Der Risikostrukturausgleich (RSA) wurde in einer vorbereitenden Sitzung von CDU und SPD vom 1. bis 4.10.1992 in Lahnstein „geboren“. Diese sogenannten Lahnsteiner Beschlüsse gingen in das Gesundheitsstrukturgesetz vom 21.12.1992 (GSG) ein. Seit dieser Einführung wurden einige Reformen durchgeführt, welche z. T. später skizziert werden. Die aktuellste Anpassung des damals eingeführten Risikostrukturausgleichs ist die Umstellung von nur wenigen Ausgleichsparametern zugunsten einer Morbiditätsorientierung des RSA. Zu diesem Zweck wurde am 26.03.2007 durch den Gesetzgeber bestimmt, dass das Bundesgesundheitsministerium (BMG) auf Vorschlag des Bundesversicherungsamtes (BVA) einen wissenschaftlichen Beirat bestellt, um bis zum 21.10.2007 ein Gutachten zu erstellen, in welchem diese Umstellung erarbeitet
werden sollte. Unter anderem wurde als Ziel definiert, dass ein geeignetes Versichertenklassifikationsmodell gewählt werden soll, um keine Anreize für Risikoselektion zu bieten.
In dieser Arbeit soll das Ziel hinterfragt werden, ob für die Krankenkassen nach der Einführung des Morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs (M-RSA) nach dem Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats des Bundesversicherungsamtes weiterhin ein Anreiz besteht, Risikoselektion zu betreiben. Folgend wird die Ausgangslage des Gesundheitssystems in Deutschland hin zum Risikostrukturausgleich beschrieben. Weiterhin wird aufgezeigt, welche Fehlentwicklungen der „Ur-RSA“ genommen hat und welche Reformen darauf folgten, um den Weg zum jetzigen morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich nachvollziehen zu können. Die Risikoselektion ist in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ein gewissermaßen übliches − wie auch verpöntes Mittel − um unter anderen betriebswirtschaftlich zu arbeiten. Die Risikoselektion in ihrer Notwendigkeit wie auch in der Ausführung zu beschreiben, bemüht sich das 5. Kapitel in dieser Arbeit.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Vom gegliederten Kassensystem zum Gesundheitsstrukturgesetz
- 2.1 Ausgangslage
- 2.2 Das Gesundheitsstrukturgesetz 1992
- 2.3 Kassenwahlfreiheit
- 2.4 Wettbewerbssicherung und Funktion des Risikostrukturausgleichs
- 3. Wirkung des Risikostrukturausgleichs
- 3.1 Entwicklung des Finanztransfers
- 3.2 Entwicklung der Versichertenbestände
- 3.3 Dysfunktionalitäten im bestehenden Risikostrukturausgleich
- 4. Reform des Risikostrukturausgleichs
- 4.1 Disease-Management-Programme
- 4.2 Risikopool
- 5. Risikoselektion in der gesetzlichen Krankenversicherung
- 5.1 Gründe für Risikoselektion
- 5.2 Identifikation von „guten“ und „schlechten“ Risiken
- 5.3 Formen der Risikoselektion in der GKV
- 6. Die Weiterentwicklung zum Morbiditätsorientierter Risikostrukturausgleich
- 6.1 Möglicher Ausgleich im Sinne der Vermeidung von Risikoselektion
- 6.2 Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats des BVA
- 6.3 Vorgaben an das Gutachten und politische Einflussnahme
- 6.4 Methodik der Krankheitsauswahl
- 6.5 Ergebnisse des Gutachtens
- 6.6 Politisches Echo
- 7. Defizite im Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats im Bezug auf Risikoselektion
- 7.1 Prospektive Betrachtung
- 7.2 Fehlende Aufnahme der Arzneimittelverordnungen
- 7.3 Disease-Management-Programme
- 7.4 Diagnosenpolitik und Kritik an der Listensystematik
- 7.5 Ausgaben außerhalb der Krankheitsliste
- 7.6 Multi-Morbidität, Schwellenwert sowie Altersstandardisierung
- 7.7 Prävalenzgewichtung und Konvergenzklausel nach § 272 SGB V
- 8. Schlussbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht die Weiterentwicklung des Risikostrukturausgleichs (RSA) in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und analysiert, inwieweit der morbiditätsorientierte RSA die Risikoselektion reduziert. Ein besonderer Fokus liegt auf der Bewertung des Gutachtens des Wissenschaftlichen Beirats des Bundesversicherungsamtes.
- Entwicklung und Wirkung des bisherigen Risikostrukturausgleichs
- Analyse der Risikoselektion in der GKV
- Bewertung des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs
- Kritikpunkte und Defizite des Gutachtens des Wissenschaftlichen Beirats
- Auswirkungen auf die Wettbewerbssicherung in der GKV
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Diese Einleitung führt in das Thema der Weiterentwicklung des Risikostrukturausgleichs in der gesetzlichen Krankenversicherung ein und skizziert die zentralen Fragestellungen der Arbeit. Sie umreißt den Kontext der Untersuchung und die Bedeutung des Themas im Hinblick auf die Wettbewerbssicherung und die gerechte Verteilung der Gesundheitskosten.
2. Vom gegliederten Kassensystem zum Gesundheitsstrukturgesetz: Dieses Kapitel beschreibt die Entwicklung des deutschen Gesundheitssystems von einem gegliederten Kassensystem hin zum Gesundheitsstrukturgesetz von 1992. Es analysiert die Einführung der Kassenwahlfreiheit und die damit verbundenen Herausforderungen für den Wettbewerb und die Notwendigkeit eines Risikostrukturausgleichs. Die Kapitelteile beleuchten die Ausgangslage, das Gesundheitsstrukturgesetz, die Kassenwahlfreiheit und die Funktion des Risikostrukturausgleichs im Kontext des Wettbewerbs.
3. Wirkung des Risikostrukturausgleichs: Dieses Kapitel evaluiert die Wirksamkeit des bestehenden Risikostrukturausgleichs. Es analysiert die Entwicklung der Finanztransfers zwischen den Krankenkassen und die Veränderung der Versichertenbestände über die Zeit. Besondere Aufmerksamkeit wird den Dysfunktionalitäten des Systems gewidmet, welche die Notwendigkeit einer Reform unterstreichen. Die Entwicklung des Finanztransfers und der Versichertenbestände wird anhand von Daten und Statistiken dargestellt und interpretiert.
4. Reform des Risikostrukturausgleichs: Dieses Kapitel befasst sich mit den Reformansätzen für den Risikostrukturausgleich. Es beleuchtet die Rolle von Disease-Management-Programmen und die Einführung eines Risikopools als Maßnahmen zur Verbesserung der Risikoverteilung und zur Eindämmung der Risikoselektion. Die Kapitelteile erklären die Funktionsweisen dieser Maßnahmen und deren potenzielle Auswirkungen auf das gesamte System.
5. Risikoselektion in der gesetzlichen Krankenversicherung: Dieses Kapitel untersucht das Phänomen der Risikoselektion in der GKV. Es analysiert die Gründe für Risikoselektion, die Methoden zur Identifizierung von "guten" und "schlechten" Risiken und die verschiedenen Formen, die Risikoselektion in der Praxis annimmt. Die Kapitelteile beleuchten die Mechanismen und die Auswirkungen dieses unerwünschten Verhaltens auf die Stabilität des Systems.
6. Die Weiterentwicklung zum Morbiditätsorientierter Risikostrukturausgleich: Das Kapitel konzentriert sich auf die Weiterentwicklung des Risikostrukturausgleichs hin zu einem morbiditätsorientierten Modell. Es beschreibt verschiedene Ausgleichsmechanismen zur Vermeidung von Risikoselektion, analysiert das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats des BVA und dessen Methodik, und beleuchtet die politischen Reaktionen auf die Ergebnisse des Gutachtens.
7. Defizite im Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats im Bezug auf Risikoselektion: Dieses Kapitel kritisiert das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats und hebt Defizite in Bezug auf die Berücksichtigung von Risikoselektion hervor. Es analysiert die prospektive Betrachtungsweise, den Ausschluss von Arzneimittelverordnungen, die Problematik der Diagnosenpolitik, die Behandlung von Ausgaben außerhalb der Krankheitsliste, die Handhabung von Multimorbidität und Altersstandardisierung, und die Prävalenzgewichtung sowie die Konvergenzklausel nach § 272 SGB V. Die Kritikpunkte werden detailliert dargelegt und mit Beweisen und Argumenten untermauert.
Schlüsselwörter
Risikostrukturausgleich, gesetzliche Krankenversicherung, Risikoselektion, Morbidität, Wettbewerb, Gesundheitsstrukturgesetz, Disease-Management-Programme, Gutachten Wissenschaftlicher Beirat BVA, SGB V, Kassenwahlfreiheit.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Weiterentwicklung des Risikostrukturausgleichs in der gesetzlichen Krankenversicherung
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht die Weiterentwicklung des Risikostrukturausgleichs (RSA) in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und analysiert, inwieweit der morbiditätsorientierte RSA die Risikoselektion reduziert. Ein besonderer Fokus liegt auf der Bewertung des Gutachtens des Wissenschaftlichen Beirats des Bundesversicherungsamtes (BVA).
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt die Entwicklung des deutschen Gesundheitssystems vom gegliederten Kassensystem zum Gesundheitsstrukturgesetz 1992, die Einführung der Kassenwahlfreiheit, die Funktionsweise und Wirkung des bisherigen RSA, die Problematik der Risikoselektion in der GKV, die Reformansätze des RSA (inkl. Disease-Management-Programme und Risikopools), die Weiterentwicklung zum morbiditätsorientierten RSA, die Analyse des Gutachtens des Wissenschaftlichen Beirats des BVA inklusive dessen Methodik und Kritikpunkte, sowie die Auswirkungen auf die Wettbewerbssicherung in der GKV.
Wie ist die Arbeit aufgebaut?
Die Arbeit ist in acht Kapitel gegliedert: Einleitung, Entwicklung vom gegliederten Kassensystem zum Gesundheitsstrukturgesetz, Wirkung des Risikostrukturausgleichs, Reform des Risikostrukturausgleichs, Risikoselektion in der GKV, Weiterentwicklung zum morbiditätsorientierten RSA, Defizite im Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats, und Schlussbetrachtung. Jedes Kapitel behandelt einen spezifischen Aspekt der Thematik.
Was sind die wichtigsten Ergebnisse?
Die Arbeit analysiert die Entwicklung und Wirkung des bisherigen Risikostrukturausgleichs, bewertet den morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich und kritisiert das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats des BVA hinsichtlich verschiedener Defizite bezüglich der Berücksichtigung von Risikoselektion (z.B. prospektive Betrachtung, Ausschluss von Arzneimittelverordnungen, Problematik der Diagnosenpolitik, Multimorbidität, Altersstandardisierung etc.). Die Arbeit zeigt die komplexen Zusammenhänge zwischen RSA, Risikoselektion und Wettbewerbssicherung in der GKV auf.
Welche Schlüsselwörter sind relevant?
Die wichtigsten Schlüsselwörter sind: Risikostrukturausgleich, gesetzliche Krankenversicherung, Risikoselektion, Morbidität, Wettbewerb, Gesundheitsstrukturgesetz, Disease-Management-Programme, Gutachten Wissenschaftlicher Beirat BVA, SGB V, Kassenwahlfreiheit.
Was ist die Zielsetzung der Arbeit?
Die Arbeit zielt darauf ab, die Weiterentwicklung des Risikostrukturausgleichs zu untersuchen und zu analysieren, inwieweit der morbiditätsorientierte RSA die Risikoselektion reduziert. Die Bewertung des Gutachtens des Wissenschaftlichen Beirats des BVA spielt dabei eine zentrale Rolle.
Welche Kritikpunkte werden an dem Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats geäußert?
Die Arbeit kritisiert das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats des BVA hinsichtlich verschiedener Defizite in Bezug auf die Berücksichtigung von Risikoselektion. Diese Kritikpunkte umfassen unter anderem die prospektive Betrachtung, den Ausschluss von Arzneimittelverordnungen, die Problematik der Diagnosenpolitik, die Behandlung von Ausgaben außerhalb der Krankheitsliste, die Handhabung von Multimorbidität und Altersstandardisierung, sowie die Prävalenzgewichtung und die Konvergenzklausel nach § 272 SGB V.
Für wen ist diese Arbeit relevant?
Diese Arbeit ist relevant für Wissenschaftler, Studenten, Gesundheitspolitiker, Mitarbeiter von Krankenkassen und alle, die sich für die Weiterentwicklung des Gesundheitssystems und die Problematik des Risikostrukturausgleichs interessieren.
- Quote paper
- Stefan Wamprechtshammer (Author), 2008, Die Weiterentwicklung des Risikostrukturausgleichs in der gesetzlichen Krankenversicherung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/119208