind, Befriedigung zu erlangen, wobei Glück das höchste aller Güter ist. Allerdings sieht er einen Unterschied zwischen Glück und Befriedigung, denn Befriedigung ist etwas, was Menschen um der Befriedigung Willen anstreben. Er unterscheidet nochmals zwischen der statischen Befriedigung und der beweglichen, welche gleich zu setzten ist mit der Befriedigung der Sinne. Die statische Befriedigung folgt auf die bewegliche. Es ist das Gefühl etwas nicht mehr zu brauchen, welches befriedigender ist als die Befriedigung an sich.
Zwei Möglichkeiten ergeben sich, wie man ein Bedürfnis stillt. Entweder man strebt nach Befriedigung des Verlangens oder danach, das Verlangen zu eliminieren, sodass es auf ein Minimum reduziert wird und somit schnell zu befriedigen ist.
Epikur unterscheidet zwischen drei unterschiedlichen Arten des Verlangens und der Wünsche. Erstens, natürliches und notwendiges Verlangen nach Befriedigung der Triebe, wie Hunger und Schlaf, welches es gilt zu erfüllen.
Zweitens, das Verlangen nach Ruhm und Wohlstand o.ä.. Die Tücke hierbei besteht darin, dass dieses Verlangen kein Ende hat und nie komplett gestillt werden kann. Seiner Meinung nach gilt es, dieses Verlangen auszulöschen, da es zwar natürlich ist (durch die Gesellschaft antrainiert), jedoch nicht notwendig.
Drittens, das unnatürliche und nicht notwendige Verlangen. Dieses äußert sich beispielsweise in dem Verlangen nach Luxusgütern. Da nicht jeder dieses Verlangen stillen kann, entsteht daraus Schmerz durch mangelnde Befriedigung und Zukunftsängste vor einem Leben ohne Befriedigung. Hier gilt es wieder das Verlangen auszulöschen, um das persönliche Glück nicht abhängig von
Gütern zu machen.1 Ein Paradebeispiel für einen einfach lebenden Menschen war der antike griechische Philosoph Diogenes von Sinope, welcher freiwillig das Leben eines „Armen“ gelebt haben soll. Er schlief in einer Tonne und hatte kaum Besitztümer, denn auch er war der Ansicht, dass man sich von überflüssigem Verlangen frei machen sollte. Die Frage, die man sich also im Zuge des Anstrebens eines einfachen Lebens stellen sollte, wäre: Entsteht daraus ein Vorteil für mich oder nicht?
2.2 Religionen und Bewegungen
In den großen Religionen lässt sich immer wieder die Idee des Verzichtes und einfachen Lebens finden. Ob im Christentum, Buddhismus, Hinduismus oder Sufismus. Auch hier finden sich historisch relevante Persönlichkeiten wie z.B. Mahatma Gandhi, dessen Besitztümer sich an einer Hand abzählen lassen. Aus dem neuen Testament ist auch nirgendwo etwas über das Hab und Gut Jesus zu finden, welcher offensichtlich auch ein sehr schlichtes Leben führte. Aber auch die Religion der Amischen als Randgruppe basiert auf dem Festhalten an dem „alten“, einfachen Leben in der Moderne. Sie benutzen weder Autos noch Elektrizität. Im Gegensatz dazu steht die Hippiebewegung der 60er Jahre, welche aus dem Konsumleben, der Leistungsgesellschaft und den Konventionen den Weg zurück in das „alte“, einfache Leben sucht. Abgesehen vom massiven Drogenkonsum in der Szene, äußert sich dieses Bedürfnis in vielen Handlungsweisen, unter anderem in ihrer Bekleidung, die überwiegend selbstgefertigt wird und somit auch die Ablehnung der Modeindustrie zeigt.
3. Was und Warum?
Was genau ist denn nun dieser Minimalismus? „ Das Phänomen des heutigen Minimalismus ist vor dem historischen Hintergrund der Überflussgesellschaft der letzten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu verstehen. „Minimalismus ist eine konsumveränderte Lebensweise, die den persönlichen Lebensweg in den Mittelpunkt stellt und Dinge, Beziehungen und Erlebnisse umwertet, um damit den Alltag zu modifizieren. [...] Aus kulturhistorische Perspektive könnte man auch eine neue Form von Sparsamkeit attestieren, die sehr eng mit Sinnstiftung, als Form »sozialer Ethik materieller Sparsamkeit« verbunden ist.“2 Nun stellt sich also die Frage, worin der Sinn besteht, diese Fülle an berauschenden, immer wieder überarbeiteten Produkten abzulehnen. Das Problem besteht in der Angst, etwas zu verpassen, wenn wir nicht ständig konsumieren. Minimalismus bedeutet nicht die Ablehnung von all diesen Möglichkeiten, etwas zu schmecken, zu fühlen, zu sehen, anzufassen, sondern viel mehr die Reduktion der Ausschöpfung des Produktpools. Es herrscht ein monumentales Angebot an allem. Nicht nur an Waren, sondern auch an Identitäten und Lebensweisen. Dadurch tritt eine Überforderung ein, durch die Möglichkeiten sowie durch den Besitz. Wir müssen Zufriedenheit lernen und kontrollieren, wie wir unsere Zeit und unser Geld verwenden.
[...]
1 vgl.: O'Keefe: Epicurus (341-271 B.C.E)
2 Derwanz: Die diskursive Konstruktion des >Weniger<, S.182f
- Citation du texte
- Victoria Schumacher (Auteur), 2018, Minimalismus als Lebensstil und seine Auswirkungen auf Psyche und Umwelt, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1194179
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