In dieser Arbeit wird der Forschungsstand zu der Frage "Warum konnte der Plan einer EU-Armee bislang nicht oder nur sehr eingeschränkt verwirklicht werden?" aufgezeigt. Zur Darstellung des Forschungsstand werfen wir einen Blick auf die Vergangenheit und versuchen, die Gründe zu katalysieren, welche dafür sorgen bzw. sorgten, dass es nie zu einer EU- Armee gekommen ist. Um diese zu identifizieren, wird ein Blick auf drei Zeitabschnitte geworfen, welche eine Möglichkeit einer Formung einer Europaarmee boten. Angefangen wird in den 1950er mit der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft, gefolgt von der Zeit des Endes des Kalten Krieges, abschließend wird das Versagen der EU während des Kosovokrieges betrachtet. Anschließend werden anhand der Ergebnisse drei Integrationstheorien (Neofunktionalismus, liberaler Intergouvernementalismus und Sozialkonstruktivismus) auf ihren Erklärungsgehalt geprüft. Abschließend wird anhand der gewonnenen Erkenntnis ein Ausblick auf die aktuelle Lage der EU geworfen.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Methodik
Die Europäische Verteidigungsgemeinschaft
Ende des Kalten Krieges
Kosovokrieg - Versagen der EU
Theoretische Ansätze - Verknüpfung der Fälle
1. Der Sozialkonstruktivismus
2. Der Neo-Funktionalismus
3. Liberale Intergouvernementalismus
Forschungslücke
Literaturverzeichnis
Einleitung
Die EU sieht sich mit immer komplexeren Risiken und gefährlicheren Bedrohungen konfrontiert. Mit der von Russland ausgehenden Aggressionspolitik und der damit eingehenden Annexion der Krim 2014 (Motyl, 2015, S.317), sowie mit der Wahl von Donald Trump und der damit verbundenen Unsicherheit über die Zuverlässigkeit der USA hat sich die Sicherheitssituation Europas deutlich verändert (Wissenschaftliche Dienste, 2018, S.4). Die europäischen rüstungsindustriellen Strukturen sind ineffizient, die Armeen der europäischen Staaten zu klein und die gemeinsame Koordinierung lässt zu wünschen übrig (Dembinski, 2018, S.4). Um dies entgegenzuwirken und die europäische Integration auf die nächste Ebene zu bringen, fordern Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel sowie der französische Präsident Emmanuel Macron nach einer EU-Armee. (Jensen, 2019, S.9) Dies war nicht die erste Forderung. Vor ihnen forderten viele Persönlichkeiten eine europäische Armee, so beispielsweise auch Jean-Claude Juncker oder Helmut Kohl. Breits zu Beginn der europäischen Zusammenarbeit war die Schaffung einer europäischen Armee ein wichtiges Thema (Volkmann, 1999, S.181). Trotz vieler Fortschritte in der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik in den letzten Jahrzehnten, kann man beobachten, dass die gleichen Gründe, die historisch die Entwicklung einer supranationalen EU-Armee gestoppt haben bis heute relevant sind. Im Folgenden wird der Forschungsstand zu der Frage „Warum konnte der Plan einer EU-Armee bislang nicht oder nur sehr eingeschränkt verwirklicht werden?“ aufgezeigt.
Methodik
Zur Darstellung des Forschungsstand werfen wir einen Blick auf die Vergangenheit und versuchen, die Gründe zu katalysieren, welche dafür sorgen bzw. sorgten, dass es nie zu einer EU- Armee gekommen ist. Um diese zu identifizieren, wird ein Blick auf drei Zeitabschnitte geworfen, welche eine Möglichkeit einer Formung einer Europaarmee boten. Angefangen wird in den 1950er mit der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft, gefolgt von der Zeit des Endes des Kalten Krieges, abschließend wird das Versagen der EU während des Kosovokrieges betrachtet. Anschließend werden anhand der Ergebnisse drei Integrationstheorien (Neofunktionalismus, liberaler Intergouvernementalismus und Sozialkonstruktivismus) auf ihren Erklärungsgehalt geprüft. Abschließend wird anhand der gewonnenen Erkenntnis ein Ausblick auf die aktuelle Lage der EU geworfen.
Die Europäische Verteidigungsgemeinschaft
Europa schaut auf sechs Jahre Krieg zurück, der Wunsch nach Sicherheit ist groß. Um die Bedrohung der Sowjetunion zu minimieren, unterzeichneten im März 1948 Großbritannien, Frankreich und die Beneluxstaaten den Brüsseler Vertrag. Der Kern des Vertrages war ein gegenseitiges Verteidigungsverprechen. Im Falle eines Angriffs auf Europa sollten die Nationen sich gegenseitig Beistand leisten (Wissenschaftliche Dienste, 2018, S.5). Weitere Sicherheitsmechanismen wurden 1949 mit der Gründung der NATO beschlossen. Zwölf Staaten, unter anderem die USA und die Mitglieder des Brüsselers Vertrages, schlossen sich zusammen, um „die Russen fern zu halten, die Amerikaner zu integrieren und die Deutschen am Boden zu halten“ (Stadnik, 2016, S. 2).
Als 1950 der Korea-Krieg ausbrauch, nahm die geopolitische Spannung zwischen dem Westen und dem Osten ein Hoch an. Die USA drängt Frankreich dazu, die Deutschen wieder zu bewaffnen, um Teil der Verteidigung Europas zu werden und somit die alliierte Militärpräsenz in Europa zu stärken. Um die Wiederauferstehung der Wehrmacht zu vermeiden, kam der französische Minister Robert Schuhmann auf die Idee, die deutsche Armee innerhalb einer europäischen Armee neu zu gründen (Dutard, 2018, S. 2). Die sogenannte Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) sollte nach dem Pleven Plan realisiert werden. Dieser sah eine Europäische Armee vor, die die nationalen Armeen abschaffen sollte. Sie soll einer supranationalen Behörde unterstehen, welche die Armee demokratisch kontrollieren sollte (Wissenschaftliche Dienste, 2018, S.6). Der Weg zur europäischen Armee war geebnet. Bis 1954 hatten alle Mitglieder bis auf Frankreich den Vertrag ratifiziert. Am 30. August 1954 scheitert die EVG an der Nichtratifizierung der französischen Nationalversammlung. Mögliche Gründe für das Scheitern waren die starke Einwirkung der Militärs auf die Abgeordneten und die mangelnde Unterstützung für föderalistische Projekte, sowie die Prioritäten, die sich Frankreich setzte. Sie wollten die Finanzen sowie die Wirtschaft des Landes fördern und nicht die europäische Integration, da sie sich der Gefahr ausgesetzt sahen, Opfer eines Verdrängungswettbewerb in Europa zu werden. Als Folge des Scheiterns stimmte Frankreich einer Aufnahme Deutschlands in den Nordatlantikpakt zu (Volkmann, 1999, S.180ff).
Ende des Kalten Krieges
Während des Kalten Krieges befand sich die EU in einer Identitätskrise. Die Politik des französischen Präsidenten Charles de Gaulle führte zu einem Vertrauensverlust der Europäischen Kommission. Er ziele darauf ab, die Entscheidungsfindung für die nationalen Staaten zurückzuerhalten, da Frankreich sonst in wirtschaftlicher, sozialer und politischer Sicht die Hände gebunden wären. Es gelang ihm durch die Politik des leeren Stuhls, sein Ziel zu erreichen. Durch das dauerhafte Fernbleiben Frankreichs im Ministerrat war dieser beschlussunfähig (Schwarz, 2005, S. 112). Der Luxemburger Kompromiss sollte eine Lösung bringen, schaffte aber ein de facto Vetorecht für alle Mitgliedstaaten (Janning, 1997, S. 7). Die Europäische Integration stand still.
Nachdem de Gaulle aus dem Amt war, nahm die Europäische Integration neuen Wind auf. Jaques Delors entwickelt eine Agenda, um die Stagnation zu überwinden. Er war Wegbereiter für den Europäischen Binnenmarkt und der Währungsunion (Schneider, 2001, S.5). Zusätzlich betont er explizit am Ende des Golfkrieges den miserablen Auftritt Europas.
„[...] (O)nce it became obvious that the situation would have to be resolved by armed combat, the Community had neither the institutional machinery nor the military force which would have allowed it to act as a community. Are the Twelve prepared to learn from this experience?“ (Stadnik, 2016, S. 3)
Während des Golfkrieges wurde sichtbar, dass Staaten auf ihre Souveränität, wenn es um „high politics“ Themen geht, nicht verzichten wollen. Die Mitgliedstaaten waren in der Frage, ob ein Eingreifen in den Krieg sinnvoll wäre, uneinig. Folglich trug Europa keine große Rolle in der Beendigung des Konflikts. Dies zeigt, dass das Europa eine Veränderung benötigt, da sie weder durch ihre institutionelle Struktur noch durch ihre militärischen Streitkräfte bereit sind, als Verbund zusammenzuarbeiten. Erneut wird in einem entscheidenden Moment des europäischen Versagens zu politscher Zusammenarbeit aufgerufen. (Stadnik, 2016, S.3)
So kam es auch zu verstärkter militärischer Zusammenarbeit, 1988 unterzeichneten der deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl und der französische Präsident ein Ergänzungsprotokoll zum Deutsch- Französischen Verteidigungs- und Sicherheitsrat, welches die Zusammenarbeit in sicherheitspolitischen Themenfelder weiterentwickeln soll. So kam es zur Gründung der Französisch- deutschen Brigade, als Kern einer zukünftigen Eurokorps (Cole, 2001, S.110ff.). Allerdings sprach sich Großbritannien gegen die Autonomie dieser vorgeschlagenen Truppe aus und forderte eine Verankerung in der Nato (Stadnik, 2016, S.4). Somit hemmt Großbritanniens Gegenwehr eine autonome europäische Verteidigungszusammenarbeit.
Kosovokrieg - Versagen der EU
Mit dem Zerfall von Jugoslawien und dem anbahnenden Krieg sei „die Stunde von Europa gekommen“, wie einst Luxemburgs Außenminister Jacques Poos sagte (Stadnik, 2016, S.5). Der Europäischen Union gelang keinen effektiven Ansatz zur Konfliktbeilegung. Die EU war grundsätzlich überfordert mit einem Konflikt, der ohne eine militärische Intervention nicht in den Griff zu bekommen. Die EU verfügte nicht über geeignete politische oder militärische Mechanismen, um der Krise effektiv entgegen zu steuern (Lang, 2012, S.8). Der Jugoslawienkonflikt zeigte, dass die EU noch stets abhängig von der Unterstützung der USA und der Nato ist. In den 90ern realisierten die Staats- und Regierungschefs, dass die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik ineffizient ist und es mit einer besseren Verteidigungspolitik wahrscheinlich nicht zu einem Krieg gekommen wäre (Stadnik, 2016, S.6). Als auch im Kosovokrieg die EU wenig militärische Möglichkeiten hatte, kam es zu einem Umdenken und zu drastischen Verteidigungsreformen. Selbst Großbritannien wiedersetzt sich nicht mehr eine Vertiefung der GASP. Wieder einmal steht der Gedanke einer europäischen Armee in den Raum. Anstatt einer stehenden europäischen Armee, wird der Rahmen geschaffen für eine europäische Eingreiftruppe. Eine 50.000 bis 60.000 Soldaten umfassende und in höchstens zwei Monaten einsatzbereite Truppe (Renne, 2004, S.56), die in der Lage sein soll, die Petersberg Aufgaben zu erfüllen. Diese beinhalten humanitäre und friedenserhaltende Aufgaben, aber auch Kampfeinsätze bei der Krisenbewältigung (Europäischer Auswertiger Dienst, 2016, S.1).
Theoretische Ansätze - Verknüpfung der Fälle
Der Sozialkonstruktivismus
Der Sozialkonstruktivismus stellt die Ontologie der Rational Choice Theorie in Frage. Laut der RCT handelt ein Mensch dann rational, wenn der Nutzen maximiert ist. Er wägt die Kosten und den Nutzen aller Alternativen ab und entscheidet sich für die Kombination, mit dem höchsten Ertrag. Der Sozialkonstruktivismus beschreibt, dass das Handeln auf Normen und Identitäten basiert. Somit wird das Abwägen der geeignetsten Kombination durch die Institutionen beeinflusst. Sozialisationseffekte gehen einher, sprich die soziale Umwelt beeinflusst die Entscheidungsfindung. Die Übernahme von Wertvorstellungen spielt hierbei eine große Rolle (Knodt, 2012, S. 70ff.).
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- Quote paper
- Erik Schlüter (Author), 2020, Eine Europäischen Armee. Warum konnte der Plan bislang nicht verwirklicht werden?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1191182
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