Ziel dieser Masterthesis ist es, die Zusammenhänge der physikalisch-chemischen Beziehung von Mikroplastikpartikeln und hydrophoben Schadstoffen zu analysieren. Es soll geklärt werden, ob Mikroplastik als Vektor hydrophober Schadstoffe agieren und welches Schadpotenzial kontaminiertes Mikroplastik nach Aufnahme in den Organismus mit sich bringen kann. Zudem werden unterschiedliche Lösungsansätze für die Vermeidung und Verwertung von Kunststoffen aufgezeigt.
Kaum ein anderer Werkstoff wird so häufig für die Herstellung von Erzeugnissen verwendet wie Kunststoffe. Durch die Weiterentwicklung in den 1950er-Jahren wurde ein kostengünstiger und vielfältiger Einsatz an Kunststoffen besonders in der Massenfertigung ermöglicht. In der heutigen Zeit bestehen fast alle Produkte in irgendeiner Form aus Kunststoffen. Diese Produkte reichen von Autoreifen über Dämmstoffe, bis hin zu Einwegprodukten und Verpackungen.
Diese Vielfalt bietet zahlreiche Eintragspfade für Kunststoffe, um in die Umwelt zu gelangen. Das Grundproblem von Kunststoffen besteht darin, dass sie auf natürlichem Wege nicht abbaubar sind und sich dadurch in der Umwelt anreichern. Mikroplastik enthält Additive, die während der Herstellung des Ausgangskunststoffs hinzugefügt wurden, um bestimmte Eigenschaften zu erhalten. Dazu zählen Schadstoffe wie Weichmacher und Flammschutzmittel. Aber auch im Wasser vorhandene Schadstoffe können sich an Mikroplastikpartikel anreichern. Dabei handelt es sich um hydrophobe Schadstoffe, die sich bevorzugt an unpolaren Kunststoffen anreichern. Nimmt ein Organismus mit Schadstoffen kontaminiertes Mikroplastik auf, können diese Schadstoffe potenziell an den Organismus abgegeben werden, wo sie sich negativ auf den Körper auswirken.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abstract
1.0 Einleitung
2.0 Allgemeines und Grundlagen
2.1 Was sind Kunststoffe?
2.2 Produktionsmengen
2.3 Zersetzung von Kunststoffen
2.4 Definition von Mikroplastik
2.5 Entstehung von Mikroplastik
2.6 Untersuchungsmethoden für Mikroplastik in Gewässern
3.0 Quellen von Mikroplastik
3.1 Reifen- und Straßenabrieb
3.2 Abfallentsorgung
3.3 Klärschlämme, Komposte und Gärrückstände
3.4 Baustellen
3.5 Littering
3.6 Kommunale Abwässer
3.7 Pelletverluste
3.8 Wasch- und Reinigungsmittel, Kosmetika
3.9 Faserabrieb durch Textilwäsche
3.10 Schiffart, Fischerei und Tourismus
3.11 Sport- und Spielplätze
4.0 Mikroplastik als Vektor hydrophober Schadstoffe
4.1 Sorptionsvorgänge von Schadstoffen
4.1.1 Adsorption
4.1.2 Desorption
4.1.3 Absorption
4.1.4 Unterschiede in der Sorption an verschiedenen Kunststoffarten
4.2 Hydrophobizität von Schadstoffen
4.3 A/V-Verhältnis von Mikroplastik
4.3.1 Verwitterung und Salzgehalt
5.0 Schadpotenzial von Mikroplastik
5.1 Additive
5.1.1 Weichmacher
5.1.2 Flammschutzmittel
5.1.3 Stabilisatoren
5.1.4 Farbmittel
5.1.5 Verstärkungs- und Füllstoffe
5.1.6 Rest-Monomere
5.2 Adsorptive
5.2.1 Polychlorierte Biphenyle (PCB)
5.2.2 Polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK)
5.2.3 Per- und polyfluorierte Chemikalien (PFC)
5.2.4 Dichlordiphenyltrichlorethan (DDT)
5.2.5 Hexachlorbenzol (HCB)
5.2.6 Schwermetalle
6.0 Biologische Auswirkungen durch kontaminiertes Mikroplastik
6.1 Toxikokinetik
6.2 Bioakkumulation in marinen Ökosystemen
6.3 Forschungsstand über die Schadwirkung auf Organismen
7.0 Empfehlungen und Lösungsansätze
7.1 Kunststoffe vermeiden
7.2 Regulation durch Verbote und Beschränkungen
7.2.1 Bundesrepublik Deutschland
7.2.2 Europäische Union
7.3 Kunststoffen einen Wert geben
7.4 Produktdesign
7.5 Biologische Lösungsansätze
7.5.1 Biologische Zersetzung durch Pilze
7.5.2 Biologische Zersetzung durch Bakterien
7.6 Innovative Lösungsansätze
7.6.1 Kraftstoff aus Kunststoffabfällen
7.6.2 Entfernung von Mikroplastik aus Kläranlagen
7.6.3 Abfischen von Kunststoffabfällen aus den Meeren
7.7 Probleme und Perspektiven von Bioplastik
8.0 Zusammenfassung
9.0 Fazit
Literaturverzeichnis
Anhang
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Hauptgruppen von Kunststoffen..
Abb. 2: Umsatz von Gummi- und Kunststoffwaren in Deutschland (2008 bis 2018)
Abb. 3: Produktionsmengen der Kunststoffindustrie in Deutschland (2006 bis 2018)
Abb. 4: Die 14 wichtigsten Exportziele für Kunststoffabfälle Deutschlands (2018)
Abb. 5: Schematische Übersicht über das kommunale Abwassersystem
Abb. 6: Produktionsmenge von Chemiefasern in Deutschland (1975 bis 2018)
Abb. 7: Geschätzte Plastikmengen in den Weltmeeren (2018)
Abb. 8: Adsorption von persistenten organischen Schadstoffen an einen Mikroplastikpartikel
Abb. 9: Absorption von persistenten organischen Schadstoffen in einen Mikroplastikpartikel
Abb. 10: Adsorptionsmengen von PCB und PAK an 5 unterschiedlichen Kunststoffarten
Abb. 11: Oberflächenvergrößerung durch Verwitterung
Abb. 12: Salzgehalt der Meere
Abb. 13: Polychlorierte Biphenyle
Abb. 14: Aufbau der PAK am Beispiel Benzo[a]pyren.
Abb. 15: Abbau von DDT zu DDE und DDD
Abb. 16: Anreicherung organischer Schadstoffe in der marinen Nahrungskette
Abb. 17: Wasserfloh (Daphnia sp.)
Abb. 18: Pantoffeltierchen (Paramecium sp.)
Abb. 19: Pantoffeltierchen nach Ende der Expositionszeit
Abb. 20: Aufnahme von Mikroplastik durch wirbellose Organismen
Abb. 21: Pilzwachstum auf PUR-A-Platten
Abb. 22: Anlage der Biofabrik
Abb. 23: Agglomeration von Mikroplastik
Abb. 24: Die 5 ozeanischen Müllfelder
Abb. 25: Das Ocean Cleanup-Reinigungssystem
Tabellenverzeichnis
Tab. 1: Abbauzeit von Kunststoffen
Tab. 2: Die häufigsten Kunststoffe in Kosmetika
Tab. 3: Hydrophobizität einzelner Stoffe
Tab. 4: Oberflächen-Volumen-Verhältnis einer Kugel bei zunehmender Größe.
Tab. 5: Einflussfaktoren für die Bioakkumulation
Tab. 6: Einteilung von biologisch und nicht biologisch abbaubaren Kunststoffen
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abstract
This master thesis analyses physical-chemical relations between microplastic particles and hydrophobic pollutants in waters. Causes are discussed, why microplastic acts as a vector for hydrophobic pollutants in water, and the risks resulting from contaminated microplastics both for marine organisms and human beings. A quantitative, as well as qualitative investigation of theme-specific literature was carried out. The evaluation lead to the conclusion, that - due to their hydrophobicity - pollutants can bind themselves onto non-polar microplastic particles by several sorption processes. The number of sorption points vary according to the particle´s surface and increase, the smaller the particle is. This causes high pollutant accumulation at the microplastic particle. After assimilation of polluted microplastic by marine organisms, the pollutants are released by metabolism and deposited in adipose tissue. From here they get to food chain by passing various trophic levels. Microplastic itself passes the biological membrane to diffuse via the bloodstream in nanometric sizes. Larger particles are defecated directly by the organism. As the subject of microplastics is given particular attention currently in the media and society, the content of this master thesis is not only significant to experts but can also contribute better understanding of the microplastic topic for other interested persons.
1.0 Einleitung
Kaum ein anderer Werkstoff wird so häufig für die Herstellung von Erzeugnissen verwendet wie Kunststoffe. Durch die Weiterentwicklung in den 1950er-Jahren wurde ein kostengünstiger und vielfältiger Einsatz an Kunststoffen besonders in der Massenfertigung ermöglicht. In der heutigen Zeit bestehen fast alle Produkte in irgendeiner Form aus Kunststoffen. Diese Produkte reichen von Autoreifen über Dämmstoffe, bis hin zu Einwegprodukten und Verpackungen (vgl. Hohmann 2019a).
Diese Vielfalt bietet zahlreiche Eintragspfade für Kunststoffe, um in die Umwelt zu gelangen. Dort einmal angekommen, werden Kunststoffe durch Umwelteinflüsse fragmentiert und durch den Wind weiterverbreitet. Das Grundproblem von Kunststoffen besteht darin, dass sie auf natürlichem Wege nicht abbaubar sind und sich dadurch in der Umwelt anreichern. Aufgrund dieser Tatsache erhielt das Thema Mikroplastik in den letzten Jahren mehr Aufmerksamkeit nicht nur in der Forschung, sondern auch in den Medien und der Politik.
Die Größe der Kunststoffe, die in der Umwelt aufzufinden sind, reicht bis in kleinste Mikropartikel. Als Mikroplastik werden Kunststoffteile bezeichnet, die kleiner als 5 Millimeter sind. Mikroplastik kann durch unterschiedliche Wege entstehen: Primäres Mikroplastik entsteht bereits bei der Herstellung eines Produktes oder wird diesem hinzugefügt, sekundäres Mikroplastik entsteht durch Verwitterung und Fragmentierung in der Umwelt (vgl. Bertling et al. 2018:9).
Durch achtlose Entsorgung, Fischerei oder Verwehung gelangen Mikroplastikpartikel über natürliche Wasserkreisläufe in Flüsse und ins Meer. Dort werden sie von kleinsten marinen Organismen wie Plankton aufgenommen. Durch die geringe Größe kann Mikroplastik von den meisten marinen Lebewesen nicht von natürlicher Nahrung unterschieden werden. Mikroplastik kann im Verdauungstrakt verbleiben und sich anreichern, zu Verletzungen führen und eine verminderte Nahrungsaufnahme zur Folge haben, wodurch die Lebenserwartung mariner Organismen sinkt (vgl. Primpke et al 2017:403).
Mikroplastik enthält zudem Additive, die während der Herstellung des Ausgangskunststoffs hinzugefügt wurden, um bestimmte Eigenschaften zu erhalten. Dazu zählen Schadstoffe wie Weichmacher und Flammschutzmittel. Aber auch im Wasser vorhandene Schadstoffe können sich an Mikroplastikpartikel anreichern. Dabei handelt es sich um hydrophobe Schadstoffe, die sich bevorzugt an unpolaren Kunststoffen anreichern. Dazu zählen Umweltgifte wie PCB und DDT, die zu der Gruppe der sog. persistenten organischen Schadstoffe ( engl. persistent organic pollutants, kurz POP) gehören (vgl. Liebmann 2015:23f.). Nimmt ein Organismus mit Schadstoffen kontaminiertes Mikroplastik auf, können diese Schadstoffe potenziell an den Organismus abgegeben werden, wo sie sich negativ auf das Immunsystem auswirken, die Fertilität beeinflussen und die Mortalität steigern können.
Welche physikalisch-chemische Voraussetzungen müssen allerdings gegeben sein, damit Mikroplastikpartikel und Schadstoffe in Wechselbeziehung treten? Welche Prozesse fördern die Sorption von Schadstoffen an Mikroplastikpartikeln? Welche schädlichen Auswirkungen können die einzelnen Schadstoffe hervorrufen? Wie reagiert ein Organismus nach Aufnahme von Mikroplastik, und in welchem Fall werden Schadstoffe vom Körper aufgenommen?
Ziel dieser Masterarbeit ist es, die Zusammenhänge der physikalisch-chemischen Beziehung von Mikroplastikpartikeln und hydrophoben Schadstoffen zu analysieren. Es soll geklärt werden, ob Mikroplastik als Vektor hydrophober Schadstoffe agieren kann und welches Schadpotenzial kontaminiertes Mikroplastik mit sich bringen kann.
Mithilfe einer fundierten Literaturrecherche soll die Zielsetzung dieser Masterarbeit erreicht werden. Mikroplastik als Umweltverschmutzer wird seit einigen Jahren erforscht und ist ein sehr aktuelles Thema. So konnten bereits zahlreiche Fachartikel, Fachbücher und Forschungsberichte als deutsche und englische Literatur veröffentlicht werden. Die Literaturrecherche erfolgt überwiegend über Onlinebibliotheken, große Forschungseinrichtungen und Forscherdatenbanken, die zu diesem Thema Bücher und Publikationen anbieten. Interessante und relevante Daten werden in eigens angefertigten Tabellen veranschaulicht und Berechnungen eigenständig durchgeführt.
Im zweiten Kapitel werden Grundlagen über Kunststoffe im Allgemeinen und Mikroplastik beschrieben. Vorangestellt wird erklärt, was Kunststoffe sind und wie hoch die Produktionsmengen in den vergangenen Jahren waren. Anschließend wird die Zersetzung von Kunststoffen erläutert, Mikroplastik definiert, und es werden Untersuchungsmethoden für Mikroplastik in Gewässern veranschaulicht.
Die wichtigsten Eintragspfade von primärem Mikroplastik werden im dritten Kapitel dargestellt. Diese reichen von Reifen- und Straßenabrieb über kommunales Abwasser bis hin zu Sport- und Spielplätzen. Hinsichtlich der freigesetzten Mengen an Mikroplastikpartikeln können sich diese sehr unterscheiden.
Im vierten Kapitel werden zuerst die unterschiedlichen Sorptionsprozesse vorgestellt, die für die Wechselbeziehung zwischen Mikoplastik und Schadstoffen entscheidend sind. Anschließend wird auf die Hydrophobizität von Schadstoffen eingegangen und das Oberflächen-zu-Volumen-Verhältnis von Mikroplastikpartikeln untersucht, wobei auch der Einfluss von Verwitterung und Salzgehalt des Wassers auf die Sorption von Schadstoffen an Mikroplastikpartikeln beleuchtet wird.
Das Schadpotenzial von Mikroplastik aufgrund seiner Wechselbeziehung mit hydrophoben Schadstoffen wird im fünften Kapitel beschrieben. Hierfür werden zuerst die im Mikroplastik enthaltenen Additive und anschließend die wichtigsten Schadstoffe, die an Mikroplastikpartikeln adsorbieren können, in ihrer Toxizität definiert.
Im sechsten Kapitel werden die möglichen biologischen Auswirkungen durch kontaminiertes Mikroplastik nach Aufnahme durch Organismen konkretisiert. Dazu werden zuerst die Stoffwechselprozesse im Körper und anschließend die Bioakkumulation in marinen Ökosystemen erklärt. Nachfolgend werden durch Studien belegte Effekte von kontaminiertem Mikroplastik auf Meeresorganismen und den Menschen geschildert.
Um Lösungsansätze zur Reduzierung und Vermeidung von Mikroplastik in Gewässern geht es im siebten Kapitel dieser Arbeit. Darunter werden nicht nur Vermeidungsstrategien für Kunststoffe im Allgemeinen und Mikroplastik erläutert, sondern auch gesetzliche Regulationen betrachtet. Auch spielen Innovationen und Ansätze durch biologische Zersetzung eine wichtige Rolle. Abschließend wird die Problematik von Bioplastik diskutiert.
Im achten Kapitel wird die Forschungsfrage erneut aufgegriffen und Ergebnisse dieser Arbeit präsentiert. Abschließend erfolgt ein Ausblick über künftige Forschungsansätze.
2.0 Allgemeines und Grundlagen
Kunststoffe sind aus der heutigen Zeit kaum noch wegzudenken. Sie gelten als wichtige und wertvolle Werkstoffe und werden in vielen Produkten und Produktionsprozessen eingesetzt. Sie erfüllen oft sinnvolle Funktionen in langlebigen Gütern, kommen aber auch als Einwegprodukte zum Einsatz, die oftmals ungeachtet in der Umwelt entsorgt werden. Dort werden sie durch Umwelteinflüsse bis in kleinste Partikel zersetzt und geraten durch Wind und Niederschlag in den natürlichen Wasserkreislauf und letztendlich in die Meere.
Das folgende Kapitel gibt einen Überblick darüber, was Kunststoffe im Allgemeinen sind, was Mikroplastik ist und wie dieses entsteht.
2.1 Was sind Kunststoffe?
Als Kunststoff werden Festkörper bezeichnet, die aus synthetisch oder halbsynthetisch erzeugten Polymeren mit organischen Gruppen bestehen. Ein Kunststoffgegenstand besteht aus Millionen sehr langer, ineinander verschlungener Molekülketten (Polymeren), die aus sich wiederholenden Monomeren zusammengesetzt sind. Synthetische Kunststoffe werden durch Polymerisation aus Monomeren erzeugt. Halbsynthetische dagegen entstehen durch die Modifikation natürlicher Polymere (z. B. Zellulose zu Zelluloid).
Kunststoffe haben eine Vielzahl an Eigenschaften. Dazu gehören Formbarkeit, Elastizität, Bruchfestigkeit, Wärme- und chemische Beständigkeit. Diese Eigenschaften können durch die Wahl des Ausgangskunststoffs, das Herstellungsverfahren, durch Beimischung von Additiven oder Füll- und Verstärkungsstoffen je nach Einsatzbereich angepasst werden.
Dadurch finden Kunststoffe nicht nur in Verpackungen, Folien oder Kosmetika ihre Anwendung, sondern auch in Reifen, Dämm- und Klebstoffen (vgl. Lippold 2019).
Grundsätzlich lassen sich Kunststoffe in drei Hauptgruppen aufteilen:
Thermoplaste sind reversible Kunststoffe, die sich immer wieder umformen lassen. Durch Energiezufuhr werden Thermoplaste formbar bis plastisch, bis sie schließlich schmelzen. Die meisten heute verwendeten Kunststoffe fallen unter diese Gruppe und werden für einfache Konsumwaren und Verpackungen sowie für technische Teile in der Automobil-, Elektro- oder Bauindustrie eingesetzt.
Duroplaste durchlaufen einen irreversiblen Härtungsprozess und sind daher nicht wieder umformbar. Durch Oxidationsmittel, energiereiche Strahlung oder Einsatz von Katalysatoren kann dieser Prozess initiiert oder beschleunigt werden. Eine Erwärmung der Duroplaste führt nicht zu einer plastischen Verformbarkeit, sondern zu deren Zersetzung. Nach der Aushärtung sind diese Kunststoffe nur noch mechanisch bearbeitbar. Wegen ihrer Beständigkeit auch bei höheren Temperaturen werden Duroplaste oft in der Elektroinstallation verwendet. Zu dieser Gruppe gehören Epoxidharze, Polyester, Polyurethanharze für Lacke sowie Bakelit (erster industriell produzierter Kunststoff).
Elastomere sind weitmaschig vernetzt und daher flexibel. Zu den Elastomeren gehören alle Arten von vernetztem Kautschuk. Die Vernetzung tritt durch Vulkanisation mit Schwefel, durch Metalloxide, Bestrahlung oder mittels Peroxide ein. Elastomere werden bei Wärme nicht weich und sind bei den meisten Lösungsmitteln nicht löslich. Durch ihre Eigenschaften werden Elastomere für Autoreifen, Hygieneartikel oder Chemikalienhandschuhe verwendet. Zu dieser Gruppe gehören u. a. Elastomere wie Naturkautschuk oder Butadien-Kautschuk, der vor allem in Autoreifen eingesetzt wird (vgl. Abb. 1) (vgl. Domininghaus 1998:13ff.; Lippold 2019).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Hauptgruppen von Kunststoffen. Zeigt Gestalt und Anordnung der Makromoleküle (vgl. Agerer 2009a).
2.2 Produktionsmengen
Durch die Entwicklung der Thermoplaste und entsprechenden Verarbeitungsverfahren in den 1950er-Jahren nahm die Produktion von Kunststoffen enorm zu. Formteile konnten jetzt auf günstige Weise hergestellt werden. Dadurch wurde Kunststoff von einem Ersatzstoff mit besonderer Bedeutung zu einem Werkstoff für die industrielle Massenfertigung (vgl. Lippold 2019).
Die deutsche Kunststoffindustrie umfasst kunststofferzeugende und kunststoffverarbeitende Unternehmen sowie Kunststoffmaschinenbauer und Recyclingunternehmen. Kunststoffe werden vor allem für die Herstellung von Verpackungen und in der Bau-, Automobil- und Elektroindustrie eingesetzt. Aber auch in der Möbelindustrie sowie Agrarwirtschaft und Medizintechnik finden Kunststoffe aufgrund ihrer vielfältigen Eigenschaften Anwendung.
Im europäischen Vergleich ist die deutsche Kunststoffindustrie bezogen auf die Produktion, den Außenhandel sowie Forschung und Entwicklung von Kunststoffen führend. Deutsche Unternehmen aller Branchen der Kunststoffindustrie erwirtschafteten im Jahr 2018 einen Umsatz von rund 83 Milliarden Euro (vgl. Abb. 2) (vgl. Hohmann 2019a).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Umsatz von Gummi- und Kunststoffwaren in Deutschland (2008 bis 2018) (vgl. Hohmann 2019B, eigene Darstellung).
Allein in Deutschland wurden im Jahr 2018 rund 19,3 Millionen Tonnen an Kunststoff produziert (vgl. Abb. 3, S. 16). In den Produktionsmengen sind Polymere für Leime, Harze, Beschichtungen, Fasern und andere Kunststoffprodukte enthalten.
Im Jahr 2009 sank die Produktionsmenge auf 17,4 Millionen Tonnen (vgl. Abb. 3, S. 16), was auf die Weltwirtschaftskrise 2008 zurückzuführen ist. Das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland war 2009 im Vergleich zum Vorjahr um fünf Prozent gesunken. Spontan verloren viele Menschen ihre Arbeit, die Nachfrage an Produkten reduzierte und die Produktion verringerte sich. In der Folge wurden weniger Kunststoffe eingesetzt (vgl. Hohmann 2019b, Lpb 2019).
Im Vergleich wurden im Jahr 2018 weltweit rund 359 Millionen Tonnen an Kunststoff produziert, davon rund 62 Millionen Tonnen in Europa. Im gleichen Jahr exportierte Deutschland etwa 13 Millionen Tonnen Kunststoff ins Ausland und importierte gleichzeitig 10 Millionen Tonnen.
Das bleibt nicht ohne Folgen. Die hohe Kunststoffproduktion bringt eine Menge Kunststoffabfälle mit sich, wobei der Anteil an Verpackungen am größten ist.
In den EU-Ländern entstehen rund 33 Kilogramm Kunststoffabfall pro Einwohner und Jahr. Deutschland liegt mit einem Aufkommen von rund 38 Kilogramm pro Kopf deutlich über dem Durchschnitt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3: Produktionsmengen der Kunststoffindustrie in Deutschland (2006 bis 2018) (vgl. Hohmann 2019c, eigene Darstellung).
Wird Kunststoffabfall nicht ordnungsgemäß entsorgt oder wiederverwertet, gelangt dieser in die Umwelt und über den Wasserkreislauf in die Meere. Besonders Flüsse in Afrika und Asien führen eine hohe Dichte an Kunststoffabfällen. Durch diese Abfälle verenden jährlich zahlreiche Meerestiere, da sie sich in den Plastikresten verfangen oder diese fälschlicherweise als Nahrung identifizieren und aufnehmen (vgl. Breitkopf 2019).
2.3 Zersetzung von Kunststoffen
Die großen Stärken des Kunststoffs, wie Stabilität oder Persistenz, bilden für die von Plastikmüll belasteten Ökosysteme eine große Gefahr. Die zahlreichen Eigenschaften von Kunststoffen behindern die Zersetzung bzw. den Abbau der Polymere. Die Zersetzungszeit ist abhängig von verschiedenen Umweltfaktoren und kann im Höchstfall bis zu 600 Jahre andauern (vgl. Tab. 1, S. 17).
Allerdings kann selbst dann nicht von einem vollständigen Abbau gesprochen werden, da nur biologisch abbaubare Kunststoffe komplett zersetzt werden können. In der Regel zerfallen Kunststoffe in kleinste Partikel, die kaum gesehen werden und auf den Meeresboden absinken (vgl. Bertling 2019).
Der Abbauprozess von Kunststoffen im Meer kann durch den individuellen Aufbau des Kunststoffstücks sowie durch zahlreiche biotische und abiotische Faktoren begünstigt oder gehemmt werden. Eine spröde Oberfläche, die durch UV-Strahlung an der Meeresoberfläche entstanden ist, verstärkt die Fragmentierung durch Wind und Wellen. Dadurch entsteht eine größere Oberfläche, die eine Bildung von Biofilmen und die Ansiedlung von Mikroorganismen und Schadstoffen begünstigt. Die Zunahme der Biofilmdichte hat die Folge, dass Kunststoffe, deren Dichte kleiner als Wasser ist, auf den Meeresgrund absinken. Mit zunehmender Tiefe nehmen UV-Strahlung, Temperatur und Sauerstoffgehalt ab, wodurch der weitere Abbau gehemmt wird. Auch dem Kunststoff zugesetzte abbauhemmende Additive (wie Stabilisatoren) können den Abbau von Polymeren behindern (vgl. Bertling et al. 2018:26).
Tab. 1: Abbauzeit von Kunststoffen. Gezeigt werden unterschiedliche Kunststoffprodukte im Vergleich (vgl. Bertling 2019; Eigene Darstellung).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Neben dem Massenabbau ist auch der Zerfall von großen Kunststoffteilen in immer kleinere Partikel entscheidend. Der Großteil des Makroplastiks in der Umwelt zerfällt durch Fragmentierung und Verwitterung im Laufe der Zeit zu Mikroplastik. Durch Fragmentierungsprozesse sind Kunststoffe in unterschiedlichen Größen und Formen in der Umwelt aufzufinden (vgl. Bertling 2019).
Generell ist ein biologischer Abbau reiner Kunststoffe kaum vorhanden. Kunststoffe bilden dann einen Nährboden für Mikroorganismen (Pilze und Bakterien), wenn sie biologisch angreifbare Füllstoffe enthalten, z. B. Stärke oder niedermolekulare Weichmacher. Die Stoffwechselprodukte der Mikroorganismen beschleunigen den Abbau, da sie die polymere Matrix chemisch angreifen (vgl. Menges et al. 2011:438).
2.4 Definition von Mikroplastik
Der Begriff Mikroplastik wurde offiziell 2004 von Thompson et al. eingeführt, als sie auf das wachsende Problem durch die Freisetzung von Kunststoffen in den Meeren aufmerksam machten. Damals untersuchte das Forscherteam Planktonproben, die seit den 1960er Jahren regelmäßig auf den Strecken zwischen Aberdeen und den Shetlands (315 Kilometer) und von Sule Skerry nach Island (850 Kilometer) gesammelt wurden. Das Forscherteam fand in den Proben Plastik, das bis in die 1960er Jahre unter dem Plankton archiviert war, allerdings mit einer signifikanten Zunahme der Häufigkeit im Laufe der Zeit (vgl. Thomson et al. 2004:838).
Für die Definition von Mikroplastik gibt es in der Literatur unterschiedliche Vorschläge. Diese unterscheiden sich in ihrer Größeneinteilung der Partikel. Für die Forschung, Methodenentwicklung und Bewertung der Umweltrelevanz von Mikroplastikpartikeln ist eine Klassifizierung nach Größe ein entscheidender Faktor, da der Partikel abhängig von der Größe unterschiedliche Eigenschaften besitzt (vgl. Busse et al 2019:9).
Bisher gibt es für die Definition Mikroplastik noch keine einheitliche, international verbindliche Klassifizierung oder EU-Richtlinie. Aktuell ist die U.S. National Oceanic and Atmospheric Administration ( kurz NOAA) führend in der Erforschung des Themas Mikroplastik. Hier werden Plastikabfälle, die kleiner als 5 Millimeter sind, als Mikroplastik bezeichnet (vgl. Noaa 2019). Auch große Forschungseinrichtungen wie das Umweltbundesamt und Fraunhofer-Institut, die sich intensiv mit dem Thema Mikroplastik beschäftigen, haben sich dieser Definition angeschlossen.
Daher wird sie auch in dieser Masterarbeit übernommen. Demnach sind Mikroplastikpartikel Kunststoffabfälle, die kleiner als 5 Millimeter sind und als Partikel oder Fasern vorliegen.
2.5 Entstehung von Mikroplastik
Mikroplastik kann auf verschiedenen Wegen entstehen und wird dabei in unterschiedliche Typen eingeteilt:
Primäres Mikroplastik vom Typ A wird bereits bei der Herstellung eines Produktes erzeugt und diesem zugefügt. Ein gutes Beispiel sind Reibkörper in Kosmetika, polymere Strahlmittel oder Kunststoffpellets, die in der Industrie ein wichtiges Halbzeug (Rohmaterial) darstellen. Die Freisetzung von primären Mikroplastik kann beabsichtigt oder durch einen Unfall verursacht werden.
Im Unterschied dazu entsteht primäres Mikroplastik vom Typ B erst in der Nutzungsphase. Zum Beispiel durch Abrieb der Reifen, beim Waschen von Kleidung oder durch Verwitterung von Farben. Die Entstehung und anschließende Freisetzung der Partikel sind nur schwer vermeidbar.
Die Reduzierung und Vermeidung von primärem Mikroplastik werden vor allem an den Hersteller adressiert. Dieser hat Einfluss auf die Menge und den Einsatz an alternativen Stoffen.
Sekundäres Mikroplastik wird durch Verwitterung und Fragmentierung von Makroplastik in der Umwelt erzeugt. Oft gelangt das Makroplastik durch wilde Müllhalden und Littering in die Umwelt, wo es unterschiedlichen Umwelteinflüssen ausgesetzt ist.
Die Vermeidung von Makroplastik und in Folge die Entstehung von sekundärem Mikroplastik liegen beim Verursacher sowie beim Staat. Der Staat muss geeignete Anreize zur Vermeidung von wilden Müllhalden und Littering schaffen. Der Verursacher selbst muss bewusster mit kunststoffhaltigen Abfällen umgehen und diese ordentlich entsorgen (vgl. Bertling et al. 2018:9).
2.6 Untersuchungsmethoden für Mikroplastik in Gewässern
Um die Einträge und Transportwege von Kunststoffen in verschiedene Umweltmedien bewerten zu können, müssen Daten erhoben werden, die miteinander vergleichbar sind. Damit dies möglich ist, müssen die Daten mit standardisierten und validierten Untersuchungsverfahren erhoben werden.
Die ermittelten Daten sind Grundlage für eine entsprechende Betrachtung und Beurteilung von Kunststoffen in der Umwelt, d. h. für die regelmäßige Erfassung der Quellen, Eintragspfade, Eintragsmengen, Vorkommen, Verhalten und Auswirkungen der Stoffe. Werden die Daten durch standardisierte Methoden erfasst, ist eine Berechnung der Stoffströme von Kunststoffen innerhalb von Umweltmedien sowie von einem Umweltmedium in das andere möglich. Zudem kann die Wirksamkeit von Maßnahmen überprüft werden, die den Eintrag von Kunststoffen reduzieren sollen.
Die aktuell große Vielfalt an Untersuchungsmethoden in wissenschaftlichen Arbeiten führt dazu, das vergleichbare und übergreifende Aussagen momentan nur sehr eingeschränkt möglich sind. Die Methoden variieren je nach Fragestellung. Daher kann es ein universelles Untersuchungsverfahren für alle Fragestellungen zu Kunststoffen in der Umwelt nicht geben. Aus diesem Grund ist es wichtig, Verfahren für die spezifische Probenahme, Aufbereitung und Analytik für Gewässer, Boden und Luft festzulegen, damit die Ergebnisse qualitativ gesichert und vergleichbar sind, sodass sie statistisch gesicherte Aussagen ermöglichen (vgl. Busse et al. 2019:10f.).
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung ( kurz BMBF) veröffentlichte im Jahr 2018 ein Diskussionspapier, in dem aktuell verwendete Untersuchungsverfahren für Mikroplastik zusammengefasst wurden. In der Fortentwicklung des Diskussionspapiers soll am Ende ein möglichst einheitlicher Methodenpool für alle relevanten Fragestellungen in Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung in Bezug auf Kunststoffe in der Umwelt zur Verfügung stehen (vgl. Braun et al. 2018:5).
Auch hat die NOAA im Zuge des „Marine Debris Program“ standardisierte Feldmethoden zum Sammeln von Sediment-, Sand- und Oberflächenwasserproben entwickelt. Diese Feld- und Laborprotokolle sollen einen globalen Vergleich an festgestellten Mikroplastikmengen ermöglichen (vgl. Noaa 2019).
3.0 Quellen von Mikroplastik
Mikroplastik hat viele Quellen, die sich hinsichtlich der freigesetzten Mengen sehr unterscheiden. Eine Befragung durch das Fraunhofer-Institut UMSICHT ergab, dass es circa 74 potentiell relevante Quellen für primäres Mikroplastik gibt, wovon (siehe Anhang) durch das Institut ermittelt und quantifiziert wurden (vgl. Bertling et al. 2018:10). Im Folgenden werden die wichtigsten Quellen für Mikroplastik vorgestellt.
3.1 Reifen- und Straßenabrieb
Reifen sind aus verschiedenen Materialien wie Gummi, Stahl und Textil zusammengesetzt. Sie bestehen zum großen Anteil aus Kautschuk. Der Reifenmischung sind Füllstoffe, Weichmacher und diverse Chemikalien zugesetzt, die durch den Abrieb mit in die Umwelt gelangen (vgl. Goodyear 2019).
Die Staubemissionen, die aus dem Reifenabrieb entstehen, bestehen zu circa 40 Prozent aus Kunststoffen. Die Schwebstofffraktion ( engl. total suspended particles, kurz TSP) des Reifenabriebs besteht zum einen Teil aus Partikeln mit einem Durchmesser von kleiner ca. 30 Mikrogramm. Dieser Staub verbleibt zunächst vollständig in der Luft und kann somit über weite Strecken transportiert werden. Andererseits enthält der Staub auch größere Partikel, die sofort zur Erdoberfläche absinken oder erst gar nicht in die Luft gelangen. Beide Partikelgrößen können durch Niederschläge ausgewaschen und somit in Böden und Gewässer eingetragen werden (vgl. Busse et al. 2019:32).
Am Ende seiner Nutzungsdauer von 4 Jahren bzw. im Durchschnitt 50.000 gefahrenen Kilometern wiegt ein gängiger Autoreifen circa 1,5 Kilogramm weniger als zu Beginn. In Deutschland sind circa 46 Millionen Pkw zugelassen. Somit summiert sich der Reifenabrieb allein für Pkw innerhalb der genannten Nutzungsdauer auf 184.000 bis 276.000 Tonnen, was umgerechnet auf das Jahr 46.000 bis 69.000 Tonnen Reifenabrieb entspricht. Hinzu kommt der Reifenabrieb durch weitere Verkehrsteilnehmer wie Lkw, Busse, Traktoren und Baufahrzeuge sowie Kraft- und Fahrräder (vgl. Bertling 2018a).
Reifen- und Straßenabrieb sind somit eine relevante Quelle für Kunststoffe in der Umwelt. Wird der dadurch entstandene Feinstaub eingeatmet, können diese Partikel die menschliche Gesundheit schädigen. Welche Wirkung der luftgetragene Kunststoff tatsächlich auf Menschen und Ökosysteme hat, ist bisher nicht untersucht (vgl. Busse et al. 2019:32).
Aktuell gibt es keine umfassende Studie zu Mengen und Verbreitungswegen von Reifenabrieb in Deutschland. Das vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur ( kurz BMVI) geförderte Verbundprojekt „Tyre Wear Mapping“ will diese wissenschaftliche Lücke schließen (vgl. Bertling 2018a).
3.2 Abfallentsorgung
Um Kunststoffabfälle in der Umwelt zu vermeiden und Stoffkreisläufe zu schließen, ist ein gutes Abfallmanagement eine grundlegende Voraussetzung. In Deutschland existiert ein solch gut organisiertes Abfallmanagement. Kunststoffabfälle landen in der Regel nicht auf Deponien, da eine Deponierung von Siedlungsabfällen (Restabfällen) ohne Vorbehandlung durch thermische oder mechanisch-biologische Verfahren seit 2005 nicht mehr erlaubt ist. So kann man davon ausgehen, dass annähernd 100 Prozent der erfassten Kunststoffabfälle stofflich oder energetisch verwertet werden. Im Bereich des Recyclings gibt es in Deutschland Potenzial, vor allem bei privaten oder gewerblichen Abfällen. Hier beläuft sich die Recyclingquote auf 39 Prozent (Stand 2017).
Recycling ist nur dann möglich, wenn Kunststoffabfälle sortiert in den Kunststoffstrom eingebracht werden. Dazu müssen sie vom Restmüll getrennt werden, um unnötige Verunreinigungen zu vermeiden. Damit Kunststoffprodukte gut sortierbar und recyclingfähig sind, müssen bereits in der Entwicklung eines Produktes die Verwertungsmöglichkeiten berücksichtigt werden. Bspw. haben viele Kunststoffverpackungen unterschiedliche Materialien, die in Schichten aufeinander geklebt und nicht wieder trennbar sind. Diese Kunststoffverpackungen können letztendlich nur noch energetisch verwertet werden und gehen dadurch dem Stoffkreislauf verloren.
Wenn bereits bei der Herstellung darauf geachtet wird, dass die Produkte in ihren Materialien trennbar sind und Verbraucher diese anschließend richtig entsorgen, können saubere und gut recycelbare Kunststoffströme entstehen (vgl. Busse et al. 2019:24). In der Folge gelangen weniger Abfälle in die Umwelt oder müssen in andere Länder exportiert werden, weil sie in Deutschland nicht recycelt oder entsorgt werden können. Dies trifft besonders auf verunreinigte Kunststoffabfälle zu.
Einige Länder, darunter Deutschland, exportieren ihren Kunststoffabfall in andere Länder. Aktuell wird der meiste Abfall nach Malaysia verschifft (vgl. Abb. 4, S. 23) (vgl. Fuhr et al. 2019:38f.). Dieser Export ist keine Lösung für das Abfallmanagement, sondern verschiebt nur das Abfallproblem. Durch das Verladen, Verschiffen und Umladen des Kunststoffabfalls werden Kunststoffteile in die Umwelt freigesetzt, die dort durch Umwelteinflüsse fragmentieren und letztendlich zu Mikroplastik zerfallen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 4: Die 14 wichtigsten Exportziele für Kunststoffabfälle Deutschlands (2018) (vgl. Fuhr et al. 2019:39).
3.3 Klärschlämme, Komposte und Gärrückstände
Laut § 4 Abs. 4 der Düngemittelverordnung ( kurz DüMV) gehören Kunststoffe zu den Fremdstoffen im Sekundärrohstoffdünger. Die dafür festgelegten Grenzwerte unterscheiden dabei zwischen harten und weichen Kunststoffen und anderen Fremdstoffen wie Papier, Glas und Metalle. Für harte Kunststoffpartikel (> 2 Millimeter) und andere Fremdstoffe liegt der Grenzwert bei 0,4 Gewichtsprozent bezogen auf die Trockenmasse; für weiche Kunststoffe wie Folien liegt der Wert bei 0,1 Prozent (vgl. DüMV § 4 Abs. 4).
Klärschlämme, Komposte und Gärrückstände gelten in Deutschland als Sekundärrohstoffdünger. Über die Düngung können Kunststoffe in die Umwelt eingebracht werden. Klärschlämme enthalten Kunststoffe, die über die Kläranlage aus dem Abwasser nicht entfernt oder über die Kovergärung von Substraten im Faulturm (z. B. Lebensmittelabfälle) eingebracht wurden. Auch Komposte und Gärreste aus getrennt gesammelten Bioabfällen sind durch Kunststoffe verunreinigt. Gründe dafür sind bspw. die Anwendung von konventionellen Plastiktüten als Bioabfallbeutel, die Vergärung von Lebensmittelabfällen mit Verpackungsresten oder eine nicht ausreichende Anlagentechnik, um die Kunststoffe aus der Abfall-Biomasse zu beseitigen (vgl. Busse et al. 2019:26).
Um diese Verunreinigungen zur minimieren, müssen Bioabfälle ordentlich getrennt und dürfen nicht in Plastiktüten entsorgt werden.
3.4 Baustellen
Mikroplastik kann auf Baustellen durch Folienfragmente, Späne und Bruchstücke von Kunststoffteilen (z. B. Rohre) oder auch Styropor-Kügelchen durch Verwehung und Niederschlag in der Umwelt verteilt werden. Zu den größten Quellen gehören die Verarbeitung von Kunststoffen vor Ort, Abrieb durch Abbrucharbeiten sowie Farben und Lacke von Gebäudefassaden.
Fast allen Kunststoffen werden Additive und Füllstoffe zugesetzt, damit sie die gewünschten Eigenschaften bekommen. Baumaterialien sind über einen langen Zeitraum Witterungseinflüssen ausgesetzt. Daher werden besonders in diesen Materialien Additive eingesetzt, um eine lange Nutzungsdauer zu gewährleisten. Gerade auf Baustellen ist daher zu erwarten, dass große Mengen an Kunststoffen und somit auch an Schadstoffen freigesetzt werden (vgl. Bertling et al. 2018:10ff.).
3.5 Littering
Littering bezeichnet das Wegwerfen oder Liegenlassen von Abfällen in der Umwelt. Aufgrund von fehlendem Umweltbewusstsein in der Bevölkerung werden Kunststoffverpackungen, Tragetaschen, Einweggeschirr oder Plastikflaschen achtlos in der Umwelt entsorgt. Zudem kann es passieren, dass aus überfüllten Sammelbehältern Kunststoffe vom Wind verweht oder auch von Tieren in der Umwelt verteilt werden.
Unter Einfluss von Witterung, mechanischer Beanspruchung und UV-Strahlung fragmentieren größere Kunststoffteile in kleinere Partikel, und es entsteht sekundäres Mikroplastik. Die tatsächlichen Kunststoffmengen aus dem Littering können nur grob geschätzt werden. Sie liegen bei weniger als 0,5 Prozent der Gesamtmenge an Kunststoffabfällen (vgl. Liebmann 2015:16).
3.6 Kommunale Abwässer
Durch häusliches oder gewerbliches Abwasser oder Niederschlagsabflüsse von befestigten Flächen und Gebäuden können Mikroplastikpartikel in das kommunale Abwasser gelangen. Diese Gewässer werden in der Kanalisation gesammelt, wobei man zwischen Trenn- und Mischkanalisation unterscheidet (vgl. Abb. 5, S. 25).
Mikroplastik kann in kommunale Abwassersysteme gelangen, wenn das behandelte Abwasser in natürliche Gewässer eingeleitet oder zur Bewässerung eingesetzt wird. Eine weitere Eintragsquelle sind Mischwasserabschläge, wenn bei starken Niederschlägen Abwasser aus den Kläranlagen in Oberflächengewässer eingeleitet wird, um Schäden an der Infrastruktur (z. B. Kanäle) zur verhindern. Aber auch Niederschlagseinleitungen aus der Trennkanalisation ohne vorherige effektive Reinigung sowie die Ausbringung von Klärschlamm auf Böden bringen Mikroplastik in die Umwelt ein.
Kläranlagen in der Größenklasse 4 (10.000 bis < 100.000 EW) und 5 (> 100.000 EW) können über 90 Prozent der Feststoffe aus dem Abwasser entfernen. Durch die mechanische Reinigungsstufe, bei der grobe Partikel (darunter Mikro- und Makroplastik) herausgesiebt werden, verbleiben im Abwasser (je nach Region) zwischen 600 und 1.000 Milligramm Feststoff je Liter, wobei Mikroplastikpartikel einen vergleichbar geringen Teil ausmachen (vgl. Busse et al. 2019:27ff.).
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Abb. 5: Schematische Übersicht über das kommunale Abwassersystem (vgl. Busse et al. 2019:28)
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- Citation du texte
- Master of Science Jacqueline Giesen (Auteur), 2020, Mikroplastik als Vektor hydrophober Schadstoffe in Gewässern, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1193413
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