Wird die Identitätsbildung von Kindern und Jugendlichen durch Extremismus in den Soziale Medien maßgeblich beeinflusst?
Soziale Medien nehmen einen immer größeren Stellenwert im Leben vieler Menschen ein, insbesondere von Kindern und Jugendlichen. Folglich haben viele Menschen schon während Ihrer Identitätsentwicklung regen Kontakt mit den Sozialen Medien. Heranwachsende entziehen sich hierbei bewusst der Kontrolle ihrer Eltern.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Begriffsdefinition und theoretische Grundlagen
3 Unterschiede zwischen Online- und Offline-Identität?
4 Chancen und extremistische Gefahrenquellen in Sozialen Medien
5 Aktueller Forschungsstand
6 Fazit
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Soziale Medien nehmen einen immer größeren Stellenwert im Leben vieler Menschen ein, insbesondere von Kindern und Jugendlichen. Folglich haben viele Menschen schon während Ihrer Identitätsentwicklung regen Kontakt mit den Sozialen Medien. Heranwachsende entziehen sich hierbei bewusst der Kontrolle ihrer Eltern, wie folgende Befragung einer Jugendlichen beispielhaft zeigt: „Als man sie nach Facebook fragt, da lacht sie nur. ‚Das ist so was von gestern‘, sagt sie. Keiner ihrer Freunde interessiere sich noch ernsthaft für Facebook, inzwischen hätten ja selbst die eigenen Eltern, manchmal sogar die Großeltern die Vernetzungsplattform entdeckt. Das sei, als würde man auf derselben Party abhängen. Gemeinsam Bier trinken. Tanzen. Kein Jugendlicher will das“ (Mühl, 2015). Ein solches Verhalten ist in diesem Lebensabschnitt zwar üblich und wichtig, wirft aber die Frage auf, inwieweit Kinder und Jugendliche hierdurch gefährdet sind. Denn die Sozialen Medien bergen neben vielen Chancen und Möglichkeiten auch einige Gefahren.
Längst warnt auch das Bundeskriminalamt: „Nicht nur Privatpersonen, sondern auch Organisationen, Parteien und selbst Polizeibehörden haben Accounts bei sozialen Netzwerken […]. Das große Potential zur kostenlosen Vernetzung und Verbreitung von Informationen haben allerdings auch extremistische Gruppen erkannt und nutzen es immer intensiver“ (Roman Peperhove). Im Folgenden soll daher der Frage nachgegangen werden: Wird die Identitätsbildung von Kindern und Jugendlichen durch Extremismus in den Soziale Medien maßgeblich beeinflusst?
2 Begriffsdefinition und theoretische Grundlagen
Bevor wir uns der Frage widmen können, ob Extremismus einen maßgeblichen Einfluss auf die Identitätsbildung von Heranwachsenden hat, müssen zuerst einige Begrifflichkeiten geklärt werden.
Unter Extremismus werden in dieser Hausarbeit insbesondere politischer Extremismus und Radikalisierungen jeglicher Art verstanden. Beide haben drei wichtige Gemeinsamkeiten: Sie möchten das freiheitlich-demokratische System abschaffen, kämpfen also gegen Rechte des Grundgesetzes. Sie glauben, das einzig richtige Weltbild zu haben und hetzen daher gegen alle, die nicht in dieses Weltbild passen und sie sind auch bereit, zur Erreichung ihrer Ziele Gewalt einzusetzen (Kasraeian Moghaddam, Shirin [BLZ]).
Der Begriff Soziale Medien wird im Allgemeinen folgendermaßen definiert: „Social Media ist eine Vielfalt digitaler Medien und Technologien, die es Nutzern ermöglichen, sich auszutauschen und mediale Inhalte einzeln oder in Gemeinschaft zu gestalten“ (Berufsverband Deutscher Markt-und Sozialforscher e.V., 2021). Aufgrund der besonders hohen Relevanz, die sie für Kinder und Jugendliche haben, beschränkt sich diese Hausarbeit jedoch auf die sozialen Netzwerke wie Facebook, Youtube und Instagram.
Die Identitätsbildung, oder auch Identitätskonstruktion, ist ein sehr weites Forschungsfeld. Insgesamt lässt sich aber feststellen, dass jedes Individuum während seiner Identitätsbildung durch eine hohe Anzahl sozialer Faktoren beeinflusst wird. (Schmidt & Taddicken, 2021, S. 67) „Dies können allgemeine soziale Normen sein, die sich etwa durch das (erwartete) Feedback anderer Personen äußern, ebenso wie soziale Rollen, die beeinflussen, welche Identitätsaspekte eine Person von sich in der jeweiligen Situation offenbart. Identitätskonstruktion geschieht somit immer in Gesellschaft und wird durch diese mehr oder weniger stark geformt“ (Schmidt & Taddicken, 2021, S.67).
Es wird davon ausgegangen, dass der Mensch einen Großteil seiner Identität und Persönlichkeit bis zum 30. Lebensjahr entwickelt (Deutscher Ärzteverlag GmbH, Redaktion Deutsches Ärzteblatt, 2015), wobei die Identitätsentwicklung auch bei Erwachsenen nie vollständig abgeschlossen ist (Schmidt & Taddicken, 2021, S.62). In Bezug auf Extremismus sind Jugendliche daher die wichtigste Zielgruppe, da sich deren Identität und politische Einstellungen noch in der Entwicklung befinden und sie deshalb insbesondere für Einflüsse durch Gruppenbildungen und charismatische Personen anfällig sind (Reinemann, Nienierza, Fawzi, Riesmeyer & Neumann, 2019, S.1).
Aufgrund dieser Feststellungen wurde auch untersucht, ob durch die zunehmende Verbreitung von Sozialen Medien, diese Einfluss auf die Identitätsbildung im Allgemeinen nehmen können. Dabei wurde festgestellt, dass Individuen häufig sowohl, eine „Online-Identität“, als auch eine „Offline-Identität“ entwickeln (Schmidt & Taddicken, 2021, S. 62). Inwiefern diese miteinander in Zusammenhang stehen, klärt der folgende Abschnitt.
3 Unterschiede zwischen Online- und Offline-Identität?
Die Erkenntnis, dass Menschen durchaus zwei unterschiedliche Identitäten bilden können, eine für die „Online-Welt“ und eine für das „echte Leben“ wirft auch in Bezug auf die Fragestellung dieser Arbeit viele neue Ansätze auf. Können beispielsweise beide Identitäten eines Individuums durch extremistische Einflüsse in den sozialen Medien beeinflusst werden?
Um dies beantworten zu können, müssen zunächst die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Online- und Offline-Identitäten geklärt werden. Im Handbuch Soziale Medien heißt es dazu: „Die „Online-Identität“ kann sehr unmittelbar an die Offline-Identität, d. h. an die Identität, die eine Person im „real life“ vertritt, gekoppelt sein, aber auch durchaus unabhängig von dieser existieren.“ (Schmidt & Taddicken, 2021, S.62). Wie weiter oben bereits erwähnt, werden Menschen im Allgemeinen bei Ihrer Identitätskonstruktion durch diverse soziale Faktoren beeinflusst. Beispielsweise durch soziale Normen, das Feedback anderer und soziale Rollen, die beeinflussen, wie sich ein Mensch in einer bestimmten Situation präsentiert (Schmidt & Taddicken, 2021, S.67). Empirische Studien bestätigen, dass das Internet und die Sozialen Medien diese Selbstvergewisserungs- und Selbststabilisierungs-Funktionen durchaus erfüllen können (Schmidt & Taddicken, 2021, S.64). Daraus folgt: „Um nicht immer wieder feststellen zu müssen, dass unsere Bilder oder Videos von niemandem beachtet werden, lernen wir schnell, was gut ankommt - und richten unsere ‚Öffentlichkeitsarbeit‘ auf die Gesetze der sozialen Aufmerksamkeit aus. Wir lassen uns konditionieren.“ (Spiegel, 2014). Die Identitätsbildung wird also sowohl online, als auch offline, stark von unseren Mitmenschen beeinflusst.
Allerdings gibt es auch einen wichtigen Unterschied zwischen unserer Online- und unserer Offline-Identität: „Identität muss im Internet von den Nutzern stets aktiv aufgebaut werden, anders als außerhalb des Internets, wo allein durch äußerliche Faktoren bereits gewisse Eindrücke der eigenen Person vermittelt werden.“ (Schmidt & Taddicken, 2021, S.62). Dies hat den Vorteil, dass äußerliche Merkmale, körperliche Beeinträchtigungen und sogar unser Geschlecht im Internet an Bedeutung verlieren können, wodurch Vorurteile und Stereotypisierungen gar nicht erst entstehen (Schmidt & Taddicken, 2021, S.75).
Andererseits kann die Entwicklung eines zweiten Ichs in den digitalen Welten auch dazu führen, dass sich der Betroffene aus der wirklichen Welt zurückzieht, da er in seiner meist positiven „Eigenkreation“ gefangen bleibt und befürchtet, von seinen echten Freunden enttarnt zu werden (Spiegel, 2014). Dieses Verhalten kann durch Vergleichsprozesse im Internet verstärkt werden. Menschen tendieren dazu, im Internet überwiegend positive Nachrichten über sich selbst zu verbreiten, was zu gesteigerter Unzufriedenheit und Neid auf Seiten des Betrachters führen kann, da dieser fälschlicherweise davon ausgeht, die andere Person hätte weniger Probleme zu bewältigen, sei erfolgreicher und hätte insgesamt ein besseres Leben als man selbst (Schmidt & Taddicken, 2021, S.66).
Zusammenfassend lässt sich also feststellen, das sich Online- und Offline-Identitäten in den meisten Fällen gegenseitig ergänzen können und jeweils spezifische Chancen, aber auch Risiken bieten (Schmidt & Taddicken, 2021, S.61), welche im folgenden Kapitel näher erläutert werden. Die Online- und Offline-Identitäten sind trotz vorhandener Unterschiede kaum klar voneinander trennbar (Reinemann et al., 2019, S.33) . Auch im Hinblick auf die Erforschung von Radikalisierungsprozessen im Internet muss dies beachtet werden, da Fälle in denen sich Personen ausschließlich online radikalisiert haben, kaum bekannt sind (Reinemann et al., 2019, S.33).
4 Chancen und extremistische Gefahrenquellen in Sozialen Medien
Wie bereits festgestellt, bieten Soziale Medien Jugendlichen sehr viele Chancen, beinhalten aber auch viele Risiken. Doch können die Chancen die extremistischen Gefahrenquellen des Internets wieder aufwiegen? Auf diese Frage wird im Folgenden versucht eine Antwort zu finden.
Einer der größten Vorteile der Sozialen Medien sind Ihre unglaublich vielen Facetten. Stimmen, die in der Offline-Welt bisher ungehört waren, sind im Internet auffindbar und bieten so auch bisher isolierten Interessensgruppen die Möglichkeit sich zu vernetzen (Eisenegger, Udris & Ettinger, 2019, S.58). Dadurch kann der Nutzer viel mehr neue Denkanstöße gewonnen werden, als dies in der echten Welt der Fall möglich wäre. Diese Denkanstöße können aber natürlich sowohl nützlich, als auch gefährlich sein.
Speziell Kindern und Jugendlichen bieten die digitalen Welten die Möglichkeit, bisher verdeckt gehaltene Identitätsfacetten relativ gefahrlos auszuprobieren und neu zu entdecken, da die emotionalen Reaktionen in einer Online-Umgebung meistens deutlich geringer sind als im direkten Face-to-Face-Kontakt (Schmidt & Taddicken, 2021, S.74). Manchen bietet diese große Freiheit in der Identitätsentfaltung möglicherweise auch bisher ungeahnte Ziele für die Zukunft, also "man erschafft sich einen Schuh, in den man noch reinwächst“ (Spiegel, 2014).
Andererseits sind Soziale Medien auch dafür bekannt, dass die Inhalte mittels Algorithmus gefiltert werden, sodass nur die Inhalte angezeigt werden, die von Interesse für die Nutzer sind oder für die speziell bezahlt wurde und der User somit schnell in einer Art Filterblase feststecken kann (Eisenegger et al., 2019, S.61–62). Die Filterung kann dazu führen, dass nach und nach immer krassere und extremere Inhalte angezeigt werden, bis hin zu Fake News und Verschwörungstheorien (Kasraeian Moghaddam, Shirin [BLZ]) und dies nutzen Extremisten auf viele verschiedene Arten zu ihrem Vorteil.
Eine bekannte Methode von Extremisten ist das Schüren von Hass und Angst. Sie missbrauchen bestimmte Themen oder Namen von Prominenten um diese z.B. bei ihren eigenen extremistischen Inhalten zu verlinken, sodass jeder der nach diesem Thema oder Namen sucht, Gefahr läuft stattdessen auf extremistische Inhalte zu stoßen (BLZ). Ein anderes gerne genutztes Mittel sind zahlreiche Fake-Accounts oder Social Bots mit denen täglich in den Kommentarspalten auf unterschiedlichen Plattformen Hassbotschaften verbreitet werden, dabei soll die bloße Anzahl der Kommentare die Szene größer wirken lassen, als sie tatsächlich ist (Kasraeian Moghaddam, Shirin [BLZ]).
Aber nicht immer ist der Einfluss von Extremisten von Anfang an so eindeutig. Einige von ihnen präsentieren sich um Gehör zu finden zunächst als Wohltäter oder Naturschützer, rufen beispielsweise zu Spenden auf, um den Beteiligten im Anschluss beispielsweise islamistische oder rechtsradikale Botschaften zu predigen (Kasraeian Moghaddam, Shirin [BLZ]).
Andere verbreiten gezielt Falschinformationen, dieses Mittel findet vor allem bei politischen Extremisten Verwendung. Desinformationen sorgen schnell für eine Verunsicherung über konkrete Sachverhalte und schädigen das Vertrauen in die betroffene Institution oder Person, sodass der Schritt zur generellen Ablehnung nicht mehr weit ist (Eisenegger et al., 2019, S.60–61).
Insbesondere Jugendliche sprechen Extremisten aber auch gerne mittels Musik an. Sie verpacken ihre Botschaften mal mehr, mal weniger auffällig in Liedern (Kasraeian Moghaddam, Shirin [BLZ]), die sich vor allem unter Jugendlichen sehr schnell verbreiten, da diese Videoplattformen wie YouTube sehr intensiv nutzen (Reinemann et al., 2019, S.1). Diese Vermischung von Bausteinen der Jugendkultur und extremistischen Inhalten findet aber nicht nur mit Musik, sondern auch in vielen anderen Bereichen der Jugendkultur Anwendung, um die Attraktivität für Jugendliche noch weiter zu steigern und das Erkennen solcher problematischen Inhalte noch mehr zu erschweren (Reinemann et al., 2019, S.2)
Insgesamt bergen Soziale Medien also viele verschiedene Gefahrenquellen. Da festgestellt wurde, dass im speziellen Jugendliche im Fokus der Extremisten stehen, stellt sich immer wieder die Frage, inwieweit die Bemühungen der Extremisten, ihre Inhalte zu verbreiten, bei den Jugendlichen Gehör finden und Einfluss auf deren Identitätsbildung nehmen. Hierzu wurde erst kürzlich eine Studie durchgeführt, die im folgenden Kapitel näher erläutert wird.
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- Quote paper
- Anonymous,, 2021, Extremismus in den Sozialen Medien. Einfluss auf die Identitätsbildung von Kindern und Jugendlichen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1193396
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