Obwohl geographisch unterschiedlich begünstigt, wird in den Staaten Österreich und Polen Skisport als Form des Bergsports ausgeübt. Die Rechtsysteme beider Staaten sind trotz ihrer unterschiedlichen Geschichte ähnlich. In beiden Staaten passieren jeden Winter zahlreiche Unfälle, die zu unterschiedlichsten gesellschaftlichen Problemen führen und jede Saison in den Medien umfangreich diskutiert werden. Die Unfälle sind nicht so alltäglich wie die des Straßenverkehrs und sind jedoch ebenso in der Lage höchstrangige Rechtsgüter zu gefährden. Die betroffenen Interessen bergen ein erhebliches Konfliktpotential. Auf den ersten Blick scheinen die diskutierten Fragestellungen unterschiedslos zu sein. Die betroffenen Interessengruppen sind äußerst ähnlich. Schigebietsbetreiber treffen auf Snowboarder und Skifahrer, Naturschützer, Ängstliche und Risikofreudigere, etc. Unfälle entstehen nicht nur durch technische Gebrechen, sondern häufig durch fehlerhaftes und somit oft rechtswidriges Verhalten von Personen. Zu untersuchen werden daher die möglicherweise unterschiedlichen Verhaltensregeln sein. Diese Regeln könnten unterschiedliche Rechtsqualität haben und unterschiedlich präventiv wirken. Im Schadensfall erleiden die Opfer in beiden Ländern ähnliche Verletzungen. Es gibt in beiden Ländern ähnliche Unfälle, vergleichbare Verletzungen und den Willen der Geschädigten den Schaden ersetzt zu bekommen. Sowohl in Österreich als auch in Polen beschäftigt sich man mit den Fragen, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Ersatz des erlittenen Schadens möglich ist. Wer hat den Schaden schlussendlich zu tragen? Welche Schäden sind ersatzfähig?
Der Skisport hat auch in Polen eine lange Tradition und ist heutzutage genauso wie in Österreich ein Massensport. Diese Tendenz der Popularisierung und Kommerzialisierung des Skifahrens wird immer markanter.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemaufriss
1.1.1 Gemeinsamkeiten in Bezug auf den Skisport in Österreich und in Polen
1.1.2 Unterschiede
1.1.3 Ziel der Arbeit
1.2 Der Snowboarder
1.2.1 Besonderheiten betreffend Snowboarder
1.2.2 Spezielle Regeln für Snowboarder
1.3 Das Skirecht als besonderes Rechtsgebiet
1.4 Ausnahmen zur Sichtweise des Skifahrens als Parallelsportart
1.5 Der Unfall auf der Skipiste
1.5.1 Selbstunfall
1.5.2 Sturzkollision
1.5.3 Kollisionsunfall
1.6 Der Unfall im Zusammenhang mit Aufstiegshilfen
2 Die Haftung des Pistenbenützers infolge eines Skiunfalls
2.1 FIS-Regeln als Verhaltensregeln im Skisport
2.1.1 Die (nicht)rechtliche Qualität der FIS-Regeln
2.1.2 Sind die FIS-Regeln (doch) Rechtsnormen?
2.1.3 Sind die Pistenregeln Gewohnheitsrecht?
2.1.4 Vergleich mit der Straßenverkehrsordnung
2.1.4.1 Die Strasse und die Piste
2.1.4.2 Das italienische Gesetz
2.1.5 Rechtsprechung
2.1.5.1 OGH 15.12.2005, 6 Ob 270/05g
2.1.5.2 OGH 22.11.2005, 1 Ob 219/05w
2.2 Vertragsrecht
2.3 Deliktsrecht
2.3.1 Systematische Unterschiede
2.3.2 Die allgemeinen Haftungsvoraussetzungen in Österreich und in Polen
2.3.3 Die Gehilfenhaftung
2.3.4 Mitverantwortung
2.3.5 Die Beweislast
2.3.5.1 Die Grundregel
2.3.5.2 Die Beweiserleichterung
2.3.6 Körperverletzung und das Schmerzensgeld in Österreich und in Polen
3 Die Haftung des Pistenbetreibers infolge eines Skiunfalls
3.1 Deliktsrecht
3.1.1 Rechtsgrundlagen der Sicherungspflicht
3.1.1.1 Allgemeine Verkehrssicherungspflichten
3.1.1.2 Wegehalterhaftung
3.2 Vertragsrecht
3.2.1.1 Die Haftung des Pistenbetreibers aus dem Beförderungsvertrag
3.2.1.2 Culpa in contrahendo
3.2.1.3 Pistenregelverstoß als Vertragsverletzung
3.2.1.4 Eigenverantwortlichkeit und Mitverschulden des Pistenbenützers
3.2.1.5 Die Beweislast
3.2.2 Inhalt und Umfang der Sicherungspflicht
3.2.2.1 Der Organisierte Skiraum
3.2.2.2 Der freie Skiraum
3.2.2.3 Sonderfall: gesperrte Pisten
3.2.2.4 Wichtige Pistensicherungspflichten
3.2.3 Die Praxis
3.2.3.1 OGH 23.10.2003, 6 Ob 240/03t
3.2.3.2 OGH 28.4.2000, 1 Ob 75/00m
3.3 Vergleich des österreichischen und des polnischen Vertragsrechts
3.3.1 Die Haftung ex contractu in Österreich
3.3.1.1 Erfüllungsgehilfenhaftung nach § 1313a ABGB
3.3.1.2 Beweislastumkehr nach § 1298 ABGB
3.3.2 Die Haftung ex contractu in Polen: Odpowiedzialność dłużnika za niewykonanie lub nienależyte wykonanie zobowiązania, Art 471 KC
3.3.2.1 Allgemeines
3.3.2.2 Besondere Unterschiede zwischen dem polnischen Recht und dem österreichischen Recht
3.3.2.3 Die rechtliche Behandlung der Pistensicherungspflichten
3.3.2.4 Ist die vertragliche Haftungsgrundlage in Polen für den Geschädigten grundsätzlich „günstiger“ als die deliktische?
3.3.2.5 Wäre die polnische Haftung ex contractu günstiger als die deliktische im Falle einer Körperverletzung?
3.3.2.6 Der Verschuldensbegriff
3.3.3 Strittige Lösungsvorschläge
4 Die Besonderheiten der Haftung von Aufstiegshilfenbetreibern (Liftunfälle)
4.1 Vertragsrecht
4.1.1 Verschuldenshaftung des Liftbetreibers
4.2 Deliktsrecht
4.2.1 Gefährdungshaftung des Liftbetreibers
4.2.1.1 In Österreich
4.2.1.2 Entscheidungen
4.2.1.7 In Polen
5 Resümee
5.1 Das weitgehende Fehlen des Skirechts in Polen
5.2 Der Bedarf nach Sonderlösungen statt Analogien
5.3 Wichtige rechtliche Unterschiede
5.4 Die künftige Bedeutung der Rechtsvergleichung
6 Bibliographie
6.1 Literatur
6.2 Judikatur
7 Anhang: Verhaltensregeln für Skifahrer und Snowboarder, FIS-Regeln (Fassung 2002)
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Wichtige Fachbegriffe des Schneesports
Alpinboard: „Hartes Snowboard“, das für Rennen und hohe Geschwindigkeiten ausgelegt ist, ausgestattet mit einer harten Plattenbindung.
Backside: Die dem Rücken zugewandte Seite des Snowboards.
Boardercross: Snowboardrennen über Hindernisparcours, bei dem mehrere Teilnehmer gleichzeitig gegeneinander fahren.
Falllinie: Gedachte direkte Linie vom Berg ins Tal.
Freerider: Schneesportler, der außerhalb der Piste ins Tal fährt.
Frontside: Die dem Gesicht zugewandte Seite des Snowboards.
Halfpipe (oder pipe): Halbe Röhre aus Schnee, in der Tricks und Sprünge gefahren werden.
Skicross: Skirennen über Hindernisparcours, bei dem mehrere Teilnehmer gleichzeitig gegeneinander fahren.
Snowpark = eine künstlich angefertigte Anlage mit Schanzen, pipes usw für Snowboarder und Skifahrer
Step-In: Snowboardbindung, die sich automatisch beim Einsteigen schließt, ähnlich einer Skibindung, flach.
1 Einleitung
1.1 Problemaufriss
1.1.1 Gemeinsamkeiten in Bezug auf den Skisport in Österreich und in Polen
Obwohl geographisch unterschiedlich begünstigt, wird in den Staaten Österreich und Polen Skisport als Form des Bergsports ausgeübt. Die Rechtsysteme beider Staaten sind trotz ihrer unterschiedlichen Geschichte ähnlich. In beiden Staaten passieren jeden Winter zahlreiche Unfälle, die zu unterschiedlichsten gesellschaftlichen Problemen führen und jede Saison in den Medien umfangreich diskutiert werden. Die Unfälle sind nicht so alltäglich wie die des Straßenverkehrs und sind jedoch ebenso in der Lage höchstrangige Rechtsgüter zu gefährden. Die betroffenen Interessen bergen ein erhebliches Konfliktpotential. Auf den ersten Blick scheinen die diskutierten Fragestellungen unterschiedslos zu sein. Die betroffenen Interessengruppen sind äußerst ähnlich. Schigebietsbetreiber treffen auf Snowboarder und Skifahrer, Naturschützer, Ängstliche und Risikofreudigere, etc. Unfälle entstehen nicht nur durch technische Gebrechen, sondern häufig durch fehlerhaftes und somit oft rechtswidriges Verhalten von Personen. Zu untersuchen werden daher die möglicherweise unterschiedlichen Verhaltensregeln sein. Diese Regeln könnten unterschiedliche Rechtsqualität haben und unterschiedlich präventiv wirken. Im Schadensfall erleiden die Opfer in beiden Ländern ähnliche Verletzungen. Es gibt in beiden Ländern ähnliche Unfälle, vergleichbare Verletzungen und den Willen der Geschädigten den Schaden ersetzt zu bekommen. Sowohl in Österreich als auch in Polen beschäftigt sich man mit den Fragen, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Ersatz des erlittenen Schadens möglich ist. Wer hat den Schaden schlussendlich zu tragen? Welche Schäden sind ersatzfähig?
Der Skisport hat auch in Polen eine lange Tradition und ist heutzutage genauso wie in Österreich ein Massensport. Diese Tendenz der Popularisierung und Kommerzialisierung des Skifahrens wird immer markanter.
1.1.2 Unterschiede
Die polnischen Berge sind infolge der wenigen und relativ schmalen Pisten im Verhältnis zu der Anzahl der Skifahrer oft durch den Massensport überlastet. Nicht nur an Feiertagen überfallen die skibegeisterten Polen die zum Grossteil kleinen Skigebiete, was zu unkomfortablen und vor allem gefährlichen Situationen auf den Pisten führt. Hier kann man einen wesentlichen Unterschied zu den österreichischen Pisten feststellen, die meist breit, lang, gut präpariert und weniger überlastet sind. Die sich häufenden Unfälle in Polen führen zu heftigen Debatten in den Politik- und Rechtskreisen und weisen darauf hin, wie dringend eine Lösung benötigt wird. Es werden nicht nur technische Lösungen gewünscht, sondern auch rechtliche. Im Vordergrund der rechtlichen Diskussionen steht derzeit die zu schwache Position des Skiunfallbeschädigten, dessen Erfolgsaussichten auf eine Entschädigung nur gering sind.
In Österreich scheint die Situation nicht so dramatisch zu sein, obwohl selbstverständlich Unfälle passieren, auch dort ein Teil der Schädiger nicht selten flüchtet und die Opfer folglich ohne Entschädigung bleiben. In Österreich gibt es in absoluten Zahlen selbstverständlich mehr Skiunfälle als in Polen, deshalb hat sich hier die Rechsprechung weiter entwickelt. Es wird judiziert, geschrieben, diskutiert. Die Unfallstellen werden mit Hilfe der Sachverständigen professionell rekonstruiert.[1] Der österreichische OGH hat schon vor Jahrzehnten die Leitsätze zu gewissen schadenersatzrelevanten skirechtlichen Problemen klar entwickelt und setzt diese Praxis laufend fort.
Viele Rechtsansichten zu Schadenersatzrechtsproblemen nach einem Skiunfall, die in Österreich Kulturgut geworden sind, sind in Polen noch eine rechtliche tabula rasa. Im Ergebnis ist in Polen der schadenersatzrechtliche Schutz der Skiunfallgeschädigten möglicherweise mangelhaft. In Polen werden oft radikale Antworten auf Missstände in Diskussion gebracht, wie etwa polizeiliche Überwachung der Skipisten und verwaltungsrechtliche Bestrafung der die Pistenregel verletzenden Pistenverkehrsteilnehmer.[2]
1.1.3 Ziel der Arbeit
Ein wesentliches Ziel dieser Arbeit ist die Darstellung der schadenersatzrechtlichen Problematik des Skirechts in Österreich und in Polen an Hand einer rechtsvergleichenden Untersuchung. Am Beispiel von Unfällen auf den Skipisten und im Zusammenhang mit Aufstiegshilfen sollen die für das Fachgebiet des Skirechts und für den Skisport relevanten schadenersatzrechtlichen Gemeinsamkeiten und Unterschiede des österreichischen und polnischen Rechts aufgezeigt werden.
Fragen die beantwortet werden sollen sind beispielsweise folgende: Warum greift man in Polen zu repressiven Maßnahmen (wie zB Geldstrafen) und versucht nicht, so wie es in Österreich geschieht, mehr Wert auf die Aufklärung und Förderung der Eigenverantwortlichkeit (die zB durch die Literatur stark gefördert wird) zu legen? Und warum existiert in Polen kein ähnlich ausgebildetes Skirecht wie in den Alpenländern? Man könnte meinen, dass sich die polnischen Gerichte oder Politiker etwa nicht intensiv genug mit der Problematik des Wintersports beschäftigen, Polen keine klassische Skisportnation ist und dass man der Materie zu wenig Aufmerksamkeit schenkt. Ein anderes Ergebnis dieser Arbeit könnte sein, das zwischen den beiden untersuchten Staaten derartig bedeutsame rechtliche Unterschiede bestehen, dass etwa eine Übertragung der österreichischen skirechtsrelevanten Lösungen auf das polnische Recht ohne Systemwidrigkeiten unmöglich wäre?
In dieser Arbeit soll die rechtliche Situation eines im Skiunfall Geschädigten in Österreich und in Polen verglichen werden. In Österreich befindet sich der Geschädigte (außer bei einem Selbstunfall oder in der Kollision ausschließlich aus eigenem Verschulden) theoretisch nur dann in einer Lage, in der er keine Chancen auf Schadenersatz hat, wenn er einen Schaden infolge einer Kollision erleidet, der Schädiger flüchtet und nicht ausfindig gemacht werden kann. In anderen Fällen ist es zumindest materiellrechtlich bei Vorliegen der schadenersatzrechtlichen Anspruchsvoraussetzungen möglich, eine Entschädigung zu erlangen. In Anspruch zu nehmen sind wahrscheinlich entweder der rechtswidrig und schuldhaft handelnde andere Pistenbenützer als Kollisionsgegner, der Liftbetreiber (auf Grund der Gefährdungshaftung) oder der Pistenhalter wegen schuldhafter Verletzung seiner Pistensicherungspflichten (insbesondere wegen der Verletzung des Beförderungsvertrages).
Aus Gründen der einfacheren Lesbarkeit verzichte ich auf jeweilige geschlechtsspezifische Formulierungen wie Skifahrer/Skifahrerin und Snowboarder/Snowboarderin.
1.2 Der Snowboarder
Skifahrer und Snowboarder werden in dieser Arbeit grundsätzlich gleich behandelt, da sich zwischen den zwei Sportarten für die meisten hier zu besprechenden Probleme keine relevanten Unterschiede ergeben, bedürfen die Snowboarder keiner anderen rechtlichen Behandlung. Der Begriff Skifahrer bezieht sich auf beide Sportler: den Skifahrer und den Snowboarder.
1.2.1 Besonderheiten betreffend Snowboarder
Entgegen den oft vertretenen Behauptungen ist die Gefährlichkeit der Snowboarder für die anderen Pistenbenützer nicht größer als die der Skifahrer, so Gschöpf.[3] ME ergibt sich die unbegründete Angst der Snowboardlaien vor den Snowboardern unter anderem aus der akustischen und visuellen Wahrnehmung des fahrenden bzw. rutschenden Snowboarders. Das auf dem Schnee oder dem Eis rutschende Snowboard (die meisten ungeübten Snowboarder fahren nicht auf der Kante, sondern rutschen) macht Geräusche, die viele Skifahrer in Furcht versetzen. Außerdem kann ein Snowboardanfänger nicht wirklich sehr schnell fahren (so wie ein Skianfänger). Das Fahren in der Falllinie (das viel schwieriger als beim Skifahren ist) oder auf der Kante ist nur für die besseren Snowboarder tunlich. Die geübten Snowboarder haben die gleichen Manövriermöglichkeiten wie die geübten Skifahrer. Gschöpf[4] erwägt die angeblich erhöhte Verletzungsgefahr durch Snowboarder aufgrund des größeren Gewichts des Snowboards im Vergleich zum Ski. Zu dem Argument muss man sagen, dass die Snowboards heutzutage im Durchschnitt nicht schwerer als die Ski sind, die wegen den Bindungen sogar schwerer geworden sind.
1.2.2 Spezielle Regeln für Snowboarder
Die unter Punkt 4 besprochenen FIS Regeln gelten seit 2002 auch für Snowboarder. Es gibt auch vom VSÖ (Verband der Snowboardschulen Österreichs) spezielle Regeln für Snowboarder. Eine der wichtigsten Regeln, die eine Besonderheit des Snowboardfahrens berücksichtigt, lautet: „Beachte den toten Winkel auf der Backside“. Das bedeutet, dass einem auf der Backsidekante (Fersenkante) fahrenden Snowboarder eine besondere Aufmerksamkeitspflicht obliegt. In diesem Stadium ist sein Blickfeld beschränkt und er muss durch besondere Aufmerksamkeit dieses Defizit ausgleichen. Der Verstoß gegen die Regel führt in der Praxis oft zu Kollisionen mit den anderen Pistenbenützern.
Typisch für die Snowboarder ist auch das Sitzen auf der Piste. Wer beim Snowboardfahren eine Pause macht, um sich auszuruhen, setzt sich meistens, da das Stehen auf dem Brett nicht einfach und belastend für die Beinmuskulatur ist. Natürlich dürfen die Snowboarder genauso wie die Skifahrer nur an gefahrlosen Stellen anhalten (so dass man sie von oben sehen kann, zB nicht in einer Mulde usw). Der Unterschied zu den Skifahrern ist, dass ein sitzender Mensch kleiner als ein stehender ist und dadurch schlechter zu sehen ist. Ferner sollte der Snowboarder nicht mit dem Rücken zum Hang sitzen. Daher muss sich der Snowboarder in diesen Fällen auch mehr als ein Skifahrer um die Sicherheit auf der Piste „bemühen“. Ein abgeschnalltes Snowboardbrett, das wegrutscht, hält von selber nicht an wie ein Ski und kann eine sehr große Gefahr darstellen. Das Brett ist immer auf die Bindung zu legen und nicht auf den Belag. Leider genügt das bei den Alpinboards und Boards mit Step-In Bindungen nicht (flache, rutschige Bindung), bei diesen braucht man noch einen Fangriemen.
Sowohl in Österreich als auch in Polen erwägt man die Einführung getrennter Skipisten für Snowboarder und Skifahrer. Zum Teil inspiriert werden derartige Ideen durch die Einführung einer ähnlichen Regelung in Italien. In Polen findet diese Maßnahme viele Anhänger (Żukowski).[5] ME ist das Trennen von Pisten jedoch komplett fehl am Platz. So auch Gschöpf: „Aufgrund der statistischen Daten, wonach eine Erhöhung der Unfallszahlen im Gefolge der Einführung von Snowboards und Carvingschiern weder sachlich begründbar noch praktisch durchführbar ist, wurde die Schaffung derartiger Sonderpisten zu Recht abgelehnt“. Undurchführbar wäre das Konzept vor allem aus technischen Gründen (die Breite der Piste würde in vielen Fällen für deren Teilung nicht genügen) aber auch aus sozialen Gründen (Trennung der Familienmitglieder oder Freunden, die unterschiedliche Sportgeräte verwenden). Stiffler[6] nennt zwei wichtige Gründe, die das Konzept der getrennten Pisten als verfehlt bezeichnen: Zu Recht weist er auf die oft engen Pisten, die nach der Trennung verkleinert werden müssten. Besonders drastisch würde sich das in Polen auswirken, wo die Pistenflächen viel kleiner als in den Alpen sind. Das würde zu einer gefährlichen Einschränkung der Bewegungsfreiheit der Sportler führen. Außerdem löst sich durch diese Maßnahme das Problem der eingeschränkten Sicht bei Backsideturns nicht.
In Fun-Parks und Halfpipes gelten die FIS Regeln. Darüber hinaus gelten die „Parkrules“ herausgegeben vom Snowboard Austria Freestyle Team, die sowohl das Springen auf der Piste als auch das Fahren in der Halfpipe regeln.[7]
1.3 Das Skirecht als besonderes Rechtsgebiet
„Die Verantwortlichkeit für Skiunfälle ist Gegenstand des Skirechts.“[8] „ Skirecht ist ein Sammelbegriff für all jene rechtlichen Bestimmungen, welche das Skifahren und die Schaffung und Herrichtung dafür bestimmter Anlagen und Geräte betreffen.“[9] Es befasst sich mit verschiedenen zivil-, straf- und verwaltungsrechtlichen Regelungen, die den Skisport betreffen. Das Skirecht leistet einen erheblichen Beitrag für die Unfallprävention. Durch seine ständige Entwicklung werden unter anderem Sicherheitsstandards für den Skisport entwickelt. Demzufolge hat es einen positiven Einfluss auf die Verminderung der Unfallzahlen.[10]
1.4 Ausnahmen zur Sichtweise des Skifahrens als Parallelsportart
Gschöpf[11] teilt die Sportarten in Bezug auf die schadenersatzrechtlichen Konsequenzen auf in: Kampfsportarten (Sportarten gegeneinander) und Parallelsportarten (Sportarten nebeneinander). Er unterscheidet dann zwei Gruppen von Kampfsportarten: Erstens solche, bei denen die direkte Gewaltanwendung gegenüber dem Gegner das Mittel zur Zielerreichung ist, wie Boxen oder Judo. Zweitens, eine Untergruppe der Kampfsportarten, bei denen der Körperkontakt zwar erlaubt ist und häufig vorkommt, aber nur eine Nebenerscheinung und nicht der Zweck ist.[12] ZB das Skifahren wird nach der einheitlichen Meinung den Parallelsportarten zugeteilt. In diesen Sportarten erbringt jeder seine Leistung unabhängig von anderen und will losgelöst vom Gegner ein bestimmtes Ziel erreichen. In Parallelsportarten ist jeder körperlicher Kontakt mit den anderen Sportlern zu vermeiden. Bei dieser Definition wurden jedoch gewisse Typen vom Ski- oder Snowboard-Wettkampf nicht berücksichtigt. Ich denke hier zum Beispiel an Skicross und Boardercross, bei denen es zweifellos zum körperlichen Kontakt, fast zum Kampf zwischen den Sportlern kommt. Der Autor fügt weiters hinzu, dass man die Parallelsportarten nach dem Kriterium der Abstufung des Risikos, durch Mitsportler verletzt zu werden, einteilt. Es gibt gewisse Parallelsportarten, bei denen das Risiko größer ist. Diese werden gefahrträchtige Parallelsportarten genannt. Aus dem Skibereich könnte man wieder Skicross oder Boardercross mit dem größten Verletzungsrisiko nennen. Beim Skifahren auf der öffentlichen Skipiste ist das Verletzungsrisiko deutlich geringer und auch bei einem eventuellen Torlaufrennen (keine Parallelsportart), bei dem es nur um einen Wettlauf mit der Zeit geht, verletzt man sich meist nur selbst.
1.5 Der Unfall auf der Skipiste
„Ski- oder Snowboardunfall nennt man die plötzliche, nicht beabsichtigte schädigende Einwirkung eines ungewöhnlichen äußeren Faktors auf den menschlichen Körper beim Skifahren oder Snowboarden“.[13] In Österreich passieren jährlich zirka 69 000 Skiunfälle.[14]
1.5.1 Selbstunfall
Wie verletzen sich die meisten Pistenbenützer? 83,2 %[15], also die Mehrheit der Verletzungen passiert durch Skistürze infolge mangelnder Fähigkeiten (schlechtes technisches Können), unkontrollierten Fahrens (Trunkenheit, unter Drogeneinfluss, Nichtanpassen der Geschwindigkeit an das Können, das Gelände, die Schneeverhältnisse, die Sicht) oder unerwarteter Zwischenfälle (Verkanten, Ausrutschen, Steine, andere Hindernisse, Fehlauslösung der Bindung usw).
Die Selbstunfälle werden ohne Beteiligung anderer verursacht, dh. die Ursache liegt allein im Verhalten des Skifahrers selbst[16]. Sie passieren ohne Einwirkung anderer, meistens aus eigener Unvorsichtigkeit oder wegen mangelndem Können und bilden die Mehrzahl der Unfälle auf den Pisten. Für diese Unfälle kann niemand außer dem Geschädigten selbst verantwortlich gemacht werden. Sie passieren durch eigenes Verschulden oder Zufall. Nach dem Prinzip casum sentit dominus trifft in Österreich der Zufall denjenigen, in dessen Sphäre er sich ereignet.[17] Demzufolge kann ein Snowboarder, der auf einer eisigen Oberfläche ausrutscht, stürzt und sich die Hand bricht, von niemandem Schadenersatz verlangen.
1.5.2 Sturzkollision
Es kommt auch oft vor, dass der Skifahrer nach dem Sturz unkontrolliert weiter rutscht und mit einem anderen Pistenbenützer kollidiert.[18] Stürze, die auf einem fahrtechnischen Fehlverhalten beruhen oder wegen eines unvermeidbaren Hindernisses passieren, sind auf Grund der Natur dieser Sportart nicht ungewöhnlich und stellen an sich kein rechtlich vorwerfbares Fehlverhalten dar.[19] Solche Stürze sind in Kauf zu nehmen.
Dagegen setzt jemand, der beispielsweise wegen der Verletzung der Verkehrsregeln oder der Verletzung der allgemeinen Sorgfaltspflichten (wie im Falle des Fahrens unter Drogen- oder Alkoholeinfluss) einen Unfall verursacht, ein rechtlich vorwerfbares Verhalten. Ein Skifahrer raucht zB Marihuana, fährt schnell und unkontrolliert, stürzt, rutscht und prallt gegen ein Kind. Nicht die Tatsache des Sturzes, sondern ein dem Sturz vorangehendes Fehlverhalten des Schädigers (wie die Drogeneinnahme während des Skifahrens auf der Piste) begründet eventuell den Schuldvorwurf. Das vorwerfbare Verhaltensunrecht liegt nicht im Sturz, sondern in einem dem Sturz vorangehenden Verhalten des stürzenden Skifahrers.[20]
1.5.3 Kollisionsunfall
Der Anteil der infolge einer Kollision verletzten Skifahrer ist nicht hoch, es beträgt lediglich 11% aller Skiverletzungen.[21] Die Zusammenstöße bilden die Minderheit aller Unfälle auf den Pisten. Die Kollisionsunfälle können juristisch komplexe Probleme berühren. Ein Kollisionsteilnehmer, der dem anderen einen Schaden schuldhaft zufügt ist, sowohl nach dem österreichischen als auch nach dem polnischen Recht, rechtlich verpflichtet, dem Geschädigten eine Entschädigung zu leisten. Wenn ein Mitverschulden seitens des Geschädigten vorliegt, wird der Umfang des Schadens anteilsmäßig zum Nachteil des Geschädigten gemindert.
Aus juristischer, sowohl österreichischer als auch polnischen, Sicht sind der Kollisionsunfall und der mit ihm rechtlich gleichgestellte Quasi-Kollisionsunfall bemerkenswerter als der Selbstunfall. In der Praxis werden in Folge derartiger Ereignisse die meisten zivilrechtlichen Ansprüche erhoben.
„Ein Kollisionsunfall ist ein Skiunfall durch Zusammenstöße zweier oder mehrerer Skifahrer, Skifahrer mit Fußgängern oder Tieren, dann aber auch mit Fahrzeugen, Bäumen, Skiliftmasten oder Kunstbauten wie Absperrungen, Brücken, Unterführungen.“[22] „Ein Quasi-Kollisionsunfall ereignet sich dann, wenn ein Pistenbenutzer durch ein Fehlverhalten eines anderen zu einem Verhalten veranlasst wird bei dem er sich selbst verletzt.“[23] Sowohl in Österreich als auch grundsätzlich in Polen sind diese Unfälle und die aus ihnen entspringenden Konsequenzen nach den jeweiligen nationalen bürgerlich-rechtlichen Haftungsregeln zu beurteilen.[24]
Für die rechtliche Behandlung von Kollisionsunfällen ist die deliktische Haftung von Relevanz, weil die zwei zusammenstoßenden Skifahrer meistens in keiner vertraglichen Beziehung zueinander stehen.
1.6 Der Unfall im Zusammenhang mit Aufstiegshilfen
Wenn sich eine Gefahr, die durch den Betrieb von Aufstiegshilfen begünstigt wird, verwirklicht, kann man von einem Liftunfall sprechen. Häufig wurden und werden dabei Schleppliftunfälle behandelt. Dabei gehen die Gefahren vom Zustand der Liftspur und den losgelassenen Bügeln aus. Bei sämtlichen Lifttypen bilden die Ein- und Ausstiegszonen besondere Gefahrenquellen. Zahlreiche neuartige Gondel, oder Sessellifte weisen laufende An- und Abkupplungsvorgänge beim Betrieb auf. Diese ermöglichen zwar ein sichereres Ein- und Aussteigen, jedoch bergen die Kupplungsvorgänge zahlreiche Risiken. Liftunfälle bilden nur einen sehr geringen Anteil an Skiverletzungen.[25]
2 Die Haftung des Pistenbenützers infolge eines Skiunfalls
2.1 FIS-Regeln als Verhaltensregeln im Skisport
Die bedeutsamsten internationalen Verhaltensregeln für die Skifahrer und Snowboarder sind die FIS-Regeln. Sie wurden im Jahr 1967 von der Federation Internationale de Ski erarbeitet. Im Jahr 2002 wurden sie modifiziert und auf die Snowboarder ausgedehnt. Sie gelten international. Darüber hinaus bestehen in Österreich die POE-Regeln, die 1970 vom Kuratorium für Sicherung von Berggefahren erfasst wurden. In Polen besteht auch der nationale Regelkatalog Kodeks narciarski von Prof. Lenkiewicz und dr Rozmarynowicz aus dem Jahr 1972[26].
2.1.1 Die (nicht)rechtliche Qualität der FIS-Regeln
Die FIS Regeln werden in den beiden Ländern anerkannt und als Verhaltensmaßstab für die Pistenbenützer verwendet. Nach der herrschender österreichischen Meinung sind die FIS-Regeln keine gültigen Rechtsnormen, vor allem weil sie nicht vom kompetenten staatlichen Gesetzgeber gesetzt wurden.[27] Atypisch ist die Regelung im Vorarlberger Sportgesetz, in die die FIS-Regeln zwar nicht aufgenommen werden, es verweist jedoch auf sie.[28] „Die FIS Regeln konkretisieren die allgemeinen von den Pistenbenützern zu erwartenden Sorgfaltspflichten.“[29] „Bei den Regeln handelt es sich um keine Rechtsnormen, sondern um eine Zusammenfassung der Sorgfaltspflichten, die bei der Ausübung des Skisportes im Interesse aller Beteiligten zu beachten sind.“[30] „Diesen Regeln kommt für die Ermittlung der objektiven Sorgfaltswidrigkeit und damit als Beurteilungsmaßstab für fahrlässiges Handeln beim Skifahren eine wesentliche Bedeutung zu.“[31] „Die FIS-Regeln sind heranzuziehen bei der Präzisierung des Sorgfaltsmaßstabs der Pistenbenützer, die sich gegenseitig nicht gefährden oder verletzen sollen.“[32] Sie sind nicht wortwörtlich anzuwenden, sondern auf den Einzelfall zu bestimmen.
2.1.2 Sind die FIS-Regeln (doch) Rechtsnormen?
Die Gemeinde St. Anton am Arlberg hat eine Pistenordnung erlassen in der auf die Einhaltung von den Pistenregeln verwiesen wird. Die Nichtbeachtung dieser Verhaltensgrundsätze wird mit einer Geldstrafe sanktioniert. Durch die Bezugnahme auf die Skiregeln erlangten diese eine – wenn auch begrenzte - Normqualität (Schutznormen). Laut Pichler ist es zweifelhaft, ob die Regelung nicht verfassungswidrig ist. Einerseits deshalb, weil die Nichtbeachtung von Pistenregeln kein für die Gemeinde St. Anton spezifischer, „das örtliche Gemeinschaftsleben störender Missstand“ ist, sondern überall vorkommt; anderseits deshalb, weil diese mit einer Strafsanktion ausgestattete Norm nicht bestimmt und konkretisiert ist.[33]
Der Polnische Gesetzgeber hat sich entschieden, auf die FIS-Regeln in einer Verordnung zu verweisen.[34] Laut der Verordnung sind die Schneesportler auf den Pisten und Trainingsgeländen verpflichtet die FIS-Regeln zu befolgen. Somit erlangen die Regeln eine Rechtsqualität und werden durchsetzbar, was mE keine gute Lösung ist und falls sie durchgesetzt wird, zu Missständen führen kann[35]. So könnte beispielsweise ein Missstand daraus resultieren, dass ein schnell fahrender, ausgezeichneter Skifahrer von der Pistenpolizei zu Unrecht angehalten wird. Diese freiheitsbeschränkende Anhaltung würde unter dem sachwidrigen Vorwurf eines Verstoßes gegen die FIS-Regel 2 vorgenommen. Die Organe sind dabei aber in aller Regel nicht in der Lage, die Fähigkeiten und das skifahrerische Können des Angehaltenen, welches für die Angemessenheit der Geschwindigkeit höchstrelevant ist, zu beurteilen. Die einzige leicht objektivierbare Größe würde die gemessene Geschwindigkeit bilden, die jedoch wie aufgezeigt nicht ausschlaggebend sein kann. Alle anderen Beobachtungen bedürfen eines sehr hohen skitechnischen Ausbildungsstandards, in Österreich etwa mindestens eines Landesskilehrers und in Polen eines „instruktor narciarstwa“. Ein derartiges Niveau ist bei den Organen weder derzeit vorhanden noch eine realistische Erwartung in der Zukunft.
Das polnische Projekt des Bergsportgesetzes[36] enthält außer Regelungen betreffend Enteignung für Schigebiete Vorschläge bezüglich der Regelung des Verhaltens auf den Pisten. Viele Anregungen stützen sich auf der Werk der Lenkiewicz und Rozmarynowicz[37]. In Polen drohen für das Regelwidrige Verhalten Geldstrafen und Strafverfolgung. Polizei ist auf den Pisten meistens anwesend. Jemand, der zu schnell fährt, kann angehalten und bestraft werden. Vorgeschlagen wird auch eine verpflichtende Haftpflichtversicherung für jeden Pistenbenützer und entsprechende Versicherung für Skigebietshalter. Alle Freerider und Skitourgeher müssten LVS Geräte besitzen und Kinder bis 14 Helme. Ob die restriktiven Regelungen den Skifahrern und der Rekreation zugute kommen können ist zu bezweifeln.[38]
2.1.3 Sind die Pistenregeln Gewohnheitsrecht?
Die seit Jahrzehnten in den Alpenländern dauernde Diskussion, ob die FIS-Regeln als Gewohnheitsrecht zu qualifizieren sind, ist nicht beendet. Wären die Regeln in Österreich als Gewohnheitsrecht anerkannt, würden sie auf diese Weise Rechtsqualität erlangen und zur primären Rechtsquelle werden. Die Diskussion ist mehr von theoretischer als praktischer Bedeutung, da die Regeln so oder so durch die Gerichte zur Beurteilung des Verschuldensgrades der Unfallteilnehmer herangezogen werden.[39] Aus theoretischer Sicht wäre die Anerkennung der Regeln als Gewohnheitsrecht von größerer Relevanz. In Polen besteht das Problem nicht, weil hier das Gewohnheitsrecht keine primäre Rechtsquelle ist und die Gerichte dürfen sich auf das Bestehen vom Gewohnheitsrecht nicht berufen.[40]
Im Jahr 1987 haben Pichler/Holzer die Meinung vertreten, dass die Pistenregeln kein Gewohnheitsrecht sind.[41] Auch nach der ständigen österreichischen Rechtsprechung sind die FIS-Regeln kein Gewohnheitsrecht.[42] Im Jahr 1991 stellt sich Pichler[43] die Frage, ob diese Auffassung noch aufrechtzuerhalten oder durch die Entwicklung in den letzten Jahrzehnten schon überholt wäre? Die Voraussetzungen für das Entstehen von Gewohnheitsrecht sind die lange tatsächliche Übung - consuetudo, und die durch die allgemeine Überzeugung erzeugte opinio iuris. Der Inhalt der consuetudo könne notfalls sogar mit Rechtszwang durchgesetzt werden. Nach Pichlers Erachten lägen diese Voraussetzungen für die in der Praxis bedeutsamen Regeln bereits vor: Es gelten seit Jahrzehnten in verschiedenen Ländern verschiedene Pistenverhaltensregeln. Die Regeln wurden in den 60-er Jahren auf natürliche Weise aus den typischen räumlichen Bewegungsabfolgen im Skisport abgeleitet und von rechtsinteressierten Juristen und skisportlichen Organisationen zusammengefasst. Diese Regeln haben sehr ähnliche Inhalte gehabt und wurden durch die Gerichte in ähnlicher Weise angewendet, wie auch die gesetzlichen Regeln. „Bedingt durch den weiteren Zeitablauf, durch die offensichtliche Überzeugung und Übung der betroffenen Verkehrskreise bis in die letzte Zeit sowie die jahrzehntelange gleich gebliebene Rechtsanwendung im In- und Ausland meine ich, dass nun die praktisch bedeutsamsten Verhaltensregeln für Skifahrer bereits verbindliches Gewohnheitsrecht geworden sind“, so Pichler im Jahr 1991, also noch vor der Novellierung des FIS-Regelkataloges im Jahr 2002. Diese Änderung weist darauf hin, wie dynamisch der Entwicklungsprozess des Skisports und die davon abhängigen Verhaltensregeln sind.
Die Debatte über die Qualifikation der FIS-Regeln als Gewohnheitsrecht hat einen internationalen Charakter und ist auch in anderen Ländern als in Österreich und Polen gegenwärtig.[44]
ME sollte man nicht alle FIS-Regeln in ihrer Gesamtheit als Gewohnheitsrecht oder Nicht-Gewohnheitsrecht werten. Sie sollten gesondert betrachtet werden. Beispielsweise geben die Regeln 1 und 9 nur das wieder was schon das gesatzte Recht sagt und es ist nicht mehr sinnvoll und möglich sie als Gewohnheitsrecht zu werten. Weiters würde ich die Regeln 2 bis 7 als Gesamtheit betrachten und ich würde es nicht ausschließen sie als Gewohnheitsrecht zu qualifizieren. Einen Gewohnheitsrechtscharakter hätten sie dann, wenn man unter anderen annehmen würde, dass die meisten Schneesportler diese Regeln kennen und davon überzeugt sind, dass, sie, falls sie sie verletzen, rechtswidrig handeln. Die gleichmäßige Kenntnis der Regel unter den Schneesportlern erschweren die immer wieder durchgeführten Änderungen und unterschiedliche abgekürzte Versionen von denen, die man von den Skigebieten oder auch aus den Skikursen kennt. Nachteil eines Gewohnheitsrechtscharakters wäre die erschwerte Abänderbarkeit, die nur durch den Gesetzgeber vorgenommen werden könnte. Der Schneesport entwickelt sich schnell und ihn betreffende Regelungen sollten flexibel sein. Im Zusammenhang mit der Entwicklung steht die Gefahr, dass die Regeln nicht in jedem Fall richtig sein müssen und man sollte dem Richter einen gewissen Entscheidungsspielraum lassen und die Möglichkeit sie nicht zu berücksichtigen.
2.1.4 Vergleich mit der Straßenverkehrsordnung
Der Vergleich mit der Straßenverkehrsordnung ist bedeutsam für die Beantwortung der Frage, ob es sinnvoll ist die Pistenregeln so zu behandeln bzw. zu modifizieren, dass sie den StVO ähneln. Speziell in Polen wird die Frage erörtert (von Żukowski; Lenkiewicz/Rozmarynowicz) und bejaht. In Italien trat am 6.1.2004 ein neues Gesetz in Kraft, das das Verhalten auf den Pisten regelt. Dieses Gesetz wird zum Gegenstand, meistens kritischer in Österreich und enthusiastischer in Polen, auf jeden Fall, lebhafter Disputen.
2.1.4.1 Die Strasse und die Piste
Sowohl die StVO als auch die Pistenregeln regeln das Verhalten auf bestimmten Fahrflächen. Die Verhaltungsweisen sind jedoch anders. Die Strasse ist schmaler, wird in zwei Richtungen befahren, besteht aus vorgegebenen Fahrbahnen und von allen Benützern wird das Erfüllen von gleichen Voraussetzungen (bestimmter Grad der Fähigkeiten) erwartet. Auf der Piste im Gegensatz dazu herrscht ein „legales Bewegungschaos“. Die Pistenkreuzungen unterscheiden sich von den Straßenkreuzungen. Für das Skifahren charakteristisch sind ständige Fahrrichtungsänderungen, Bewegung auf der ganzen Pistenfläche, Radiusänderungen usw. Im Straßenverkehr sind Vorrang-Nachrangverhältnisse klar geregelt und durch Zeichen kundgemacht. Im Skilauf werden Vorrangsregeln als Rücksichtsnahmegebote umschrieben und durch keine Zeichen sichtbar gemacht. Es wird nur geregelt wer Vorrang und wer Nachrang hat. Beispielsweise wird es geregelt, ob der in die Piste Einfahrende oder der hintere gegenüber dem vorderen Pistenbenützer Nachrang hat.[45] Überholen darf man beim Skifahren nicht nur von links wie auf der Strasse, sondern laut der FIS-Regel 4 von oben oder unten, von rechts oder links, immer in einem sicheren Abstand, so dass man niemanden gefährdet.
2.1.4.2 Das italienische Gesetz
Das italienische Gesetz weist Ähnlichkeiten mit der StVO auf und mit einigen polnischen Projekten. Verhaltenspflichten für die Skifahrer wurden zum Gesetz. Nicht alle FIS-Regeln wurden übernommen. Um die Normen durchzusetzen, musste man logischerweise Sanktionen und Pistenpolizei einsetzen. Das Gesetz übernimmt nur nicht den ganzen FIS-Regelkatalog, einiges bleibt ungeregelt, in manchen Punkten ergeben sich beträchtliche Abweichungen von den FIS-Regeln und der dazu ergangenen Rechtsprechung in den Alpenländern.[46][47] Die Ähnlichkeiten zur StVO demonstrieren sich zum Beispiel in der Regelung über die Kreuzungen, bei denen im Zweifel Rechtsvorrang gilt. Diese Regel wird in Österreich zu Recht abgelehnt.[48] In Österreich ist bei den Pistenkreuzungen im Zweifel von Gleichrangigkeit auszugehen. Das bedeutet dass jeder Pistenbenützer im Bereich der Kreuzung vorsichtiger fahren muss und der Vorrang richtet sich je nach Gelände und unter anderem nach der FIS-Regel 3 (Vorrang des Vorderen). Vorrang- oder Nachrangregeln können gelten, wenn eine deutlich unterschiedliche Verkehrbedeutung der beiden Pisten erkennbar ist, wobei es auch auf das Gelände und nicht auf die Anzahl der Benützer ankommt.[49]
Die gesetzliche Verankerung der Pistenregeln wird zu Recht kritisiert. Hingewiesen wird auf die Weiterentwicklung der FIS-Regeln und die durch die Abweichungen des italienischen Gesetzes von den internationalen Regeln geschaffene Rechtsunsicherheit.[50]
2.1.5 Rechtsprechung
2.1.5.1 OGH 15.12.2005, 6 Ob 270/05g
Diese Entscheidung betrifft die FIS-Regeln Nr 1, 2, 3, 7, 9 und die Konkurrenz zwischen diesen Regeln.
Sachverhalt:
Zwischen der Klägerin und dem Beklagten kam es zu einer Kollision auf einer Skipiste. Der Beklagte hat sich schon im Skiliftbereich gefunden, als er seinen gestürzten Bekanten auf dem Boden liegen sah. Um ihm zu helfen bewegte er sich bergwärts in Richtung Hang in einer Entfernung von etwa 1 m vom Pistenrand. Es kam zu einem Zusammenstoss mit der talwärts abfahrenden Klägerin. Zum Zeitpunkt des Zusammenstosses hatten beide Betroffenen eine uneingeschränkte Sicht auf einander. Im Klagebegehren fordert die Klägerin Schadenersatz und behauptet das Alleinverschulden des Beklagten. Sie behauptet, der Beklagte habe entgegen der FIS-Regel 7 [51] für den Aufstieg nicht den Rand der Abfahrt benutzt und die gehörige Sorgfalt unterlassen.
Der Beklagte beantragt die Abweisung der Klage und behauptet das Alleinverschulden der Klägerin, die unaufmerksam gefahren sei. Sie habe den zu der Unfallstelle entlang der sich dort befindlichen Absperrung aufsteigenden Beklagten nicht beachtet. Sie habe sich auf einem flachen, übersichtlichen Hang bewegt und die Situation beobachten können.
Die Klage wurde durch das Erstgericht abgewiesen. Es wurde von einem Alleinverschulden der Klägerin ausgegangen und ein Verstoß des Beklagten gegen die FIS-Regel 7 wurde ausgeschlossen. „Der Beklagte war laut der FIS-Regel 9 zur Leistung der Hilfe verpflichtet gewesen. Er habe mit seinem diesem Zweck dienenden Aufstieg nicht gegen die Regel 7 verstoßen, weil er sich in einer Entfernung von ungefähr 2 m vom Pistenrand bewegt habe. Im Verhältnis zur gegebenen 70 m Pistenbreite sei jener Bereich, in dem er sich bewegt habe, als Pistenrand zu qualifizieren. Die Klägerin hätte ausweichen müssen, sie hat gegen die FIS-Regeln 1 verstoßen. Diese Regel verpflichtet den Skifahrer zu einem Verhalten, das keinen anderen gefährdet oder schädigt.“
Diese Entscheidung wurde von Berufungsgericht bestätigt und die ordentliche Revision zugelassen, weil die Rsp des OGH zum Begriff „Rand der Abfahrt“ iSd FIS-Regel 7 fehle. Der OGH gab der Revision nicht Folge.
Die Revisionswerberin machte geltend, der Beklagte habe zum Aufstieg nicht den „Rand der Abfahrt“ benutzt. „Der Begriff „Rand der Abfahrt“ in FIS-Regel 7 sei gleichzusetzen mit dem Begriff „Pistenrand“ und bezeichnet das unmittelbare Ende der Piste. Der Beklagte habe sich 2 m vom Pistenrand entfernt fortbewegt und habe daher die FIS-Regel 7 nicht beachtet. Er habe auf die anderen Skifahrer nicht geachtet und sich nicht überzeugt, ob er die Piste überqueren könne.“
Nach der Sachverhaltsgrundlage kommt auf Seiten der Klägerin eine Sorgfaltspflichtverletzung im Sinne den FIS-Regel 1 [52], 2 [53] und 3 [54] in Betracht. Auf Seiten der Beklagten ist eine Verletzung der FIS-Regel 7 und 1 zu prüfen. Für die Antwort auf die Frage, ob der Beklagte die FIS-Regel 7 verletzt hat ist entscheidend, ob er zum Aufstieg den Rand der Piste den Pistenrand benutzt hat. Der OGH versteht den bei der Beurteilung von Verkehrssicherungspflichten maßgeblichen Pistenrand nicht als Linie im mathematischen Sinn und verlangt dementsprechend auch die Sicherung atypischer Gefahrenquellen, die sich etwa 2 m außerhalb des tatsächlichen Pistenrandes befinden. Das Sorgfaltsgebot bezüglich des Aufstiegs betrifft diesen Bereich, dessen Breite jedoch nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen ist. Zu Berücksichtigen ist zum Beispiel die Breite der Piste. Im Übrigen ergibt sich aus der Literatur[55], dass der aufsteigende Skifahrer sich nicht nur am Rand der Piste bewegen muss. Er bildet kein größeres Hindernis als ein stehender Skifahrer, der außer an gefährlichen Stellen anhalten darf. In dem Fall stellte der Beklagte auf der wenig frequentierten und übersichtlichen Piste keine Gefahr im Sinne der FIS-Regel 7 fest, demzufolge ist ihre Verletzung durch OGH verneint worden. Zur Kollision kam es ausschließlich aus dem Verschulden der Klägerin und ihres Verstoßes gegen die erwähnten FIS-Regeln.
2.1.5.2 OGH 22.11.2005, 1 Ob 219/05w
Dieser Fall klärt die Bedeutung der an die moderne Fahrweise angepassten FIS-Regel 5 (Einfahren, Anfahren und hangaufwärts Fahren) und präsentiert die Wichtigkeit der FIS-Regeln im Entscheidungsprozess der Gerichte.
Der Skiunfall der Streitteile ereignete sich im Einmündungsbereich der Skiroute 11 in die Skipiste 3. In diesem Bereich verläuft die Piste 3 in einer Kurve mit einer Richtungsänderung von etwa 90 Grad; die Skiroute 11 geht nahezu geradlinig in die weiterführende Piste 3 über. Sowohl die Sicht- als auch die Schneebedingungen waren gut.
Die Klägerin fuhr auf der Skiroute 11 hangabwärts. Zur gleichen Zeit fuhr der Beklagte in Carvingschwüngen auf der Skipiste 3 mit der Absicht die Piste zu queren, um dann „am dortigen Pistenrand" zu halten. In dem Zeitpunkt, als der Beklagte über eine Kuppe im Bereich der Kreuzung von der Piste 3 in die Skiroute 11 einfuhr, hat sich die Klägerin zirka 10 Meter oberhalb der Position des Beklagten auf der Skiroute 11 befunden. Sie fuhr zirka 10 Meter vor dem Beklagten leicht schräg abwärts in Richtung des rechten Pistenrandes. Der Beklagte fuhr die Skiroute 11 querend, leicht hangaufwärts fahrend, ebenfalls zum rechten Pistenrand. Er sah die Klägerin, erkannte aber in ihrer Verhaltensweise keine Gefahr und beachtete sie in der Folge nicht weiter. Die Klägerin fuhr leicht hangabwärts in Richtung der linken Seite der Skiroute 11. Als sie leicht abwärts nach links spurte, während der Beklagte leicht aufwärts nach rechts unterwegs war, fuhren beide direkt aufeinander zu. Als sich beide jeweils gegenseitig bemerkten, war die Kollision nicht mehr zu verhindern. Beide kamen zu Sturz und wurden verletzt.
Die Klägerin behauptete der Beklagte sei in die Pistenkreuzung eingefahren, ohne auf sie zu achten. Er sei nicht auf Sicht gefahren und habe gegen die FIS-Regeln verstoßen.
Der Beklagte wandte ein, er habe die Piste 11 zum rechten Pistenrand hin queren wollen, um dort stehen zu bleiben. Er habe die Klägerin bemerkt und auf sie geachtet. Sie habe unerwartet und für den Beklagten nicht vorhersehbar plötzlich einen Linksschwung gemacht, obwohl sie den Beklagten sehen hätte müssen. Die Klägerin treffe das Alleinverschulden, weil sie entgegen den FIS-Regeln ihre Geschwindigkeit nicht ihrem Fahrkönnen bzw den Geländeverhältnissen angepasst habe. Entgegen der FIS-Regel 3 habe sie als von hinten (oben) Kommende ihre Fahrspur nicht so gewählt, dass sie den vor (unter) ihr fahrenden Beklagten nicht gefährdet.
Das Erstgericht sprach aus, dass „der Beklagte für sämtliche Folgen, Nachteile und Schäden aus dem Skiunfall hafte und dem Grunde nach schuldig sei, der Klägerin Schadenersatz zu leisten. Da der Beklagte hangaufwärts gefahren sei, sei es nach der FIS-Regel 5 zu einer Vorrangumkehr gekommen, sodass ihn eine Beobachtungspflicht nach oben getroffen habe.“
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. „Bei den FIS-Regeln handle es sich um die Zusammenfassung des durch den Gesetzgeber allgemein vorausgesetzten Sorgfaltsmaßstabs bei der Pistenbenützung. Nach der neugefassten FIS-Regel 5 müsse jeder Skifahrer und Snowboarder, der in eine Abfahrt einfahre, nach einem Halt wieder anfahre oder hangaufwärts schwingen oder fahren wolle, sich nach oben und unten vergewissern, dass er dies ohne Gefahr für sich und andere tun könne. Damit sei eine Nachrangsonderregel formuliert worden, die der allgemeinen Nachrangregel (FIS-Regel 3) vorgehe. Werde ein Schwung „bis zur Bergauffahrt geschnitten", könne selbst ein höchst aufmerksamer von oben kommender Fahrer eine Kollision unter Umständen nicht mehr verhindern. Die neue FIS-Regel 5 erlege sohin dem Carver oder Boarder eine besondere Rücksichtnahme auf und normiere dessen Nachrang als Konsequenz aus der besonderen Fahrweise, die der allgemeinen Abwärtsbewegung des Pistenverkehrs zuwiderlaufe.“
Laut OGH entspricht es der herrschender Rechtsprechung, dass „den von verschiedenen Institutionen ausgearbeiteten Verhaltensvorschriften für Skifahrer, insbesondere den FIS-Regeln, als Zusammenfassung der Sorgfaltspflichten, die bei der Ausübung des alpinen Schisports im Interesse aller Beteiligten zu beachten sind, und bei der Anwendung des allgemeinen Grundsatzes, dass sich jeder so verhalten muss, dass er keinen anderen gefährdet, erhebliche Bedeutung zukommt.“ Es folgt daraus (vgl FIS-Regel 3), dass in der absoluten Mehrzahl der Fälle dem vorderen, langsameren Skifahrer der Vorrang gegenüber dem hinteren, schnelleren Skifahrer zukommt. Es wurde festgestellt, dass ein Skifahrer, der sich bei Ausführung eines Schwungs nicht bergab, sondern bergauf in Richtung auf andere abfahrende Skifahrer bewegt, dem Grundsatz der Rücksichtnahme auf andere Skifahrer entsprechend besondere Aufmerksamkeit aufzuwenden hat, um eine Kollision mit entgegenkommenden, abwärts fahrenden Skiläufern zu verhindern. Er ist in einem solchen Fall verpflichtet, auch „nachkommende", noch oberhalb befindliche und deshalb an sich benachrangte Skifahrer, die mit seiner Fahrrichtung nicht rechnen müssen, zu beobachten. Derartigen Konstellationen trägt die Änderung der FIS-Regel 5 Rechnung. Diese Regel wurde als Nachrangsonderregel dahin ergänzt, „dass nicht nur Skifahrer oder Snowboarder, die in eine Abfahrt einfahren oder nach einem Halt wieder anfahren wollen, sich nach oben und unten vergewissern müssen, dass sie dies ohne Gefahr für sich und andere tun können, sondern dass diese besondere Verpflichtung auch jene Pistenbenützer trifft, die hangaufwärts schwingen oder fahren wollen.“
„In Anbetracht der Umstände des vorliegenden Falls haben die Vorinstanzen ganz zutreffend das Alleinverschulden des Beklagten angenommen. Dieser führte ein im dargestellten Sinn atypisches Fahrmanöver aus; er schickte sich nicht nur ungeachtet der für ihn wahrnehmbaren sonstigen Pistenbenützer an, die Piste bis zu deren Rand zu queren, sondern führte das Fahrmanöver noch dazu in einer (leichten) Aufwärtsbewegung aus. Er wusste um die Gefährlichkeit des Kreuzungsbereichs, und erblickte die oberhalb von ihm hangabwärts fahrende Klägerin, die ihm bei seiner Annäherung den Rücken zukehrte. Er konnte ohne weiteres erkennen, dass er für die Klägerin nicht wahrnehmbar war, und musste damit rechnen, dass die Klägerin einen Linksschwung in seine Richtung durchführen werde. Wenn er sich unter diesen Umständen in leichter Aufwärtsbewegung so nahe an die Klägerin heranbegeben hat, dass diese nach dem zu erwartenden Linksschwung nicht mehr auf den für sie plötzlich sichtbaren Kläger unfallvermeidend reagieren konnte, ist ihm der Vorwurf zu machen, schuldhaft gegen jene allgemein anerkannten und ohne Weiteres einleuchtenden Sorgfaltspflichten bei der Ausübung des alpinen Schilaufs verstoßen zu haben, die derartige Unfälle vermeiden sollen.“
[...]
[1] Pichler, Österreichische und deutsche Rechtsprechung zu Skiunfällen, SpuRt 1999, 7.
[2] zB: Kappes/Wosiński, W sprawie prawa górskiego – głos w dyskusji, Palestra 1-2/2007, 86-92.
[3] Gschöpf, Snowboarder und Carver – Update zum Kollisionsunfall, ZVR 2006, 52.
[4] Gschöpf, Snowboarder und Carver – Update zum Kollisionsunfall, ZVR 2006, 52.
[5] Gazeta.pl, http://narty.gazeta.pl/narty/1,76028,2502644.html (abgerufen am 9.08.2007).
[6] Stiffler, Schweizerisches Schneesportrecht3 (2002) 45.
[7] Gschöpf, Snowboarder und Carver – Update zum Kollisionsunfall, ZVR 2006, 53.
[8] Pichler, Der Einfluss des Skirechts auf die Skisicherheit in Europa, RZ 1999, 40.
[9] Stiffler, Schweizerisches Skirecht2 (1991) 1.
[10] Pichler, Der Einfluss des Skirechts auf die Skisicherheit in Europa, RZ 1999,40.
[11] Gschöpf, Haftung bei Verstoss gegen Sportregeln (2000).
[12] Gschöpf, Haftung bei Verstoss gegen Sportregeln (2000) 25.
[13] Stiffler, Schweizerisches Schneesportrecht3 (2002) 7.
[14] Laut der Angaben des Kuratoriums für Verkehrssicherheit, 54 000 Skiunfälle und 14.800 Snowboardunfälle im Jahr 2005, http://www.kvf.at/fileadmin/Publikationen/Freizeitunfallstatistiken/2005/FUS2005.pdf (abgerufen am 5.09.2007).
[15] http://www.oesv.at/media/media_vereinsservice/media_studien/unfallstudie2003.pdf. (abgerufen am 17.11.2007).
[16] Stiffler, Schweizerisches Schneesportrecht3 (2002) 7.
[17] § 1311 ABGB.
[18] OGH 26.2.1997, 3 Ob 38/97b.
[19] Pichler, Zur faktischen und rechtlichen Beurteilung der Sturzkollision beim Skifahren, ZVR 1985, 257.
[20] Pichler, Zur faktischen und rechtlichen Beurteilung der Sturzkollision beim Skifahren, ZVR 1985, 257.
[21] http://www.oesv.at/media/media_vereinsservice/media_studien/unfallstudie2003.pdf. (abgerufen am 17.11.2007).
[22] Stiffler, Schweizerisches Schneesportrecht2 (1991) 14.
[23] Pichler/Holzer, Handbuch des österreichischen Skirechts (1987).
[24] AA, Kappes/Wosiński, W sprawie prawa górskiego – głos w dyskusji, Palestra 1-2/2007, 86-92.
[25] http://www.oesv.at/media/media_vereinsservice/media_studien/unfallstudie2003.pdf. (abgerufen am 17.11.2007).
[26] Lenkiewicz/Rozmarynowicz, Kodeks narciarski, czyli narciarski savoir vivre (1973).
[27] Pichler/Holzer, Handbuch des österreichischen Skirechts (1987).
[28] Kaltenegger/Schöllnast, Pistenregeln – Ein Überblick, ZVR 2007, 51.
[29] Regeln als Sorgfaltsmaßstab zum ersten Mal in: OGH 8.7.1970, ÖRZ 1970, 220 = JBl 1971, 252. ZVR 1997, 307. OGH 26.2.1997, 3 Ob 38/97b = ZVR 1997, 307.
[30] OGH 16.6.1982, 1 Ob 639/82.
[31] OGH 29.4.1986, 11 Os 70/86.
[32] OGH 15.12.2005, 6 Ob 270/05g.
[33] Pichler, Der FIS-Regelkatalog und der österreichische Pistenordnungsentwurf (POE) – Rechtsvorrang auf Skipisten?, ZVR 2006, 93-94.
[34] § 9 ust.1 Anhang zur Verordnung des Ministerrates vom 6.5.1997 (poz. 358) Anhang Nr 1 – Die speziellen Sicherheitsvorkehrungen für Pisten und Liftanlagen, die der Ausübung des Wintersports in den Bergen dienen. (Dz.U. z 1997 r. Nr 57 poz. 358): „Die Skipistenbenützer sind zur Einhaltung der Pistenverhaltensregeln der Internationalen Skifederation FIS, die vom Polnischen Skiverband, Polski, Związek Narciarski, GOPR und TOPR (Bergrettungsorganisationen) und vom Polnischen Tourismusverband, Polskie Towarzystwo Turystyczno-Krajoznawcze, in Form von einem Skikodex, anerkannt wurden.”
[35] Krajcer, Odpowiedzialność za wypadki narciarskie, porównanie z rozwiązaniami austriackimi, Palestra 1-2/2007, 215.
[36] Rzeczpospolita Nr 9, 11.01.2006, Prawo co dnia, 1.
[37] Lenkiewicz/Rozmarynowicz, Kodeks narciarski, czyli narciarski savoir vivre (1973).
[38] Siehe Krajcer, Odpowiedzialność za wypadki narciarskie, porównanie z rozwiązaniami austriackimi, Palestra 1-2/2007, 210-217.
[39] OGH 26.2.1997, 3 Ob 38/97b = ZVR 1997, 307.
[40] Radwański, Prawo cywilne – część ogólna4, 36.
[41] Pichler/Holzer, Handbuch des österreichischen Skirechts (1987) 150.
[42] OGH 24.5.1989, JBl 1989, 725, aber teilweise anders Pichler, ZVR 1991, 355.
[43] Pichler, Die FIS-Regeln für Skifahrer, ZVR 1991, 355.
[44] Exkursorisch sei dazu folgendes bemerkt: In Deutschland zB werden die FIS-Regeln unterschiedlich gewertet. Nach der schweizerischen Auffassung sind die FIS-Regeln grundsätzlich als Gewohnheitsrecht zu qualifizieren (Pichler, Die FIS-Regeln für Skifahrer, ZVR 1991, 355.). Die schweizerische Meinung weicht von der (herrschenden) österreichischen deutlich ab. Nach Stiffler sind die aus der Rechtsprechung gewonnenen Regeln als in neuster Zeit geschaffenes Gewohnheitsrecht zu bezeichnen (Stiffler, Schweizerisches Schneesportrecht3 (2002), 43.). Fraglich sei das Vorliegen der für die Bildung des Gewohnheitsrechts erforderlichen Voraussetzung der consuetudo, also der regelmäßigen, faktischen Ausübung. Im Skisport auf den Pisten fehle die genügend lange, etwa hundertjährige Übung, so Stiffler. Er lässt aber die regelmäßige Übung seit der Zeit, da das Skifahren auf den Pisten bekannt ist und die Rechtmässigkeitsüberzeugung der Betroffenen genügen. Zutreffend stellt Stiffler fest, dass die FIS-Regeln nicht als Ganzes als Gewohnheitsrecht gewertet werden können, sondern nur soweit sie den Sinn und Zweck der aus der Rechtsprechung und opinio iuris gewonnenen Erfahrungsgrundsätze wiedergeben. Er hält eine endgültige Entscheidung über die Frage, ob die FIS-Regeln Gewohnheitsrecht sind für unnötig, da die Bedeutung der Regeln zur Konkretisierung des Sorgfaltsmaßstabes anerkannt sei (Stiffler, Brauchen wir ein europäisches Schneesportrecht? SpuRt 2/2006, 47.).
[45] Pichler, Wer hat Vorrang, wer hat Nachrang beim Skifahren? ZVR 2005, 117.
[46] Landesgesetzesentwurf Nr 15/04: „Skipisten – Verhaltenskodex und Regelung des Rettungsdienstes“.
[47] Gschöpf, Die neue italienische Skipistenordnung – Vorbild für Österreich?, ZVR 2004, 387.
[48] Gschöpf, Die neue italienische Skipistenordnung – Vorbild für Österreich?, ZVR 2004, 390.
[49] Gschöpf, Die neue italienische Skipistenordnung – Vorbild für Österreich?, ZVR 2004, 388.
[50] Gschöpf, Die neue italienische Skipistenordnung – Vorbild für Österreich?, ZVR 2004, 390.
[51] FIS-Regel 7. Aufstieg und Abstieg: Ein Skifahrer oder Snowboarder, der aufsteigt oder zu Fuss absteigt, muss den Rand der Abfahrt benutzen.
[52] Rücksichtsnahme auf andere Skifahrer und Snowboarder: Jeder Skifahrer und Snowboarder muss sich so verhalten, dass er keinen anderen gefährdet oder schädigt.
[53] Beherrschung der Geschwindigkeit und der Fahrweise: Jeder Skifahrer und Snowboarder muss auf Sicht fahren. Er muss seine Geschwindigkeit und seine Fahrweise seinem Können und den Gelände-, Schnee- und Witterungsverhältnissen sowie der Verkehrsdichte anpassen.
[54] Wahl der Fahrspur: Der von hinten kommende Skifahrer und Snowboarder muss seine Fahrspur so wählen, dass er vor ihm fahrende Skifahrer und Snowboarder nicht gefährdet.
[55] Pichler/Holzer, Handbuch des österreichischen Skirechts (1987) 188.
- Quote paper
- Mag.iur. Sandra Krajcer (Author), 2007, Schadenersatzansprüche bei Skiunfällen in Österreich und in Polen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/119272
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