"Was ein Mensch gilt oder wert ist, ist, wie bei allen anderen Dingen, sein Preis, das heißt so viel, wie für den Gebrauch seiner Kraft gegeben wird." Thomas Hobbes (*05.04.1588-†04.12.1679), Engl. Staatstheoretiker. "Arbeit gibt uns mehr als den Lebensunterhalt; sie gibt uns das Leben." Henry Ford (*30.07.1863-†07.04.1947), US-Unternehmer. Hobbes' Einschätzung mag noch so misanthropisch sein, aber wenigstens hat er Recht,wenn er annimmt, dass dem Arbeitgeber die Arbeitsleistung seines Beschäftigten eine gewisse Entlohnung wert ist. In manchen Situationen jedoch entrichtet der Arbeitgeber bereitwillig einige Monatsgehälter und möchte dennoch unbedingt nicht, dass der so Entlohnte am Arbeitsplatz erscheint.Wenn nämlich Arbeitnehmer und Arbeitgeber einvernehmlich ihr Arbeitsverhältnis lösen, erst recht aber, wenn der Arbeitgeber eine Kündigung ausspricht, kommt es regelmäßig vor, dass dieser den Arbeitnehmer bis zum Ende der Kündigungsfrist von der Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Bezüge freistellt. Damit sind natürlich nicht alle Betroffenen einverstanden, denn die Arbeit dient freilich nicht nur dem Erhalt des Lebensunterhalts. Aus der Arbeitssoziologie wissen wir beispielsweise, dass Menschen aus ihrer Arbeit auch Selbstbestätigung schöpfen und soziale Beziehungen knüpfen.1Insoweit trifft Henry Ford, so umstritten er ansonsten sein mag, mit obiger Aussage den entscheidenden Punkt.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung und Themeneingrenzung
2 Freistellungsvereinbarungen und einseitig angeordnete Freistellungen
2.1 Sind einseitig angeordnete Freistellungen in jedem Fall zulässig?
2.2 Arbeitsvertragliche Freistellungsklausel
3 Rechtliche Konsequenzen in Verbindung mit Freistellungen
3.1 Freistellungen in Verbindung mit Altersteilzeitverträgen
3.1.1 Die Rechtsauffassung der BfA
3.1.2 Stellungnahme
3.2 Einfluss der Freistellung auf die Sperrzeit
3.2.1 Beschäftigungslosigkeit im sperrzeitrechtlichen Sinne
3.2.2 Eine Missachtung der funktionsdifferenten Auslegung durch die Sozialversicherungsträger
3.2.3 Folgen der Rechtsauffassung der Sozialversicherungsträger
3.3 Weitere rechtliche Besonderheiten in Verbindung mit Freistellungen
3.3.1 Abgeltung von Urlaubsansprüchen in der Freistellung
3.3.2 Wettbewerbsverbot
3.4 Praktische Ableitungen und Widersprüche
3.4.1 Widerrufliche einvernehmliche Freistellung
3.4.2 Unwiderrufliche einseitige Freistellung
4 Unbedenkliche Ausgestaltung von Freistellungen
4.1 Freizeit zur Stellensuche
4.2 Der § 629 BGB i.V.m. § 2 SGB III als juristisch unbedenkliche Freistellungsvariante
5 Zusammenfassende Schlussbetrachtung
6 Literaturnachweis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung und Themeneingrenzung
Was ein Mensch gilt oder wert ist, ist, wie bei allen anderen Dingen, sein Preis, das heißt so viel, wie für den Gebrauch seiner Kraft gegeben wird.
Thomas Hobbes (*05.04.1588-†04.12.1679), Engl. Staatstheoretiker
Arbeit gibt uns mehr als den Lebensunterhalt; sie gibt uns das Leben.
Henry Ford (*30.07.1863-†07.04.1947), US-Unternehmer
Hobbes' Einschätzung mag noch so misanthropisch sein, aber wenigstens hat er Recht, wenn er annimmt, dass dem Arbeitgeber die Arbeitsleistung seines Beschäftigten eine gewisse Entlohnung wert ist. In manchen Situationen jedoch entrichtet der Arbeitgeber bereitwillig einige Monatsgehälter und möchte dennoch unbedingt nicht , dass der so Entlohnte am Arbeitsplatz erscheint.
Wenn nämlich Arbeitnehmer und Arbeitgeber einvernehmlich ihr Arbeitsverhältnis lösen, erst recht aber, wenn der Arbeitgeber eine Kündigung ausspricht, kommt es regelmäßig vor, dass dieser den Arbeitnehmer bis zum Ende der Kündigungsfrist von der Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Bezüge freistellt. Damit sind natürlich nicht alle Betroffenen einverstanden, denn die Arbeit dient freilich nicht nur dem Erhalt es Lebensunterhalts. Aus der Arbeitssoziologie wissen wir beispielsweise, dass Menschen aus ihrer Arbeit auch Selbstbestätigung schöpfen und soziale Beziehungen knüpfen.[1] Insoweit trifft Henry Ford, so umstritten er ansonsten sein mag, mit obiger Aussage den entscheidenden Punkt.
Trotzdem kann es für eine solche Maßnahme ein ganzes Bündel von Beweggründen geben; Dem Arbeitnehmer wird Gelegenheit zur Stellensuche gegeben, oder er wird sogar in den Stand versetzt, eine solche bereits vor Fristende anzutreten. Manche erblicken darin sogar ein „Incentive“[2]. Vor allem jedoch mag sich das Unternehmen von diesem Schritt erhoffen, Geschäftsgeheimnisse zu schützen und den betroffenen Arbeitnehmer davon abzuhalten, Kunden oder Kollegen abzuwerben. Nicht zuletzt steht aber auch einfach zu befürchten, dass der Mitarbeiter – und sei es auch ungewollt – eine demotivierende Stimmung verbreitet. Wenn das Arbeitsverhältnis im Streit endet, kann der Arbeitgeber darüber hinaus ein Interesse daran haben, durch eine Freistellung zu dokumentieren, dass die Weiterbeschäftigung für ihn unzumutbar ist.
Rechtlich ist eine solche Freistellung jedoch mit einer Reihe von Risiken verbunden und daher im beiderseitigen Interesse mit Sorgfalt vorzunehmen. Probleme ergeben sich insbesondere auch in Hinblick auf sozialrechtliche Fragestellungen. Mit der Freistellungsphase endet gemäß einem Übereinkommen der Sozialversicherungsträger die Sozialversicherungspflicht, was weitreichende Konsequenzen namentlich für die betroffenen Versicherten hat.
In der vorliegenden Untersuchung gilt der Schwerpunkt der Fragestellung, inwieweit derartige Freistellungen ungewollte sozialrechtliche Folgen nach sich ziehen können. Zudem ergeben sich auch sonstige arbeitsrechtliche Fallstricke, diese können jedoch nur am Rande Gegenstand der Betrachtung sein. Vorweggenommen wird aus methodisch-didaktischen Gründen zunächst einmal eine kurze Beleuchtung des Instruments „Freistellung“.
Begleitend zur Untersuchung der jeweiligen Fallstricke folgen jeweils kurze konkrete Vorschläge für eine unproblematische Vertrags- oder Weisungsausgestaltung. Dabei wird jedoch zu zeigen sein, dass die einzelnen Ergebnisse sich z.T. widersprechen. D.h. eine Ausgestaltung, welche aus sozialrechtlicher Sicht gangbar scheint, führt hinsichtlich anderer Interessen zu unerwünschten Ergebnissen. Die vorliegende Arbeit möchte dementsprechend einen Lösungsvorschlag unterbreiten, der alle genannten Problemkonstellationen in der gebührenden Weise aufgreift und berücksichtigt. Ein Ziel der vorliegenden Arbeit ist insoweit gerade auch die praktische Relevanz.
Im Interesse einer präzisen Argumentation und der besseren Verständlichkeit werden mitunter auch einige grundlegendere Zusammenhänge und Definitionen dargestellt. Um jedoch den Lesefluss nicht zu beeinträchtigen, finden sich diese vorwiegend im Fußnotenapparat wieder.
2 Freistellungsvereinbarungen und einseitig angeordnete Freistellungen
Wie bereits aus der Einleitung deutlich wurde, kann es für Freistellungen[3] auf beiden Seiten beachtliche Gründe geben. Freistellungen können jedoch auf verschiedene Weisen erfolgen. Der Arbeitgeber kann sie einseitig anordnen, widerruflich oder unwiderruflich, oder beide Seiten können sich einvernehmlich auf Freistellungen einigen. Um die im folgenden Verlauf der Untersuchung zu eruierenden Problemkonstellationen und Lösungen angemessen verstehen und interpretieren zu können, ist es vorab notwendig, einige grundsätzliche Aspekte zum Instrument „Freistellung“ zu beleuchten.
2.1 Sind einseitig angeordnete Freistellungen in jedem Fall zulässig?
Wie verhält es sich, wenn der Arbeitnehmer Wert darauf legt, bis zum Fristende tatsächlich beschäftigt zu werden? Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass jeder Arbeitnehmer im Hinblick auf seine Persönlichkeitsrechte aus Art. 1 und 2 GG tatsächlich zu beschäftigen ist. Die Richter urteilten allerdings auch, dass eine einseitig angeordnete Suspendierung zeitweilig angeordnet werden kann, etwa für die Zeit nach der ordentlichen Kündigung bis zum Fristende. Es komme darauf an, dass der Arbeitgeber ein überwiegend schutzwertes Interesse darlegen kann, was, wenn der Sachverhalt des Einzelfalls keine andere Annahme nahe lege, jedenfalls bei kurzen Suspendierungen anzunehmen sei.[4]
Nur wenn der Betroffene für einen erheblichen, vielleicht jahrelangen Zeitraum zum „Nichtstun“ bestimmt wird, kann sich dieser, so das Gericht, „nicht mehr als vollwertiges Glied der Berufsgemeinschaft und der Gesellschaft überhaupt fühlen. Die Allgemeinheit hielte es für verächtlich, Lohn in Empfang zu nehmen, der nicht durch entsprechende Leistungen verdient sei,“ so das Gericht unter Verweis auf eine frühere Entscheidung.[5] Zudem muss durch den Sachverhalt des Einzelfalls ein überwiegend schutzwertes Interesse des Arbeitgebers gegeben sein. Dies ist z.B. nicht der Fall, wenn die Kündigung aus offensichtlichen Gründen unrechtmäßig ist, oder wenn erstinstanzlich die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt wurde.
Als Zwischenergebnis lässt sich festhalten, dass das Instrument der Freistellung umstritten ist, selbst verfassungsrechtliche Aspekte spielen eine Rolle.[6] Als praktische Konsequenz für die Ausgestaltung ist Arbeitgebern aus dieser Sicht anzuraten, grundsätzlich eine einvernehmliche, vertragliche Freistellung anzustreben. Wie jedoch im Folgenden zu zeigen ist, ist es in der Regel ungenügend, hierzu einfach eine entsprechende Klausel in den Arbeitsvertrag aufzunehmen.
2.2 Arbeitsvertragliche Freistellungsklauseln
Um ein überwiegendes Freistellungsinteresse des Unternehmens zu untermauern, findet sich häufig bereits im Arbeitsvertrag eine entsprechende Vereinbarung, welche es dem Arbeitgeber erlaubt, eine Suspendierung unter bestimmten Umständen einseitig anzuordnen. Wie sind derlei Klauseln jedoch zu beurteilen?
Seit Inkrafttreten der Schuldrechtsreform ist ein Umdenken in der Rechtsprechung zu beobachten. In einigen bislang existierenden erstinstanzlichen Entscheidungen wird der Standpunkt vertreten, dass eine einseitig bestimmte Suspendierung unzulässig sei, entsprechende Klauseln dürften gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB nicht formularmäßig getroffen werden. Deren Wirksamkeit könne vielmehr nur dann angenommen werden, wenn die Suspendierungsfälle genau bestimmt und sachlich gerechtfertigt seien. Das Arbeitsgericht Frankfurt argumentiert zudem, die Freistellungsklausel[7] weiche vom Grundgedanken der Gesetzteslage ab, welche von einem grundsätzlichen Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers ausgehe. Auch Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte in München[8] und Hamm[9] gehen in diese Richtung. Während das BAG in o.g. Entscheidung noch verlangt, dass zur Vermeidung der Suspendierung eine überwiegende Schutzwürdigkeit der Interessen des Arbeinehmers über die des Arbeitgebers gegeben sei, reicht dem LAG Hamm ein gleichwertiges Interesse, um eine Freistellung für unrechtmäßig zu halten. Das Arbeitgericht Stuttgart hält, um ein letztes Beispiel für den allgemeinen Trend zu nennen, Freistellungsklauseln bei dem Zusammentreffen zweier Voraussetzungen für unwirksam, nämlich dann, wenn keine Billigkeitskontrolle in die Vereinbarung aufgenommen wurde, und die Kündigungsfristen zudem besonders lang sind.[10]
[...]
[1] Vgl. z.B. Müller , Rainer: Betriebliche Gesundheitspolitik, in: Müller, R. (Hg.): Gesundheit im Spannungsfeld individuellen Handelns und institutioneller Steuerung, 2002, S. 309 ff.
[2] Incentive: Sachprämie oder Motivator. So Lindemann / Simon : Die Freistellung von der Arbeitspflicht. Neue Risiken und Nebenwirkungen, BB 2005, S. 2462.
[3] Vgl. Wohlgemuth , Der allgemeine Anspruch auf Freistellung von der Arbeit, 1970, S. 4,5. Freistellung im juristischen Sprachgebrauch meint Befreiung, meist von einer Verbindlichkeit, hier von der Arbeitspflicht. Als Synonym wird vorliegend auch der Begriff „Suspendierung“ verwendet, obwohl der Begriff Suspendierung mitunter in der Literatur nur als zeitweilige Freistellung verstanden wird, während der Begriff Freistellung in der Literatur sowohl für zeitweilige, wie auch für entgültige Rechtsfolgen verwendet wird. So zum Bsp. Bauer , Jobst-Hubertus: „Spielregeln“ für die Freistellung von Arbeitnehmers, NZA 2007, S. 411.
[4] BAG vom 27.2.1985 - GS 1/84 - AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht; NJW 1985, 2968; NZA 1985, 702; BB 1985, 1978; DB S.1985, 2197.
[5] Schon 1955 argumentiert das BAG mit dem Persönlichkeitsrecht: Bundesarbeitsgerichts vom 10. November 1955 – 2 AZR 591/54 – BAG AP Nr. 2 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht); Aus der Urteilsbegründung: Das Arbeitsverhältnis sei ein personenrechtliches Gemeinschaftsverhältnis, das nicht nur wie beim Dienstvertrag der selbständig Tätigen oder bei sonstigen Schuldverhältnissen lediglich einzelne bestimmte Leistungen betreffe, sondern für seinen Geltungsbereich die ganze Person des Arbeitnehmers erfasse, deshalb wesentlich sein Leben gestalte und seine Persönlichkeit bestimme. Die Achtung und Anerkennung des Arbeitnehmers als Mensch beruhe auch nicht nur auf dem wirtschaftlichen Wert seiner Leistung, sondern weitgehend darauf, wie er die ihm obliegenden Aufgaben erfülle. Gerade das gebe ihm im Bereich des Arbeitslebens maßgeblich seine Würde als Mensch. Deshalb müsse der Arbeitgeber nicht bloß aufgrund seiner Treuepflicht, sondern vor allem auch aufgrund der jedermann aus Art. 1 und Art. 2 des Grundgesetzes obliegenden Verpflichtung alles unterlassen, was die Würde des Arbeitnehmers und die freie Entfaltung der Persönlichkeit beeinträchtigen kann. Vgl. zudem BAG vom 27.2.1985 - GS 1/84 - AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht; NJW 1985, 2968; NZA 1985, 702; BB 1985, 1978; DB 1985, 2197.
[6] Zwar ergeben sich aus dem Grundgesetz für den Arbeitgeber nur Ausstrahlungen im Rahmen der sog. Drittwirkung. Eine grundsätzliche Behandlung verfassungsrechtlicher Feinheiten scheint an dieser Stelle aber weder geboten noch weiterführend.
[7] Arbeitsgericht Frankfurt am 19.11.2003. Az.: 2 Ga 251/03, NZA-RR 2004, S. 409 ff. = DB 2004, S. 934 ff.
[8] LAG München; Urteil vom 18.2.2002, Az.: 5 Sa 619/02, LAGE § 611 BGB
Beschäftigungspflicht Nr. 45
[9] LAG Hamm; Urteil vom 18.9.2003, Az.: 17 Sa 1274/03, NZA 2004,
S. 244 ff.
[10] ArbG Stuttgart, Urt. v 18.03.2005 - 26 Ga 4/05 PM des ArbG Stuttgart v. 31.03.2005
- Citation du texte
- Sarah von Leiden (Auteur), 2008, Die Freistellung von der Arbeitspflicht, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/119022
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