Die vorliegende Forschungsarbeit widmet sich der Beantwortung der Frage, wie crossmediales Storytelling in der Markenführung dazu beitragen kann, die Interaktion zwischen KundInnen und Marke zu fördern und die Marken-KundInnen-Bindung zu festigen. Zunächst erfolgt eine theoretische Fundierung der Arbeit im Hinblick auf Merkmale und die Relevanz von Storytelling. Darüber hinaus wird das Augenmerk werden die interaktiven Möglichkeiten von crossmedialem Storytelling in Zusammenhang mit dem Einsatz der Neuen Medien näher beleuchtet. Zusätzlich wird eine qualitative empirische Untersuchung mittels ExpertInnen-Interviews durchgeführt. Das Sample besteht aus drei Gruppen: Marken-ExpertInnen aus Unternehmen, Marken-ExpertInnen aus Agenturen und Markenfans. Dieses Forschungsdesign wurde gewählt, um unterschiedliche Perspektiven im Hinblick auf das Forschungsthema miteinander zu integrieren.
Die digitale Revolution erfordert neue Zugänge zur Kommunikation zwischen Marke und KundInnen: Zunehmend gewinnen Formen der Markenkommunikation an Bedeutung, die das Involvement mit der Marke fördern, indem sie KundInnen ermöglichen, sich aktiv am Prozess der Markenführung zu beteiligen, um eine stärkere KundInnenbindung an die Marke zu erreichen und dadurch zum Erfolg der Marke beizutragen. Crossmedia Storytelling ist ein Ansatz, der darauf abzielt, über Brand Stories, die über mehrere Medien hinweg erzählt werden das individuelle Involvement der KundInnen mit der Marke zu stärken. Während das Konzept von crossmedialem Erzählen bereits in der wissenschaftlichen Literatur Erwähnung findet, existieren kaum Forschungsarbeiten, die sich damit befassen, wie crossmediales Storytelling zur Interaktivierung der Marken-KundInnenkommunikation eingesetzt werden kann.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Forschungsfragen
1.3 Ziel der Untersuchung
1.4 Aufbau der Arb eit
2 Crossmediales Storytelling
2.1 Storytelling - Definition
2.2 Merkmale von Stories
2.3 Funktionen von Storytelling
2.4 Rezeption von Geschichten
2.5 Spezifika von Crossmedialität
2.5.1 Definition und Unterscheidung divergierender Begriffe
2.5.2 Der Crossmedia-Kommunikations-Prozess
2.5.3 Erzählen im digitalen Zeitalter - das interaktivierende Potenzial von Crossmedia Storytelling
3 Strategien der Marke-KundInnen-Beziehung in der Markenführung
3.1 Identitätsorientierte Strategien der Markenführung
3.1.1 Die Marke-KundInnen-Beziehung im Rahmen identitätsorientierter Strategien der Markenführung
3.1.2 Ausgewählte identitätsorientierte Ansätze
3.2 Interaktionsorientierte Strategien der Markenführung
3.2.1 Die Marke-KundInnen-Beziehung im Rahmen interaktionsorientierter Strategien der Markenführung
3.2.2 Aspirational Talk
3.2.3 Der Ansatz der Common starting points
3.3 Die Konsistenztheorie als Misch-Strategie im Hinblick auf Markenführung ..
4 Zwischenfazit
5 Empirische Untersuchung
5.1 Wahl der Methode
5.2 Beschreibung der Erhebungsinstrumente
5.3 Beschreibung des Auswertungs- und Analyseverfahrens
5.4 Feldauswahl/Sampling
5.4.1 Durchführung
6 Ergebnisdarstellung
6.1 Gründe für den Einsatz von crossmedialem Storytelling
6.2 Inhaltliche Gestaltung
6.3 Planung crossmediales Storytelling
6.4 Abstimmung Botschaft über mehrere Kommunikationskanäle
6.5 Interaktion
6.5.1 F örderung der Interaktion
6.5.2 Bedeutung von Brand Communities und der Interaktion mit Markenfans
6.5.3 Rolle der Interaktion
6.6 Auswirkung crossmediales Storytelling auf die Marke-KundInnen-Beziehung
6.7 Erfolgsfaktoren
6.8 Herausforderungen
6.9 Evaluierung
7 Interpretation der Ergebnisse
7.1 Rahmenbedingungen für den Einsatz von crossmedialem Storytelling in der Marken-Kommunikation
7.2 Inhaltliche Gestaltung als zentraler Faktor für erfolgreiches Storytelling
7.3 Interaktionsfördernde Gestaltung von crossmedialem Storytelling
8 Conclusio
8.1 Beantwortung der empirischen Subforschungsfragen
8.2 Beantwortung der Hauptforschungsfrage
8.3 Diskussion
8.4 Ausblick
Literaturverzeichnis
Anhang
Abstract (deutsch)
Die digitale Revolution erfordert neue Zugänge zur Marken-KundInnen- Kommunikation: Zunehmend gewinnen Formen der Markenkommunikation an Bedeutung, die das Involvement mit der Marke fördern, indem sie KundInnen ermöglichen, sich aktiv am Prozess der Markenführung zu beteiligen, um eine stärkere KundInnenbindung an die Marke zu erreichen und dadurch zum Erfolg der Marke beizutragen. Crossmedia Storytelling ist ein Ansatz, der darauf abzielt, über Brand Stories, die über mehrere Medien hinweg erzählt werden das individuelle Involvement der KundInnen mit der Marke zu stärken.
Während das Konzept von crossmedialem Erzählen bereits in der wissenschaftlichen Literatur Erwähnung findet, existieren kaum Forschungsarbeiten, die sich damit befassen, wie crossmediales Storytelling zur Interaktivierung der Marken-KundInnen- Kommunikation eingesetzt werden kann. Daher widmet sich die vorliegende Forschungsarbeit der Beantwortung der Frage, wie crossmediales Storytelling in der Markenführung dazu beitragen kann, die Interaktion zwischen KundInnen und Marke zu fördern und die Marken-KundInnen-Bindung zu festigen.
Zunächst erfolgt eine theoretische Fundierung der Arbeit im Hinblick auf Merkmale und die Relevanz von Storytelling. Darüber hinaus wird das Augenmerk auf die Bedeutung von Polyphonie im modernen Branding gerichtet und die interaktiven Möglichkeiten von crossmedialem Storytelling in Zusammenhang mit dem Einsatz der Neuen Medien näher beleuchtet. Zusätzlich wird eine qualitative empirische Untersuchung mittels ExpertInnen-Interviews durchgeführt. Das Sample besteht aus drei Gruppen: Marken-ExpertInnen aus Unternehmen, Marken-ExpertInnen aus Agenturen und Markenfans. Dieses Forschungsdesign wurde gewählt, um unterschiedliche Perspektiven im Hinblick auf das Forschungsthema miteinander zu integrieren.
Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit zeigen, dass Unternehmen und Agenturen sich zunehmend der Möglichkeiten von crossmedialem Storytelling bewusst sind, Aufmerksamkeit für die Markenbotschaft zu generieren und durch die Verwendung von Brand Stories über mehrere Medien hinweg Synergien zu erzielen. Das Potenzial von crossmedialem Storytelling, die Marken-KundInnen-Beziehung interaktiver zu gestalten, wird allerdings in der Unternehmenspraxis noch kaum ausgeschöpft. Daher erscheint die weitere empirische Erforschung grundlegender organisatorischstruktureller Rahmenbedingungen nötig, die in Hinblick auf die praktische Umsetzbarkeit stärker dialogorientierter Ansätze in der Markenführung eine Rolle spielen.
Abstract (english)
The revolution in information technology and digital communication has been forcing new ways of brand-customer communication: Promoting involvement with the brand has become pivotal to enhancing brand attachment and ultimately contributing to brand success. Crossmedia Storytelling is a multi-media approach creating high involvement with the brand by using brand stories. Whereas the concept of Crossmedia Storytelling has already received attention in scientific literature, there is scant empiric research about the contribution of Crossmedia Storytelling and the influence of its interactive aspects on the customer-brand relationship. Therefore, this thesis examines how Crossmedia Storytelling promotes the interaction between consumers and brands and strengthens the customer-brand relationship.
First, a literature review gives a theoretical foundation about narrative theory and the relevance of storytelling. Subsequently, it stresses the importance of polyphonia for modern branding. Lastly, it specifies the characteristics of new media and its interactive opportunities with regard to Crossmedia Storytelling. In addition, qualitative research is conducted. Expert interviews are performed with brand experts. The sample consists of three groups: Experts from companies, experts from agencies, and brand fans. This research design is chosen to integrate brand knowledge from different perspectives.
The results show that companies and agencies are increasingly aware of the potential of Crossmedia Storytelling to get in touch with their customers via different media. While Crossmedia Storytelling is regarded as a useful means of alignment across different media that can generate synergies in communication, its possibilities to promote interaction with customers and co-creation have not yet been fully embraced by most companies. The reason for this appears to be the unpredictability of consumer-brand interactions from the companies' point of view. The unpredictability is significantly increased by the open, two-sided communication that forms the basis for interactive customer relationships, which is a departure from the traditional, more monologic approach to brand management.
The organizational and structural conditions which enable the feasibility of this dialog oriented approach have not yet been researched empirically. Considering the increasing importance of Crossmedia Storytelling to generate brand involvement, further empiric research of this aspect is required.
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Das 5-Phasen-Modell der Crossmedia-Kommunikation
Abbildung 2: Der Aufbau einer Story
Abbildung 3: Das Prinzip der Connectivity
Abbildung 4: Wirkungsbeziehungen zur Darstellung von Markenauthentizität
Abbildung 5: co-kreative Interaktion mit Marken
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Übersicht der InterviewpartnerInnen aus Unternehmen und Agenturen
Tabelle 2: Übersicht der interviewten Markenfans
1 Einleitung
Das folgende Kapitel führt in die in der vorliegenden Arbeit beschriebenen Thematik ein. Anschließend werden die aus der Problemstellung entwickelten Forschungsfragen und das Ziel der Untersuchung dargestellt sowie der grundlegende Aufbau der Arbeit skizziert.
1.1 Problemstellung
Die Entwicklungen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien ab dem Jahr 2000 stellen das Marketing vor neue Herausforderungen: Die Differenzierung gegenüber WettbewerberInnen am Markt erfolgt heutzutage aufgrund der Homogenität der Produkte und der Übersättigung der Märkte nicht mehr über die funktionalen Eigenschaften der Produkte selbst, sondern über die Marke (vgl. Meffert/Rauch 2013, S. 23). Die Informationsüberlastung der KonsumentInnen mit der damit einhergehenden Reizüberlastung führt darüber hinaus zu einer deutlichen Verringerung von Wirkung und Effizienz massenmedial vermittelter Kommunikationsbotschaften (Meffert/Rauch 2013, S. 23; Ettlhuber 2014, S. 88). Im Zuge dessen rücken zunehmend direkte Formen der Kommunikation in das Zentrum des Interesses, die "aufgrund ihres individualisierten Inhalts eine verbesserte Wahrnehmung und Wirkung versprechen“ (Holland 2009, S. 35).
Die Massenkommunikation wird zunehmend abgelöst durch individuelles, vernetztes Beziehungsmanagement (vgl. Burmann et al. 2003, S. 8). Dabei spielen Interaktionsmöglichkeiten der (potentiellen) KundInnen eine wesentliche Rolle. Immer mehr Unternehmen bieten UserInnen die Möglichkeit, sich interaktiv mit ihrer Marke auseinanderzusetzen und selbst Marken-Content beizusteuern (Burmann et al. 2010, S. 347 f.).
Crossmediales Storytelling ist ein Ansatz, der die individuelle Auseinandersetzung mit der Marke durch Brand Stories über verschiedene Medien hinweg fördert. Storytelling kann durch die Assoziation emotionaler Erfahrungen mit der Marke wesentlich zur Verbundenheit mit der Marke (Brand Attachment) beitragen (vgl. Meffert et al. 2008, S. 365 f.). Im Fall von crossmedialem Storytelling kann die emotionale Aufladung der Marke durch bewegende Geschichten durch den Synergieeffekt aufgrund der ParallelNutzung verschiedener Medien noch erhöht werden.
Emotionalität spielt bei der Wahrnehmung von Brand Stories durch KonsumentInnen eine wesentliche Rolle. So werden Inhalte, die positive Aspekte der Marke in Form von emotionalen Geschichten erzählen, am häufigsten von diesen rezipiert und weiter verbreitet. (vgl. Papadatos 2006, p. 382 f.) Erfolgreiches Branding führt darüber hinaus aufgrund seiner Identifikationsfunktion zu einer "symbolischen Sinnstiftung durch die Marke“ (Adel 2014, S. 30). Durch den Aufbau einer emotionalen Beziehung zur Marke kann für KonsumentInnen ein Zusatznutzen generiert werden. Dieser reicht weit über den funktionalen Produktnutzen hinaus und bedeutet aus Sicht des Unternehmens einen Wettbewerbsvorteil. Durch konstante Interaktion entwickeln KundInnen im besten Fall eine Beziehung zur Marke, die analog zu einer Partnerschaft geprägt ist durch Gefühle der Verbundenheit, Commitment, und Wechselseitigkeit. (vgl. Bruhn 2015, S. 80)
Der Ansatz des Storytelling ist in der wissenschaftlichen Literatur weit verbreitet (vgl. Ettl-Huber 2014, S. 9 - 26), und in einzelnen Forschungsarbeiten wird die Bedeutung von Storytelling im Hinblick auf Branding dargestellt (vgl. Fog et al. 2010, S. 15 f.; Papadatos 2006, S. 382-384). Auch das Thema "Crossmedialität" wurde bereits in Zusammenhang mit Branding in einzelnen wissenschaftlichen Arbeiten erforscht (vgl. Freeman 2015, S. 629 f.). Allerdings fehlen bislang empirische Studien, die sich mit der Thematik befassen, wie Interaktivität im Rahmen des crossmedialen Storytellings zur Stärkung der Beziehung zwischen KundInnen und Marke eingesetzt werden kann.
1.2 Forschungsfragen
Hauptforschungsfrage:
Inwieweit kann crossmediales Storytelling dazu beitragen, durch Förderung von Interaktion die Beziehung zwischen KundInnen und Marke zu stärken?
Theoretische Subforschungsfragen:
SFF1: Welche Merkmale und Besonderheiten lassen sich für den crossmedialen Einsatz von Storytelling aus der Literatur ableiten?
SFF2: Welche Kommunikationsstrategien tragen laut Markenführungsliteratur zu erfolgreichem Aufbau und Festigung von Marken-KundInnen-Beziehungen bei?
SFF3: Wie lassen sich diese Kommunikationsstrategien im crossmedialen Storytelling integrieren?
Empirische Subforschungsfragen:
SFF1: Wie muss cross-mediales Storytelling inhaltlich gestaltet sein, um die Interaktion der KundInnen mit der Marke zu fördern?
SFF2: Was sind die relevanten Faktoren für die erfolgreiche Implementierung von cross-medialem Storytelling im Hinblick auf eine Stärkung der KundInnen-Marken- Beziehung?
SFF3: Welche Herausforderungen bringt dieser Implementierungsprozess in Bezug auf die KundInnen-Marken-Beziehung mit sich?
1.3 Ziel der Untersuchung
Die vorliegende Arbeit richtet den Fokus auf crossmediales Storytelling im Hinblick auf die KundInnen-Marken-Beziehung. Im Rahmen dieser wissenschaftlichen Arbeit soll die Interaktion von KundInnen mit der Marke mittels crossmedialem Storytelling untersucht werden. Dabei wird zunächst auf Basis der wissenschaftlichen Literatur die Rahmenbedingungen für den Einsatz von crossmedialem Storytelling in Unternehmen ermittelt und schließlich unter Berücksichtigung unterschiedlicher Strategien der Markenführung erforscht, wie durch den Einsatz crossmedialen Erzählens die Marke- KundInnen-Beziehung gestärkt werden kann.
Darüber hinaus soll in einer empirischen Untersuchung erhoben werden, wie crossmediales Storytelling in der Unternehmenspraxis gestaltet und implementiert werden muss, um die Marke-KundInnen-Beziehung zu stärken. Dabei soll auch ermittelt werden, welche Herausforderungen bei der Implementierung in der betrieblichen Praxis bestehen.
1.4 Aufbau der Arbeit
Zunächst wird in Kapitel 1 die Problemstellung für die vorliegende Arbeit erläutert, die daraus abgeleiteten theoretischen und empirischen Forschungsfragen vorgestellt sowie das Ziel der Untersuchung und Gliederung der Arbeit dargestellt.
In Kapitel 2 werden die theoretischen Grundlagen im Hinblick auf narratologische Voraussetzungen für Storytelling, Charakteristika von Crossmedialität sowie die Umsetzbarkeit von crossmedialem Storytelling im Rahmen eines crossmedialen Planungsprozesses erarbeitet. Kapitel 3 dient dem Überblick über zwei grundlegend verschiedene Strategien der Markenführung, die die Implementierung von crossmedialem Storytelling in der betrieblichen Praxis beeinflussen, während sich das Zwischenfazit der Beantwortung der theoretischen Forschungsfragen widmet und dabei den besonderen Fokus darauf legt, wie sich diese Strategien im Rahmen von crossmedialem Storytelling integrieren lassen.
Anschließend folgt der empirische Teil der Arbeit, der sich einerseits in die Darstellung der gewählten Methodik (Kapitel 5), die Ergebnisdarstellung (Kapitel 6) und Ergebnisinterpretation (Kapitel 7) gliedert. Daran anschließend werden in der Conclusio zunächst die empirischen Subforschungsfragen und dann die Hauptforschungsfrage beantwortet, sowie die Ergebnisse diskutiert und schließlich ein Ausblick unter Berücksichtigung des weiteren Forschungsbedarfes gegeben.
2 Crossmediales Storytelling
Das folgende Kapitel gibt zunächst einen grundlegenden Einblick in Elemente und Funktionen von Storytelling und der Rezeption von Geschichten. Im Anschluss werden Besonderheiten crossmedialer Kommunikation und deren Umsetzung in einem Crossmedia-Prozess erläutert. Weiters befasst sich das Kapitel damit, wie sich LeserInnen an diesem Prozess aktiv beteiligen können.
2.1 Storytelling - Definition
"Alle Menschen wissen, was eine Geschichte ist", so Fuchs (2009, S. 56) in seinem Buch Warum das Gehirn Geschichten liebt. Ebenso einfach erscheint zunächst die Definition von Storytelling: Es geht im weitesten Sinne um das Erzählen von Geschichten, mit dem Ziel, das Publikum emotional zu bewegen (vgl. Sammer 2015, S. 26-27). Storytelling ist "die Kunst, einerseits Handlungen und Erfahrungen der Vergangenheit wiederzugeben, andererseits zeitunabhängige Ereignisse - real oder fiktiv - zu erzählen (Sammer 2015, S. 19)." Die National Storytelling Association betont explizit den ursprünglich mündlichen Charakter von Erzählungen und sieht Storytelling dementsprechend als
"[...] the art of using language, vocalization, and/or physical movement and gesture to reveal the elements of a story to a specific, live audience. A central, unique aspect of storytelling is its reliance on the audience to develop specific visual imagery and detail to complete and co-create the story." (National Storytelling Association 2017)
Damit wird einerseits Bezug genommen auf die Jahrhunderte alte orale Tradition des Geschichtenerzählens vor Publikum, gleichzeitig rückt hier der soziale Kontext von Storytelling in den Blickpunkt und es wird der Bezug zum gemeinsamen GeschichtenErzählen in einem Akt der Co-Kreation hergestellt (vgl. National Storytelling Association 2017).
2.2 Merkmale von Stories
Was aber sind denn nun die konkreten Merkmale, die eine Story ausmachen? Laut Lahn und Meister (2013, S. 213) handelt es sich bei einer Geschichte "um die chronologisch geordnete Sequenz aus der Teilmenge des Geschehens, die für die Bedeutungsabsicht des Erzähltextes relevant ist". Das Geschehen besteht demnach aus einer zeitlichen Abfolge einzelner Ereignisse (Events), wobei neben der Chronologie auch die Kausalität eine wesentliche Rolle spielt (vgl. Wenzel 2004, S. 16). Ein einzelnes Ereignis allein macht noch keine Story aus, erst wenn mehrere Einzelereignisse in nachvollziehbarer, weil kausaler Abfolge miteinander verknüpft werden, entwickelt sich eine Geschichte (vgl. Prince 1982, S. 179 f.; Ettl-Huber 2014, S. 14).
Ein Ereignis lässt sich dabei als etwas charakterisieren, dass sich in einem Satz ausdrücken lässt, wie etwa: "Ein Mann lacht". Aus den Ereignissen "ein Mann war glücklich (er lacht), dann traf er eine Frau, die ihn unglücklich machte", entsteht bereits eine kleine Geschichte. (Ettl-Huber, S. 14)
Ob Mini-Story oder antikes Epos, beim Storytelling steht üblicherweise eine DreierKomposition im Mittelpunkt: "beginning, middle and end - or set-up, development and resolution (Seger 1987, S. 4; zitiert nach Eder 2007, S. 27)." Die Dreiergliederung wird daher als Urform allen Erzählens betrachtet (vgl. Eder 2007, S. 27; Seeßlen 1996, S. 12). Nach Campbell (1978, S. 41 f.) entspricht die Handlung einer Geschichte einer Heldenreise. Auch diese folgt letztlich der bekannten Dreier-Dramaturgie. Sie ist in drei große Phasen gegliedert: Aufbruch, Initiation und Heimkehr. Der Held (oder die Heldin) nimmt nach anfänglicher Weigerung, seine Berufung zu erkennen, die Herausforderung an (Aufbruch), besteht zahlreiche Prüfungen (Initiation), und kehrt siegreich wieder (Heimkehr). Das auftretende Problem, der Lernprozess, der sich für die HeldInnen daraus ergibt und die anschließende Läuterung sind essentieller Bestandteil der Geschichte (vgl. Campbell 1978, S. 41 f.).
Die Heldenreise stellt ein archetypisches Erzählschema dar, bei dem die auftretenden Archetypen nicht nur wesentliche dramatische Funktionen übernehmen, sondern wichtige Elemente in menschlichen Erfahrungsprozessen wiederspiegeln. Bei den Archetypen handelt es sich nach C.G. Jung um im kollektiven Unbewusstsein angelegte Urbilder. Diese lassen sich in der Mythologie, Religion, Kunst und Träumen unterschiedlichster Kulturen finden. (vgl. Woodside 2010, S. 533)
In Märchen und Mythen repräsentieren Archetypen bestimmte Persönlichkeitsanteile der ProtagonistInnen nach außen, die diese in sich integrieren müssen, denn nur so können sie Herausforderungen bestehen und letztlich zu HeldInnen werden. Die Erzählungen rekurrieren dabei auf allgemein bekannte Bedeutungskontexte, die intuitiv von LeserInnen abgerufen werden können. Der Rückgriff auf Archetypen des kollektiven Unbewussten erleichtert somit Identifikation und Mitempfinden der RezipientInnen mit dem Schicksal der HeldInnen der Geschichte (vgl. Jung 2008, S. 46 f.).
2.3 Funktionen von Storytelling
- Sinnstiftung
Über Storytelling werden einzelne Ereignisse in größere Zusammenhänge eingeordnet und so Bedeutungszusammenhänge hergestellt. Erst, indem individuelle Einzelereignisse zu kollektivem sozio-kulturellen Wissen in Beziehung gesetzt werden, wird diesen eine bestimmte Bedeutung zugeschrieben:
"Stories are charged with the crucial task of implementing the basic societal convictions, norms and goals regarding human beings, societies, emotions, morality and personal development in the process of socialisation." (Schmidt 2008, S. 22)
Kollektive Konventionen, Normen und Gebote, die der Mensch durch Sozialisation erlernt hat, werden in Erzählungen behandelt und durch sie weitergegeben und so das Verhältnis des einzelnen zur Gesellschaft in einen sinnhaften, zugleich sozial erwünschten Zusammenhang gesetzt (vgl. Schmidt 2008, S. 22; Klebl/Lukosch 2008, S. 147).
- Ordnungs- und Strukturierungsfunktion
In Zusammenhang mit der Funktion der Sinnstiftung steht auch die Ordnungs- und Strukturierungsfunktion von Geschichten. Eigene Erfahrungen werden dabei durch Erzählungen interpretiert und geordnet: "Narrating masters the chaos of universal contingency." (Schmidt 2008, S. 23) Das narrative Prinzip besteht darin, dass eine logische Struktur hergestellt und so durch die Herstellung von Kausalzusammenhängen Ordnung geschaffen wird. Die grundlegende Ordnungs- und Strukturierungsfunktion lässt sich daran erkennen, dass Geschichten zumindest einen Anfang und ein Ende aufweisen (vgl. Schmidt, S. 23).
- Identitätskonstruktion
Menschen nutzen Geschichten, um ihr Verhältnis zur Welt zu reflektieren und ihre Identität zu konstruieren (vgl. Escalas 2004, S. 3). Identität ist nicht stabil, sondern wird in einem Aushandlungsprozess mit den "Anderen" permanent reproduziert wird und gleichzeitig nach außen präsentiert. Es handelt sich bei den Geschichten um autobiografische Narrationen, die dazu dienen, das eigene Verhalten in einen kohärenten Bedeutungszusammenhang einzubetten und sich so nach außen als Individuum darzustellen. (vgl. Schmidt 2008, S. 22-23)
- Unterhaltungsfunktion
Last, but not least werden Stories erzählt, um ZuhörerInnen und LeserInnen zu unterhalten, indem sie ihre Neugier wecken und ihnen die Möglichkeit geben, sich mit den ProtagonistInnen der Erzählung zu identifizieren. Besonders beliebt sind dabei laut Schmidt (vgl. 2008, S. 24) Geschichten, die die eigenen Ansichten und die eigene moralische Position bestätigen.
2.4 Rezeption von Geschichten
Bei der Rezeption von Geschichten kommt es zur kognitiven Aneignung des Textes durch die LeserInnen. Der Prozess des Lesens besteht in der Vermittlung zwischen der von AutorInnen intendierten Appellstruktur des Textes und der Erwartungshaltung der LeserInnen. (vgl. Iser 1970, S. 33 f.)
Nach Ricoeur (1990, S. 64 f.) handelt es sich bei der Rezeption von Geschichten um einen mehrstufigen Prozess: Die erste Stufe ist die der Präfiguration. Die Leserschaft geht an den Text mit einem grundlegenden Verständnis für die Struktur von Erzählungen heran, dieses ist bereits a priori, das heißt, vor dem Lesen der Erzählung vorhanden und wird nicht erst durch die Erzählung hervorgerufen. Storytelling setzt an diesem Vorverständnis der Leserschaft an.
In einer zweiten Stufe kommt es zur Konfiguration der Story und somit zur Anordnung der Erzählelemente. In der letzten und dritten Stufe schließlich, der Refiguration, erfolgt die Auseinandersetzung der LeserInnen mit dem Text. (vgl. Kaare/Lundby 2008, S. 101 f.)
Beim Schreiben orientieren sich AutorInnen an der Vorstellung eines imaginierten Lesers oder einer imaginierten Leserin und schreibt diesem bzw. dieser eine bestimmte Rolle zu. Diese Rolle wird als impliziter Leser oder implizite Leserin bezeichnet (vgl. Iser 1976, S. 61). Erkennen nun die realen LeserInnen den impliziten Leser bzw. die implizite Leserin und akzeptieren die vorgeschlagene LeserInnenrolle, kommt ein Vertrag zwischen realer LeserInnen und implizitem Leser bzw. impliziter Leserin zustande und diese können die text-immanenten, das heißt, in den Text eingeschriebenen Bedeutungszusammenhänge dechiffrieren (vgl. Eco 1987, S. 73 f.).
Die implizite LeserInnenrolle und die reale LeserInnenrolle sind allerdings nicht kongruent. Es entstehen somit Leerstellen im Text, die die LeserInnen selbst mit Bedeutung füllen müssen. Die Leserschaft übernimmt hier beim Lesen insofern eine aktive Rolle, als sie die Erzählung dekonstruiert und die Leerstellen mit dem ihr bekannten Erfahrungskontext ergänzt: "[...] new meaning is generated by mapping new stories onto stored memories." (Granitz/Forman 1990, S. 38)
Leerstellen entstehen auch dort, wo unterschiedliche Erzählperspektiven oder Erzählstränge aufeinandertreffen. Je höher der Anteil an Leerstellen in der Erzählung, umso mehr sind LeserInnen gefordert, diese unterschiedlichen Perspektiven und Erzählstränge selbständig in einen sinnhaften Zusammenhang zu bringen. Geschichten seit der Moderne zeichnen sich durch ihre Unbestimmtheit aus. Sie geben keine fixe Bedeutung vor, sondern ermöglichen den LeserInnen, diese selbst zu konstruieren und immer wieder aufs Neue einen Bezug zur persönlichen Lebensrealität herzustellen. Leerstellen in Erzählungen bilden so die Voraussetzung für die intellektuelle Beteiligung der Leserschaft am Geschehen. (vgl. Iser 1976, S. 302 f.)
2.5 Spezifika von Crossmedialität
2.5.1 Definition und Unterscheidung divergierender Begriffe
Bei der Beschäftigung mit dem Thema der Crossmedialität fällt auf, dass die Bezeichnung "Crossmedia" teilweise synonym mit Konzepten wie Transmedialität, Multimodalität und Medienkonvergenz verwendet wird (vgl. Petersen 2006, S. 95). Um eine Begriffsverwirrung und Ungenauigkeiten, die aus einer mangelnden Abgrenzung der Begrifflichkeiten resultieren können, zu vermeiden, sollen daher im Folgenden die Begrifflichkeiten definiert und die unterschiedlichen Konzepte kurz erläutert werden. Als crossmedial gilt „[...] die Kommunikation bestimmter Themen auf unterschiedlichen Medieneinheiten, deren Inhalte thematische Bezüge aufweisen und Nutzern einen Anreiz bieten, zu einer anderen Medieneinheit zu wechseln." (Plank, S. 21)
Unter Crossmedialität wird demnach die Vernetzung von Inhalten über mehrere Medien hinweg verstanden, crossmediales Storytelling erzählt eine Geschichte über mehrere Medien hinweg. Damit unterscheidet es sich vom Konzept des transmedialen Storytelling, wie es von J enkins (2006, S. 944) definiert wird:
"Transmedia storytelling represents a process where integral elements of a fiction get dispersed systematically across multiple delivery channels for the purpose of creating a unified and coordinated entertainment experience."
Transmedialität geht somit über eine Adaptierung des Inhalts von einem Medium zum anderen hinaus. Transmediales Erzählen entwirft ein eigenes Geschichten-Universum, in dem jedes Teilmedium ein Puzzle-Stück der Erzählung liefert und diese PuzzleStücke sich erst zu einer Gesamt-Geschichte zusammenfügen. (vgl. Scolari 2009, S. 587 f.) Transmediales und crossmediales Storytelling zeichnen sich daher durch unterschiedliche Herangehensweisen in der Planung des Erzählens aus. Überschneidungen zeigen sich aber in Hinblick auf die Merkmale der Intertextualität und Multimodalität: Intertextualität geht davon aus, dass jeder Text selbst wiederum auf andere Texte referenziert.
Multimodalität hingehen bezieht sich darauf, dass Erzählen aufgrund der Entwicklung der Informationstechnologien wie selbstverständlich über unterschiedlichen Kommunikations-Modi erfolgt, das heißt, nicht nur über Texte, sondern ebenfalls etwa über Bilder, Videos sowie Audioelemente. (vgl. Kress/Van Leeuwen 1998, S. 187)
Ein weiteres Merkmal crossmedialer Kommunikation ist die Medienkonvergenz: Bei der crossmedialen Produktion von Medien verschwimmen die Grenzen zwischen den einzelnen Medien (vgl. Holtzhausen 2015, S. 26). Der Medienkonvergenz-Begriff bezeichnet somit eine Entwicklung, in der "bisher getrennte Medien [...] miteinander verbunden und vernetzt werden. (...) Dadurch können gewissermaßen unbegrenzte digitale Netzwerke entstehen."(Wilke 2010, S. 32)
2.5.2 Der Crossmedia-Kommunikations-Prozess
Bei der Crossmedia Kommunikation werden Offline- und Online-Medien miteinander vernetzt, mit dem Ziel der Weiterleitung der Zielgruppe zu anderen an einer übergeordneten Botschaft ausgerichteten Inhalten in weiteren Medien. Diese werden hier zeitlich, inhaltlich und formal aufeinander abgestimmt (vgl. Rudolph 2015, S. 3).
Die Abstimmung setzt eine Planung der einzelnen Phasen der CrossmediaKommunikation voraus. Diese werden in Abbildung 2 grafisch dargestellt.
Abbildung 1: Das 5-Phasen-Modell der Crossmedia-Kommunikation
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Rudolph 2015, S. 33
Phase 1: Content = Leitidee
Zu Beginn steht eine zentrale Leitidee für die gesamte Crossmedia-Kampagne, die sich durch alle verwendeten Medien durchziehen soll. In dieser Phase wird überdies festgelegt, welche Medieninstrumente zum Einsatz kommen. (vgl. Rudolph 2015, S. 33)
Phase 2: Creation = Storytelling
Darauf folgt die thematische Umsetzung der Leitidee in einer Story. Damit handelt es sich hier um die Konzipierung des eigentlichen Storytelling-Prozesses. Wichtig ist hier das Storypotenzial der Geschichte, denn dieses entscheidet über den Erfolg der Crossmedia Kampagne. (vgl. Rudolph 2015 , S. 14)
Beim Storypotenzial handelt es sich um "jenes Potenzial, das ein Ereignis in sich trägt, um zur Story zu werden" (Ettl-Huber 2014, S. 12). In der Phase der Creation werden die geeigneten Medieninstrumente ausgewählt sowie die Themen der einzelnen Medieninstrumente aufeinander abgestimmt. In dieser Phase kommt es auch zur Planung eines dramaturgischen Rahmens der Geschichte. (vgl. Rudolph 2015, S. 14-15) Abbildung 3 zeigt den dramaturgischen Aufbau einer Geschichte.
Abbildung 2: Der Aufbau einer Story
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Rudolph 2015, S. 17
Die Dramaturgie der Geschichte spielt eine erhebliche Rolle im Hinblick auf die Rezeption durch das Publikum: Optimalerweise steht zu Beginn ein Aufhänger, der Aufmerksamkeit erregt. Daran schließt die Exposition an, die die Einführung des Publikums in die Grundstimmung und Ausgangssituation einer Geschichte bezeichnet.
Diese geht nahtlos in das Stadium der Vernetzung über. Vernetzung bedeutet dabei den aktivierenden Aspekt der Geschichte, der zum Teilen und Teilnehmen an der Geschichte einlädt und der schließlich zum Höhepunkt der Geschichte führt. Es folgt die Reflexion, in der das Publikum darüber nachdenkt, was passiert ist. Zum Schluss folgt nochmals ein emotionaler Anstoß, der dieses dazu bewegen soll, das Erlebte mitzuteilen bzw. zu empfehlen. Damit folgt der Ausklang der Geschichte. (vgl. Rudolph 2015, S. 17).
Phase 3: Connectivity = Mediaplanung, Vernetzung
Im Mittelpunkt von Crossmedia-Kommunikation steht nicht nur "die effiziente Verknüpfung von Medien, sondern auch die effektive Verbindung von Inhalten" (Rudolph 2015, S. 18). In der Phase der Connectivity wird die Botschaft mittels der erzählten Geschichte nun einerseits entsprechend des Crossmediaplans vom Unternehmen in mehreren Medien platziert. Im Sinne einer kontrollierten Verbreitung von Kommunikationsinhalten sollen dabei die UserInnen gezielt über Verweise von einem Kommunikationsmedium zum nächsten geführt werden und so die vom Unternehmen gesteuerte Kommunikationsbotschaft aufnehmen. Andererseits beginnt sich ein zweiter Pfad zu öffnen: die unkontrollierte Weitergabe von Inhalten über unterschiedliche Medien hinweg durch die NutzerInnen. Hierbei wird die Geschichte variiert und zu neuen Geschichten transformiert. (vgl. Rudolph 2015, S. 13) Abbildung 4 stellt die Weiterverbreitung der Geschichte in der Phase der Connectivity dar.
Abbildung 3: Das Prinzip der Connectivity
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Rudolph 2015, S. 13
Die Phase der Connectivity leitet schließlich logisch zur Phase 4, der Kommunikationsphase über.
Phase 4: Communication = social commerce
Die crossmediale Kommunikation zeichnet sich durch die Nutzung der dialogischen Kommunikationsmöglichkeiten aus, die das Web 2.0 bietet (vgl. Burman/Eilers/Hemmann 2010, S. 7-8; Kaplan/Haenlein 2010, S. 63). Dazu zählen die Förderung von aktiver Beteiligung an der Kommunikation durch Aufforderung zum Posten, Kommentieren und Liken (vgl. Rudolph 2015, S. 25). Der Impuls für crossmediale Kommunikation kann dabei vom Unternehmen stammen, indem dieses den Content medienübergreifend einsetzt. Oder es setzt den Impuls für Kommunikation zunächst nur online, da online-Kanäle kontinuierlich Content benötigen. Auf der anderen Seite können auch Rezipienten selbst Impulse für crossmediale Kommunikation setzen. (vgl. Rudolph 2015, S. 25 f.) Ziel von Seiten des Unternehmens ist letztlich die Erhöhung der Reichweite und Synergieeffekte durch die mehrfache Verwertung von Medieninhalten und die Abstimmung des Contents über die unterschiedlichen Medien hinweg (vgl. Holland/Weingerter 2012, S. 70).
Phase 5: Control = Prozesskontrolle
Die letzte Phase der Crossmedia-Kampagne befasst sich schließlich mit der Evaluierung des vorausgegangenen Prozesses. Es kommt hier zur Beurteilung der Wirkung der Crossmedia-Kampagne, sowie zur Prozesskontrolle, die sich damit beschäftigt, wie gut die Integration zwischen den einzelnen Medien im Rahmen der Kampagne funktioniert hat. (vgl. Holland/Wengerter 2012, S. 76 f.)
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit soll der Schwerpunkt auf den interaktivierenden Aspekt des crossmediales Storytelling gelegt werden. Das folgende Subkapitel setzt sich daher mit dem Wandel des Erzählens im digitalen Zeitalter auseinander und befasst sich mit Ansatzpunkten für die aktive Einbindung der RezipientInnen in den Prozess des Erzählens.
2.5.3 Erzählen im digitalen Zeitalter - das interaktivierende Potenzial von Crossmedia Storytelling
Über die neuen Medien entstehen neue Möglichkeiten, die eigenen Stories zu verbreiten. Laut Kaare/Lundby (2008, S. 99) erzählen Menschen über die digitalen Medien bevorzugt über sich selbst und teilen diese Geschichten mit anderen. Hoover (2006, S. 84) bezeichnet diese als "personal narratives of the self". Eigene kleine Geschichten über sich selbst werden für Online-Medien produziert und im Austausch mit anderen erlebte Ereignisse kommentiert und gedeutet. Das Aushandeln der Bedeutung des Textes, wie es LeserInnen früher selbst überlassen blieb, wird in den sozialen Netzwerken durch den gemeinsamen Akt der Bedeutungsproduktion abgelöst. (vgl. Kaare/Lundby 2008, S. 99)
Die unterschiedlichen Online-Plattformen übernehmen dabei Brückenfunktion zwischen dem "Selbst" und den "Anderen", indem sie dem Einzelindividuum eine Arena für persönliche Geschichten bieten: "each platform represents a bridge and point-of-entry into the universe of the story for the different audiences" (Costa Sanchez 2014, S. 133). Mit der Digitalisierung wandelt sich auch die Struktur von Erzählungen: Digitales Storytelling weist einen Mangel an Kohärenz auf: "There is no whole story to tell, only fragments, which even with restrospective sensemaking cannot find a plot that will make the fragments cohere." (Boje 2001, S. 5)
Boje (2001, S. 3) bezeichnet diese Erzählfragmente als "antenarrative", da diese quasi eine Entwicklungsphase darstellen, die vor (lateinisch "ante") der Kreation einer kohärenten Erzählung liegt. Diese Erzählfragmente zeichnen sich daher im Vergleich zu herkömmlichen Erzählungen auch dadurch aus, dass sie keinen Plot besitzen. Antenarrative sind niemals abgeschlossen, sondern offen und polyphon: "Antenarrative is an experience of the storytelling life with abbreviated and interrupted story performances that yield plurivocality." (Boje 2001, S. 4)
Antenarrative sind ständig im Fluss, es handelt sich dabei um ein frühes Stadium in der Produktion kollektiver Erinnerung, in dem noch kein Konsens darüber herrscht, was für eine Geschichte erzählt wird. Aus dieser Problematik resultiere die Krise des postmodernen Erzählens: "[...] what to do with non-linear storytelling, with fragmented and polyphonic (many voiced) stories, [...] collective story production, and the everyday storyteller immersed in fragmentation." (Boje 2001, S. 5)
Fragmentierung als kennzeichnendes Merkmal postmodernen Erzählens bildet allerdings zugleich die Voraussetzung für Polyphonie: Dabei weist postmodernes Erzählen spezifische Charakteristika aus, die sonst hauptsächlich bei mündlichen Erzählungen zum Tragen kommen. (vgl. Kaare/Lundby 2008, S. 104)
Im mündlichen Erzählen werden Leerstellen durch den Einsatz bestimmter einleitender Phrasen signalisiert wie "You know the part of the story, don't you?; "That's my story too"; "You need to get the story straight"; "To make a long story short"; or "I won't bore you with the whole story; You know it!" (Boje 2001, S. 109). Diese verweisen auf Ansatzpunkte diskursiver Referenzen, an denen ZuhörerInnen ansetzen können. Das Aufgreifen und Befüllen der Leerstellen schafft eine Verbindung zwischen ErzählerInnen und Publikum und leitet einen Prozess der Co-Produktion der Geschichte ein, in dem sich dieses durch eigene Inputs ("One version I heard ...") oder Fragen ("Then, what happened?") mit den ErzählerInnen über die Bedeutung des Geschehens austauscht und mit den eigenen Erfahrungen abgleicht (vgl. Boje 2001, S. 107).
Die Vielzahl an Leerstellen in digitalen Erzählungen fungieren demnach als Anknüpfungspunkte an den Text, die zum Ergänzen fehlender Sinnzusammenhänge durch die LeserInnen geradezu herausfordern. Somit lässt sich ableiten, dass die Leerstellen in direktem Zusammenhang mit der Interaktion zwischen LeserInnen und AutorInnen stehen, indem sie Spielraum für den kreativen Prozess auf Seiten der LeserInnen schaffen. Die Basis für deren Auseinandersetzung mit Geschichten und damit ihr Potenzial zur Interaktivierung liegt in digitalen Erzählungen in der strukturellen Öffnung des Textes und dem Einsatz von Signalen, die das Publikum auf potentielle Leerstellen aufmerksam machen und dieses zur Beteiligung an der Geschichte einladen. (vgl. Boje 2001, S. 107)
Crossmediales Storytelling zeichnet sich durch die mediale Integration unterschiedlicher Medienformate aus, sowie durch unterschiedliche Erzählperspektiven und ErzählerInnen (vgl. Sammer 2015, S. 169). Durch den Einsatz mehrerer Medien und die Vielzahl von Schnittstellen im crossmedialen Storytelling vervielfältigt sich dabei die Möglichkeit von Leerstellen im Text und bietet dem Publikum somit die unterschiedlichsten Ansatzpunkte, an die es andocken kann und mit der Erzählung interagieren kann. Die Geschichte wird nun nach dem Prinzip der Connectivity (siehe dazu Kapitel 1.5.2 zum Crossmedia Planungsprozess) simultan in unterschiedlichen Medienformaten gleichzeitig weitererzählt (vgl. Sammer 2015, S. 169). Neue Elemente werden dabei durch Auffüllen bestehender Leerstellen permanent in die alte Geschichte integriert und so wird die Geschichte in einem interaktiven Prozess beständig am Leben gehalten und immer neu erzählt (vgl. Boje 2001, S. 109).
3 Strategien der Marke-KundInnen-Beziehung in der Markenführung
In diesem Kapitel sollen einander zwei völlig unterschiedliche Strategien der Markenführung gegenübergestellt werden: die identitätsorientierten
Markenführungsstrategien, die eine unternehmensgesteuerte Sichtweise auf die Markenführung darstellen, sowie die interaktionsorientierten Strategien, die eine dynamische interaktionsgesteuerte Sichtweise verkörpern. Diese unterscheiden sich maßgeblich in ihrer Sichtweise im Hinblick auf die Gestaltung der Marken-KundInnen- Beziehung.
3.1 Identitätsorientierte Strategien der Markenführung
Im Mittelpunkt identitätsorientierter Strategien steht die unternehmensgesteuerte Sicht auf Kommunikation: Dabei liegt der Fokus dieser Strategien auf der Gestaltung der Markenidentität durch das Unternehmen, denn das Markenimage selbst ist nicht direkt steuerbar, über die gezielte Kommunikation der Markenidentität soll aber indirekt das bei den externen Zielgruppen gewünschte Image erreicht werden. Die Einzigartigkeit der Marke und damit ihre Individualität, die sie von anderen abhebt, kann entsprechend dieser Sicht auf die Markenführung nur durch die Gewährleistung konstanter Rahmenbedingungen, die der Kontrolle des Unternehmens unterliegen, sichergestellt werden. Die Ausgestaltung der Markenidentität unterliegt somit der Steuerung durch das Unternehmen. Identitätsorientierte Strategien gehen dementsprechend von der prinzipiellen Planbarkeit der Marke-KundInnen-Beziehung aus. (vgl. Burmann/Maloney 2007, S. 75)
3.1.1 Die Marke-KundInnen-Beziehung im Rahmen identitätsorientierter Strategien der Markenführung
Die Marke-KundInnen-Beziehung ist Ausdruck davon, wie sehr sich KundInnen mit einer Marke verbunden fühlen (vgl. Stichnoth 2008, S. 19). Sie stellt die Verbindung zwischen Markenidentität und Markenimage dar. Die Relevanz einer starken Marke- KundInnen-Beziehung zeigt sich in ihrer Auswirkung auf das Markenimage: Je stärker sie ist, desto positiver wirkt sich dies auf das Markenimage aus. Im Rahmen identitätsorientierter Strategien der Markenführung stellt die Marken-KundInnen- Beziehung somit eine zentrale Zielgröße dar, die es über die Gestaltung der Markenidentität zu beeinflussen gilt. Die Marken-KundInnen-Beziehung ist daher bei identitätsorientierten Strategien letztlich Ausdruck der Marketing-Aktivitäten des Unternehmens, die darauf abzielen, KundInnen die vom Unternehmen entwickelte Markenidentität zu vermitteln. (vgl. Wenske 2008, S. 20)
3.1.2 Ausgewählte identitätsorientierte Ansätze
Im Folgenden werden nun unterschiedliche Ansätze identitätsbasierter Markenführung erläutert.
3.1.2.1 Das Markenprisma nach Kapferer
Der Ansatz von Kapferer stellt die Markenidentität als Prisma dar, um die Vernetzung einzelner Aspekte der Markenidentität hervorzustreichen. Die Integration dieser Aspekte ist Voraussetzung für eine klare Markenidentität, denn "eine schwache Marke hat kein zusammenhängendes Konzept, sie ist lediglich Produktname ohne Suggestivkraft" (Kapferer 1992, S. 69).
Das Prisma besteht aus sechs unterschiedlichen Teilen. Dabei stehen die ersten drei für die Innensicht der Marke und die weiteren drei für die Außensicht auf die Marke:
- Der erste Teil ist die Beschaffenheit. Sie bezieht sich auf die physischen Produktmerkmale.
- Der zweite Teil stellt die Markenpersönlichkeit dar. Wie ein Mensch, so verfügt auch die Marke über einen Charakter, der sie von anderen unterscheidet. Die Art und Weise, wie die Marke kommuniziert, ist abhängig von ihrer Markenpersönlichkeit.
- Der dritte Teil ist die Kultur : Jede Marke repräsentiert eine bestimmte Kultur und damit bestimmte Markenwerte.
- Der vierte Teil ist der Bezug zu den Verbraucherinnen. Hier zeigen die TrägerInnen über Marke, wofür sie nach außen stehen möchten.
- Der fünfte Teil besteht in der spontanen Zuordnung. Dabei werden Assoziationen mit der Marke auf die NutzerInnen bezogen und diesen somit Eigenschaften zugeordnet, die der Markenpersönlichkeit entsprechen.
- Zu guter Letzt spielt als sechster Teil auch die Vision der Marke eine bedeutende Rolle. NutzerInnen der Marke verinnerlichen hierbei die inszenierte Vision der Marke und machen sie zu ihrer eigenen.
Kapferer (vgl. 1992, S. 68) geht davon aus, dass die Markenidentität sich erst mit der Zeit bildet. Er sieht den Erfolg einer Marke darin begründet, dass diese ihr eigenes Ideal entwickelt. Jede Marke verfügt über "ein[en] Plan, eine Art genetisches Programm" (Kapferer 1992, S. 68). Um erfolgreich zu sein, muss sie diesem Ideal folgen und darf nicht von den entwickelten Markenwerten abweichen, sondern muss sie festigen, um ihre Suggestivkraft bei den KonsumentInnen zu erhalten.
3.1.2.2 Die Markenauthentizität nach Schallehn
Einer der wichtigsten immateriellen Benefits der Marke ihre Authentizität: Eine authentische Marke stellt "einen Garant für die Echtheit des Markenversprechens dar" (Burmann et al. 2012, S. 79). Authentizität lässt sich nach Schalleen (2012, S. 38) definieren als "Ausmaß identitätsbezogener Handlungsverursachung." Dies bedeutet, nur wenn sich die Markenidentität im Markenverhalten widerspielt, wird sie von externen Zielgruppen als authentisch wahrgenommen (vgl. Burmann et al. 2012, S. 79). Das Modell von Schallehn (vgl. 2012, S. 125ff.) geht von drei Determinanten der Markenauthentizität aus, die sich auf die Markenauthentizität und schließlich auf das Markenvertrauen auswirken. Die drei Determinanten sowie ihre Wirkungsbeziehungen zu Markenauthentizität und Markenvertrauen werden in der folgenden Abbildung 4 dargestellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die erste Determinante ist die Konsistenz zwischen dem Markennutzenversprechen und den Marken-Merkmalen. Diese zeigt sich durch das Markenverhalten an allen Brand Touchpoints. Konsistenz heißt in diesem Fall, dass keine Widersprüche zwischen dem Verhalten an unterschiedlichen Touchpoints auftreten. (vgl. Schallehn 2012, S. 168)
Bei der zweiten Determinante handelt es sich um die Kontinuität. Dabei geht es um die Übereinstimmung von Markennutzenversprechen und Marken-Merkmalen über einen längeren Zeitraum. Da dies über den Einsatz von Produkten allein schwierig ist, empfiehlt sich der Einsatz eines größeren kommunikativen Rahmens: über Framing werden so bestimmte Aspekte der Kommunikationsinhalte in das Zentrum der Wahrnehmung gerückt. Schallehn schlägt als Anknüpfungspunkt für den kommunikativen Rahmen die Markenhistorie vor. (vgl. Schallehn et al. 2014, S. 194)
Die dritte Determinante ist schließlich die Individualität der Marke als "wahrgenommene Übereinstimmung des Markennutzenversprechens mit denjenigen Merkmalen, die eine Marke im Vergleich zu WettbewerberInnen einzigartig und unverwechselbar machen" (Schallehn 2012, S. 85). Obwohl alle drei Determinanten eine Rolle bei der Wahrnehmung von Authentizität spielen, unterscheiden sich diese in ihrer Wirkung.
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