In dieser Arbeit werden die Risiken und Potentiale von sozialen Medien sowie der Einfluss auf Kinder und Jugendliche untersucht. Zudem wird auf die private Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen eingegangen und die Nutzung von sozialen Medien analysiert.
Das Smartphone, Internet sowie digitale und auch soziale Medien haben bei Kindern und Jugendlichen eine enorme Rolle eingenommen. Auch bei dem Statistischen Bundesamt (2020) wird ein Anstieg der Nutzung von digitalen und sozialen Medien verzeichnet. 61 Prozent der 10- bis 15-Jährigen nutzen soziale Netzwerke für die private Kommunikation, bei den 16- bis 24- Jährigen liegen die Werte sogar bei 89 Prozent.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Begriffsklärung
3. Nutzung sozialer Medien von Kindern und Jugendlichen
4. Potentiale und Risiken von sozialen Medien
4.1 Schulische Lebenswelt
4.2 Private Lebenswelt
5. Einfluss von sozialen Medien
6. Fazit und Schluss
Referenzen
1. Einleitung
„Je mehr Zeit die Probanden mit sozialen Medien verbrachten, umso stärkere depressive Symptome entwickelten sie“ (AOK-Bundesverband, 2021).
Dieses Ergebnis zeigte sich bei einer Langzeitstudie (2019) der Universität Montreal, bei der rund 4.000 Jugendliche über vier Jahre begleitet wurden. Auch in einer zweiten gezeigten Studie von den Universitäten Arkansas und Pittsburgh zeigte sich ein „signifikanter Zusammenhang zwischen der Intensität der ursprünglichen Social-Media- Nutzung und dem Auftreten von Depressionen nach 6 Monaten“ (AOK-Bundesverband, 2021) und nach Deutschlandfunk (2021), sind etwa 10 Prozent der Jugendlichen „zwar nicht süchtig“, zeigen aber eine problematische Mediennutzung. Die Sonder- und Heilpädagogin Daniela Jarosz ergänzt, dass Scheinwelten, gespielter Perfektionismus oder Cybermobbing in den sozialen Medien psychische Erkrankungen steigern können (Jarosz, 2020).
„94 Prozent der Jugendlichen besitzen ein Smartphone. Computer/ Laptops sind bei fast dreiviertel der Jugendlichen in Besitz (JIM-Studie, 2020, S. 8). [...] Als tägliche Begleiter der Zwölf- bis 19-Jährigen stellen sich auch 2020 Smartphone und Internet heraus.“ Sie „sind [.] zur Selbstverständlichkeit unter den Heranwachsenden geworden“ (JIM-Studie, 2020, S. 13). Diese Ergebnisse zeigten sich in der „Jugend, Information, (Multi-) Medien“ oder auch kurz „JIM-Studie“ aus dem Jahre 2020. In diesem Langzeitprojekt werden jedes Jahr Kinder und Jugendliche zwischen 12 und 19 Jahren nach ihrem Umgang mit Medien befragt. 2020 gab es 1.200 Teilnehmer*innen, von denen 77 Prozent Schüler*innen waren.
Sie zeigt, was für eine enorme Rolle das Smartphone, Internet sowie digitale und auch soziale Medien bei Kindern und Jugendlichen eingenommen hat. Auch bei dem statistischen Bundesamt (2020) wird ein Anstieg der Nutzung von digitalen und sozialen Medien verzeichnet. 61 Prozent der 10- bis 15-Jährigen nutzen soziale Netzwerke für die private Kommunikation, bei den 16- bis 24- Jährigen liegen die Werte sogar bei 89 Prozent.
Die beliebtesten Freizeitbeschäftigungen sind das Internet, Online-Videos, VideoStreaming-Dienste und digitale Spiele. Die Nutzung dieser stieg im Vergleich zum Vorjahr an. Beliebte Apps sind WhatsApp, YouTube, Instagram und Snapchat (JIM-Studie, 2020).
Auf solchen Plattformen der sozialen Medien gibt es viele Einflussfaktoren für Kinder und Jugendliche. So geben bei dem Konsumverhalten und den -entscheidungen „die Hälfte der 14- bis 19-Jährigen an, in den letzten zwölf Monaten ein Produkt gekauft oder eine Dienstleistung in Anspruch genommen zu haben, weil Blogger, Youtuber oder andere prominente Personen dafür geworben haben“ (Werg & Cerny, 2020, S. 25).
Allerdings gibt es auch Vorteile der medialen Nutzung, wie beispielsweise bei der Persönlichkeits- und Identitätsbildung. Nach der Sonder- und Heilpädagogin Daniela Jarosz (2020) können sich Kinder und Jugendliche in der digitalen Welt ortsungebunden entfalten, entwickeln und ausprobieren. Was früher die Peer Group war, ist heutzutage die digitale Welt. Kinder und Jugendliche können dort durch Rückmeldungen ihr Selbstbild entwickeln und stärken. Zudem bringt die Ortsungebundenheit die Chance mit sich, dass sich Kinder und Jugendliche auch verwirklichen können, wenn sie sich in ihrer nahen Umgebung nicht wohl fühlen. Zudem gibt die digitale Welt eine höhere Reichweite, um Rückmeldungen zu erlangen.
Ein verantwortungsvoller Umgang mit digitalen und sozialen Medien ist enorm wichtig. In dieser Arbeit sollen die Risiken aber auch die Chancen und Potentiale von digitalen und sozialen Medien untersucht werden. Denn auch die Politik zeigt ein Interesse an der medialen Bildung. Bereits 2012 wurde in der Kultusministerkonferenz (KMK) eine Empfehlung zur „Medienbildung in der Schule“ verabschiedet. Der Beschluss beinhaltet unter anderem die Bedeutung der Medienbildung in der Schule, Identitätsbildung und Persönlichkeitsentwicklung mit digitalen Medien, Ausbildung von Haltungen und Wertorientierung als auch den Schutz vor negativen Wirkungen der Medien und Möglichkeiten die Medienbildung in den Lehrplan oder bereits früher in die Lehrer*innenbildung zu integrieren.
So sollen in dieser Arbeit die Fragen geklärt werden, welche Einflüsse soziale Medien auf Kinder und Jugendliche ausüben und welche Folgen sie haben können. Dabei werden die Potentiale und Risiken näher beleuchtet.
2. Begriffsklärung
Um die Risiken, Potentiale und den Einfluss von sozialen Medien betrachten zu können, müssen zunächst die Begriffe Medien, digitale Medien und soziale Medien definiert werden. Zudem wird geklärt, wie sich digitale und soziale Medien etablieren konnten.
Der Begriff „Medien“ stammt ursprünglich von dem lateinischen Wort „medium“ ab und bedeutet „Vermittler“ (Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), 2021). Nach dem Duden sind Medien „Trägersysteme zur Informationsvermittlung“ (2021), über die Nachrichten und Informationen sowie Bilder und Filme verbreitet werden (bpb, 2021). Darunter gelten beispielsweise die Presse, das Radio oder Fernsehen (Duden, 2021). Medien werden genutzt, um sich zu informieren, sich weiterzubilden, Ideen auszutauschen oder sich zu unterhalten (bpb, 2021).
Durch die Digitalisierung, beginnend in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, konnten Medien ebenfalls digital codiert werden. Zu den digitalen Medien gelten „Kommunikationsmedien, die auf der Grundlage digitaler Informations- und Kommunikationstechnologie funktionieren“, wie beispielsweise das Internet, und technische Geräte zur „Berechnung, Aufzeichnung, Speicherung, Verarbeitung, Distribution und Darstellung von digitalen Inhalten“ (Academic dictionaries and encyclopedias, 2021). Computertechnologie stellt die Grundlage für die digitalen Medien dar, da diese auf dem sogenannten binären Zahlensystem aus Einsen und Nullen besteht, während sich analoge Medien noch auf den Druck oder das persönlich gesprochene Wort beziehen. Zu den digitalen Medien zählt also ein digitales Bild oder ein digitaler Ton (Duden, 2021).
Zur Vernetzung von Benutzern und Kommunikation sowie Kooperation dienen die sozialen Medien. Dafür wird eine Internetverbindung benötigt. Benutzer von sozialen Medien können sowohl Privatpersonen als auch Unternehmen sein. Es wird zusammen kommuniziert, gearbeitet oder gestaltet mit Hilfe von Texten, Bildern oder Tönen (Gabler Wirtschaftslexikon, 2021). Laut Duden (2021) sind soziale Medien „die Gesamtheit der digitalen Technologien und Medien.“ Dazu zählen „Weblogs, Wikis, soziale Netzwerke u.Ä., über die Nutzer*innen miteinander kommunizieren und Inhalte austauschen können“ (Duden, 2021). „Aber auch Chats und Diskussionsforen, virtuelle Kontakt- und Tauschbörsen und bestimmte Apps zur Kommunikation und Bewertung“ (Gabler Wirtschaftslexikon, 2021) werden zu den sozialen Medien gezählt. So sind Webseiten wie Twitter, Facebook, Instagram und WhatsApp prominente Beispiele für soziale Medien. Dort können Fotos ausgetauscht, Rückmeldungen gegeben und Gespräche geführt werden. Nach Schmidt sollen soziale Medien es dem Menschen erleichtern „Informationen aller Art miteinander zu teilen und soziale Beziehungen zu pflegen“ (Schmidt, 2018, S. 7). Der Begriff „sozial“ steht in diesem Sinn nicht für Fürsorge oder „kümmern“, sondern für ein Kommunikationsmittel, welches „immer an den Austausch zwischen Menschen gebunden“ ist (Schmidt, 2018, S. 16). So steht der Begriff der „sozialen Medien“ für „Anwendungen, die einen sozialen Austausch durch eine aktive Mitgestaltung erlauben“ (Lohaus, 2018, S. 202).
Doch wie kam es überhaupt dazu, dass sich digitale Medien und vor allem soziale Medien in der Gesellschaft so durchgesetzt haben?
Nach Dewing (2012) etablierten sich soziale Medien in den späten 1990-er Jahren, durch das besser werdende Breitband-Internet und immer wertigere Soft- und Hardware. Schmidt (2018) fügte noch hinzu, dass die günstiger werdenden Flatrate-Tarife auch eine wichtige Rolle spielten. Zudem stellten soziale Medien einen zunehmenden wirtschaftlichen und sozialen Faktor in der Gesellschaft dar. Unternehmen konnten nun Kunden auf der ganzen Welt erreichen und kontaktieren, wodurch ihre Reichweite und Bekanntheit stieg. Unternehmen mussten nicht mehr ortsgebunden aggieren, dies ist sicher auch der zunehmenden Globalisierung zu verdanken. Weitere wichtige Faktoren für die Etablierung sind die Replizierbarkeit (das Teilen und Kopieren von Inhalten) und die Recherchierbarkeit (einfaches Suchen nach Inhalten). Zudem können soziale Medien überall, zu jeder Zeit und von Jedem/ Jeder anonym genutzt werden, wenn eine Internetverbindung vorhanden ist (Dewing, 2012).
Heutzutage werden die Mobiltelefone auch nicht mehr nur zum Telefonieren und SMS schreiben genutzt. Durch ständige Verbesserungen bei den Smartphones aber auch bei der Internetverbindung und der Übertragungsgeschwindigkeit wuchs die Anzahl der Internetnutzer*innen rasant an (Bieri, 2020).
3. Nutzung sozialer Medien von Kindern und Jugendlichen
Noch bevor die Potentiale und Risiken sowie die Einflüsse der sozialen Medien begutachtet werden können, muss zunächst das Medienverhalten der Kinder und Jugendlichen betrachtet werden.
Wie eingangs erwähnt besitzen, nach der JIM-Studie aus dem Jahr 2020, 94 Prozent der Kinder und Jugendlichen ein eigenes Smartphone. 99 Prozent der Kinder und Jugendlichen haben einen WLAN-Anschluss und 98 Prozent einen Computer/ Laptop im Haushalt.
Werden die Zahlen der JIM-Studie aus unterschiedlichen Jahren begutachtet, fällt auf, dass die Internet- und Handynutzung zugenommen hat. 2020 geben 89 Prozent der Kinder und Jugendlichen an, das Internet täglich in ihrer Freizeit zu nutzen, fünf Jahre vorher waren es noch 80 Prozent (JIM-Studie, 2015). Wieder fünf Jahre zuvor gaben nur 63 Prozent an, das Internet täglich zu nutzen (JIM-Studie, 2010). 2010 galten neben dem Handy und Internet noch der Fernseher (61%), MP3-Player (63%) und das Radio (56%) zu den beliebtesten täglichen Medienbeschäftigungen in der Freizeit. 2020 verschob sich dieses Interesse immer mehr zu den digitalen und sozialen Medien hin. Musik hören (80%), Videos im Internet (66%) und Fernsehen (45%), egal über welchen Verbreitungsweg, gehören aktuell dazu.
Ebenfalls zeigt sich ein Anstieg in der Entwicklung der täglichen Onlinenutzung von 2010 bis 2020. 2010 wurden noch durchschnittlich 138 Minuten von 1.208 Teilnehmer*innen angegeben. 2015 waren es bereits durchschnittlich 208 Minuten und 2020 durchschnittlich 258 Minuten bei jeweils 1.200 Teilnehmer*innen. Zudem ändertet sich die inhaltliche Verteilung der Internetnutzung von 2010 bis 2020. 2010 gaben 46% der 1.188 Teilnehmer*innen an, dass Internet wegen der Kommunikation zu nutzen. 2020 waren es nur noch 27% von 1.200 Teilnehmer*innen. Dafür stieg allerdings der Spiele- (17% in 2010, 28% in 2020) und Unterhaltungsaspekt (23% in 2010, 34% in 2020) an. Dies liegt vor allem auch an der gestiegenen Popularität von Streaming-Diensten und YouTube. Diese gehören neben Apps wie Instagram, WhatsApp, Snapchat und TikTok zu den beliebtesten und auch wichtigsten Internetangeboten im Jahr 2020 (JIM-Studie, 2020). Aus den Studienergebnissen zeigt sich, dass Kinder und Jugendliche das Internet und auch soziale Medien vor allem als Unterhaltungsmedium verstehen (Bieri, 2020).
4. Potentiale und Risiken von sozialen Medien
Zunächst werden mögliche Einsätze von digitalen und sozialen Medien erfasst, bevor die Potentiale und Risiken dieser analysiert werden.
Da die Einsatzmöglichkeiten von sozialen Medien mannigfaltig sind, werden in dem folgendem Abschnitt nur die Möglichkeiten für Kinder und Jugendliche im Privatbereich und in der Schule begutachtet. Trotz dessen sind Vorteile der digitalen und sozialen Medien, wie die Schnelligkeit der Verbreitung von Nachrichten in Echtzeit oder die enorme Reichweite nicht zu verdenken. So zeigt Schmidt (2018) in seinem Buch mehrere Beispiele, in denen wichtige Nachrichten über soziale Medien schneller verbreitet wurden, als durch digitale oder analoge Nachrichtendienste. So führt er das Beispiel München an. Am 22.07.2016 lief ein 18-Jähriger Schüler bewaffnet durch die Stadt und tötete neun Menschen. Die Polizei konnte durch ihren Twitter-Account eine wichtige Anlaufstelle für den Sicherheitsstatus der einzelnen Stadtviertel aufstellen. Facebook aktivierte an diesem Tag den sogenannten „Safety Check“, damit Benutzer sich als „in Sicherheit“ markieren konnten. Besorgte Familienmitglieder und Freunde konnten sich so und auch über WhatsApp über das Wohlergehen ihrer Liebsten informieren.
Andere prominente Beispiele wären die sogenannten „Zerstörungsvideos“ des Youtubers Rezo, der vor der Europawahl 2019 die Partei der CDU näher beleuchtet hat und dessen Videos viral gingen oder die Bewegung „FridaysForFuture“, die durch ein Bild von Greta Thunberg, die vor ihrer Schule demonstrierte, ihren Beginn fand.
4.1 Schulische Lebenswelt
Noch vor der Corona-Pandemie zeigt sich in der BITKOM-Studie (2015), dass eher die digital-mediale, als die sozial-mediale Ausstattung in den Schulen steigt. Im Vergleich zwischen den Jahren 2010 und 2014 zeigt sich vor allem bei Whiteboards, Tablet Computern, Beamer, Notebooks/ Laptops und stationären PCs ein Anstieg bei der Nutzung im Unterricht. Bei der Frage, zu welchem Zweck die digitalen Medien von den Lehrpersonen eingesetzt werden, finden sich vor allem Präsentationen, Internetrecherchen, Auswerten von Daten und Auflockerung des Unterrichts 2014 ganz vorn. Zu der Nutzung von digitalen Medien sagen die Schüler*innen, dass sie den Unterricht interessanter, die Lerninhalte verständlicher und schnelleres Lernen möglich machen.
Im Gegensatz zu den digitalen Medien finden soziale Medien noch sehr wenig Gebrauch in den Schulen. Dies hat vor allem datenschutzrechtliche Hintergründe. So ist das Zeigen oder (Zwischen-)Speichern von personenbezogenen Daten untersagt und jegliche dienstliche Kommunikation zwischen Schüler*innen und Lehrkräften nur eingeschränkt möglich (Ministerium für Kultus, Jugend und Sport. Baden-Württemberg, 2013), was das Einsetzen von sozialen Medien im schulischen Bereich schwierig gestaltet. So sind beispielsweise das Mitteilen von Noten, das Einrichten von Arbeits- und Lerngruppen zum Austausch von Materialien oder die Vereinbarung schulischer Termine bereits problematisch, wenn diese über soziale Medien vermittelt werden möchten.
Zulässig sind soziale Medien im Unterricht, wenn keine personenbezogenen Daten gezeigt werden. So könnten die Lehrpersonen an Beispiel-Accounts die Funktionalität, Nutzung und Gefahren von sozialen Medien aufzeigen (Ministerium für Kultus, Jugend und Sport. Baden-Württemberg, 2013).
Soziale Medien werden meist im Online-Unterricht bzw. E-Learning verwendet (Ministerium für Kultus, Jugend und Sport. Baden-Württemberg, 2013). Während der Corona-Pandemie mussten die Schulen in den Online- bzw. Fernunterricht wechseln. Auch hier müssen sich die Schulen an die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) halten (Kuhn, 2021). So hat die Datenschutzkonferenz von Bund und Ländern sich im September 2020 dazu entschieden, dass der Einsatz von „Microsoft Teams“ und „Zoom“ nicht länger erlaubt ist, da diese Plattformen den Datenschutz-Bestimmungen nicht entsprechen.
Zudem ist es ein Problem, wenn Lehrpersonen keinen Dienstlaptop oder -PC zur Verfügung haben, da auf dem privaten Laptop/ PC die privat heruntergeladenen Programme ebenfalls auf die Daten der Schüler*innen zugreifen könnten. Dadurch wären Einsatzmöglichkeiten erneut eingeschränkt (Kuhn, 2021).
Während der Corona-Pandemie haben sich allerdings auch viele Potentiale gezeigt. Wenn die Zeiten zum Lernen nicht vorgegeben sind, können sich die Schüler*innen zeitlich und räumlich flexibel bewegen. Neue Inhalte der Lehrer*innen sind für die Schüler*innen sofort verfügbar und können heruntergeladen und bearbeitet werden. Es ist auch kein Drucker notwendig und die damit verbundenen Kosten entsprechend gering, da durch Online-Plattformen die Aufgaben gleich digital erledigt werden können. Dadurch können die Lehrer*innen auch einen Überblick über den Bearbeitungsstatus der Aufgaben bei jedem*r Schüler*in bekommen und bei Schwierigkeiten sofort helfen. Zudem ist auch ein Austausch zwischen den Schüler*innen möglich und gegenseitige Hilfe sowie Kommunikationsbereitschaft kann gefördert werden. Ein ebenfalls wichtiger Faktor zeigt sich vor allem bei schüchternen Schüler*innen. Ein risiko- und angstfreies Erproben von Aufgaben kann ihr Selbstwertgefühl steigern, da die Lehrperson ohne großes Aufsehen eine Rückmeldung geben kann. Fügen Lehrer*innen auch noch interessante Features oder Spiele ein, steigt das Interesse und die Motivation der Schüler*innen nochmals an (Newton & Doonga, 2007, In: Prof. Dr. Hochholdinger & Beinicke, 2012).
Es muss allerdings beachtet werden, dass sich eine ständige Einzelarbeit negativ auf die Motivation und das Interesse der Schüler*innen auslegt. Ohne Kontakt zu Mitschülern kann dies schnell geschehen, da keine Lernkultur geschaffen ist (Bedwell & Salat, 2010, Mungania, 2003, Welsh, Wanberg, Brown, Simmerin, 2003, In: Prof. Dr. Hochholdinger & Beinicke, 2012).
4.2 Private Lebenswelt
Kinder und Jugendliche nutzen die sozialen Medien vor allem als Kommunikationsund Unterhaltungsmittel (JIM-Studie, 2020). Der Kontakt zu Mitmenschen ist für Kinder und Jugendliche essentiell. Durch digitale und soziale Medien ist die Kontakt-Reichweite um ein vielfaches gestiegen. Wo vor der Digitalisierung noch ausschließlich der Freundeskreis als Ort zur Entfaltung und zum Ausprobieren war, gibt es heutzutage zusätzlich die digitale Welt.
Kinder und Jugendliche können sich über die digitalen und sozialen Medien ortsungebunden darstellen und ausprobieren, was durch Rückmeldungen wie „Likes“ und ein gewisses Zugehörigkeitsgefühl identitätsbildend sein kann. Das Selbstbewusstsein und Selbstbild wird so beeinflusst. So können sich auch neue Peer Groups zusammenfinden, die ihren Mitgliedern auch bei Problemen helfen und zusammenhalten. Diese neue Möglichkeit der Entfaltung ist vor allem für die Kinder und Jugendlichen von Vorteil, die sich in ihrer eigenen näheren Umgebung nicht wohl fühlen oder schüchtern sind (Jarosz, 2020). Allerdings steigt auch in einer digitalen Peer Group der Datenmissbrauch, Stalking oder Cybermobbing. Kinder und Jugendliche sind ihrer Gruppe meist offen gegenüber, auch wenn sie die Mitglieder nicht persönlich kennen. So werden private Daten und Inhalte geteilt, die jedoch in den sozialen Medien nicht immer privat bleiben (Jarosz, 2020).
Zwar ist es auch ein Potential der sozialen Medien, dass sich Personen so darstellen können wie sie es möchten, allerdings kann auch genau das gefährlich werden. In der digitalen Welt werden viele verschiedene Persönlichkeiten und Selbstbilder gezeigt. Doch die Vielfalt dieser Welt kann bei den Kindern und Jugendlichen auch zur Überforderung und Verunsicherung führen. Nicht selten zeigen Internetpersönlichkeiten „getarnte Scheinrealitäten“, die dann problematisch für das Selbstbewusstsein der Kinder und Jugendlichen werden können. Es werden perfektes Aussehen, schöne Umgebungen und Talente suggeriert, mit denen sich Kinder und Jugendliche vergleichen. Dadurch steigen auch Selbstzweifel und der Druck gefallen zu wollen an (Jarosz, 2020).
Bei einer Langzeitstudie der Universität Montreal wurden fast 4.000 Jugendliche über vier Jahre begleitet. Die Studie beschäftigte sich mit der Frage, ob ein Zusammenhang zwischen der Bildschirmzeit und Depression in der Adoleszenz besteht. Im Ergebnis der Studie zeigte sich, je mehr Zeit die Jugendlichen mit sozialen Medien verbrachten, desto stärker ist die Chance depressive Symptome zu entwickeln, als bei den Probanden, die sich hauptsächlich mit dem Computer oder Fernseher beschäftigten (PhD. Boers et al., 2019). Der Kinder- und Jugendpsychiater Dr. Korte (2020) warnt auch vor der zunehmenden Beschleunigung der Lebenswelt und dem übermäßigem Konsum digitaler Spiele und Kanäle auf sozialen Medien, die zu psychischer Instabilität führen können. Auch Jarosz schreibt in ihrem Artikel, dass sich bei einem negativen Selbstwertgefühl und Selbstbild der Kinder und Jugendlichen „Essstörungen, übertriebener Körperkult, Fitnesswahn, selbstverletzendes Verhalten, Ängste, Depressionen oder Suizidalität - um nur einige zu nennen“ (Jarosz, 2020) entwickeln können.
Nach Jarosz ist es Tatsache, dass in den sozialen Medien Scheinwirklichkeiten gezeigt werden. Es ist allerdings wichtiger, dass Kinder und Jugendliche kritisch bleiben, hinterfragen und reflektiert mit den sozialen Medien umgehen. Dann kann sich auch ein positives Selbst- und Körperbild entwickeln, was zu einer gesunden Psyche und Physis führt. Jugendliche sollen sich vergleichen dürfen, allerdings sollte dies mehr im direkten Umfeld geschehen und nicht in Scheinrealitäten. Nur so lernen Kinder und Jugendliche ihre Stärken und Schwächen kennen, akzeptieren diese und fördern ihr Selbstbewusstsein (Jarosz, 2020).
Ein weiteres Problem sind Beleidigungen oder Gewalttaten im Netz. „29 Prozent der Jugendlichen geben an, dass schon mal beleidigende oder falsche Sachen über sie im Netz verbreitet wurden“ (JIM-Studie, 2020, S. 60). Im Vergleich zur JIM-Studie aus dem Jahr 2010 zeigt sich ein Anstieg um 14 Prozent. „37 Prozent haben beleidigende Kommentare beispielsweise in Sozialen Netzwerken wahrgenommen [und] mehr als jede/-r Zweite wurde im Zeitraum eines Monats mit Hassbotschaften konfrontiert“ (JIM-Studie, 2020, S. 62). Auch die Gefahr, dass Kinder und Jugendliche auf ungeeignete oder sogar illegale Inhalte stoßen ist bei sozialen Medien nicht auszuschließen. Meist handelt es sich „um Verstösse wie strafbare Pornografie, Sexting, Cybermobbing und Gewaltdarstellungen in den Medien“ (Bieri, 2020, S. 32). Nach dem Bundesamt für Statistik nimmt die Anzahl an der nach Gewaltdarstellungen und Pornografie verurteilten Jugendlichen stetig zu (Bieri, 2020).
Doch die genannten Gefahren können verringert werden, wenn Kinder und Jugendliche Informationen sammeln und sortieren, kritisch analysieren und eine eigene Haltung entwickeln. Diese Medienkompetenz ist auch für das spätere Berufsleben sehr wichtig und kann geschult werden (Dr. Jares, 2015). Auch Medienkompetenztrainings haben sich als eine bewährte Methode für straffällige Kinder und Jugendliche bewährt. So zeigt Bieri (2020) verschiedenste Erfahrungsberichte von straffällig gewordenen Kindern und Jugendlichen auf, die nach einem solchen Kompetenztraining reflektierter hervorgehen und ihr eigenes Handeln und das anderer kritisch hinterfragen. Auch in den Schulen soll eine Medienbildung künftig fester Bestandteil werden. Wie bereits einführend erzählt wurde im Jahr 2012 bei der Kultusministerkonferenz Empfehlungen zur „Medienbildung in der Schule“ verabschiedet.
Auch die körperlichen Risiken, die mit sozialen Medien in Verbindung gebracht werden können, dürfen nicht außer Acht gelassen werden. „Eine häufige Computer-, Tablet- oder Smartphone-Nutzung [fördert] auch die Kurzsichtigkeit, wenn sie nicht hinreichend durch Blicke in die Ferne unterbrochen wird“ (Gabriel & Röhrs, 2017, S. 226). So wird in der Publikation von Gabriel und Röhrs die Studie European Epidemiology Consortiums erwähnt, wonach 16 Prozent der 65- bis 69-Jährigen Europäer nur zu 16% kurzsichtig und bei den 25- bis 29-Jährigen ganze 47% kurzsichtig sind und für den Fernblick eine Sehhilfe brauchen. Da soziale Medien digital übertragen werden und über solche Endgeräte genutzt werden, ist dieser negative Randeffekt nicht zu verdenken. Dazu gehören auch Krankheiten, wie der „Handynacken“ mit Schmerzen im Schulter-und Nacken-Bereich, durch die meist nach unten gerichteten Blicke um auf die Endgeräte zu schauen oder der „Handydaumen“ als Folge von exzessivem Tippen auf der Tastatur, welches eine chronische Sehnenscheidenentzündung hervorrufen kann (Gabriel & Röhrs, 2017). Zudem zeigte sich bei der KiGGS-Studie (Kinder- und Jugendgesund- heitssurvey), die von 2003 bis 2006 vom Robert Koch-Institut durchgeführt wurde, ein Zusammenhang zwischen der übermäßigen Nutzung von sozialen Medien (mehr als fünf Stunden täglich) und Adipositas. Es zeigt sich bei einem hohen zeitlichen Umfang der Mediennutzung eine gleichzeitige sportlich-körperliche Inaktivität, die auch mit Übergewicht einhergeht (Lampert, Sygusch & Schlack, 2007). Jedoch verdeutlicht die Studie auch, dass keine klare Ursache-Wirkungs-Beziehung feststeht. Es deutet zwar vieles darauf hin, dass Jugendliche, die einen Großteil ihrer Freizeit mit sozialen Medien verbringen, weniger Zeit für Sport oder andere Aktivitäten haben und in Folge dessen auch ein höheres Risiko für Übergewicht und Adipositas besitzen. Allerdings ist es auch denkbar, dass sich ohnehin schon übergewichtige Jugendliche wegen weniger Gelegenheiten und Angebote nicht sportlich betätigen und somit Zeit mit sozialen Medien verbringen (Lampert, Sygusch & Schlack, 2007). Dieses Problem könnte ebenfalls durch Medienkompetenztrainings und attraktivere sportliche Angebote behoben werden.
Da es mehreren Kindern und Jugendlichen so geht, könnten in sozialen Netzwerken Gruppen zum Austausch erstellt werden. Durch geteilte Erfahrungsberichte und Fortschritte würde die Motivation steigen, ebenfalls sportlich und gesund zu leben und ihre Fortschritte zu teilen. Dadurch zeigt sich ein erneutes Potential der sozialen Medien.
5. Einfluss von sozialen Medien
Es gibt viele verschiedene Einflüsse die auf Kinder und Jugendliche einwirken können. Nach Hurrelmann und Quenzel (In: Bieri, 2020) werden an Jugendliche während und nach der Pubertät hohe Ansprüche gestellt, sowohl in ihrer körperlichen als auch kognitiven Entwicklung. Zudem wird von Jugendlichen, durch die körperlich stattfindende Veränderung, eine hohe psychische Anpassungsfähigkeit abverlangt. Sie sollen sich nach den Werten und Normen der Gesellschaft orientieren und verhalten und sich in diese mit einbringen. Während der Entwicklungsphase der Pubertät gibt es also viele unterschiedliche Einflüsse, die die Jugendlichen prägen und formen.
Heutzutage sind ein weiterer Einflussfaktor die sozialen Medien geworden. Die Nutzung des Internets gehört bei den Kindern und Jugendlichen genauso zu den alltäglichen Aktivitäten wie beispielsweise ihre Freunde zu treffen (Bieri, 2020). „Die Darstellung von Umgangs- und Verhaltensformen im Internet dient Jugendlichen als Inspiration für ihre persönliche Identitätsentwicklung“ (Bieri, 2020, S. 24). In den sozialen Medien werden ständig Wissen, aber auch Werte und Normen vermittelt. Durch den medialen Überfluss können sich Kinder und Jugendliche entscheiden, welche Inhalte sie für sich übernehmen möchten. In der digitalen Welt können sie sich ausprobieren, experimentieren und kommunizieren, was für ein gesundes Selbstbild wichtig ist (Jarosz, 2020).
Wie bereits als Potential erwähnt, können durch soziale Medien neue Peer Groups entstehen. Durch die Vernetzung mit Menschen aus allen Lebensbereichen können Erfahrungsberichte ausgetauscht werden. Durch diesen Austausch können sich Kinder und Jugendliche helfen lassen. Das Klaus-Grawe-Institut für Psychologische Therapie stellt in einem Artikel (Frei, 2018) eine Studie vor, in der sieben von zehn Studien- teilnehmer*innen den Austausch über soziale Medien in schweren Zeiten als hilfreich empfanden. Zudem wird erwähnt, dass sich die Hilfsbereitschaft und das Engagement bei Kindern und Jugendlichen steigert. So können in den sozialen Medien Initiativen, Petitionen oder Spendenaufrufe gestartet werden, deren Präsenz auf Kinder und Jugendliche einwirkt (Schau hin! Was Dein Kind mit Medien macht., 2021). Durch Foren oder andere Plattformen für Gleichgesinnte, den geteilten Erfahrungswerten und der großen Reichweite durch soziale Medien werden psychischen Krankheiten oder anderen gesundheitlichen Problemen immer mehr Aufmerksamkeit geschenkt (Frei, 2018).
Jedoch gibt es nicht nur positive Einflüsse von sozialen Medien. Wie einführend erwähnt hatte der AOK-Bundesverband (2021) mehrere Studien aufgezeigt, in denen es einen Zusammenhang zwischen der Intensität der Nutzung von sozialen Medien und dem Auftreten von Depressionen geben soll. Unter anderem wird eine Studie der Universitäten Arkansas und Pittsburgh genannt, in der 1.289 Studierende zwischen 18 und 30 Jahren über sechs Monate hinweg beobachtet wurden. 990 Teilnehmer*innen gaben zu Beginn an, an keinen depressiven Symptomen zu leiden. Nach den sechs Monaten des Beobachtungszeitraumes zeigten 95 von diesen 990 Teilnehmer*innen (9,6%) depressive Symptome. In den Ergebnissen zeigte sich, dass diese depressiven Symptome mit der Nutzung von sozialen Medien zusammenhängen können. „Das Viertel der Probanden mit der stärksten Social-Media-Nutzung zu Studienbeginn hatte ein 2,8-fach höheres Risiko eine Depression zu entwickeln als das Viertel der Probanden mit der niedrigsten SocialMedia-Nutzung“ (AOK-Bundesverband, 2021). Bei einer zweiten aufgezeigten Langzeitstudie der Universität Montreal wurden etwa 4.000 Jugendliche über vier Jahre beobachtet. Die Ergebnisse zeigten, „je mehr Zeit die Probanden mit sozialen Medien verbrachten, umso stärkere depressive Symptome entwickeln sie“ (AOK-Bundesverband, 2021). Dabei scheint nicht die Nutzungsdauer von Bedeutung zu sein, sondern der generell schlechte Effekt von Social-Media-Nutzung.
Der AOK-Bundesverband stellt auch mögliche negative Effekte von sozialen Medien vor. So sind vor allem der soziale Vergleich, Zeitaufwand, die Reizüberflutung und die Sucht nach „Likes“ und Anerkennung problematisch für Kinder und Jugendliche. Nach Jarosz (2020) ist es sogar gesund und normal, dass sich Kinder und Jugendliche vergleichen. Dies ist auch wichtig, um das eigene Selbstbild zu entwickeln. Allerdings fanden Vergleiche früher in einem kleineren und persönlicherem Rahmen als heute statt. Durch die digitale Welt haben Kinder und Jugendliche ein vielfaches an Persönlichkeiten, mit denen sie sich vergleichen können. Sehen sie sich „Scheinrealitäten“ oder „persönlichkeiten“ an, so können diese die Realität verzerren und Selbstzweifel sowie hohen Druck gefallen zu wollen auslösen. Darunter kann dann das Selbstbewusstsein leiden und das Selbstbild negativ beeinflusst werden (Jarosz, 2020).
Zumeist wird auf den Kanälen der größten Instagram-Influencer*innen ein materialistischer Lebensstil, mit viel Kosmetik, Mode und luxuriösen Reisen oder Gütern, gezeigt (Werg & Scheffler, 2019, In: Werg & Cerny, 2020). Mit einer Reichweite von beispielsweise über vier Millionen Followern haben diese Kanäle auch ein enorm großes Publikum. Vergleichen sich nun Kinder und Jugendliche mit diesen meist unerreichbaren Influencer*innen, so werden Kinder und Jugendliche meist enttäuscht und die Selbstzweifel steigen ebenfalls.
Auf Plattformen der sozialen Medien, wie Instagram, Snapchat, YouTube oder TikTok, gibt es viele Einflussfaktoren, unter anderem auch auf das Konsumverhalten und die -entscheidungen von Kindern und Jugendlichen. Laut Werg und Cerny „gibt die Hälfte der 14- bis 19-Jährigen an, in den letzten zwölf Monaten ein Produkt gekauft oder eine Dienstleistung in Anspruch genommen zu haben, weil Blogger, Youtuber oder andere prominente Personen dafür geworben haben“ (2020, S. 25).
Doch warum schenken Kinder und Jugendliche Influencer*innen so viel Vertrauen? Bei einer Studie von Twitter aus dem Jahre 2016 zeigte sich, dass 13- bis 24-Jährige „Social-Influencer*innen“ vor allem nach zwei Kriterien evaluieren. Zum einen nach der „Anzahl der Follower, also der Reichweite des Influencers“ (Kohn, 2016, S. 56) und zum anderen die „Social Presence“, also das Zeigen der (anscheinend) vollständigen Persönlichkeit. Eine weitere Studie, die von Kohn (2016) aufgezeigt wird, ist die „YouTube Creator“-Studie aus Februar 2016 von „iconkids & youth“ im Auftrag von Google. Diese Studie sollte die Wirkung von bekannten YouTube-Influencer*innen im Vergleich zu „klassischen Stars“, wie Sänger*innen, Moderator*innen oder bekannten Politiker*innen auf Jugendliche zeigen. Es wurden etwa 700 Jugendliche befragt. Die Ergebnisse zeigten, dass zwar „klassische Stars“ noch bekannter waren als YouTube- Influencer*innen, allerdings nicht als glaubwürdiger, authentischer und greifbarer wahrgenommen werden. Leider zeigt die Studie keinen Grund für die Wahrnehmung der Jugendlichen auf. Nach Kohn (2016) könnten Influencer*innen das Vertrauen der Kinder und Jugendlichen bekommen, weil sie sich besonders nahbar zeigen. Sie präsentieren ihre vermeintlich ganze Persönlichkeit und Lebensweise über die sozialen Medien. Sie werden nicht als „virtueller Avatar“ wahrgenommen, sondern als „echter Mensch“ (Kohn, 2016, S. 56).
Bei Versuchen den Begriff des „Influencers“ zu definieren, zeigen sich Übersetzungen wie „Beeinflusser“, Überzeuger“ oder „Überredungskünstler“ (Kohn, 2016, S. 59). Nach dem Duden sind Influencer*innen Personen, „die in sozialen Netzwerken besonders bekannt [und] einflussreich [sind] und bestimmte Werbebot- schaften, Auffassungen o.Ä.“ vermitteln (Duden, 2021). So wird auch das Herkunftswort „to influence“ aus dem Englischen mit „beeinflussen“ übersetzt.
Diesem Einfluss sind sich auch Unternehmen bewusst. Influencer*innen erhalten Geld von Unternehmen, wenn sie deren Produkte in den sozialen Medien bewerben. Wenn Kinder und Jugendliche diesen Influencer*innen nacheifern möchten, entsteht schnell die von Werg und Cerny aufgezeigte Anzahl an Käufer*innen.
Allerdings gibt es nicht ausschließlich Scheinrealitäten in den sozialen Medien. Da sich jede Person in den sozialen Medien zeigen kann, zeigt sich auch, dass nicht jede*r Mensch perfekt ist, Bildbearbeitung oder viel Schminke benutzt. Als Beispiel bringt die Soziologin und Professorin für Medien und Kommunikation Dagmar Hoffmann in einem Artikel von Aktion Mensch e.V. (2021) Ilka Brühl hervor. Sie hat eine Gesichts-Spalte und zeigt sich mit vollem Selbstbewusstsein in den sozialen Medien. Sie spricht offen über ihre Probleme aber auch über die Freuden ihres Tages. So beeinflusst auch Ilka Brühl Kinder und Jugendliche. Ein weiteres positives Beispiel wären Influencer*innen, die sich besonders nachhaltig präsentieren. Kinder und Jugendliche können sich beim Nacheifern ebenfalls positiv entwickeln.
So stellen Werg und Cerny (2020) die „LassMaMachen-Challenge“ vor, dessen Ziel es ist „Aktivierungsstrategien für nachhaltigen Konsum bei Jugendlichen zu identifizieren und dabei möglichst nah an deren bestehenden Interessen und Alltagsaktivitäten anzusetzen“ (Werg & Cerny, 2020, S. 25-26). So sollten in dieser Challenge bzw. in diesem Wettbewerb Jugendliche ihre nachhaltigen Ideen präsentieren. Unterstützt und mitentwickelt wird diese Aktion von nachhaltigkeitsaffinen Influencer*innen. Diese Teilen Informationen zu Themen wie nachhaltigem Konsum und umweltfreundlichen Alltagshandlungen (Werg & Cerny, 2020, S. 26). Bei der Analyse der URL-Aufrufe wurde festgestellt, dass 43.000 Aufrufe durch die sozialen Medien und 20.000 Aufrufe über Newsletter oder persönliche Offline-Gespräche zusammen kamen. Dies zeigt erneut die enorme Reichweite der sozialen Medien, die auch für positive Themen wie Nachhaltigkeit und Umweltschutz eingesetzt werden kann.
6. Fazit und Schluss
Die Fragen, die mit Hilfe dieser Arbeit geklärt werden sollten, waren welche Einflüsse soziale Medien auf Kinder und Jugendliche ausüben und welche Folgen sie haben können.
Es wurden Potentiale von sozialen Medien vorgestellt, die das Selbstbild von Kindern und Jugendlichen stärken. Die enorm gewachsene Reichweite durch soziale Medien hilft Kindern und Jugendlichen sich zu entfalten, zu experimentieren, zu kommunizieren und sich auszutauschen. Vor allem ist das für die Kinder und Jugendlichen von Vorteil, die sich in ihrer näheren Umgebung nicht akzeptiert oder wohl fühlen. In den sozialen Medien können Erfahrungsberichte ausgetauscht werden und so Hilfsangebote gestellt werden. Das Engagement und die Hilfsbereitschaft der Kinder und Jugendlichen steigt dadurch stark an. Zudem ist es durch die sozialen Medien auch einfacher geworden mit geringem Aufwand helfen zu können.
Allerdings wurden auch Risiken, wie ständiger sozialer Vergleich, zu hohe Zeitinvestition, Reizüberflutung und die Sucht nach Anerkennung aufgezeigt, die sich negativ auf das Selbstbewusstsein, Selbstbild und Selbstwertgefühl auswirken können. Dafürsprechend wurden Studien erwähnt, die Jugendliche über längere Zeiträume begleitet haben und erkannten, dass sich depressive Symptome mit der intensiven Nutzung von sozialen Medien verbinden lassen. Problematisch wird es auch für Kinder und Jugendliche, wenn sich durch „Scheinrealitäten“ und gespieltem Perfektionismus ihre Realität verzerrt. Dabei können Folgen wie Essstörungen, übertriebener Körperkult, Ängste und andere krankhafte Bilder entstehen.
Jedoch können all diese Risiken und Gefahren minimiert werden, wenn Kinder und Jugendliche lernen, soziale Medien zu hinterfragen und zu reflektieren. Wenn das kritische Denken gefördert wird, kann das Selbstbewusstsein und Selbstbild gestärkt werden. Das Ziel der Medienbildung haben sich auch die Politik und Schulen gesetzt. So können Kinder und Jugendliche lernen mit digitalen und sozialen Medien souverän und sicher umzugehen.
Referenzen
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- Sophia Liesche (Author), 2022, Der Einfluss von sozialen Medien auf Kinder und Jugendliche, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1191310
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