Der Risikostrukturausgleich (RSA) wurde in einer vorbereitenden Sitzung von CDU und SPD vom 1. bis 4.10.1992 in Lahnstein „geboren“. Diese sogenannten Lahnsteiner Beschlüsse gingen in das Gesundheitsstrukturgesetz vom 21.12.1992 (GSG) ein. Seit dieser Einführung wurden einige Reformen durchgeführt, welche z. T. später skizziert werden. Die aktuellste Anpassung des damals eingeführten Risikostrukturausgleichs ist die Umstellung von nur wenigen Ausgleichsparametern zugunsten einer Morbiditätsorientierung des RSA. Zu diesem Zweck wurde am 26.03.2007 durch den Gesetzgeber bestimmt, dass das Bundesgesundheitsministerium (BMG) auf Vorschlag des Bundesversicherungsamtes (BVA) einen wissenschaftlichen Beirat bestellt, um bis zum 21.10.2007 ein Gutachten zu erstellen, in welchem diese Umstellung erarbeitet
werden sollte. Unter anderem wurde als Ziel definiert, dass ein geeignetes Versichertenklassifikationsmodell gewählt werden soll, um keine Anreize für Risikoselektion zu bieten.
In dieser Arbeit soll das Ziel hinterfragt werden, ob für die Krankenkassen nach der Einführung des Morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs (M-RSA) nach dem Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats des Bundesversicherungsamtes weiterhin ein Anreiz besteht, Risikoselektion zu betreiben. Folgend wird die Ausgangslage des Gesundheitssystems in Deutschland hin zum Risikostrukturausgleich beschrieben. Weiterhin wird aufgezeigt, welche Fehlentwicklungen der „Ur-RSA“ genommen hat und welche Reformen darauf folgten, um den Weg zum jetzigen morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich nachvollziehen zu können. Die Risikoselektion ist in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ein gewissermaßen übliches − wie auch verpöntes Mittel − um unter anderen betriebswirtschaftlich zu arbeiten. Die Risikoselektion in ihrer Notwendigkeit wie auch in der Ausführung zu beschreiben, bemüht sich das 5. Kapitel in dieser Arbeit.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Vom gegliederten Kassensystem zum Gesundheitsstrukturgesetz
2.1 Ausgangslage
2.2 Das Gesundheitsstrukturgesetz 1992
2.3 Kassenwahlfreiheit
2.4 Wettbewerbssicherung und Funktion des Risikostrukturausgleichs
3. Wirkung des Risikostrukturausgleichs
3.1 Entwicklung des Finanztransfers
3.2 Entwicklung der Versichertenbestände
3.3 Dysfunktionalitäten im bestehenden Risikostrukturausgleich
4. Reform des Risikostrukturausgleichs
4.1 Disease-Management-Programme
4.2 Risikopool
5. Risikoselektion in der gesetzlichen Krankenversicherung
5.1 Gründe für Risikoselektion
5.2 Identifikation von „guten“ und „schlechten“ Risiken
5.3 Formen der Risikoselektion in der GKV
6. Die Weiterentwicklung zum Morbiditätsorientierter Risikostrukturausgleich
6.1 Möglicher Ausgleich im Sinne der Vermeidung von Risikoselektion
6.2 Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats des BVA
6.3 Vorgaben an das Gutachten und politische Einflussnahme
6.4 Methodik der Krankheitsauswahl
6.5 Ergebnisse des Gutachtens
6.6 Politisches Echo
7. Defizite im Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats im Bezug auf Risikoselektion
7.1 Prospektive Betrachtung
7.2 Disease-Management-Programme
7.3 Diagnosenpolitik und Kritik an der Listensystematik
7.4 Ausgaben außerhalb der Krankheitsliste
7.5 Multi-Morbidität, Schwellenwert sowie Altersstandardisierung
7.6 Prävalenzgewichtung und Konvergenzklausel nach § 272 SGB V
7.7 Fehlende Aufnahme der Arzneimittelverordnungen
8. Schlussbetrachtung
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Entwicklung des RSA-Transfervolumens 1995 -
Abbildung 2: Krankenstand in v. H. verteilt nach Kassenarten von 1998 bis
Abbildung 3: Verteilung der Arbeitslosen auf die jeweiligen Kassenarten
Abbildung 4: Durchschnittsausgaben in Euro bei DMP-Versicherten
Abbildung 5: Be-/ Entlastungen beim Beitragsbedarf durch die DMP im RSA
Abbildung 6: Beispielsrechnung des Risikopools
Abbildung 7: Umverteilung innerhalb des Risikopool
Abbildung 8: Sogwirkung der Risikoselektion
Abbildung 9: Sinus-Milieu
Abbildung 10: Adverse Selektion
Abbildung 11: Selbsteinschätzung des Gesundheitszustands von Internet-Nutzern
Abbildung 12: Ausgabenkurve von Frauen und Männern aus dem Jahre 2004 der PKV
Abbildung 13: Stilisierte Ausgabenkurve
Abbildung 14: Fehlallokation des bisherigen RSA
Abbildung 15: Zuschlagsmodell im Morbi-RSA
Abbildung 16: Dreiteilung der Versichertengruppen
Abbildung 17: Problematik Schwellenwert vs. Multimorbidität
Abbildung 18: Altersstandardisierung, um einheitlichen Schwellenwert zu ermöglichen
Abbildung 19: Natürlicher Logarithmus
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Entwicklung der Mitgliederverteilung der GKV nach Kassenarten
Tabelle 2: Verteilung der Beitragssätze auf Kassenarten
Tabelle 3: Verweildauer im Vergleich zwischen beschäftigen und arbeitslosen Männern
Tabelle 4: Transferzahlungen 2000 -
Tabelle 5: Beispielsberechnung des Deckungsbeitrags bei chronisch Kranken
Tabelle 6: Beitragsbedarf vs. Leistungsausgaben in der GKV West, 1997 bis
Tabelle 7: Gründe für den Kassenartenwechseln
Tabelle 8: Versicherte mit Leistungsausgaben im obersten Quartil nach KrankheitsauswahlM
Tabelle 9: Zahlenbeispiel Logarithmisierung
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
Der Risikostrukturausgleich (RSA) wurde in einer vorbereitenden Sitzung von CDU und SPD vom 1. bis 4.10.1992 in Lahnstein „geboren“. Diese sogenannten Lahnsteiner Beschlüsse gingen in das Gesundheitsstrukturgesetz vom 21.12.1992 (GSG) ein.1
Seit dieser Einführung wurden einige Reformen durchgeführt, welche z. T. später skiz- ziert werden. Die aktuellste Anpassung des damals eingeführten Risikostrukturaus- gleichs ist die Umstellung von nur wenigen Ausgleichsparametern zugunsten einer Morbiditätsorientierung des RSA. Zu diesem Zweck wurde am 26.03.2007 durch den Gesetzgeber bestimmt, dass das Bundesgesundheitsministerium (BMG) auf Vorschlag des Bundesversicherungsamtes (BVA) einen wissenschaftlichen Beirat bestellt, um bis zum 21.10.2007 ein Gutachten zu erstellen, in welchem diese Umstellung erarbeitet werden sollte.2 Unter anderem wurde als Ziel definiert, dass ein geeignetes Versicher- tenklassifikationsmodell gewählt werden soll, um keine Anreize für Risikoselektion zu bieten.3
In dieser Arbeit soll das Ziel hinterfragt werden, ob für die Krankenkassen nach der Einführung des Morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs (M-RSA) nach dem Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats des Bundesversicherungsamtes weiterhin ein Anreiz besteht, Risikoselektion zu betreiben.
Folgend wird die Ausgangslage des Gesundheitssystems in Deutschland hin zum Risi- kostrukturausgleich4 beschrieben. Weiterhin wird aufgezeigt, welche Fehlentwicklun- gen der „Ur-RSA“ genommen hat und welche Reformen darauf folgten, um den Weg zum jetzigen morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich nachvollziehen zu können. Die Risikoselektion ist in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ein gewisser- maßen übliches − wie auch verpöntes Mittel − um unter anderen betriebswirtschaftlich
zu arbeiten. Die Risikoselektion in ihrer Notwendigkeit wie auch in der Ausführung zu beschreiben, bemüht sich das5. Kapitel in dieser Arbeit.
Anschließend wird das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats (WBR) des BVA be- trachtet und analysiert, um ein Grundverständnis für die neue Herangehensweise der Umverteilung unter den Krankenkassen zu erhalten.
Die Dysfunktionalitäten des neuen Morbi-RSA werden später in Kapitel 7. in ihren Ein- zelheiten erklärt und erläutert.
Abschließend werden in der Schlussbetrachtung die Ergebnisse bewertet und mögliche Alternativen angesprochen, sowie die Fragestellung der Arbeit beantwortet.
2. Vom gegliederten Kassensystem zum Gesundheitsstrukturgesetz
2.1. Ausgangslage
Seit der Einführung des Gesetzes der Krankenversicherung für Arbeiter, welches auf Bismarck im Jahre 1883 zurückgeht, galt in der GKV ein berufs- bzw. betriebsorientier- tes System für alle Pflichtversicherten.5 Gegliedert wurde in:6
- Die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) waren als Basiskasse gene- rell für alle Pflichtversicherten zuständig.
- Die Betriebskrankenkassen (BKK), die die Funktionen der AOK für die Mitgliedsbetriebe übernahmen. War der Betrieb Mitglied in einer Innung, waren die versicherungspflichtigen Mitarbeiter in einer Innungskranken- kasse (IKK).
- Die Ersatzkassen, welche kein zugewiesenes Klientel hatten. Sie konnten sich für besondere Berufsgruppen öffnen, z. B. die Techniker Kranken- kasse (TK) nur für technische Angestelltenberufe und die Gmünder Er- satzkasse (GEK) nur für besondere Metallfacharbeiter.
- In Sondersysteme wie der Bundesknappschaft (BK) für Bergarbeiter, die See-Krankenkasse (SeeKK) für die Seeleute, sowie die Landwirtschaftli- chen Krankenkassen (LKK) für Landwirte.
Dieses System der Trennung und Ungleichbehandlung von Arbeitern und Angestellten wurde gesellschaftspolitisch schon sehr lange kritisiert. Das Lohnfortzahlungsgesetz von 1969, das die Arbeiter den Angestellten beim Krankengeld gleichstellte, war der erste Schritt zur Gleichbehandlung.
Seit Kriegsbeginn stieg der Anteil der Angestellten, gemessen an den Erwerbstätigen, stetig. Die nachfolgende Tabelle zeigt die Mitgliederverteilung von 1938 bis 1989, in der insbesondere der Mitgliederverlust der AOK und der Zugewinn der Angestellten- Ersatzkassen deutlich wird.7
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Entwicklung der Mitgliederverteilung der GKV nach Kassenarten 1938 -1989 (in v. H. im Jahres- durchschnitt)8
Diese deutlichen Wanderbewegungen zwischen den Krankenkassen waren dabei nicht allein der Grund für die seit Anfang der 80er Jahre laufende ordnungspolitische Debatte über den Zweck der gegliederten GKV. Wirklich ausschlaggebend waren die enormen Beitragssatzunterschiede, für die es keine sachliche Begründung gab. Folgende Tabelle zeigt eine Spanne der Beitragssätze von 8 bis zu 16 Prozentpunkten. Selbst wenn bei ca. zwei Dritteln der Kassen der Beitragssatz „lediglich“ zwischen 10 und 14 Prozent schwankte, waren diese Umstände zu der Zeit politisch nur schwer zu tragen.9
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 2: Verteilung der Beitragssätze auf Kassenarten 198910
Diese Gegensätze sind nur durch die sehr unterschiedlichen Grundlohnsummen und Risikobelastungen zu erklären. So lag im Vergleich die Grundlohnsumme im Jahr 1988 der BKK bei 120,0 % und bei der IKK bei lediglich 85,6 %. Diesen Nachteil konnten die IKKs dagegen etwas kompensieren, da die Hälfte ihrer Mitglieder jünger als 30 Jah- re war. Die AOK mit einer Grundlohnsumme von 94,4 % hatte jedoch 61,1 % der Ar- beitslosen und 67,4 % der Behinderten und Rehabilitanden unter ihren Versicherten. Aus diesem Grund sah die unabhängige GKV-Enquete-Kommission und der Sachver- ständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen einen dringenden Hand- lungsbedarf zum Ausgleich der Risikostrukturunterschiede.11
2.2. Das Gesundheitsstrukturgesetz 1992
In den sogenannten Lahnsteiner Beschlüssen griff der Gesetzgeber ordnungspolitisch in die Rahmenbedingungen des deutschen Gesundheitswesens ein. Das am 21.12.1992 verabschiedete Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) wurde parteiübergreifend beschlossen und man einigte sich auf folgende Kernpunkte:12
- Freie Kassenwahl für alle Versicherungsberechtigten ab dem 01.01.1996. Wobei ein Kontrahierungszwang für alle Kassen (ohne BKK und IKK)13 galt. Der Sta- tus der Bundesknappschaft, See-Krankenkasse und Landwirtschaftlichen Kassen blieb erhalten.
- Ab dem 01.01.1994 wurde ein deutschlandweiter kassenartenübergreifender RSA für die allgemeine Krankenversicherung (AKV) eingeführt. Dadurch sollen folgende Risiken abgedeckt werden:
- Einkommen,
- mitversicherte Familienangehörige,
- Alter und
- Geschlecht.
- Der RSA wurde zunächst nach Ost und West getrennt durchgeführt und die Grundlohnsumme der neuen Länder sollte 90 % des Grundlohnniveaus der Westländer annehmen.
- Vorstand und Vertreterversammlung der Krankenkassen werden zu einem Ver- waltungsrat zusammengefasst.
Diese Punkte stellten einen Paradigmenwechsel im deutschen Gesundheitswesen dar, der mit der Einführung des für 2009 geplanten Gesundheitsfonds zu vergleichen ist.
Die Sonderrechte für BKK, IKK und die BK sowie für die See-KK14 schafften neue Möglichkeiten zur Risikoselektion. Dadurch entstanden wiederum Wettbewerbsverzer- rungen, die Ausgangspunkt für die aktuelle RSA-Reform wurden.15
2.3. Kassenwahlfreiheit
Für die Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung besteht seit dem 01.01.1996 das Recht auf freie Kassenwahl.16 Die Kündigung der Mitgliedschaft als Voraussetzung für einen Kassenwechsel konnte ab dem 01.01.1996 erfolgen. Die Mitgliedschaft in der neuen Kasse erlangte allerdings erst ab dem 01.01.1997 Wirksamkeit. Durch diese Frei- gabe der Kassenwahl begann der Wettbewerb zwischen den einzelnen Kassen und Kas- senarten. Ziel war es, eine bedarfsgerechtere, effektivere und effizientere Gesundheits- versorgung für die Versicherten zu erreichen.17 Dieses Kassenwahlrecht wurde verbun- den mit einem Kontrahierungszwang sowie mit einem Diskriminierungsverbot in Bezug auf die frei wählbaren Kassen.18 Kontrahierungszwang bezeichnet: „die gesetzlich auf- erlegte Pflicht zur Annahme eines Vertragsangebotes. Anders als in der privaten Kran- kenversicherung unterliegen in der gesetzlichen Krankenversicherung die Krankenkas- sen dem Kontrahierungszwang: Sie sind zur Aufnahme neuer Mitglieder unabhängig von deren Gesundheitsstatus oder finanzieller Leistungskraft verpflichtet.“19
Diese Festschreibung war unentbehrlich und garantiert so die Ausübung des Wahlrechts für alle Versicherten, indem die frei zugänglichen Krankenkassen gesetzlich verpflichtet sind, jeden Interessenten aufzunehmen.20
Der Wahlfreiheit wurde 1994 der Risikostrukturausgleich vorausgeschickt, ohne den die Wahlfreiheit so nicht zielführend gewesen wäre.
2.4. Wettbewerbssicherung und Funktion des Risikostrukturausgleichs
In der gesetzlichen Krankenversicherung übernimmt der Beitragssatz eine Preisfunkti- on. Doch der Beitragssatz ist nicht der Gradmesser der Effizienz einer Krankenkasse, sondern er spiegelt die eigentliche Versichertenstruktur wieder. Die günstigsten Bei- tragssätze können also nicht die effizientesten Kassen bieten, sondern die Versicherun- gen mit der optimalsten Versichertenstruktur. Dieser Fakt würde zu einer falschen
Wahlentscheidung der Kunden führen und insbesondere aus Wettbewerbsgerechtig- keitsgründen heraus wurde der Risikostrukturausgleich eingeführt.21 Ohne den Aus- gleich der Versichertenstruktur der jeweiligen Kasse könnte ein sinnvoller Wettbewerb unter den Kassen nicht stattfinden. Eine Entmischung der Risiken würde binnen kürzes- ter Zeit stattfinden. Gleichwohl ist Wettbewerb in der GKV kein Selbstzweck. Er soll eine bessere Güterversorgung und Bedürfnisbefriedigung im Krankheitsfall gewährleis- ten, indem er die Krankenkassen und Leistungserbringer dazu bringt,:
- „die im Rahmen der GKV vorgesehen Gesundheitsleistungen nach Art und Qua- lität so bereit zu stellen, dass sie den Patientenwünschen entsprechen;
- die Produktionsfaktoren effizient einzusetzen und die Gesundheitsleistungen möglichst wirksam und kostengünstig zu erbringen;
- medizinische, technische und ökonomische Innovationen einzuführen und da- durch die Patienten qualitativ immer besser und preisgünstiger zu versorgen; sowie
- die eingesetzten Produktionsfaktoren leistungsgerecht zu entlohnen und sich fle- xibel an medizinische, medizintechnische, ökonomische und politische Daten- änderungen anzupassen.“22
Ein so verstandener Wettbewerb um Leistung lässt sich von RSA-Gegnern nur schwer angreifen.
Um die Effekte der Versichertenstruktur zu bereinigen, werden einige Risikofaktoren (siehe Kapitel 2.2) zwischen den Kassen ausgeglichen. Ziel dieses Ausgleichs ist es nicht, den Beitragssatz aller Krankenkassen pauschal anzugleichen, sondern die wett- bewerbsverzerrenden Elemente zu verringern und den Beitragssatz als funktionierenden Preisindikator zu verwenden.
Funktion
Die Funktion des RSA wird hier nur sehr kurz und vereinfacht dargestellt, um einen Einblick in die Systematik zu gewähren. Dieser Themenbereich allein würde den Rah- men dieser Arbeit überschreiten.
Im Rahmen des Risikostrukturausgleichs werden nicht die tatsächlichen Ausgaben der Krankenkassen berücksichtigt, sondern durchschnittliche Leistungsausgaben der gesam- ten GKV.
Ausgeglichen werden die:
- „ Einnahmeunterscheide aufgrund der unterschiedlichen Höhe der bei- tragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder (Grundlohnsumme)
- Belastungsunterschiede aufgrund
-unterschiedlicher Verteilung der Morbiditätsrisiken der Versi- cherten einer Krankenkasse,
- unterschiedlicher Anteile von beitragsfrei versicherten Familien- angehörigen.“23
Um einen Finanzausgleich gestalten zu können, müssen zwei Kernelemente (Finanz- kraft und Beitragsbedarf) definiert und berechnet werden. Die Finanzkraft zeigt das Einnahmepotenzial einer Kasse und der Beitragsbedarf gibt die notwendigen Ressour- cen zur Versorgung der Mitglieder wieder.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Um diesen Anspruch oder diese Verpflichtung berechnen zu können, muss die durch- schnittliche GKV-Versichertenstruktur simuliert und berechnet werden. Der RSA selber wird im sogenannten Zellenansatz gebildet. Jeder dieser Zellen wird der GKV-weite Leistungsausgabendurchschnitt zugerechnet. Die Zellen werden anhand der Risikofak- toren gebildet: Krankengeld (drei verschiedene Möglichkeiten), Alter (91 verschiedene Möglichkeiten), Geschlecht (zwei verschiedene Möglichkeiten), und Erwerbsminde- rungsrente (2 verschiedene Möglichkeiten). Folglich errechnen sich insgesamt 3 x 91 x 2 x 2 = 1.092 verschiedene Zellen. Die Erwerbsminderungsrente wird jedoch nur im Alter von 35 bis 65 belegt und so bleiben folglich noch 670 Zellen.23
Für die Berechnung des kassenindividuellen Beitragsbedarfs sind über alle Versicher- tengruppen hinweg die Versichertenzeiten mit den durchschnittlichen standardisierten Leistungsausgaben der einzelnen Zelle zu multiplizieren. Die Summe ergibt den Bei- tragsbedarf, den die jeweilige Krankenkasse aus dem Risikostrukturausgleich zugewie- sen bekommt.24
Zur Ermittlung der Finanzkraft einer Kasse wird der GKV-weite Ausgleichsbedarfssatz
(ABS) berechnet. Er wird wie folgt berechnet:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Der ABS ist ein fiktiver durchschnittlicher Beitragssatz zur Finanzierung der im RSA berücksichtigten Leistungsausgaben. Der Ausgleichsbedarfssatz für das Jahr 2007 be- trug 13,0176 % .25
Um nun die Finanzkraft tatsächlich ermitteln zu können, wird der ABS mit den Ein- nahmen der Mitglieder einer Krankenkasse multipliziert. Diese Finanzkraft entspricht dem Anteil der beitragspflichtigen Einnahmen, den die Krankenkasse zur Finanzierung des Risikostrukturausgleichs erbringen muss.26
Letztendlich wird der Beitragsbedarf und die Finanzkraft gegenübergestellt, um festzu- stellen, ob ein Bedarf oder eine Verpflichtung entstanden ist.
3. Wirkung des Risikostrukturausgleichs
Nachdem der Risikostrukturausgleich 1994 eingeführt wurde, zeigten sich über die Jah- re hinweg deutliche Entwicklungen, die in den folgenden Punkten beleuchtet werden, um die Zielverfehlung zu verdeutlichen.
3.1. Entwicklung des Finanztransfers
Die Höhe des Finanztransfers zeigt das jeweilige Ausmaß der Risikomischung in der gesetzlichen Krankenversicherung. Würde es in Deutschland eine Einheitsversicherung geben − sprich nur eine einzige Krankenkasse − bestünde keine Notwendigkeit für den RSA. Dann würden Einkommensschwache für Einkommensstarke, Junge für Alte, Kin- derlose für Kinderreiche, Gesunde für Kranke solidarisch mitbezahlen. Die Höhe des Ausgleichs wäre in diesem Fall genau 0 Euro.
Insofern lässt sich an der Höhe des Finanzausgleichs die Risikoentmischung zwischen den Kassenarten ablesen. In der folgenden Abbildung sind die Transfervolumina der vergangen 10 Jahre zu sehen.27
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Entwicklung des RSA-Transfervolumens 1995 - 200128
Hieran zeigt sich, dass die Verringerung der Anzahl von 96029 Krankenkassen im Jahr 1995 auf zurzeit 219 (Stand Februar 2008),30 nicht zu einer Mischung der Risiken und einem Sinken des Finanztransfers, sondern zum genauen Gegenteil geführt hat.
Die freie Kassenwahl hat diese Wechselmöglichkeit erst möglich gemacht, jedoch ohne Einführung dieses Solidarausgleichs zwischen den Kassen wäre ein Fortbestehen vieler Kassen nicht möglich gewesen. Nun lässt sich trefflich streiten, ob dies eine schlechte Entwicklung wäre. Diese Diskussion ist berechtigt, wird aber in dieser Arbeit nicht be- handelt.
Von vielen Vertretern der „Nettozahler“, sprich von Kassen mit sehr guter Risikostruk- tur, wird häufig das Ziel genannt, den Ausgleich auf lange Frist zu minimieren. Es ist aber nicht das Hauptziel, die Zahlungen zu minimieren, sondern die unterschiedlichen Risiken der Einzelkassen so auszugleichen, dass fairer Wettbewerb zwischen den Kas- sen geführt werden kann. Wie in Abbildung 1 ersichtlich, scheint dies über 10 Jahren nach der Einführung nötiger denn je.
3.2. Entwicklung der Versichertenbestände
Anhand verschiedener Entwicklungen der Versichertenbestände lässt sich ein gewisses Risikobild der einzelnen Kassenarten über die Jahre erkennen. Um ein vollständiges Bild zu zeichnen, wären die Komplettdaten der über 200 Krankenkassen notwendig. Für diese Arbeit liegen diese Daten leider nicht vor, sondern die offiziellen Statistiken des Bundesministeriums für Gesundheit, sortiert nach Kassenarten.
Anhand vom Krankenstand der Kassenarten, der Verteilung der Arbeitslosen und der unterschiedlichen Transferzahlungen wird in dieser Arbeit versucht, eine Tendenz der Versichertenverteilung zwischen den Kassen aufzuzeigen.
Krankenstand:
Der Krankenstand der pflichtversicherten Mitglieder in der gesetzlichen Krankenversi- cherung variiert zum Teil sehr deutlich und ist unstetig. Er unterliegt regionalen Epide- mien und ebenso der aktuellen wirtschaftlichen Lage des Landes. So wurden in Zeiten von hoher Arbeitslosigkeit und politischen Unsicherheiten die niedrigsten Krankenstän- de verzeichnet, da niemand durch Krankheit seine berufliche Sicherheit gefährden will. Es soll aber weniger die individuelle Morbidität, sondern vielmehr die Verteilung der Kranken auf die verschiedenen Krankenkassenarten gezeigt werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Krankenstand in v.H. verteilt nach Kassenarten von 1998 bis 200631
Die Verteilung des jeweiligen Krankenstandes der Mitglieder der jeweiligen Kassenar- ten zeigt ein zum Teil homogenes, zum Teil auch ein sehr differenziertes Bild.
Kassen wie die AOK, die IKK, die Ersatzkassen der Arbeiter und der Angestellten, fol- gen stark der jeweiligen Tendenz der Gesamt-GKV. Wobei die AOK und die IKK über Jahre hinweg über dem Durchschnittswert liegen und somit eine schlechtere Morbidität aufzeigen als die Rest-GKV.
Eine stark negative Entwicklung ist bei der See-Krankenkasse zu sehen. Dies lässt auf Abwanderungstendenzen schließen. Eine typische Entmischung der Risiken – die Jun- gen und Gesunden verlassen die Kasse, die Alten und Kranken verbleiben bei der an- gestammten Versicherung. Im Jahr 2006 wurde das Negativ-Niveau von rd. 5 Prozent der Bundesknappschaft erreicht. Beide Versicherungen fusionierten zum 01.01.2008.
Interessant ist zudem, dass die BKK seit 2002 über das „gesündeste“ Klientel der GKV verfügen. Fraglich und leider durch die Statistik des BMG nicht nachvollziehbar ist, ob dies durch Risikoselektion erreicht wurde, oder nicht.
Arbeitslosenanteil:
Der Anteil der Arbeitslosen in einer Krankenversicherung sagt an sich nur wenig aus. Wenn man hingegen weiß, welche Kosten bzw. Gesundheitsrisiken dadurch entstehen können, fällt der Anteil der Arbeitslosen einer Kasse betriebswirtschaftlich ins Gewicht. So wurde durch eine Studie des Robert Koch-Instituts belegt, dass Versicherte ohne eine feste Anstellung ein höheres Morbiditätsrisiko aufweisen als Berufstätige. Hierzu ein paar Fakten:32
- Arbeitslose Männer verbringen mehr als doppelt so viele Tage im Kran- kenhaus wie berufstätige Männer; bei arbeitslosen Frauen sind es 1,7fach so viele Tage.
- 34 % der berufstätigen Männer gaben an, zum Zeitpunkt der Befragung täglich zu Rauchen. Unter den Arbeitslosen waren es 49 %.
- Während 40 % der berufstätigen Männer mindestens eine Stunde in der Woche Sport trieben, waren es nur 30 % der arbeitslosen Männer.
- 15 % der Frauen mit einer festen Beschäftigung waren adipös, hingegen 23 % der arbeitslosen Frauen.
Die Verweilzeiten in Krankenhäusern von Männern in ausgewählten ICD10-Diagnosen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 3: Verweildauer im Vergleich zwischen beschäftigen und arbeitslosen Männern bei ausgesuchten Diagnosen33
Ein Vielfaches an Kosten entsteht also durch arbeitslose Versicherte. Da dieses Klientel folglich zu den „schlechten Risiken“ gehört, ist keine Krankenkasse erpicht darauf, die- se Kunden zu versichern.
Nach der Zusammenfassung der Daten des Bundesministeriums für Gesundheit ergibt sich für Deutschland von 1998 bis 2006 folgendes Bild:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Verteilung der Arbeitslosen auf die jeweiligen Kassenarten von 1998 - 2006 in v.H.34
Abbildung 3 zeigt, dass knapp die Hälfte aller Arbeitslosen bei einer der AOKs versi- chert ist. Dies hat wie bereits beschrieben betriebswirtschaftliche Nachteile, die der jet- zige RSA nicht ausgleicht. In der Grafik kaum zu erkennen sind die LKK, SeeKK sowie die Bundesknappschaft, da diese drei Kassenarten zusammen nur ca. 1 % der Arbeitslo- sen in Deutschland versichern.
Die Betriebskrankenkassen verzeichneten ab dem Jahr 2002 einen leichten Sprung nach oben auf ca. 14 %. Dieser Sprung kann durch Wanderbewegungen oder enorme Kündi- gungswellen seitens der Betriebe der Betriebskrankenkassen erklärt werden.
Transferzahlungen:
Nicht jede Versicherung erhält die selbe Summe aus dem RSA. Ebenso wenig bezahlt jede gleich viel ein. Die Unterschiede dieser Transferzahlungen über die Zeit hinweg zeigt ein Bild von Wanderbewegungen zwischen den Kassen.
Es lässt sich an folgender Tabelle sehr leicht erkennen, dass die AOKs tendenziell mehr per Saldo aus dem RSA erhalten und folglich mehr Risikoklientel in ihren Reihen ha- ben.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
* Der RSA-Saldo bundesweit weicht ab £003 in Höhe der von der Bundesknappschałt eingezogenen Beiträge łür geringłügig Be- schäłtigte von Null ab, da diese wie die ¢inanzkrałt der Krankenkassen zur ¢inanzierung des Beitragsbedarłs der GKV herangezo- gen werden.
“-“ = Zahlungsverpłlichtung
Tabelle 4: Transferzahlungen 2000 - 2005 Beiträge in Mio. Euro35
Als vormaliger Großzahler im Jahr 2000 hatten die Ersatzkassen für Arbeitnehmer risi- koarme Versicherte, die zum Teil bis 2005 zu den Betriebskrankenkassen abgewandert sind.
3.3. Dysfunktionalitäten im bestehenden Risikostrukturausgleich
Fehlanreize und falsche Entwicklungen im „Ur-RSA“ gibt es viele. Leider können in dieser Arbeit nicht alle beleuchtet werden. So werden die wichtigsten bzw. weitrei- chendsten Punkte besprochen, um das „Unvermögen“ des RSA aufzuzeigen, und auf den Rest wird lediglich verwiesen.
Der Hauptgrund für die begrenzte Funktionalität des RSA liegt darin, dass die Ausga- bennormierung hinsichtlich Alter, Invalidität und Geschlecht, sowie mitversicherten Familienangehörige an groben indirekten Morbiditätskriterien festgemacht wird und mit den tatsächlichen durchschnittlichen Ausgaben über alle Kassen hinweg als Ausgleichs- richtgröße gearbeitet wird.36 Diese Kritik wird in einschlägiger Literatur immer wieder genannt. Solange die Kriterien des Risikoausgleichs nicht den Kern der tatsächlichen Ausgaben der Versicherten treffen, kann ein solches System nur sehr schwierig funktio- nieren. Ein faktischer Ist-Kostenausgleich wäre ein kaum zu organisierender Aufwand, da nicht alle Kosten, die ein Versicherter verursacht, bei der jeweiligen Kasse in Daten- form zusammenlaufen. Diese würden der jeweiligen Kassenärztlichen bzw. Kassen- zahnärztlichen Vereinigung vorliegen. Zum anderen bestünde kein Anreiz mehr, die Produktionsfaktoren effizient einzusetzen und die Gesundheitsleistungen/ Dienstleis- tungen möglichst wirksam und kostengünstig zu erbringen. Ebenso fehlt der Ansporn, medizinische, technische und ökonomische Innovationen einzuführen und dadurch die Patienten qualitativ immer besser und preisgünstiger zu versorgen.37
Man benötigt also einen Anreiz, um nicht wie in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) einen vollständigen Ausgleich der Kosten unter den teilnehmenden Kassen zu schaffen, denn das Ergebnis war, dass den Kassen die Ausgaben und die Bestimmungen dieses Klientels egal waren, da sie den Beitragssatz nicht beeinflussten.38 Eine Fehlent- wicklung in diese Richtung soll es natürlich nicht mehr geben. So braucht es eine Aus- gewogenheit zwischen Anreiz und Ausgleich der tatsächlichen Kosten.
Hemmnisse, aktiv ins Versorgungsmanagement einzusteigen bestehen, solange kein Finanzausgleich für Multi-Morbide und chronisch Kranke gefunden wird. Erst wenn ein zumindest neutraler Deckungsbeitrag für diesen Personenkreis erzielt werden kann, be- steht kein Risiko mehr für die Krankenkassen, besondere Versorgungsprogramme an- zubieten.
Beispiel:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten39
Tabelle 5: Beispielsberechnung des Deckungsbeitrags bei chronisch Kranken
Ein mögliches Risiko bestünde darin, dass wenn eine Versicherung besondere Versor- gungsprogramme auflegt um Kosten zu sparen und die Patienten besser zu versorgen, genau dieser Personenkreis der Kasse beitritt, um in den Genuss der optimierten Ver- sorgung zu gelangen. Gelingt es der Krankenkasse nicht, die Kosten um mindestens 186 Euro zu senken, dann bedeutet dies einen betriebswirtschaftlichen Verlust, den es zu vermeiden gilt. Bei einem neutralen Deckungsbeitrag besteht der wirtschaftliche An- reiz, solche Programme ins Leben zu rufen und kein weiteres Risiko einzugehen und trotzdem durch optimierte Versorgung Mitglieder zu gewinnen.40
Eine weitere Dysfunktionalität des Finanzausgleichs besteht darin, dass es möglich ist, dass einzelne Krankenkassen, die zu den „Netto-Empfängern“ aus dem RSA gehören, mit Unterstützung des RSA einen Beitragssatz unterhalb des Ausgleichsbedarfssatzes anbieten können. Die Knappschaft kann zurzeit einen Beitragssatz von 12,7 %41 (plus Zusatzbeitrag von 0,9 % nach § 241a SGB V) anbieten. Dies ist möglich, da sie aus dem RSA Gelder bezieht, die direkt in die Beitragssatzsenkung fließen können. Im Jahr 2005 bezog die Bundesknappschaft knapp 1,6 Mrd. Euro (entspricht ca. 7,9 Beitragssatz- punkte). Somit kann sie diese niedrigen Beitragssätze anbieten, welche weit unter denen der „großen“ Anbieter liegen und im Jahr 2007 selbst unter dem Ausgleichsbedarfssatz (Kapitel 2.4).42
Dies zeigt, wie mittelbar und nicht zielgerichtet die Gelder im Finanzausgleich verteilt werden.
Die Beitragsbedarfe der verschiedenen Krankenkassen bezüglich der Risikostruktur sind, wie eingangs bereits erwähnt, unterschiedlich. Ein funktionierender RSA sollte die Beitragsbedarfe den tatsächlichen Leistungsausgaben zumindest annähernd angleichen. Doch wird aus folgender Abbildung deutlich, dass die RSA-Ausgleichskriterien den agierenden Krankenkassen keine gleichen Chancen am wettbewerblichen organisierten Markt einräumen.43
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 6: Beitragsbedarf vs. Leistungsausgaben in der GKV West, 1997 bis 2005 43
Deutlich ist zu sehen, dass die BKK, die IKK und die SeeKK in den gezeigten neun
Jahren geringere Leistungsausgaben vorweisen konnten als ihnen nach dem RSA ei- gentlich als Beitragsbedarf zugestanden hätte. Die AOK und die Mitgliedskassen des Verbandes der Angestellten-Krankenkassen (VdAK) lagen hingegen dauerhaft über den 100 % der Beitragsbedarfe und hatten also Mehrausgaben in den Hauptleistungsberei- chen (Ärzte, Zahnärzte, Apotheken, Krankenhaus, Krankengeld) zu verzeichnen. Die Werte in Ostdeutschland sind geringfügig abweichend.44
Darüber hinaus gibt es noch weitere Probleme, die ein RSA in dieser Form nicht lösen oder verhindern kann, sondern sogar verursacht. Diese werden an dings nur exemplarisch genannt.
dieser Stelle aller-
- Anreize zu regionaler Risikoselektion:
Der RSA setzt Anreize, die eine überregionale Krankenkasse dazu anhalten kann, sich aus ausgabenintensiven Regionen zurückzuziehen. So wäre es zum Beispiel denkbar, keine Geschäftsstellen mehr in Großstädten anzubieten (Kapi tel 5.2), bzw. die Werbung für die eigene Versicherung in diesem Bereich zu minimieren.45
- Datenerhebungsprobleme:
Probleme entstehen, da die Krankenkassen über keine einheitlichen Computer- systeme verfügen und daher die Gefahr von Doppelversicherungszeiten besteht. Besonders bei den beitragsfrei versicherten Familienangehörigen gibt es häufig Übermittlungsfehler. Sei es, dass während einer Familienversicherung ein Wechsel des Hauptversicherten zu einer anderen Krankenkasse stattfindet oder die jährlichen Familienfragebögen fehlerhaft oder falsch ausgefüllt werden. Der
Aufwand für eine Kasse, dies korrekt zu prüfen, ist nicht unerheblich und oft erst später und zudem nur stichprobenhaft möglich.46
Ebenso scheint die Datenerhebung als solches für den RSA völlig unzureichend. Die Datenbasis von etwa 2 Millionen Versichertendatensätzen bzw. höchstens 10 Prozent aller in der GKV Versicherten47 ist nicht repräsentativ genug, um die maßgeblichen Daten Finanzkraft, Leistungsausgaben und Versichertenzeiten hinreichend genau feststellen zu können.48
- Unvollständiger Grundlohnsummenausgleich:
Krankenkassen mit einem überdurchschnittlich hohen Anteil an Rentnern, Ar- beitslosen, Sozialhilfeempfängern und geringer Verdienenden stehen deutlich geringere Einnahmen zur Verfügung als Krankenkassen mit überwiegend besser verdienenden Mitgliedern. Sie sind daher gezwungen, einen höheren Beitrags- satz zu erheben als Krankenkassen, die vor allem junge, gesunde und gut verdie- nende Mitglieder haben. Um einkommensbedingte Wettbewerbsverzerrungen und die Selektion von besser verdienenden Versicherten zu vermeiden, werden die Grundlohnunterschiede im Risikostrukturausgleich zwar ausgeglichen – al- lerdings nur bis zu 92 Prozent. Die restlichen 8 Prozent der erhobenen Beiträge verbleiben bei der jeweiligen Kasse. In Abhängigkeit von der Höhe der Grund- löhne der einzelnen Krankenkasse, stehen den Krankenkassen somit je Mitglied
[...]
1 Vgl. http://www.forum-gesundheitspolitik.de/meilensteine/meilensteine.pl?content=1977-1993
2 Vgl. §31 Abs. 2 RSAV
3 Vgl. §31 Abs. 1 RSAV
4 Vgl. § 266 SGB V
5 Vgl. Beske/Hallauer, Das Gesundheitswesen in Deutschland, S. 68
6 Vgl. http://dip.bundestag.de/btd/14/056/1405681.pdf, S. 3
7 Vgl. Reiners Hartmut, Risikostrukturausgleich 2006, S. 15
8 Vgl. http://dip.bundestag.de/btd/11/063/1106380.pdf, Enquete Kommission, S. 187
9 Vgl. Reiners Hartmut, Risikostrukturausgleich 2006, S. 15
10 Vgl. http://dip.bundestag.de/btd/11/063/1106380.pdf, Enquete Kommission, S. 188
11 Vgl. Reiners Hartmut, Risikostrukturausgleich 2006, S. 16 f, zit. n. GKV-Enquete 1990 , S. 423 ff., SVR-G 1988, Zi. 203 ff.,1989 Zi. 338 ff.
12 Vgl. Schneider Werner, Der Risikostrukturausgleich in der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 169 ff.
13 Beide Kassen hatten die Wahl sich für alle zu öffnen oder sich auf ihren traditionellen Personenkreis zu beschränken.
14 Die See-KK fusionierte am 01.01.2008 mit der Bundesknappschaft und sind nun aktiv im Wettbewerb vertreten. Vgl http://www.haufe.de/sozialversicherung/newsDetails?newsID=1196693072.14
15 Vgl. Reiners Hartmut, Risikostrukturausgleich 2006, S. 29
16 Vgl. §§ 173 – 175 Fünftes Buch SGB, Fassung von 01.01.2008
17 Vgl. Jacobs Klaus et al., Zur Wirkung des Risikostrukturausgleichs in der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 13
18 Vgl. § 175 Abs.1 SGB V
19 Vgl. http://www.aok-bv.de/lexikon/k/index_02221.html
20 Vgl. Lugauer Tobias, Die Entwicklung des Risikostrukturausgleichs, S. 9
22 Vgl. Jacobs Klaus et al., Zur Wirkung des Risikostrukturausgleichs in der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 17
23 Vgl. http://www.bundesversicherungsamt.de/cln_048/nn_1046668/DE/Risikostrukturausgleich/Wie__funktioniert RSA.html, S.2
24 Vgl. Ebenda, S.4 ff.
25 Vgl. http://www.bundesversicherungsamt.de/nn_1046746/DE/Risikostrukturausgleich/RSA-Bekanntmachungen/ Bekanntmachung__206,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/Bekanntmachung_206.pdf, S. 1
26 Vgl. http://www.bva.de/Fachinformationen/Risikostrukturausgleich/Informationen/Wie-funktionert-RSA.pdf, S.7
27 Vgl. Jacobs Klaus et al., Zur Wirkung des Risikostrukturausgleichs in der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 19
28 Vgl. Göpffarth et al., Risikostrukturausgleich, Daten auf beiliegender CD
29 Vgl. http://www.bmg.bund.de/nn_601136/SharedDocs/Download/DE/Datenbanken-Statistiken/Statistiken-Gesundheit/
Statistische-Taschenbuecher/Ausgabe-2001/pdf-0903-pdf,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/pdf-0903-pdf.pdf
30 Vgl. http://www.bmg.bund.de/cln_040/nn_601098/SharedDocs/Download/DE/Datenbanken-Statistiken/Statistiken-Gesund heit/Gesetzliche-Krankenversicherung/Mitglieder-und-Versicherte/KM1-febr-08,templateId=raw,property=public cationFile.pdf/KM1-febr-08.pdf, S. 6
31 Vgl. http://www.bmg.bund.de/cln_040/nn_601098/SharedDocs/Download/DE/Datenbanken-Statistiken/Statistiken- Gesundheit/Gesetzliche-Krankenversicherung/Mitglieder-und-Versicherte/KM1JD2004-pdf-5112,templateId=raw,property publicationFile.pdf/KM1JD2004-pdf-5112.pdf , S. 57 - 83
32 Vgl. http://www.rki.de/cln_049/nn_196350/DE/Content/GBE/Gesundheitsberichterstattung/GBEDownloadsT/arbeitslosigkeit, templateId=raw,property=publicationFile.pdf/arbeitslosigkeit.pdf, S. 1 ff.
34 Vgl. http://www.bmg.bund.de/cln_040/nn_601098/SharedDocs/Download/DE/Datenbanken-Statistiken/Statistiken-Gesundheit/ Gesetzliche-Krankenversicherung/Mitglieder-und-Versicherte/KM1JD2004-pdf-5112,templateId=raw,property=publication
35 Vgl.http://www.vdak.de/ueber_uns/Broschueren/broschuere_rsa/rsa-broschuere-2005-2006.pdf, S.81
36 Vgl. Rürup Bert, AOK im Dialog, S. 18
37 Vgl. Jacobs Klaus et al., Zur Wirkung des Risikostrukturausgleichs in der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 17
38 Vgl. Ebenda, S. 43
39 Vgl. http://www.iges.de/publikationen/poster abstracts/ihea/index_ger.html
40 Vgl. Jacobs Klaus et al., Zur Wirkung des Risikostrukturausgleichs in der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 25
41 Vgl. http://www.kbs.de/lang_de/nn_10140/DE/1 kranken pflege versicherung/1 mitgliedschaft und beitraege/InhNav.
html? nnn=true
42 Vgl. http://www.vdak.de/ueber_uns/Broschueren/broschuere_rsa/rsa-broschuere-2005-2006.pdf, S.11
43 Vgl. Otto Jens-Holger, Von der sozioökonomischen zur morbiditätsorientierten Klassifikation im Risikostrukturausgleich, S. 12
44 Vgl. http://www.vdak.de/ueber_uns/Broschueren/broschuere_rsa/rsa-broschuere-2005-2006.pdf, S. 182
45 Vgl. Rürup Bert, AOK im Dialog, S. 22
46 Vgl. Matag Matthias, Risikostrukturausgleich und Morbiditätsorientierung notwendiges Steuerungsinstrument oder Wettbe- werbshindernis, S. 21 f.
47 Vgl. § 267 Abs. 3 Satz 5 SGB V
48 Vgl. Sodan Helge, Gast Olaf, Umverteilung durch „Risikostrukturausgleich“, S. 64
- Citation du texte
- Stefan Wamprechtshammer (Auteur), 2008, Die Weiterentwicklung des Risikostrukturausgleichs in der gesetzlichen Krankenversicherung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/119208
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