Das Ziel der vorliegenden Arbeit besteht darin, ein den Anforderungen des § 64 SGB IX entsprechendes Rehabilitationssportkonzept für Patienten zu entwickeln, die aufgrund eines Bandscheibenvorfalls der Lendenwirbelsäule an der Bandscheibe operiert wurden. Das Rehabilitationssportkonzept soll allen Rahmenbedingungen entsprechen und durch den Einbezug aktueller wissenschaftlicher Literatur, eine klare Handlungsempfehlung zur Bewegungstherapeutischen Nachbehandlung bieten.
Primäres Ziel des Rehabilitationssportkonzepts ist die Rückbildung der Schmerzen der Zielgruppe und wie Wiedereingliederung in den Beruf und das soziale Leben. Durch Wiederherstellung der körperlichen Leistungsfähigkeit, und dem Aufbau von individuellen Handlungskompetenzen soll das Konzept den Teilnehmern den Umgang mit Rückenschmerzen und weiteren Beeinträchtigungen der funktionalen Gesundheit vermitteln. Ebenfalls sollen durch das Konzept die Vorteile eines körperlich aktiven Lebensstils vermittelt werden und ein Bewusstsein für Gesundheit und Sport geschaffen werden.
Zur Erreichung der Ziele sollen im Rahmen dieser Arbeit folgende Fragestellungen als Leitfaden dienen und beantwortet werden :Wie muss ein Rehabilitationssportprogramm gestaltet sein um eine bestmögliche Behandlung der Teilnehmer zu ermöglichen, die sich aufgrund eines Bandscheibenvorfalls an der Lendenwirbelsäule operieren lassen mussten? Und welche Inhalte sollten vermittelt werden um ein langfristiges Gesundheitsbewusstsein bei den Teilnehmern zu schaffen und sie schnellstmöglich in ihr Berufsleben zurückzuführen?
Inhaltsverzeichnis
1 EINLEITUNG UND PROBLEMSTELLUNG
2 ZIELSETZUNG
3 GEGENWÄRTIGER KENNTNISSTAND
3.1 Rückenschmerzen und der lumbale Bandscheibenvorfall
3.1.1 Beschreibung und Ätiologie des lumbalen Bandscheibenvorfalls
3.1.2 Symptomatik des lumbalen Bandscheibenvorfalls
3.1.3 Operationsindikationen
3.1.4 Relevante Anatomie der Lendenwirbelsäule
3.2 Datenlage
3.2.1 Epidemiologie
3.2.2 Anzahl der Bandscheibenoperationen in Deutschland
3.2.3 Operationsergebnisse
3.3 Ursachenund Risikofaktoren
3.3.1 Bandscheibendegeneration
3.3.2 Risikofaktoren der Bandscheibendegeneration
3.4 Probleme, Einschränkungen und Kontraindikationen bei körperlicher Aktivität
3.4.1 Wundheilung
3.4.2 Bewegungsrestriktionen nach Operation der Bandscheibe
3.5 Handlungsempfehlungen
3.5.1 LeitliniederAWMF
3.5.2 Studienlage
3.5.3 Auswertung der Ergebnisse
3.6 Rehabilitationssport als ergänzende Leistung nach §64 SGB IX
3.6.1 Voraussetzungen zur Durchführung des Rehabilitationssports
3.7 Problemstellung
4 METHODIK
4.1 Qualitätskriterien
4.2 Rahmenbedingungen des Kraftwerk Niederzier
4.3 Umgebungsanalyse
4.4 Grobplanung des Konzepts
4.5 Analyse der Zielgruppe
4.6 Marketingmaßnahmen
4.7 Break-Even-Analyse
5 ERGEBNISSE
5.1 Darstellung des Bewegungskurskonzepts
5.2 Evaluation
6 DISKUSSION
6.1 Ergebnis-Diskussion
6.2 Methoden-Diskussion
6.3 Schlussfolgerung und Ausblick
7 ZUSAMMENFASSUNG
8 LITERATURVERZEICHNIS
9 ABBILDUNGS-, TABELLEN-, ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
9.1 Abbildungsverzeichnis
9.2 Tabellenverzeichnis
9.3 Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung und Problemstellung
Rückenschmerzen betreffen in Deutschland 55-75% aller Erwachsenen und zählen zu den größten Gesundheitsproblemen in Deutschland. Sie verursachen hohe Kosten und belasten das Gesundheitssystem (Fahland, Kohlmann & Schmidt, 2016). Sie gelten in Deutschland als Volkskrankheit und sind in Deutschland bei Männern der häufigste Grund, bei Frauen der zweithäufigste Grund für Arbeitsunfähigkeit (Eckardt, 2011, S.2). Rückenschmerzen beschreiben jedoch nur ein Symptom, welches die unterschiedlichsten Ursachen haben kann (Casser, 2016, S,74). Einer der Gründe für die Schmerzen ist der durch degenerative Veränderungen verursachte Bandscheibenvorfall der Lendenwirbelsäule. Statistisch belegt, erfolgt jeder zweite Hausarztbesuch aufgrund von dege- nerativen Erkrankungen der Wirbelsäule und 50% der Frühberentungen werden aus diesem Grund beantragt. Hierdurch werden in Deutschland jährlich mehr als 20 Milliarden Euro Krankheitskosten verursacht (Mayer & Heider, 2016, S.427). Am häufigsten betroffen sind Menschen zwischen dem 31. und 50. Lebensjahr (Diemer & Sutor, 2018) Patienten welche einen Bandscheibenvorfall erleiden, können sich teils kaum noch bewegen und weisen je nach Lage des Bandscheibenvorfalls Lähmungen vereinzelter Muskeln auf (Heisei, 2011a, S.41-45). Hierbei besteht zunächst die Möglichkeit das Krankheitsbild mittels konservativer Verfahren wie der manuellenTherapie oder Physiotherapie zu behandeln. Jedoch bessern sich die Symptome bei 30-50% der Patienten nicht und es wird eine Operationsindikation zur Linderung der Beschwerden gestellt (Richter, Richter & Forst, 2016; Mayer & Heider, 2016). Nach einer Gesundheitsberichterstattung des Bundes wurden 2018 in Deutschland 150673 Exzisionen an der Bandscheibe durchgeführt (GBE, 2020). Die Ursachen für degenerative Veränderungen der Bandscheiben sind vielseitig. Sie umfassen genetische, psychologische, berufsbedingte aber auch Lebensstil bedingte Risikofaktoren welche unbehandelt zu einem erneuten Bandscheibenvorfall oder einer Chronifizierung der Schmerzen führen können (Diemer & Sutor, 2018; Latza, Kohlmann, Deck & Raspe, 2000; Klinger, Geiger & Schiitenwolf, 2008). Bezüglich der postoperativen Nachbehandlung von Bandscheibenvorfällen der Lendenwirbelsäule gibt es trotz eindeutiger Studienlage und Leitlinien, welche eine Bewegungstherapeutische Maßnahme empfehlen noch immer Uneinigkeiten bei den Ärzten und unklare Empfehlungen gegenüber den Patienten zum richtigen Umgang mit postoperativen Komplikationen (Greitemann & Schmidt, 2020; Diemer &Sutor, 2018; McGregor, Burton, Sell & Wadell, 2007). In Deutschland besteht die 4/62
Möglichkeit für behinderte und von Behinderung bedrohten Menschen, ärztlich verordneten Rehabilitationssport welcher vollständig durch Krankenkassen finanziert wird zu erhalten. Nach der Rahmenvereinbarung der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation können Anbieter, sobald sie ein Anerkennungsverfahren durchlaufen haben nach §64 SGB IX Rehabilitationssport in Gruppen anbieten und sich von den Krankenkassen vergüten lassen (BAR, 2011). Hier besteht für das Kraftwerk-Niederzier die Möglichkeit ein bisher fehlendes Rehabilitationssportkonzept in sein Angebot aufzunehmen, eine neue Zielgruppe für sich zu gewinnen und gleichzeitig einen Beitrag zur Gesellschaft zu leisten. Es gilt ein auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen basiertes Konzept für die oben genannte Zielgruppe unter Erfüllung vorausgesetzter Rahmenbedingungen zu entwickeln, welches den Teilnehmern ermöglicht,wieder ins Berufsleben und das soziale Leben zurückzufinden. Erreicht wird dies durch durch die Stärkung von Kraft, Ausdauer, Koordination und die Vermittlung von Hilfe zur Selbsthilfe im Rehabilitationssport (BAR, 2011).
2 Zielsetzung
Das Ziel der vorliegenden Arbeit besteht darin ein den Anforderungen des §64 SGB IX entsprechendes Rehabilitationssportkonzept für Patienten zu entwickeln die aufgrund eines Bandscheibenvorfalls der Lendenwirbelsäule an der Bandscheibe operiert wurden. Das Rehabilitationssportkonzept soll allen Rahmenbedingungen entsprechen und durch den Einbezug aktueller wissenschaftlicher Literatur, eine klare Handlungsempfehlung zur Bewegungstherapeutischen Nachbehandlung bieten. Primäres Ziel des Rehabilitationssportkonzepts ist die Rückbildung der Schmerzen der Zielgruppe und wie Wiedereingliederung in den Beruf und das soziale Leben. Durch Wiederherstellung der körperlichen Leistungsfähigkeit, und dem Aufbau von individuellen Handlungskompetenzen soll das Konzept den Teilnehmern den Umgang mit Rückenschmerzen und weiteren Beeinträchtigungen der funktionalen Gesundheit vermitteln. Ebenfalls sollen durch das Konzept die Vorteile eines körperlich aktiven Lebensstils vermittelt werden und ein Bewusstsein für Gesundheit und Sport geschaffen werden. Zur Erreichung der Ziele sollen im Rahmen dieser Arbeit folgende Fragestellungen als Leitfaden dienen und beantwortet werden :
-Wie muss ein Rehabilitationssportprogramm gestaltet sein um eine bestmögliche Behandlung der Teilnehmer zu ermöglichen, die sich aufgrund eines Bandscheibenvorfalls an der Lendenwirbelsäule operieren lassen mussten ?
-Welche Inhalte sollten vermittelt werden um ein langfristiges Gesundheitsbewusstsein bei den Teilnehmern zu schaffen und sie schnellstmöglich in Ihr Berufsleben zurückzuführen?
3 Gegenwärtiger Kenntnisstand
Im folgenden Kapitel wird ein Verständnis für das Krankheitsbild, dessen Entstehung und die gesellschaftliche Bedeutung geschaffen. Zudem werden gesetzliche Vorschriften und Rahmenbedingungen welche bei der Planung eines Rehabilitationssportkonzeptes zu berücksichtigen gilt dargestellt und erläutert. Die Darstellung aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse und Programme fallen ebenfalls unter dieses Kapitel und sollen eine Orientierung über zu vermittelnde Inhalte für das im weiteren Verlauf der Arbeit zu erstellende Rehabilitationssport Konzept bieten.
3.1 Rückenschmerzen und der lumbale Bandscheibenvorfall
Rückenschmerzen beschreiben lediglich ein Symptom, welches die unterschiedlichsten Ursachen haben kann. Die Einteilung von Rückenschmerzen erfolgt in der ärztlichen Diagnose in spezifisch und unspezifisch. Spezifische Rückenschmerzen haben im Gegensatz zu unspezifischen Rückenschmerzen eine diagnostisch klar und eindeutig erfassbare Ursache (Casser, 2016, S.74).
Rückenschmerzen gehören in Deutschland zu den häufigsten und relevantesten Gesundheitsproblemen und verursachen hohe Kosten im deutschen Gesundheitssystem. Rückenbeschwerden können unterschiedlich stark auftreten und sich in der Ursache stark unterscheiden. Bildgebende Verfahren , wie beispielsweise das MRT, ergibt häufig keine aussagekräftige Diagnose. Schmerzen die sich im Bereich der Lendenwirbelsäule befinden werden auch als Kreuzschmerzen bezeichnet. Treten die Schmerzen lokal und akut auf, werden sie als Lumbago bezeichnet und gelten in der Literatur als nicht radi- kulär bzw. pseudoradikulär. Als radikulär wird beispielsweise die Lumboischialgie oder auch Ischialgie bezeichnet, bei denen die Kreuzschmerzen in den Fuß oder das Bein ausstrahlen (Fahland, Kohland & Schmitt, 2016, S.4). Die Lumboischialgie beschreibt eine Kompression der Nervenwurzel die häufig durch Bandscheibenvorfall oder Bandscheibenprotrusion entsteht (Hoerster, 2016, S.320).
3.1.1 Beschreibung und Ätiologie des lumbalen Bandscheibenvorfalls
Der lumbale Bandscheibenvorfall gehört zu den spezifischen Rückenschmerzen und ist durch eine klar diagnostizierbare radikuläre Symptomatik, ein eindeutig von anderen Krankheitsbildern der Wirbelsäule abzugrenzendes Krankheitsbild (Diemer,Sutor,2018,S.172).
Definiert wird der Bandscheibenvorfall der auch als Bandscheibenprolaps oder Derangement bezeichnet wird von Diemer und Sutor (2018) als „Relative Verlagerung von Bandscheibengewebe (Derangement), die mit einer Konturveränderung der Diskusoberfläche einhergeht“ (S.203). Ausgelöst durch mechanische Kräfte auf die Bandscheibe tritt Bandscheibengewebe durch bestehende Rissbildungen innerhalb des Anulus Fibro- sus hervor und führt zu einer Verlagerung oder einer Ruptur des Anulus Fibrosus bei dem Bandscheibengewebe hervor- oder austreten kann (Diemer & Sutor,2018,S.204). Trifft das austretende Bandscheibengewebe nun auf eine Nervenwurzel des Bewegungssegment und verletzt diese, werden Kreuzschmerzen ausgelöst und man spricht von einer lumbalen Radikulopathie (Reimers & Reimers, 2017, S.93).
Ausgelöst werden Bandscheibenvorfälle häufig durch eine Kombination mehrerer Bewegungsmuster. Eine forcierte Hyperflexion der Wirbelsäule mit Kompression der Bandscheibe in Kombination mit zeitgleicher Rotation des Oberkörpers an. Durch die Kompression verlagert sich der Druck des Nucleus Pulposus in Richtung des geschwächten Anulus aus. Im Alltag kann die Rissbildung durch das Anheben eines Gegenstandes mit Rotation des Oberkörpers ausgelöst werden Mayer & Heider (2016, S.430-431). Das vorgefallene Gewebe besteht hauptsächlich aus dem Nucleus Pulposus und Bestandteilen der vertebralen Endplatte und des Anulus Fibrosus (Diemer & Sutor, 2018, S.204). Die Verlagerung von Bandscheibengewebe nach dorsal oder lateral führt häufig zu neurologischen Ausfallerscheinungen durch Kompression der umgebenden Nervenwurzel und äußert sich durch eine länger bestehende Schmerzsymptomatik im Bereich der Lendenwirbelsäule oder einer Ausstrahlung der Schmerzen ins Bein der betroffenen Patienten (Richter, Richter & Forst, 2016, S.432). Bei einem Bandscheibenvorfall wird in folgende pathomorphologische Schweregrade unterschieden :
Tabelle 1: Schweregrade eines Bandscheibenvorfalls (modifiziert nach Eckardt, 2011, S.342; Meyer & Siems, 2011, S.28)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
3.1.2 Symptomatik des lumbalen Bandscheibenvorfalls
Die Schmerzsymptomatik geht nicht immer mit dem Ausmaß des verlagerten Bandscheibengewebes einher. Eine Bandscheibenprotrusion ohne austretendes Bandscheibengewebe kann stärkere Beschwerden auslösen als ein sequestrierender Bandscheibenprolaps. Schmerzen werden nur durch Ausüben von Druck der vorgewölbten Bandscheibe oder austretendes Bandscheibenmaterial auf Rezeptoren der Nervenwurzel ausgelöst (Mayer & Siems, 2011,S 28).
Die Symptomatik der Lumbago ist diagnostisch durch einen Muskelhartspann und einem Klopfschmerz im Bereich der Lendenwirbelsäule festzustellen. Hierbei können Lähmungen, starke Schmerzen, der Verlust motorischer Fähigkeiten sowie eine Abschwächung von Reflexen betroffener Muskeln festgestellt werden. Am häufigsten wird eine Lumbago durch Protrusionen ausgelöst. Radikuläre Symptome werden eher durch einen Bandscheibenprolaps ausgelöst (Scheufier, 2011).
Die am häufigsten betroffenen Nervenwurzel ist nach Heisei (2011) die des Bewegungssegments L5/S1. Hierbei kann der Bandscheibenvorfall die Nervenwurzel L5 als auch die Nervenwurzel S1 komprimieren. Die nachfolgende Tabelle gibt Aufschluss über die Häufigkeitsverteilung radikulärer Wurzelkompressionssyndrome verursacht durch einen lumbalen Bandscheibenvorfall.
Tabelle 2: Häufigkeitsverteilung monoradikülärer Wurzelkompressionssyndrome nach Heisei (2011, S.41-45, eigene Darstellung)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Ist der Nervus Ischiadicus im Verlauf der Bewegungssegmente L4/L5 und L5/S1 komprimiert, strahlen die Schmerzen in das Bein des betroffenen aus und man spricht von einer Ischialgie. Tritt dieses Schmerzbild ein, können sich Patienten oft nur sehr wenig Bewegen und finden selten eine bequeme Position. Das Vorbeugen des Oberkörpers nach vorne ist ohne ausweichende Seitwärtsbewegung nicht mehr möglich, da die wirbelsäulenumgebende Muskulatur bretthart verspannt ist. Ischiasdehnungszeichen nach Lasègue und Bragard sind positiv und haben einen Femoralisdehnungsschmerz zur Folge. Husten und Niesen kann den Schmerz sogar noch verstärken. Die Reizung der Nervenwurzel durch hervortretendes Bandscheibengewebe des betreffenden Bewegungssegments kann zu einer Lähmung oder einer Schwäche der betreffenden Muskulatur führen (Heisei, 2011, S.41-45). Die folgende Tabelle gibt eine Übersicht über die Schmerzausstrahlung, betroffene Muskeln und Störungen der Reflexe durch komprimierte Nervenwurzeln:
Tabelle 3: Klinische Etagendiagnostik bei radikulären Läsionen der LWS (modifiziert nach Heisei, 2011, S.41-45)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
3.1.3 Operationsindikationen
Bei erstmalig auftretenden Bandscheibenvorfällen sollte zunächst ein konservativer Behandlungsversuch unternommen werden. Die konservative Behandlung besteht aus einer multimodalen Behandlung, welche aus mehreren Behandlungsansätzen besteht. Die multimodale Behandlung setzt sich zusammen aus manueller Therapie, Physiotherapie, Naturheilverfahren, Schmerztherapie und psychologischer Therapie (Richter, Richter & Forst, 2016). Tritt nach 6-12 Wochen konservativer Behandlung keine Besserung der Symptome ein, besteht eine relative Operationsindikation und das weitere Vorgehen wird neu bewertet (Diemer & Sutor, 2018, S.212).Konservative Maßnahmen führen nach Mayer und Heider (2016) zwar bei mehr als 80% der Patienten zu einer Verbesserung der Beschwerdenjedoch erleiden ca. 30-50% der Patienten eine Rückkehr der Beschwerden innerhalb eines Jahres. Bei 50% der Patienten mit rezidivierenden Symptomen wird eine Operationsindikation gestellt (S.435).
Nach Eckardt (2011) wird bei einem nachgewiesenem Bandscheibenvorfall in folgende Operationsindikationen unterschieden:
Tabelle 4: Absolute und Relative Operationsindikationen bei nachgewiesenem Bandscheibenvorfall (modifiziertnachEckardt, 2011, S.339)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Auch Richter et.al. (2016) nennen Lähmungen funktionell wichtiger Muskeln und das Conus/-Caudasyndrom als absolute OP-Indikation welche einen zwingenden Anlass zur sofortigen Operation geben. Als Lähmung wird hierbei ein deutlicher Verlust der Funktionalität bezeichnet, welcher sich durch eine Fußheberschwäche oder Quadrizeps- schwäche äußert. Bestehenjedoch starke Schmerzen die zu einer Behinderung des täglichen Lebens führen und bildgebende Verfahren erweisen einen eindeutigen Befund, so besteht ebenfalls eine eindeutige OP-Indikation (S.442). Nach Diemer und Sutor (2018, S.211) entsteht das Conus/-Cauda Syndrom wenn ausgetretenes Bandscheibengewebe innerhalb des Spinalkanals die Conus medullaris auf Höhe des Bewegungssegments Ll- L2, und die Nervenwurzel Cauda Equina auf Höhe der Sakralwirbel S3-S5 komprimiert wird. Das Syndrom äußert sich diagnostisch durch Rückenschmerzen, motorischen Schwächen, Reithosenanästhesie und einer Blasen-/Mastdarmlähmung (S.211).
3.1.4 Relevante Anatomie der Lendenwirbelsäule
Die Wirbelsäule übernimmt die stabilisierende Funktion des Körpers durch aktive, passive und motorische Systeme. Das passive System besteht aus aus den Wirbelköpern, Bandscheiben, Bändern, Facettengelenken und Gelenkkapseln. Das Aktive System besteht aus Muskeln, Sehnen und Bändern. Diese werden durch motorische Systeme kontrolliert und sorgen somit für die Stützfunktion der Wirbelsäule (Scholle, Anders & Scholle, 2016, S.19). Die Wirbelsäule besteht aus 33 Wirbeln die sich aus 7 Halswirbeln (HWK 1-7) 12 Brustwirbeln (BWK 1-12) , 5 Lendenwirbeln (LWK 1-5) und dem aus 5 Wirbeln (SWK 1-5 ) verschmolzenen Kreuzbein bestehen. Zwischen den beweglichen Wirbelkörpem befinden sich die Bandscheiben und außerhalb der Bandscheiben und Wirbelkörper befinden sich die stabilisierenden Bänder (Wiesmann, Nikoubashman, 2014). Nach Stofft (2011, S.21) bilden zwei benachbarte Wirbelkörper, die dazwischenliegende Bandscheibe, die Ligamente und die segmentbezogene autochthone Muskulatur zusammengenommen ein Bewegungssegment. Die gesamte Wirbelsäule besteht aus 25 Bewegungssegmenten. Die Wirbelkörper haben eine zylindrische Form dessen Endflächen nach kaudal und kranial beide als Endplatten bezeichnet werden. Die Endplatten sind ringförmig und konkav ausgespart und bilden so eine sichere Verbindung zu Bandscheibe. Der Wirbelbogen setzt sich den Pedikeln , den Massae laterales mit den oberen und unteren Gelenkfortsätzen , den Querfortsätzen , den hinteren Anteilen des Wirbelbogens und den Domfortsätzen zusammen. Die Öffnung der Wirbelbögen bilden dorsolateral den Spinalkanal , das sogenannte Foramen intervertebrale durch den die Spinalnerven verlaufen (Wiesmann & Nikoubashman, 2014). Zwischen den einzelnen Wirbeln befinden sich die Bandscheiben. Dies sind faserige Ringe, in denen sich ein gallertiger Kern befindet, der den statischen Druck der Wirbelsäule abpuffert (Reimers & Reimers, 2017, S.93). Die Bandscheiben setzen sich zusammen aus dem gallertigen Kern Nucleus Pulposus und dem faserigen kernumgebenden Anulus Fibrosus. Der Nucleus Pulposus besteht zu 80-85% aus einer gelartigen Flüssigkeit und erfüllt zusammen mit dem aus kollagenen Fasern bestehenden Anulus Fibrosus die Aufgabe eines „Wasserkissen“ eine abpuffernde Funktion der hohe Druckbelastungen abfangen kann (Stofft, 2011, S.17). Wiesmann (2014, S.30) nennt neben der Absorption von Kompressions und Druckbelastungen auch die Beweglichkeitsfunktion zwischen den Wirbeln und die Stabilitätsfunktion der Bandscheibe durch das Ausüben von Spannung auf die umgebenden Ligamente. Die Ligamente verbinden die einzelnen Wirbel miteinander und sorgen zusammen mit den Bandscheiben für eine Stabilisierende Funktion der Wirbelsäule Das vordere Längsband trägt die Bezeichnung Ligamentum longitudinale anterius und verbindet die Wirbelkörper von der Schädeldecke bis zum Kreuzbein, das hintere Längsband die Bezeichnung Ligamentum longitudinale posterius und sichert die Rückseite der Wirbelkörper. Beide sichern jeweils die deren Bezeichnung entsprechenden Anteile der Wirbelkörper. Zusätzlich werden auch die Wirbelbögen durch die elastischen Wirbelbogenbänder Ligg. Flava (Ligamenta Flava), Ligg. Interspinalia und der Ligg. intertransversaria gesichert(Stofft, 2011,S.19-21).Die muskuläre Sicherung der Bewegungssegmente der Lendenwirbelsäule wird durch die Mm.multifidi, sowie die Mm. Semispinales kompensiert. Sie setzen an den dorsalen Wirbelfortsätzen an und verbinden diese miteinander. (Stofft, S.17).
3.2 Datenlage
Zur Verdeutlichung der gesellschaftlichen Relevanz und des Bedarfs nach rehabilitati- ven Maßnahmen, wird nachfolgend die Datenlage des Krankheitsbildes geschildert.
3.2.1 Epidemiologie
Erkrankungen der Wirbelsäule haben eine hohe medizinische und sozioökonomische Relevanz. Sie gehören zu den am häufigsten behandelten Beschwerden in der ärztlichen Praxis von denen jeder fünfte Erwachsene in Deutschland betroffen ist. Jeder zehnte gibt an, durch eine hohe Schmerzintensität im Alltag erheblich beeinträchtigt zu sein. Rückenschmerzen werden allgemein als Volkskrankheit bezeichnet und sind der häufigste Grund für Arbeitsunfähigkeit bei Männern und der zweithäufigste bei Frauen. Auch stationäre Aufnahmen, medizinische Heilbehandlungen und vorzeitige Berentungen sind am häufigsten auf Rückenschmerzen zurückzuführen. 17% aller Neuzugänge der Erwerbs- und Berufsunfähigkeitsrenten sind alleine durch Erkrankungen der Bandscheibe zurückzuführen. Die Behandlungskosten die pro Patient verursacht werden, können jährlich mehrere tausend Euro betragen und zusammengenommen in ganz Deutschland mehrere Milliarden betragen. (Eckardt, 2011).
Die Kosten durch degenerative bedingte Veränderungen der Wirbelsäule entstehen, setzen sich zusammen aus aktiven Kosten wie die ambulante oder stationäre Akutbehandlung und den passiven Kosten welche durch Arbeitsunfähigkeit, Produktionsausfall und vorzeitige Berentung entstehen und betragen jährlich mehr als 20 Milliarden €. Die Einjahresprävalenz von behandlungsbedürftigen Wirbelsäulenbeschwerden liegt in Deutschland zwischen 45 und 65%. Es ist belegt, dass 50% der Hausarztbesuche auf Wirbelsäulenbeschwerden zurückzuführen sind und vorzeitige Berentungen zur Hälfte aus genannten Beschwerden beantragt werden. Hieraus wird die sozialmedizinische Bedeutung degenerativer Wirbelsäulenveränderungen ersichtlich. Die Jahresprävalenz lumbaler Bandscheibenvorfälle liegt in den westlichen Industrieländern im Durchschnitt zwischen 1 und 2,5%, zeigt aber eine deutliche Altersabhängigkeit mit einem Gipfel zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr. (Mayer & Heider, 2016, S.2). Diemer & Sutor (2018, S.204) belegen ebenfalls, das degenerativ bedingte Bandscheibenvorfälle zwischen dem 31.und 50. Lebenjahr am häufigsten festzustellen sind. Die Lebenszeitprävalenz beträgt bei unter 35-Jährigen mit 3,5% angegeben und steigt bei 45-55 Jährigen auf über 20% an. Männer sind im Vergleich zu Frauen von lumbalen Bandscheibenvorfällen doppelt so häufig betroffen (Jordan, Konstatinou & O'Dowd, 2009). Nach Scheufier (2011) betreffen radikuläre Schmerzen durch einen Bandscheibenvorfall 55% aller Männer und 25% aller Frauen mindestens einmal im Leben. Etwa 90% aller lumbalen Bandscheibenvorfälle betreffen die beiden Bewegungssegmente L4/L5 und L5/S1 wobei mit zunehmendem Alter häufiger die Level oberhalb von L5-S1 betroffen sind. (Meier & Heider, 2016, S.427-428). Die Inzidenz lumbaler Bandscheibenvorfälle beträgt 5,1 % bei der männlichen und 3,7 % bei der weiblichen Bevölkerung (Richter et al, 2016, S.432).Eine Notfalloperation durch eine Conus-/Caudasymptomatik wird eher selten durchgeführt. Die Notfallindikation besteht nur bei 1-1,5% aller Indikationen. Mayer & Heider, 2016, S.438).
3.2.2 Anzahl der Bandscheibenoperationen in Deutschland
Lumbale Bandscheibenoperationen zählen zu den weltweit häufigsten Eingriffen in der Neurochirurgie. Die Inzidenz für operative Eingriffe an der Bandscheibe in Deutschland beträgt auf 100000 Einwohnerjeweils 64 Patienten (Scheufler,2011).
Einen Aufschluss über die Häufigkeit der in Deutschland durchgeführten Bandscheibenoperationen gibt die Gesundheitsberichterstattung des Bundes (GBE-Bund). Hier findet man man genaue Zahlen genaue Zahlen durchgeführter Exzisionen an der Bandscheibe (GBE, 2020, Posten 5-381). Der Posten 5-381 ist eine Kodifizierung nach der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten (ICD). Unter der Klassifikation sind ausschließlich Exzisionen an erkranktem Bandscheibengewebe zu verstehen. Sonstige Operationen an der Wirbelsäule sind nicht unter dieser Klassifizierung zu finden. (ICD, 2020). Leider lässt die nachfolgend aufgeführte Tabelle nicht darauf schließen wieviele der Operationen tatsächlich an der Lendenwirbelsäule durchgeführt werdenjedoch gibt sie einen Überblick über die Gesamtzahl durchgeführter Operationen an der Bandscheibe in Deutschland und deren Entwicklung.
Tabelle 5: Häufigkeit von Exzisionen an der Bandscheibe ICD 5-831 (modifiziert nach GBE, 2020)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
3.2.3 Operationsergebnisse
Operative Eingriffe haben das Ziel, die radikulären Symptome eines Bandscheibenvorfalles schnellstmöglich zurückzubilden und weitere Behinderungen durch das Krankheitsbild zu vermeiden. Die Wirksamkeit in Bezug auf Behandlung der Schmerzen durch Operation an der Bandscheibe ist der konservativen Therapie in einem Zeitraum von 1-2 Jahren um bis zu 90% überlegen. (Greitemann & Schmidt, 2020). Demgegenüber beschreiben Reimers & Reimers (2017), dass ebenfalls 90% der Patienten die konservativ behandelt wurden ein gutes bis sehr gutes Behandlungsergebnis erzielen. Kurzfristig bietet die Bandscheibenoperation den Vorteil einer schnelleren Besserung der Symptome und der Vermeidung weiterer neurologischer Defizite. Langfristig bietet die 14/62 operative Behandlung im Vergleich zur konventionellen Methodejedoch ein gleichwertiges Ergebnis. Die operative Behandlung sollte erst erfolgen, wenn konservative Maßnahmen zu keiner Besserung der Schmerzen führen oder eine absolute Operationsindikation gestellt wird. Hierbei ist eine richtige und rechtzeitige Indikationsstellung entscheidend für den Erfolg oder Misserfolg
3.3 Ursachen und Risikofaktoren
3.3.1 Bandscheibendegeneration
Der lumbale Bandscheibenvorfall ist nach Mayer und Heider (2016), eine Folge dege- nerativer Veränderungen der Bandscheibe. Die Degeneration der Bandscheibe wird im Laufe des Lebens durch Altersbedingte Veränderungen, psychische und physische Faktoren beeinflusst (S.427). Die Genetik der betroffenen Patienten spielt bei der Entstehung der Degeneration eine Große Rolle , da diese mit 30-45% an der Degeneration beteiligt ist (Cascorbi, 2016, S.68). Die Bandscheibendegeneration wird nach Diemer und Sutor (2018) nach altersbedingter Degeneration und struktureller Degeneration der Bandscheibe unterschieden. Bei rein altersbedingten Veränderungen kommt es innerhalb der Bandscheibe zu einer verringerten Nährstoffversorgung, Wasserbindungsfähigkeit und einem Flüssigkeitsverlust, welche in einer verringerten mechanischen Belastbarkeit resultieren. Die Bandscheiben verlieren im Verlauf des Alterungsprozesses bis zu 20% Flüssigkeit(Stofft, 2011, S.22). Die Bandscheibe wird durch den Flüssigkeitsverlust insgesamt spröder, steifer und verliert die Fähigkeit den internen des Druck des Nucleus-Pulposus auszuhalten. Der Nucleus Pulposus ist zwar noch fähig Kompressionskräfte aufzunehmen und auf den Anulus Fibrosus zu übertragen jedoch verringert sich die Belastbarkeitsgrenze in Bezug auf die Häufigkeit der Belastungen (Diemer & Sutor ,2018, S.194). Rein degenerative Veränderungen der Bandscheibe unterscheiden sich von Altersbedingten Veränderungen durch einen strukturellen Schaden der Bandscheibenanteile wie die Ruptur des Anulus Fibrosus oder eine Fraktur der vertebralen Endplatte. Die Fraktur der vertebralen Endplatte führt zu einer Störung der Nährstoffversorgung innerhalb der Bandscheibe und einer verminderten Wasserbindungsfähigkeit des Nucleus Pulposus. Auf die Bandscheibe einwirkende Kompressionskräfte werden nun vermehrt durch den Anulus Fibrosus aufgenommen, was den weiteren Abbau von Bandscheibenanteilen begunstigt.
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