Die Medizin ist ein Teilgebiet der Gesellschaft, das sich schnell entwickelt. Mit dieser Entwicklung müssen die praktizierenden Ärztinnen und Ärzte mithalten. Im Unterschied zu anderen Berufen stellt die Weiterbildung für medizinisch tätige Personen nicht nur eine zentrale Anforderung und im Behandlungskontext eine Notwendigkeit dar, sondern ist zudem gesetzlich vorgeschrieben. Ob dieser Bedeutung stellt sich die Frage, wie praktizierende Medizinerinnen und Mediziner mit dieser Anforderung umgehen. Die vorliegende Masterarbeit nimmt insofern die ärztlichen Lernprozesse mitsamt deren Besonderheiten in den Blick. Dabei wird vor allem der Aspekt ärztlicher Vernetzung in den Fokus gestellt.
Zur Beleuchtung der ärztlichen Austauschprozesse wird die von George Siemens entwickelte Lerntheorie des Konnektivismus angewandt und gleichzeitig kritisch überprüft. Zur empirischen Arbeit wurden insgesamt zwölf Interviews mit nieder- und oberösterreichischen Spitalsärztinnen und -ärzten geführt. Mittels der qualitativen dokumentarischen Methode wurden die Interviews empirisch ausgewertet. Aus dem erhobenen Material wurde eine Typologie ausgearbeitet. Diese brachte vier Austauschtypen hervor, die sich maßgeblich durch den persönlichen Stellenwert des Austauschs und das Ausmaß ihrer Berufsorientierung voneinander unterscheiden. Die Studienergebnisse zeigen nicht nur die notwendige Anpassung von Weiterbildungen an die spezifischen Zielgruppen, sondern sprechen durchaus auch für die Eignung der konnektivistischen Theorie zur weiteren Überprüfung und Verwendung.
Inhaltsverzeichnis
1 Einführung in die Problemstellung
1.1 Forschungsfrage und Thesen
1.2 Aufbau der Arbeit
1.3 Medizinische Weiterbildung in Österreich
1.4 Vorstudie
1.5 Zusammenfassung
2 Theoretischer Hintergrund
2.1 Klassische Lerntheorien
2.1.1 Behaviorismus
2.1.2 Kognitivismus
2.1.3 Konstruktivismus
2.1.4 Behaviorismus, Kognitivismus und Konstruktivismus in der Übersicht
2.2 Konnektivismus
2.2.1 Abgrenzung von anderen Lerntheorien
2.2.2 Wissen als Netzwerk
2.2.3 Lernen in Netzwerken
2.2.4 Konnektivistisches Lernen
2.2.5 Wissensräume als Lernorte
2.2.6 Konnektivistische Lernumgebungen
2.3 Ergänzende Konzepte
2.3.1 Netzwerke und Netzwerklernen
2.3.2 Learning Communities und Community Building
2.3.3 Communities of Practice
2.4 Zusammenfassung
3 Empirischer Teil
3.1 Dokumentarische Methode
3.2 Datenerhebung
3.2.1 Auswahl der Fälle
3.2.2 Interview als Erhebungsinstrument
3.2.3 Erhobenes Material
3.3 Formulierende Interpretation
3.3.1 Erstellung thematischer Verläufe
3.3.2 Grobtranskription relevanter Inhalte
3.3.3 Transkription relevanter Inhalte
3.3.4 Reformulierung in eigenen Worten
3.4 Reflektierende Interpretation
3.4.1 Textsortentrennung
3.4.2 Komparative Sequenzanalyse
3.5 Bildung von Typologien
3.5.1 Sinngenetische Typenbildung
3.5.2 Soziogenetische Typenbildung
3.5.3 Gebildete Typologien
3.6 Zusammenfassung
4 Zusammenfassung
5 Diskussion
5.1 Beantwortung von Forschungsfrage und Thesen
5.1.1 Beantwortung der Thesen
5.1.2 Beantwortung der Forschungsfrage
5.2 Implikationen
5.2.1 Theoretische Implikationen
5.2.2 Praktische Implikationen
5.3 Zusammenfassung
5.4 Ausblick
A Transkriptionsregeln
B Interviewleitfaden
Quellenverzeichnis
Kurzfassung
Die Medizin ist ein Teilgebiet der Gesellschaft, das sich schnell entwickelt. Mit dieser Entwicklung müssen die praktizierenden Ärztinnen und Ärzte mithalten. Im Unterschied zu anderen Berufen stellt die Weiterbildung für medizinisch tätige Personen nicht nur eine zentrale Anforderung und im Behandlungskontext eine Notwendigkeit dar, sondern ist zudem gesetzlich vorgeschrieben.ObdieserBedeutungstelltsichdieFrage,wiepraktizieren- de Medizinerinnen und Mediziner mit dieser Anforderung umgehen. Die vorliegende Masterarbeit nimmt insofern die ärztlichen Lernprozesse mitsamt deren Besonderheiten in den Blick. Dabei wird vor allem der Aspekt ärztlicher Vernetzung in den Fokus gestellt.
Zur Beleuchtung der ärztlichen Austauschprozesse wird die von George Siemens entwickelte Lerntheorie des Konnektivismus angewandt und gleichzeitig kritisch überprüft. Zur empirischen Arbeit wurden insgesamt zwölfInterviewsmitnieder-undoberösterreichischenSpitalsärztinnenund -ärzten geführt. Mittels der qualitativen Dokumentarischen Methode wurden die Interviews empirisch ausgewertet. Aus dem erhobenen Material wurde eine Typologie ausgearbeitet. Diese brachte vier Austauschtypen hervor, die sich maßgeblich durch den persönlichen Stellenwert des Aus- tauschs und das Ausmaß ihrer Berufsorientierung voneinander unterscheiden. Die Studienergebnisse zeigen nicht nur die notwendige Anpassung von Weiterbildungen an die spezifischen Zielgruppen, sondern sprechen durchaus auch für die Eignung der konnektivistischen Theorie zur weiteren Überprüfung und Verwendung.
Abstract
Medical science is a fast developing sector where physicians have to update their knowledge continuously. Education in the medical field is not only pivotal but also a legal requirement for physicians. Therefore, the question arises how health personnel is dealing with the corresponding expectations. This master's project focuses on medical learning processes including their particularities and the physicians' needs. The thesis concentrates especially on networking between physicians. Connectivism-a recent learning theory introduced by Canadian scientist George Siemens in 2004-is used to investigate medical networking processes. The connectivistic approach is both used and critically reviewed by the author.
An empirical study is conducted, containing twelve qualitative interviews with physicians working in Upper and Lower Austrian hospitals. The resulting empirical material is analyzed with the Documentary Method. A typology is designed, including four different medical learner types which mainly differ based on their level and way of networking as well as their significance of the profession. The study results show not only that medical education needs to be adapted according to the target audience, but also indicate that the connectivistic approach is suitable in practice and should be further analyzed.
Vorwort
Die Leserinnen und Leser dieser Arbeit werden feststellen, dass die Autorin durchgehend das generische Femininum verwendet. Die Entscheidung dafür geschah im Anschluss an zahlreiche Debatten rund um die Thematik geschlechtergerechter bzw. geschlechterneutraler Sprache und möchte insofern ihren eigenen Beitrag dazu leisten. Ausdrücklich soll darauf hingewiesen werden, dass mit der Verwendung des generischen Femininums werden nicht etwa männliche Akteure ausgeschlossen. Sondern mit der Erwähnung von »Ärztinnen« sind männliche Ärzte ebenso eingeschlossen wie weibliche Ärztinnen.1 Sobald die männliche Form verwendet wird, sind entsprechend ausschließlich männliche Personen gemeint. Sobald tatsächlich nur Frauen gemeint sind, wird dies entsprechend gekennzeichnet - etwa durch die Verwendung des Ausdrucks »weibliche Ärztinnen«.
Die Verwendung des generischen Femininums basiert in diesem Falle auf der Annahme, dass Frauen durch das generische Maskulinum sprachlich wie auch gedanklich unterrepräsentiert werden (vgl. Stahlberg und Sczesny, 2001). Durch die Verwendung des generischen Femininums sollen nicht primär Männer entsprechend weniger repräsentiert werden, sondern die Autorin möchte einen Beitrag für die Vielfalt geschlechtergerechterer Sprache leisten. Auf die Nutzung des Binnen-Is oder Gender Gaps wurde in erster Linie auch aus ästhetischen Gründen verzichtet.1
Diese Arbeit wurde maßgeblich mit der Unterstützung des Unternehmens X erstellt. Mein Dank geht dabei an diese Firma; insbesondere möchte ich Roman Fleischhackl für die gute Zusammenarbeit danken. Mein Dank für die freundliche Aufnahme und das stetige Interesse rich-tet sich auch an alle anderen Mitarbeiterinnen des Unternehmens in Wien und Zug, die ich im Rahmen der Masterarbeit kennenlernen durfte. Hierbei möchte ich auch dem Außendienst des Unternehmens danken, dessen Mitarbeiterinnen die Kontaktaufnahme zu den Ärztinnen bewerkstelligten.
Ursula Rami, der Betreuerin dieser Arbeit, danke ich für die vielen Ratschläge und und das ehrliche Feedback. Weiterer Dank gebührt Josef Altmann sowie Tanja Jadin für die Vermittlung von Kontaktadressen von Ärztinnen.
Zudem möchte ich mich herzlichst bei allen Menschen bedanken, die mich während meiner Arbeit unterstützt haben. Dazu gehörten konkrete Hinweise und ein tatkräftiges Lektorat ebenso wie anregende Diskussionen, die den Schreib- und Denkprozess voranbrachten. Konkret nennen möchte ich dabei Sandra Stränsch und Vita Cherednychenko, die meine Arbeit einem sorgfältigen Lektorat unterzogen und wertvolle Hinweise lieferten. Ebenso danken möchte ich Robert Stoll für seine unermüdliche Hilfe und Unterstützung während des gesamten Schreibprozesses.
Tabellenverzeichnis
3.1 Befragte Probandinnen
3.2 Komparative Sequenzanalyse I
3.3 Komparative Sequenzanalyse II
3.4 Orientierungsrahmen Bedeutung der Weiterbildung
3.5 Orientierungsrahmen Austausch mit Kolleginnen
3.6 Orientierungsrahmen eigene Wissensweitergabe
3.7 Orientierungsrahmen Interaktivität von Weiterbildungen
3.8 Orientierungsrahmen verwendete Weiterbildungsmedien
3.9 Orientierungsrahmen medizinische Organisationen
3.10 Orientierungsrahmen Umgang mit gesetzlichen Richtlinien
3.11 Orientierungsrahmen Rahmenbedingungen
3.12 Orientierungsrahmen Verhältnis zur Industrie
3.13 Geschlecht & Mitgliedschaft in medizinischen Organisationen
3.14 Geschlecht & Austausch mit Kolleginnen
3.15 Altersgruppe & Weiterbildungsformate
3.16 Berufliche Position & Mitgliedschaft in Organisationen
3.17 Berufliche Position & Austausch mit Kolleginnen
3.18 Berufliche Position & Rahmenbedingungen
3.19 Gebildete Typologie
5.1 Typus I: Hemmende & stützende Faktoren
5.2 Typus II: Hemmende & stützende Faktoren
5.3 Typus III: Hemmende & stützende Faktoren
5.4 Typus IV: Hemmende & stützende Faktoren
Abbildungsverzeichnis
1.1 Ärztliche Fachrichtungen
2.1 Fünf Siemens'sche Wissensdomänen
2.2 Konnektivistischer Lernprozess
3.1 Empirischer Forschungsprozess
3.2 Ablauf der Dokumentarischen Methode
3.3 Formulierende Feininterpretation
Kapitel 1 Einführung in die Problemstellung
Gerade für Menschen, die im Bereich der Medizin tätig sind, ist es essentiell, über einen aktuellen Wissensstand zu verfügen (Klech, 2013, S. 187). Regelmäßig erscheinen wissenschaftliche Studien, gibt es aktuelle Erkenntnisse zur Wirkung von Medikamenten und werden neue Therapieansätze entwickelt. Insofern gehört es zum festen Bestand des Berufsbildes Ärztin, sich kontinuierlich weiterzubilden.1 Ärztinnen stehen vor der dauerhaften Herausforderung, der dynamischen Entwicklung, welche sich im medizinischen Sektor vollzieht, zu folgen (Klech, 2013, 187f; vgl. Reuter, 2014). Die Weiterbildung ist für Medizinerinnen nicht primär eine qualifizierende Maßnahme, sondern in erster Linie Notwendigkeit und erwartete Anforderung (vgl. Schmitz-Luhn und Bohmeier, 2013, S. VII; Reimann, 2013, S. 13; Kray, 2013). Entsprechend schreibt die Österreichische Ärztekammer eine beständige Weiterbildung vor.2 3 Seinen Niederschlag findet diese Anforderung und Erwartung in den vielfältigen Angeboten, denen sich Medizinerinnen in Österreich gegenüber sehen: regelmäßig finden Kongresse, Journey Clubs und Qualitätszirkel statt, unterschiedliche Anbieterin- nen (siehe Abschnitt 1.3) offerieren Präsenz- und Onlinefortbildungen (vgl. Klech, 2013, 195f; Österreichische Ärztekammer, 2015b). Daneben finden sich in Fachdatenbanken4 aktuelle Puplikationen wissenschaftlicher medizinischer Forschung. Gerade pharmazeutische Unternehmen betreiben kos- tenspielige Forschungen und informieren entsprechend auch darüber (vgl. Holm, 1997; Braun, Eppinger, Vladova und Adelhelm, 2012). Ergänzt wird das Angebot durch die Veröffentlichungen der einzelnen Fachgesellschaften, die aktuelle Richtlinien und Zeitschriften für ihre Mitglieder herausgeben - ebenso existiert eine Vielzahl von Fachbücher, in denen v. a. Grundlagenwissen vermittelt wird. Auch für einen medizinischen Austausch gibt es entsprechende Angebote: diskutiert werden kann beispielsweise in medizinischen Onlineforen oder während Präsenzveranstaltungen, bei denen Ärztinnen zusammenkommen.
Medizinerinnen sehen sich einem breiten Informationsangebot gegenüber. Je nach Fachgebiet, persönlichen Vorlieben und individuellen Vorstellungen suchen sie sich die für sie passenden Wissensangebote heraus. Dafür ist ein gewisses medizinisches Grundlagenwissen notwendig, um die Qualität und Relevanz der Offerten einschätzen zu können. Ärztinnen müssen also, wie andere Nachfragerinnen von Bildung und Wissen auch, das vielfältige Angebot überschauen, strukturieren und relevante Möglichkeiten heraussuchen (vgl. Gerstenberger, 2007). Gleiches gilt für die jeweiligen herausgesuchten Informationen, die in aller Regel auch nochmals überblicksmäßig überschaut, eingeschätzt und strukturiert werden müssen. Ebendiese Lernpraxis und damit verbundene Problematiken, Herausforderungen und Chancen sollen in der vorliegenden Arbeit betrachtet werden. Wie gehen die Medizinerinnen mit dem vorliegenden Informationsmaterial um? Auf welche Weise filtern sie relevante Inhalte heraus? Und welche Bedeutung hat das soziale Netzwerk, v. a. andere Fachkolleginnen, dabei?
Diese Masterarbeit ist in enger Zusammenarbeit mit einem pharmazeutischen Unternehmen entstanden. Vorausgegangen war ein Studienprojekt zwischen dem Unternehmen und Studentinnen des Masterstudiengangs Kommunikation, Wissen, Medien (siehe Abschnitt 1.4). Eine Zielsetzung des Unternehmens ist es, die medizinische Weiterbildungs- landschaft mit eigenen Bildungsangeboten zu ergänzen; mit dieser Arbeit wird die Firma in diesem Vorhaben unterstützt. Da die weitere Zusammenarbeit zwischen der Autorin und dem Unternehmen als unternehmensinterne Information gilt, soll an dieser Stelle nicht weiter darauf eingegangen werden.
Die Arbeit ist also einerseits motiviert durch den Auftrag eines Pharmaunternehmens. Auf der anderen Seite entzündete sich das Interesse an der medizinischen Weiterbildungslandschaft von Seiten der Autorin maßgeblich auch durch ein Studienprojekt, welche die Verfasserin ein Jahr lang begleiten durfte (siehe Abschnitt 1.4). Zwar ist die vorliegende Arbeit insofern eng verknüpft mit dem unternehmerischen Auftrag; allerdings nimmt die Masterarbeit als wissenschaftliches Werk eine theoretischere und weniger praxisorientierte Sichtweise ein.
Zur theoretischen Annäherung an die Problematik ärztlicher Weiterbildung in Österreich wurde ein theoretischer Ansatz gewählt - der Konnekti- vismus nach Siemens (2006; 2004) welcher einen passenden Blickwinkel auf die Problematik darzustellen scheint. »Connectivism is a theory describing how learning happens in a digital age« ist zumindest der Anspruch des Begründers des Konnektivismus, George Siemens (2006, S. 30). Die Eignung und Charakteristiken dieser Theorie werden im Verlaufe der Arbeit deutlich gemacht (siehe Abschnitt 5.2).
1.1 Forschungsfrage und Thesen
Ausgehend von dem Wunsch des Unternehmens, eine entsprechende Studie durchzuführen sowie der Autorin, einen Blick auf die medizinische Weiterbildungslandschaft aus konnektivistischer Perspektive zu werfen, wurde eine entsprechende Fragestellung formuliert. Diese dient als Forschungsfrage und somit als zentrales Leitmotiv für den empirischen Forschungsprozess.
Welche Faktoren wirken stützend oder hemmend auf den Weiterbildungsprozess von Ärztinnen in Österreich?
Mit der vorgestellten Forschungsfrage soll die Weiterbildungspraxis von österreichischen Medizinerinnen in den Blick genommen werden. Die Be- sonderheit der Berufsgruppe der Ärztinnen besteht im Gegensatz zu anderen Berufsfeldern in der Notwendigkeit einer beständigen Weiterbildung (vgl. Schmitz-Luhn und Bohmeier, 2013; Klech, 2013, 193f). Auch, wenn in vielen gesellschaftlichen Bereichen durchaus die Forderung nach lebenslanger Weiterbildung besteht (vgl. Kaiser, 2001; Schönherr und Tiberius, 2014; Krämer, 2014), stellt diese in der Medizin doch ein größeres Erfordernis dar. Zum Berufsbild der Ärztin gehört es, sich auf einem zeitgemäßen und modernen medizinischen Stand zu bewegen und über aktuelle Therapieformen und Medikamente informiert zu sein (Klech, 2013, S. 189, 194). Die Frage der Weiterbildung in der Medizin ist also keine Frage des ob, sondern des Ob und Wie. Mit der vorliegenden Forschungsfrage soll die Weiterbildungspraxis von Ärztinnen und damit das erwähnte Wie untersucht werden.DieWahlderKonnektivismustheorie(sieheAbschnitt2.2)alsmaß- gebliche Theorie zur Untersuchung des Problems bestimmt zwangsläufig auch die untersuchungsleitenden Thesen. Diese lauten wie folgt:
(1) Die medizinische Weiterbildung stellt eine soziale Praxis dar, welche in ein Netzwerk von humanen und nicht-humanen Wissens- und Informationsquellen eingebettet ist.
(2) Lernende Ärztinnen benötigen als zentrale Kompetenz die Fähigkeit, Wissensbestände zu strukturieren und zu ordnen.
(3) SozialeInteraktionenwirkensichunterstützendaufdenindividuellen Lernprozess von Ärztinnen aus.
(4) Das Vorhandensein großer Mengen unstrukturierter Wissensbestände wirkt sich hemmend auf den individuellen Lernprozess von Medizinerinnen aus.
Die forschungsleitenden Thesen sind maßgeblich aus der Perspektive der konnektivistischen Theorie entstanden. Dieses noch recht junge Theorie- gebilde5 sieht sich als Fortsetzung und Erweiterung bereits bestehender Lerntheorien (Siemens, 2006, S. 27). Im Konnektivismus wird die Lernerin als Teil eines Wissensnetzwerks betrachtet, in welchem Personen, Institutionen, Bibliotheken usw. als Akteurinnen miteinander verbunden sind. Insofern ist auch der Lernprozess eingebettet in eine vernetzte Struktur, die sich dynamisch verändert und stetig aktualisiert (vgl. Siemens, 2006; Siemens, 2004). In diesem Zusammenhang sind die vorliegenden Thesen zu betrachten. Die Frage dieser Masterarbeit ist also auch, inwiefern der Kon- nektivismus als Lerntheorie auf die Weiterbildungspraxis von Ärztinnen anwendbar ist.
Weiterbildung als Netzwerkpraxis. These (1) basiert auf einer der Grundannahmen des Konnektivismus und versucht, diese auf den spezifischen Bereich medizinischer Bildung zu übertragen. Der Lernprozess von Ärztinnen kann als konstanter Prozess gesehen werden, der sich durch das gesamte Berufsleben dieser zieht (Reimann, 2013, 61ff). Lernen geschieht für Medizinerinnen nicht nur durch punktuelle Weiterbildungen, sondern mittels eines beständigen Informationsstroms des individuellen Lernnetzwerks. Dieses besteht u. a. aus wissenschaftlichen Publikationen, informellem Austausch mit Fachkolleginnen, der praktischen Anwendung durch berufliche Ausübung, dem Besuch von Vorträgen und anderen Präsenzveranstaltungen (vgl. Reimann, 2013, 220ff; Klech, 2013). Insofern scheint gerade der medizinische Lernprozess in ein Wissensnetzwerk eingebettet zu sein.
Fähigkeit zur Wissensstrukturierung. AuchThese(2)nimmteineGrun- dannahme des Siemens'schen Konnektivismus in den Fokus, indem die Fähigkeit zur Selektion und Strukturierung von Wissensbeständen thematisiert wird (vgl. Siemens, 2006, S. 23). Wie oben bereits angedeutet, sehen sich Ärztinnen einer Informationsvielfalt gegenüber, die von ganz unterschiedlichen Quellen gespeist wird und auf verschiedensten Kanälen zu den Medizinerinnen transportiert wird. Gerade aufgrund der enorm wichtigen Bedeutung medizinischer Fortbildung müssen die Ärztinnen für sich selbst festlegen, welche Weiterbildungsformen sie bevorzugen, um möglichst effektiv auf dem neuesten medizinischen Stand zu bleiben. Gleichzeitig müssen Relevanz, Informationsgehalt, Seriosität usw. der zahlreichen Angebote schnell und effektiv eingeschätzt werden. Dies trifft in besonderem Maße auf die Berufsgruppe der Ärztinnen zu, da für diese Weiterbildung eine vergleichsweise große Rolle spielt und ein beständiger Bedarf an aktuellen und relevanten Informationen besteht (vgl. Klech, 2013).
Die letzten beiden Thesen untersuchen jeweils Einflussfaktoren, die auf den medizinischen Weiterbildungsprozess wirken. Im Verlauf der Arbeit sollen diese um weitere mögliche Faktoren ergänzt werden.
Soziale Interaktionen als stützende Faktoren. These (3) widmet sich einem möglichen positiven Faktor, der auf den individuellen Weiterbildungsprozess von Ärztinnen wirkt: es wird die Vermutung aufgestellt, dass soziale Interaktionen förderlich für den Lernprozess sind. Soziale Interaktionen können durch formale Austauschprozesse geschehen - z. B. die Kommunikation zwischen Ärztinnen, die gemeinsam eine Patientin behandeln - aber ebenso durch den informellen Austausch im Spitalalltag oder während Weiterbildungen, Qualitätszirkeln und Ähnlichem. Auch kollabo- ratives Arbeiten während Weiterbildungen oder im Rahmen von Forschungen oder Therapien könnten sich positiv auf den Lernprozess auswirken, da somit eigene Ideen dargelegt, diskutiert und modifiziert werden können.
Fehlende Strukturierung als hemmender Faktor. These (4) hingegen betrachtet einen Faktor, der sich möglicherweise negativ auf den Lernprozess auswirken kann. Es wird davon ausgegangen, dass das Vorhandensein von Wissensbeständen, die zum Großteil unstrukturiert vorliegen, den Lernprozess enorm hemmen kann, weil schon allein die Sichtung des Materials einige Zeit in Anspruch nehmen kann. Demgegenüber können Wissensbestände, welche sich beispielsweise in einem gut strukturierten und übersichten Lernkurs finden, schnell rezipiert und abgerufen werden.
1.2 Aufbau der Arbeit
Im ersten Teil der Arbeit (siehe Kapitel 1) soll das Problemfeld dieser verständlich beschrieben und deutlich gemacht werden. Dazu werden die Hintergründe dermedizinischenWeiterbildungbeleuchtet(sieheAbschnitt1.3). In erster Linie wird dabei auf die Besonderheit des gesellschaftlichen Bereichs der Medizin eingegangen - immer im Hinblick auf dessen Bildungssektor. In vielen Teilbereichen der Gesellschaft wird der Ruf nach lebenslangem Lernen immer lauter und stellt mittlerweile eine zentrale Anforderung an heutige Arbeitgeberinnen dar (siehe u. a. Kaiser, 2001; Arnold und Rohs, 2014; Schönherr und Tiberius, 2014). Die Arbeit nimmt insofern auch in den Blick, inwiefern dies in der Medizin der Fall ist. Hinzu kommt die zentrale Bedeutung pharmazeutischer Unternehmen für den medizinischen Sektor. Diese fungieren als wesentliche Forschungsakteurinnen und sind maßgeblich therapiebestimmend, da pharmazeutische Konzerne für dieBehandlungnotwendigeMedikamentebereitstellen.Zusätzlichsinddie Aktivitäten dieser Konzerne, aber auch die der medizinischen Akteurinnen, gesetzlich reglementiert (vgl. u. a. Österreichische Ärztekammer, 2015a). Die Masterarbeit geht auf ein Studienprojekt von Masterstudierenden der Fachhochschule Oberösterreich, Campus Hagenberg, und dem Unternehmen, das diese Masterarbeit maßgeblich unterstützt, zurück. Dieses wird im darauf folgenden Abschnitt erläutert (siehe Abschnitt 1.4). In dem Studienprojekt zurück, welches in Kooperation zwischen Masterstudierenden der Fachhochschule Oberösterreich und dem Unternehmen erfolgte. Die Ergebnisse dieser Zusammenarbeit werden im Abschnitt 1.4 festgehalten. In dem Studienprojekt wurde einerseits ein Blick auf die unterschiedlichen Akteurinnen im medizinischen Sektor geworfen. Andererseits schauten die Studentinnen sich den medizinischen Weiterbildungsmarkt in Österreich an und führten eine empirische Befragung unter Ärztinnen durch (Hess et al., 2014).
Im zweiten Kapitel dieser Arbeit werden die theoretischen Grundlagen erläutert und dargelegt (siehe Kapitel 2). Um den Gegenstand medizinischer Weiterbildungen zu untersuchen, werden zunächst überblicksartig die gängigsten und insofern bedeutendsten Lerntheorien erläutert (siehe Abschnitt 2.1). Dazu gehören die lerntheoretischen Ausprägungen von des Behaviorismus, Kognitivismus und Konstruktivismus'. Im Anschluss daran wird eine vergleichsweise junge Lerntheorie, der Konnektivismus, erläutert und dargelegt (siehe Abschnitt 2.2). Der Konnektivismus sieht sich als modernen lerntheoretischen Ansatz, der es schafft, die Anforderungen und Verhältnisse gegenwärtiger Lernkontexte adäquat darzustellen. Im Fokus der Theorie steht der Aspekt des Wissensnetzwerkes, in das die Lernenden eingebunden sind und sich innerhalb ihres Lernprozesses bewegen (Erpenbeck und W. Sauter, 2013, S. 41; W. Sauter und S. Sauter, 2013, S. 61). Die Theorie scheint geeignet, um die Forschungsfrage (siehe Abschnitt 1.1) zu beantworten. Erweitert wird soll der konnektivistische Blickwinkel durch ergänzende theoretische Konstrukte, die im Folgekapitel erläutert werden (siehe Abschnitt 2.3).
Der dritte Teil der vorliegenden Arbeit umfasst den empirischen Teil (Kapitel 3). Für die Beantwortung der Forschungsfrage wurde die Dokumentarische Methode gewählt, die zunächst kurz erläutert wird (siehe Abschnitt 3.1). Im Anschluss wird der Forschungsprozess nachvollzogen, der mittels der genannten Methode durchgeführt wurde. So wird zunächst der Prozess der dokumentarischen Datenerhebung (siehe Abschnitt 3.2) ausführlich erläutert. Im Rahmen der Dokumentarischen Methoden wird das gesammelte Material zwei Interpretationsstufen unterzogen: die formulierende Interpretation wird in Abschnitt 3.3 erklärt, die darauf folgende reflektierende Interpretation in Abschnitt 3.4. Abschließend wird aus dem gesammelten Material eine Typologie gebildet. Der Prozess der Typenbildung mitsamt der entstandenen Ergebnisse ist in Abschnitt 3.5 abgebildet.
Das vierte Kapitel fasst die bisherigen empirischen Ergebnisse ebenso wie die theoretischen Ausführungen kompakt zusammen (siehe Kapitel 4).
Abschließend werden die Befragungsergebnisse im fünften Teil der Arbeit (Kapitel 5) ausführlich diskutiert und mit den in Kapitel 2 vorgestellten theoretischen Konzepten zusammengeführt. Zunächst werden die aufgestellten Thesen wie auch die Forschungsfrage beantwortet (Abschnitt 5.1). Im Anschluss wird die konnektivistische Theorie im Hinblick auf die Befragungsergebnisse kritisch betrachtet; mögliche praktische wie auch theoretische Implikationen werden gezogen (Abschnitt 5.2). Schließlich wird die Arbeit kurz zusammengefasst (Abschnitt 5.3); im Anschluss daran wird ein Ausblick zur weiteren praktischen wie auch theoretischen Verwendung des Konnektivismus wie auch der Studienergebnisse gegeben (Abschnitt 5.4).
1.3 Medizinische Weiterbildung in Österreich
In Österreich gab es im Jahr 2013 42.302 praktizierende Ärztinnen, davon rund 14.000 Allgemeinmedizinerinnen und knapp 22.000 Fachärztinnen. DerRestentfälltaufZahnmedizinerinnensowieTurnusärztinnen6 (Statistik Austria, 2014a). Die Zahl der Ärztinnen in Österreich nimmt seit Jahrzehn- tenbeständigzu.SooffenbarenStatistikeneinenrasantenZuwachsseitden 1960erJahren.1960gabesnuretwa11.000praktizierendeÄrztinnen,imJahr 1990 bereits 23.000 (Statistik Austria, 2014c). Etwas mehr als die Hälfte der österreichischen Ärztinnen arbeitet in Spitälern (Statistik Austria, 2014b). Zudem ist die Medizin bzw. das Gesundheitsweisen ein Bereich, der nicht nur von Personen mit Medizinstudium bedient wird, sondern auch von
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1.1: Ärztliche Fachrichtungen. - Quelle: eigene Darstellung, angelehnt an Statistik Austria, 2014b.
zahlreichen anderen Mitarbeiterinnen mit ganz unterschiedlichen Ausbil- dungszugängen.DiesegehörenjedenfallszumfestenUmfeldderÄrztinnen (vgl. Kamin, 2013). Das Berufsbild der Ärztin ist insofern sehr vielfältig, als dass es eine große Menge sehr unterschiedlicher Fachrichtungen gibt (siehe Abb. 1.1). In Österreich bestehen über 50 unterschiedliche anerkannte Richtungen für Fachärztinnen (Statistik Austria, 2014c). Wie auch in anderen Berufsfeldern gehört eine regelmäßige Fort- und Weiterbildung zum Arbeitsalltag der Ärztinnen in Österreich (vgl. Klech, 2013). Für Medizinerinnen stellt Weiterbildung jedoch nicht nur einen persönlichen Anspruch dar, sondern wird - basierend auf gesetzlichen Regelungen von der Gesetzgeberin, den entsprechenden Berufsverbänden und Fachgesellschaften eingefordert. »Es gehört zum ethischen Selbstverständnis der Ärztinnen und Ärzte, ihre fachliche Kompetenz laufend zu erweitern und auf den neuesten Stand der Forschung zu bringen.« (Österreichische Ärztekammer, 2015a).
Gerstenberger (2007, S. 147, 154) , der sich in seiner Studie mit der Fortbildung deutscher Ärztinnen beschäftigte, zeigte, dass eine regelmäßige Weiterbildung als Teil der Berufsehre gesehen wurde. Medizinerinnen sind sich demnach über den hohen Weiterbildungsbedarf bewusst und bringen eine hohe Eigenmotivation mit, ihr Wissen aktuell zu halten und zu erweitern. Dabei stehen Ärztinnen in einem Spannungsverhältnis zwischen wirtschaftlichem Erfolg und medizinischer Qualität. Medizinische Fortbildungen sind oft nicht nur kostenintensiv, sondern benötigen Zeit (Gerstenberger, 2007, S. 153). Insofern ist es für die Medizinerinnen wichtig, für die investierten Ressourcen hochqualitative und möglichst passende und interessante Weiterbildungsangebote nutzen zu können (Gerstenberger, 2007, S. 153). Ärztinnen wünschten sich im Rahmen der Befragung »evidenzbasierte Medizin, leitliniengestütztes Wissen, Interaktivität, Praxisorientierung, Modularität und fallbasiertes Lernen.« Weiterhin wünschten sich die befragten Medizinerinnen in der genannten Studie eine klare Trennung zwischen Sponsoring und Fortbildungsinhalten (Gerstenberger, 2007, S. 148).
Mit dem letztgenannten Punkt wird eine weitere Besonderheit ärztlicher Weiterbildung deutlich: die Nähe zur pharmazeutischen Industrie und zu Medizinprodukteunternehmen7. Die angesprochene Problematik führt den Umstand vor Augen, dass die medizinische Berufspraxis zwangsläufig eng mit der Arbeit von Wirtschaftsunternehmen verbunden ist (Klech, 2013, 196f). Diese treiben maßgeblich die Entwicklung von Medikamenten, neuen Wirkstoffen oder medizinischen Devices voran und sind somit eine wichtige Partnerin für die Ärztinnen. Nach einer Befragung niedergelassener österreichischer Medizinerinnen sind diese durchaus zufrieden mit ihrem Verhältnis zur Pharmaindustrie (Holm, 1997, 94f). Holm (1997, 21ff) zeigt mit ihrem Blick auf die pharmazeutische Branche gleichzeitig auch Besonderheiten des Sektors Medizin auf: in diesem Gesellschaftsbereich handelt es sich insofern um einen sensiblen Bereich, als dass darin die Gesundheit von Menschen die zentrale Rolle spielt. Auch pharmazeutische Unternehmen und Firmen, die Medizinprodukte produzieren und vertreiben, verkaufen mit ihren Produkten im Grunde Gesundheit und Lebensqualität. Weiterhin werden diese nicht einfach nur an Spitäler und niedergelassene Medizinerinnen vertrieben, sondern der Vertrieb ist verbunden mit einer eingehenden Beratung durch entsprechend geschulte Referentinnen der Unternehmen. Ärztinnen und Industrie sind aufeinander angewiesen und leben in einer Art von Partnerschaft; Ärztinnen ebenso wie Pharma- und Medizinprodukteunternehmen bilden einen wichtigen Bestandteil moderner Gesundheitssysteme. Hinzu kommen gesetzliche Regulierungen, denen die Ärztinnen - wie bereits erwähnt - ebenso unterliegen wie im Medizinsektor tätige Unternehmen (Holm, 1997, 23f). Gerade Pharmaunternehmen sehen Fortbildungen längst als pragmatisches Mittel, um Ärztinnen über neue Produkte oder aktuelle Forschungsergebnisse zu ihren Produkten zu informieren. Dabei verschwimmt oftmals die Grenze zwischen Fortbildung und Produktwerbung (Holm, 1997, 58ff).
Die medizinische Weiterbildung in Österreich wird durch das Ärz- tinnengesetz8 geregelt (Österreichische Ärztekammer, 2015a). Dabei obliegt der Österreichischen Ärztekammer die Regelung der Fortbildung. Zur Förderung und Weiterentwicklung der österreichischen Fortbildungslandschaft wurde von der Österreichischen Ärztekammer die sogenannte Akademie der Ärzte 9 ins Leben gerufen. Dort finden sich Ankündigungen für zeitnah stattfindende Weiterbildungen; außerdem bietet die Akademie der Ärzte selbst E-Learning-Kurse, Lehrgänge, Präsenzkurse und Fortbildungstage an.
In Österreich praktizierende Medizinerinnen sind dazu verpflichtet, das von der Österreichischen Ärztekammer initiierte Diplom-FortbildungsProgramm (DFP) zu absolvieren. Demnach müssen innerhalb von fünf Jahren 250 DFP-Punkte gesammelt werden; 200 davon von fachspezifischen Fortbildungen und maximal 50 Punkte durch sonstige Fortbildungsaktivitäten. Diese Fortbildungspflicht gilt für niedergelassene Ärztinnen ebenso wie für in Spitälern tätige Medizinerinnen. Neben den von der Akademie der Ärzte angebotenen Fortbildungsmöglichkeiten können auch die Angebote akkreditierter Anbieterinnen genutzt werden. Ärztinnen können sich auf dem Onlineportal Mein DFP 10 anmelden, um Fortbildungspunkte anrechnen zu lassen und eine Übersicht über ihren aktuellen Punktestand zu bekommen (Akademie der Ärzte, 2013a). Neben der Österreichischen Ärztekammer betätigen sich auch die lokalen Ärztinnenkammern der Bundesländer als Anbieterinnen von unterschiedlichsten Weiterbildungen.11 12 Außerdem bieten die zahlreichen österreichischen Fachgesellschaften11 Fortbildungen an. Einige Ärztinnenkammern, wie etwa die Oberösterreichische Ärztekammer, haben ebenfalls eigene Weiterbildungsportale, auf denen u. a. eigene und DFP-zertifizierte Kurse, Vorträge oder Qualitätszirkel angeboten werden.13 Daneben gibt es noch eine Vielzahl anderer Angebote von medizinischen Organisationen oder Verlagen, auf denen unterschiedliche Weiterbildungsveranstaltungen - von E-Learning bis hin zu Präsenzveranstaltungen - angeboten werden (Forum für medizinische Weiterbildung, 2015; MedOnline, o.D.). Andere Websites bieten v. a. Vorbereitungsmaterial für angehende Ärztinnen bzw. Ärztinnen in Ausbildung an (Nextdoc, 2015;; Mera, 2011).
Weiterhin bieten die Herstellerinnen von pharmazeutischen oder medizintechnischen Produkten ebenfalls ein breites Angebot an Fortbildungen an. Dabei handelt es sich teilweise um Fortbildungen, die über spezifische Produkte informieren und werben sollen; einige pharmazeutische Unternehmen bieten auch darüber hinausgehende Weiterbildungsangebote an (Fortimel, 2014;; Pfizer Deutschland, 2014; Boehringer Ingelheim Pharma, 2014; Bayer Austria, 2014).
1.4 Vorstudie
Wie bereits angedeutet, entstand die vorliegende Arbeit maßgeblich aus einem Studienprojekt heraus. Im Rahmen des Masterstudiengangs Kommunikation, Wissen, Medien fand ein obligatorisches Studienprojekt über zwei Semester statt (vgl. Hess et al., 2014). Sieben Studentinnen14, darunter die Autorin, nahmen an dem Projekt teil, das in Kooperation mit dem Unternehmen stattfand. Betreut wurde die Zusammenarbeit von zwei Dozentinnen der Fachhochschule Oberösterreich. Recherchiert und gearbeitet wurde von Oktober 2013 bis Juni 2014. Inhaltlich drehte sich die Zusammenarbeit um die medizinische Weiterbildungslandschaft in Österreich. Die grundlegende Fragestellung des Projekts war, inwiefern ein vom Unternehmen offeriertes Angebot einer medizinischen Weiterbildungsplattform Anklang bei Ärztinnen finden würde und wie eine solche Lösung aussehen könnte. Dazu wurde eine Konkurrenz- und Situationsanalyse durchgeführt. Neben der Durchleuchtung des medizinischen Fortbildungsmarkts wurden aktuelle Trends im Weiterbildungsbereich eruiert. Ebenso wurden lernpsycholo-gische Aspekte einbezogen. Um konkrete Handlungsempfehlungen abzu-eiten, erfolgte drei empirische Analysen: (1) eine Ärztinnenbefragung, (2) die Evaluierung einer bereits bestehenden Lernkomponente sowie (3) die Ausarbeitung eines Prototyps für eine Lernumgebung mit medizinischem Kontext.
Die vorliegende Masterarbeit stellt ein Anschlussprojekt der oben geschilderten Kooperation dar. Aus diesem Grund sollen auf den folgenden Seitendie Ergebnisse derZusammenarbeitals Vorstudie dargestelltwerden.
Konkurrenz- und Situationsanalyse. Zunächst wurde das Problemfeld medizinischer Weiterbildungen unter die Lupe genommen. Dabei zeigte sich, dass Bildungsangebote in diesem Sektor von einer vielfältigen Sta- keholderstruktur umgeben sind. Angebote von Pharamaunternehmen, die als Kurse oder Schulungen konzipiert sind, unterliegen starken gesetzlichen Reglementierungen. Daneben ist die Arbeit von Medizinerinnen generell eingebettet in einen soziopolitischen Kontext, Ausbildung und Arbeitswelt werden bestimmt von öffentlichen Institutionen, medizinischen Gesellschaften und anderen gesundheitspolitischen Akteurinnen (z. B. den Krankenkassen).
Als Teil der Situationsanalyse wurden Personas15 erstellt. Diese sollten zu einer ersten Annäherung an die Zielgruppe dienen. Erschaffen wurden drei Personen: (1) Persona A stellt eine 40-jährige Psychiaterin mit einer eigenen Praxis dar, welche verheiratet ist und zwei Kinder hat. Sie ist stark karriereorientiert und investiert viel Zeit in ihre Arbeit und Weiterbildung. Sie ist perfektionistisch und hat wenig Zeit, weswegen ihr effektive Vorgänge wichtig sind. Die Ärztin nutzt zur Fortbildung vorwiegend Bücher, schriftliche Unterlagen oder Präsenzveranstaltungen. (2) Persona B stellt einen 58-jährigen Onkologen dar, der an einem Universitätsklinikum sowie als Dozent an einer Universität tätig ist. Die Persona ist selbstsicher, optimistisch und jung geblieben; sie interessiert sich für neue Technologien, sieht aber ihre Defizite im Bezug auf die Nutzung moderner Internet- und Me- dientechnlopgoien im Vergleich zu den Studierenden, die sie unterrichtet. (3) Persona C ist ein 33-jähriger Arzt, der in einem Großstadtklinikum als Internist tätig ist. Er arbeitet mit Spaß und Elan und nutzt selbstverständlich moderne Technologien. Auch im Bereich der Medizin interessieren ihn v. a. technische Neuerungen.
Weiterhin betrachtet wurden Pharmaunternehmen und Anbieterinnen medizinischer Bildungsangebote in Österreich. Dabei lag der Fokus auf digitalen und online durchführbaren Weiterbildungen. Die Recherchen zeigten, dass Bildungsanbieterinnen wie auch Pharmakonzerne durchaus an der Bereitstellung elektronischer Weiterbildungen arbeiten. Gerade die Firma Roche Diagnostics stellte recht vielfältige Lernmöglichkeiten16 zur Verfügung, die teilweise auch als mobile Applikation zur Verfügung standen. Auch, wenn einzelne Anbieterinnen bereits webbasierte Weiterbildungen zur Verfügung stellen, lässt sich allerdings nicht von einem breiten Ausbau des Angebots sprechen.
Trendanalyse. Im Rahmen dieser Analyse wurden fünf wichtige Trends in Bezug auf die digitale Weiterbildungslandschaft herausgearbeitet: (1) Portabilität ist angesichts der steigenden Nutzung ganz unterschiedlicher (mobiler) Endgeräte eine wichtige Anforderung. Es bedeutet, dass Lernumgebungen auf unterschiedlichen Geräten und Betriebssystemen zugänglich sind und funktionieren. (2) Nach wie vor stellt Text ein wichtiges Medium im digitalen Lernen dar. Diese Eingabe- und Leseform schließt zahlreiche Nutzungsmöglichkeiten von Lernplattformen ein, u. a. Blogs, Onlinebibliotheken, Wikis usw. Zudem passieren Interaktionen zwischen digitalen Lernanwendungen und den Nutzerinnen mehrheitlich auf Textebene. (3) Definitiv ein Trendwort ist Gamification als Einbindung spielerischer Elemente in spielfremde Kontexte. Gamifizierte Teile einer Lernplattform können diese auflockern oder für Motivation sorgen. (4) Generell geschieht Lernen auf unterschiedlichsten multimedialen Kanälen: von Bildern und Animationen bis hin zu Podcasts oder Videos. (5) Ein letzter Trend stellt das kollaborative oder gemeinschaftliche Lernen dar, eine Lernform also, bei der Lernstoff in einer Gruppe erarbeitet oder diskutiert wird.
Ärztinnenbefragung. Im Rahmen des Projekts wurde auch eine empirische Studie mit acht österreichischen Ärztinnen durchgeführt. Es handelte sich um eine qualitative Erhebung, als Erhebungsinstrument wurde ein halbstrukturierter Leitfaden eingesetzt. Die Auswertung erfolgte nach Mayring (vgl. 1990) . Die Befragung fand telefonisch mit Haus- und Spita- lärztinnen statt sowie im Rahmen eines medizinischen Kongresses in Wien. Im Folgenden werden die Ergebnisse kurz dargestellt.
Einen hohen Stellenwert für die persönliche Weiterbildung der befragten Ärztinnen nahm der Besuch von medizinischen Fachkongressen ein. Solche Veranstaltungen werden zur Weiterbildung, zum Netzwerkaufbau und informellem Austausch genutzt. Weiterhin werden maßgeblich Präsenzveranstaltungen, aktuelle Publikationen, Fachzeitschriften und Bücher zur Fortbildung verwendet. Eine wichtige Quelle für Medizinerinnen sind Fachdatenbanken sowie die aktuellen Leitlinien medizinischer Gesellschaften. Von medizinischen Bildungsangeboten wird neben einem einfachen Ablaufund einerübersichtlichenDarstellungdes Lernstoffsv.a.die Aktualität des Materials gefordert. Eine gewisse Bedeutung scheinen auch DFP- Punkte zu spielen, weswegen von den Medizinerinnen gewünscht wurde, diesen Punkt bei Lernangeboten stärker hervorzuheben. Bei der Auswahl von Weiterbildungen schauen Ärztinnen u. a. auf die Spezifik der angebotenen Thematiken: allgemeinere Themen interessieren weniger, es werden konkrete und tiefgehende Sujets gewünscht. Einen hohen Stellenwert nahm weiterhin der Austausch mit anderen sich fortbildenden Medizinerinnen während der Weiterbildungen ein. Die befragten Ärztinnen nutzten Desktopcomputer ebenso wie mobile Endgeräte; wobei der Stand-PC ein notwendiges Arbeitsmittel im Berufsalltag der Medizinerinnen darstellt. Das Internet spielt gerade im Bezug auf die Suche nach aktuellen Studien und Publikationen eine Rolle; dazu werden Fachdatenbanken genutzt.
Prototyping. Den Abschluss des Projekts bildete die Erarbeitung eines Prototyps für eine medizinische Lernumgebung. Empfohlen wurde dabei eine Plattform mit vielfältigen Funktionen: eine integrierte Kalenderund Notizfunktionen, die Anzeige des Lernfortschritts, eine Bibliothek, das Anzeigen medizinischer Neuigkeiten sowie eine Nachrichten- und Chatfunktion. Außerdem wurden noch Möglichkeiten zur Gamifizierung der Plattform vorgestellt, auf die an dieser Stelle jedoch nicht näher eingegangen werden soll. Der Prototyp wird auch aus Gründen der Geheimhaltung nicht näher ausgeführt.
1.5 Zusammenfassung
Dieses Kapitel gab einen ersten Überblick über die Thematik ärztlicher Weiterbildung. Maßgeblich ist die Medizin ein Bereich, in dem eine beständige Weiterbildung notwendig ist (Klech, 2013, 187f). Um diese Anforderung zu erfüllen, steht Ärztinnen in Österreich ein breit gefächertes Fortbildungsangebot zur Verfügung, das von unterschiedlichsten medizinischen Akteurinnen zur Verfügung gestellt wird. Die Weiterbildungsmöglichkeiten reichen von Kongressen über E-Learning-Kurse oder Fachliteratur in digitaler und analoger (Klech, 2013, 195f). Als Leitthema für den weiteren Forschungsprozess wurde eine Forschungsfrage aufgestellt, die nach den stützendenundhemmendenFaktoren,dieaufärztlicheWeiterbildungspro- zesse wirken, fragt (siehe Abschnitt 1.1). Weiterhin wurde die medizinische (Weiterbildungs-)Landschaft in Österreich betrachtet. Im Jahr 2013 gab es mehr als 42.000 praktizierende Medizinerinnen - eine Zahl, die seit den 1960er Jahren beständig wächst (Statistik Austria, 2014a). Der Beruf ist mit über 50 Fachrichtungen stark spezialisiert (Statistik Austria, 2014c); für alle Fachrichtungen gilt eine gesetzlich verankerte Pflicht zur Weiterbildung. Dies erzeugt ein Spannungsfeld zwischen hoher medizinischer Qualität und wirtschaftlichem Erfolg, in dem Ärztinnen sich bewegen (Gerstenberger, 2007, S. 153). Eine weitere Besonderheit betrifft auch die Nähe zur Medizinprodukte- und pharmazeutischen Industrie, auf die Medizinerinnen nicht selten zur Finanzierung ihrer Weiterbildung angewiesen sind (Klech, 2013, 196f). Abschließend vorgestellt wurde im vorliegenden Kapitel die Vorstudie, aus der diese Masterarbeit heraus entwickelt wurde (siehe Abschnitt 1.4). Diese beruhte auf einem Studienprojekt, das in Kooperation zwischen der Firma und Studierenden des Masterstudienganges Kommunikation, Wissen, Medien der Fachhochschule Oberösterreich durchgeführt wurde. Das Projekt beleuchtete den österreichischen Weiterbildungsmarkt, arbeitete wesentliche Trends im Bereich der digitalen Weiterbildung heraus, führte eine qualitative Ärztinnenstudie zu deren Weiterbildungsverhalten durch und entwickelte zudem einen Prototypen zur möglichen Gestaltung einer medizinischen Lernumgebung.
Kapitel 2 Theoretischer Hintergrund
Die Beschäftigung mit Weiterbildung führt zu der Frage, wie im Rahmen dieser kollektive und individuelle Lernprozesse gestaltet werden. Nohl, von Rosenberg und Thomsen (2015, S. 139) grenzen dabei Bildung von Lernen ab, indem die Autorinnen Bildung eher als die Transformation von Orientierungsrahmenbetrachten;Lernenhingegenals kontinuierlichenkumulativen Erwerb von Wissen und Können. Unterschiedliche Lerntheorien versuchen, den Ablauf und die Bedingtheiten und Kontexte von Lernprozessen zu untersuchen. Im vorliegenden zweiten Kapitel werden zunächst drei klassische Lerntheorien vorgestellt, die gerade innnerhalb sozialwissenschaftlicher Zusammenhänge ihre Verwendung finden und diskutiert werden. Die Theorien werden in der Reihenfolge ihrer historischen Entstehung geschildert (siehe Abschnitt 2.1).
Anschließend wird eine noch recht junge Lerntheorie vorgestellt, die den theoretischen Kern dieser Arbeit bildet und entsprechend ausführlich dargestellt wird (siehe Abschnitt 2.2). Dieses von dem kanadischen Wissenschaftler George Siemens initiierte theoretische Konstrukt knüpft an die davor besprochenen Lerntheorien an, insbesondere an konstruktivistische Ideengebäude. Geeignet scheint die Theorie des Konnektivismus v. a. deshalb, weil diese in besonderem Maße die aktuellen Anforderungen in ihr Lernkonzept einbezieht, die Wissensgesellschaft17 an Lernerinnen mitt- lerweile stellen. So gehören Wissen und die Vernetzung von Wissen zu den zentralen theoretischen Aspekten des Konstruktivismus (vgl. Siemens, 2006; Siemens, 2004; Erpenbeck und W. Sauter, 2013). Zudem werden noch drei weitere theoretische Ideen vorgestellt, die eine Ergänzung zu der Theorie des Konnektivismus darstellen (siehe Abschnitt 2.3).
2.1 Klassische Lerntheorien
Im theoretischen Diskursen über den Ablauf von Lernprozessen existieren drei zentrale Theoriesysteme, die im folgenden vorgestellt werden sollen. Diese beleuchten aus unterschiedlichen Blickwinkeln - die auch historisch bedingtsind-denAblaufhumanerLernprozesse(vgl.Baumgartner,2003).18 19 Diese Arbeit beschränkt sich allerdings aufgrund der thematischen Eingrenzung auf die Erwachsenenbildung. Die folgenden, hier vorgestellten Lerntheorien, sind theoretische Konzepte sozialwissenschaftlicher Überlegungen. Auf andere Lerntheorien - beispielsweise neurobiologische Per- spektiven20 - soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden.
2.1.1 Behaviorismus
»Behavioristische Lehrstrategien gehen davon aus, dass Lehrende wissen, was die Lernenden zu lernen haben.« (Baumgartner, 2003, S. 33) - was bedeutet, dass Personen, denen bestimmte Kompetenzen zugeschrieben werden und sich durch einen Wissensvorsprung auszeichnen - die Lehrenden - anderen, nicht befähigten Personen, ein bestimmtes Verhalten beibringen sollen (Erpenbeck und W. Sauter, 2013, S. 37). Lernen ist demnach ein konditionierter Reflex, erworben durch Adaption. Der Lernprozess wird angestoßen, indem die Lehrenden den Lernenden einen geeigneten Reiz vorgeben, womit eine bestimmte Reaktion erzeugt wird. Im Grunde geht esalsodarum,erwünschteVerhaltensweisenzuverstärkenund wenigererwünschte Verhaltensweisen zu unterdrücken. Die behavioristische Theorie ist dabei nicht an im Gehirn ablaufenden Prozessen interessiert. Vielmehr wird das Hirn als passiver Behälter gesehen, der gefüllt werden muss. Es ist eine Theorie der Verhaltenssteuerung (Baumgartner, 2003, S. 3). Das behavioristische Lernkonzept geht von einem Black-Box-Modell aus, es ist also nicht klar, was im Kopf der Lernerinnen vorgeht. Das Verhalten der Lernenden wird v. a. durch Konsequenzen bestimmt, die das Verhalten dieser erzeugen. Entsprechend wirken positive Konsequenzen verstärkend auf gezeigtes Verhalten; negative Konsequenzen dagegen reduzieren das zuvor gezeigte Verhalten. Verhalten, das überhaupt keine Reaktion bewirkt hat, wird im Verlauf des Lernprozesses wieder gelöscht (Erpenbeck und W. Sauter, 2013, S. 37). In behavioristischen Lernszenarien wird Wissen mittels eines autoritäten Lehrerinnenmodells vermittelt. Die Lehrenden geben vor, welches Wissen als richtig bzw. falsch einzuschätzen ist und versuchen, ihren Schülerinnen dieses richtige Wissen auf möglichst optimalem Weg beizubringen (Baumgartner, 2003, S. 4).
Nach Baumgartner (2003, S. 3) ist der Behaviorismus »heute stark in Misskredit geraten«. Grund dafür ist, dass der Behaviorismus Lernprozesse nicht als komplexe Abläufe ansieht, sondern Lernende lediglich als »passive Stimuli-Empfänger« (Baumgartner, 2003, S. 3) betrachtet. Behavioristische Lernansätze stehen zudem in der Kritik, weil diese Elemente wie die individuellen Motivation oder Emotion der Lernerinnen nicht beachten. Weiterhin werden behavioristische Modelle kritisiert, weil sie lediglich ergebnisorientiert vorgehen und nicht an der Entstehung neuen Verhaltens interessiert sind. Allerdings können behavioristische Lernelemente gerade in der Phase der Wissensvermittlung nützlich sein (Erpenbeck und W. Sauter, 2013, S. 38). Behavioristische Ansätze finden nach wie vor ihre Anwendung. Dies betrifft schulische Lernszenarien ebenso wie digitale Lernprogramme. in E-Learning-Programmen ihre Anwendung. Beispielsweise werden im Rahmen von Onlineweiterbildungen »die Lernziele in kleinste Schritte zergliedert. Richtige Antworten schlagen sich in einem Scoring, evtl. verbunden mit Belohnungen, nieder. Bei zu hohen Fehlerzahlen wird empfohlen, die Lektion zu wiederholen.« (Erpenbeck und W. Sauter, 2013, S. 38). Behavioristische Lernansätze stellen insofern kein Auslaufmodell dar, sondern werden durchaus in ider Praxis angewendet.
2.1.2 Kognitivismus
Kognitivistische Lerntheorien21 beschreiben Lernen »als einen Prozess des aktivenWahrnehmens,ErfahrensundErlebens«(ErpenbeckundW.Sauter, 2013, S. 38). Im Gegensatz zum Behaviorismus ist der Kognitivismus an solchen Prozessen interessiert, die während des Lernens im Gehirn ablaufen.22 Dieses stellt keine Black Box mehr dar, sondern die Verarbeitungsprozesse spielen eine wesentliche Rolle bei der Betrachtung von Lernvorgängen. Das menschliche Denken wird als ein Prozess der Informationsverarbeitung gesehen (Baumgartner, 2003, S. 3; Konrad, 2014, S. 15). Neues Wissen wird auf Basis bestehender Wissenstrukturen gebildet, indem das Gehirn - einem Computer ähnlich - Wissen aufnimmt und verarbeitet. Im Mittelpunkt steht dabei die Vermittlung von prozeduralem Wissen23, welches von fachlich-methodischen Kompetenzen geprägt ist, welche Individuen zur Problemlösung nutzen können (Erpenbeck und W. Sauter, 2013, S. 38; W. Sauter und S. Sauter, 2013, S. 58). Dabei besteht das Problem, dass im Gehirn ablaufende Prozesse nicht vollständig betrachtet werden können. Das Gehirn jedenfalls wird nicht mehr als passiver Behälter angesehen, sondern als eine Art von Rechenmaschine individueller Verarbeitungs- und Transformationskapazität. In der konkreten Lernanwendung geht es also primär darum, Methoden und Verfahren zur Lösung von Problemen zu erlernen. Dabei geht die Theorie davon aus, dass auch unterschiedliche Verfahren zu optimalen Ergebnissen führen können (Baumgartner, 2003, S. 3).
In kognitivistischen Lernszenarien agieren Lernende deutlich eigenständiger als in behavioristischen (Baumgartner, 2003, S. 4; Erpenbeck und W.Sauter,2013,S.38).LernendewerdenmitProblemenkonfrontiert,welche diese eigenständig lösen sollen. Dabei allerdings werden »scheinbar irrele- vante Faktoren [...] beseitigt, die Situation wird vereinfacht und auch bereits als Problem präsentiert.« (Baumgartner, 2003, S. 4). Das Lernen soll durch Einsicht erfolgen. Im Lernprozess lösen die Lernerinnen vorgegebene Auf- gaben,dieLehrendenagierendabeialsBegleiterinnenundBeobachterinnen (Baumgartner, 2003, S. 4). Diese steuern und flankieren den Lernprozess, stellen aufbereitetes Lernmaterial zur Verfügung und geben den Lernerinnen kontinuierlich Rückmeldungen. Die Lernenden entwickeln eigene Problemlösungsstrategien, wählen für ihre Lernprozesse geeignete Methoden und reflektieren über ihre Lernprozesse (Erpenbeck und W. Sauter, 2013, S. 38). Kognitivistische Lernstrategien bestehen aus drei Phasen: (1) In der ersten Phase, der Inputphase, werden Informationen aufgenommen, (2) in der zweiten Phase der Prozessphase, werden diese Informationen von den Lernerinnen aufgenommen. (3) In der dritten Phase, der Outputphase, geben die Lernenden diejenigen Inhalte wieder, welche sie im vorangegangenen Lernschritt aufgenommen haben (Konrad, 2014, S. 17).
Kritisiert an kognitivistischen Lerntheorien wird, dass diese meist für laborähnliche Situationen gedacht sind, bei welchen die den Lernerinnen gestellten Aufgaben auf das Vorwissen und die Fertigkeiten dieser ausgerichtet sind. Problematisch ist also, dass kognitivistische Lerntheorien »mit den wirklichen Problemstellungen in der Praxis kaum vergleichbar« (Erpenbeck und W. Sauter, 2013, S. 38) sind. Erpenbeck und Sauter (2013, S. 38) schreiben von künstlichen Übungsaufgaben, mit denen kaum Kompetenzen entwickelt werden können, weil das Wissen in solchen Lernprozessen nur begrenzt internalisiert werden kann.
Weiterhin besteht das Problem, dass das in kognitivistischen Lerntheorien erworbenes Wissen nur begrenzt in die Praxis übertragen werden kann (Erpenbeck und W. Sauter, 2013, 38f). Im Zentrum des kognitivistischen Lernprozesses steht der pädagogische Dialog, bei dem Lehrende auf die einzelnen Bedürfnisse der Lernerinnen eingehen. Praktische Erfahrungen haben allerdings gezeigt, dass in üblichen Unterrichts- und Lernszenarien ein Eingehen nur auf einige wenige Schülerinnen möglich ist; ein Dialog mit allen Lernerinnen kann kaum geführt werden (Erpenbeck und W. Sauter, 2013, S. 39). Anwendung finden kognitivistische Lernszenarien gerade auch über sogenannte intelligente tutorielle Systeme. Durch laufende Lerndiagnosen werden den Anwenderinnen individuelle und beständig angepasste Lernpfade vorgegeben. Solche Systeme sind meist sehr aufwändig in ihrer Entwicklung und Implementierung. Gerade jedoch die Idee des dialogischen Lernens kann mittels digitaler Lernsysteme durchaus seine Anwendung umgesetzt werden (Erpenbeck und W. Sauter, 2013, S. 39).
2.1.3 Konstruktivismus
Sozialkonstruktivistische Lernansätze haben ihre Wurzeln in den Arbeiten von Dewey, Vygotsky und Piaget24 (Centre for Educational Research and Innovation, 2008, S. 70; Konrad, 2014, S. 61; Czauderna, 2014, S. 41) und gehen auf unterschiedliche philosophische Strömungen des 20. Jahrhunderts zurück (Konrad, 2014, S. 16). Aktuelle und innovationsbasierte Lernmodelle und -ansätze bedienen sich oft konstruktivistischer Lerntheorien (Centre for Educational Research and Innovation, 2008, S. 30; vgl. Bereiter, 2002; Collins, Joseph und Bielaczyc, 2004), ja, »most current research-based innovation falls into this category« (Centre for Educational Research and Innovation, 2008, S. 82). Behavioristische und kognitivistische Lernprinzipien hingegen spielen gerade im Rahmen selbstorganisierter Lernprozesse eine eher begrenzte Rolle (W. Sauter und S. Sauter, 2013, S. 63).
Konstruktivistische Lerntheorien gehen von sog. situierten Lernsituationen aus (Erpenbeck und W. Sauter, 2013, S. 39; Konrad, 2014, S. 18). Es gibt keine objektiven Beschreibungen der Realität in dem Sinne, dass Realität von den Lernenden individuell konstruiert wird. »Realität wird als eine interaktive Konzeption verstanden, in der Beobachter und Beobachtetes ge- genseitigundstrukturellmiteinandergekoppeltsind.«(Baumgartner,2003, S. 4). Individuelle Handlungen sind allerdings nicht das Ergebnis individueller isolierter Entscheidungsprozesse einzelner Personen, sondern eingebunden in sozio-kulturelle Kontexte und Handlungsmuster. Die Bedeutungen von Situationen und Sachverhalten sind das Ergebnis interpersonaler Interaktionen. Wissen wird, wie die beiden weiter oben vorgestellten Lernansätze es vorschlagen, nicht etwa transferiert, sondern in jeder Situation neu konstruiert (Erpenbeck und W. Sauter, 2013, S. 39; Konrad, 2014, S. 18).
Konstruktivistische Lernprozesse sind aktive Abläufe, bei denen »Menschen ihr Wissen in Beziehung zu ihren früheren Erfahrungen in komplexen realen Lebenssituationen« (Baumgartner, 2003, S. 4) herstellen. In solchen Lernszenarien steht die persönliche Lernerfahrung der Lernenden im Vordergrund. Hirnforschungen bestätigen die konstruktivistische These, dass Lernen gerade im Erwachsenenalter ein selbstgesteuerter Prozess ist. So lernen Erwachsene primär auf der Grundlage vorhandener neuronaler Strukturen (R. Siebert, 2014, S. 49). Lernende sollen dazu befähigt werden, auch komplexe Situationen bewältigen zu können; dafür müssen sie dafür notwendige Probleme selbst erkennen und Aufgabenstellungen eigenständig generieren (Erpenbeck und W. Sauter, 2013, S. 39). Die Aufgabe der Lehrenden wandelt sich insofern in die einer Moderatorin, deren zentrale Aufgabe es ist, die Lernprozesse der anderen bestmöglich zu unterstützen (Baumgartner,2003,4f).DennkonstruktivistischeLernprinzipienerfordern eine aktive und individuelle Wissenskonstruktion; es kann kein einfaches Abbild des Wissens der Lehrerinnen sein (Konrad, 2014, S. 19).
In konstruktivistischen Lernumgebungen erhalten die Lernenden Informationen nicht nur von den Lehrenden, sondern von einer Vielzahl von Quellen - gerade auch im Gegensatz zu den bereits geschilderten Lerntheorien. Die Lehrenden sind also nicht die einzige Wissensquelle im Lernprozess (Centre for Educational Research and Innovation, 2008, S. 55). Lehrende werden zu Entwicklungspartnerinnen, die mit den Lernerinnen kooperieren und die Lernprozesse der Lernenden unterstützend flankieren (Erpenbeck und W. Sauter, 2013, S. 41). Auch Konrad (2014, S. 19) hebt die soziale Komponente des Lernens hervor in dem Sinne, »dass das Teilenund gemeinsame Herstellen von Wissen nachhaltige Vorteile mit sich bringt«. Kirschner, Sweller und Clark (2006) merken an, dass konstruktivistische Lernansätze auch Schwierigkeiten für die damit konfrontierten Lernenden erzeugen können, da diese »an excessive burden on students' working memory capacity« (Centre for Educational Research and Innovation, 2008, S. 72) hervorrufen.
Gerade Konstrukte wie das lebenslange oder betriebliche Lernen eignen sich für konstruktivistische Lernszenarien, da sie die Erzeugung individuell angepasster Lernprozesse erfordern - orientiert an individuellen Problemen, Erfahrungen oder Lerngeschwindigkeiten der Lernerinnen (Erpenbeck und W. Sauter, 2013, 39f). Das konstruktivistische Lernverständnis
ermöglicht Austausch, Diskussionen und soziale Strukturen, die eine Verknüpfung von erlerntem Wissen und täglicher Arbeit ermöglichen (siehe Abschnitt 2.3.3) (Konrad, 2014, S. 19). Konstruktivistisches Lernen hat außerdem den Anspruch der Authentizität; Problemstellungen sich an realen bzw. praxisnahen Problemen orientieren. Im Fall des erwähnten Lernens am Arbeitsplatz wachsen Lernen und Arbeiten zusammen. »Dieser Lernprozess findet im Rahmen vereinbarter Ziele statt und ist zum großen Teil selbst organisiert.« (Erpenbeck und W. Sauter, 2013, S. 41).
2.1.4 Behaviorismus, Kognitivismus und Konstruktivismus in der Übersicht
In aktuellen lerntheoretischen Diskursen wird v. a. die Aktualität konstruktivistischer Theoriegebilde betont; gerade behavioristische Lerntheorien werden als veraltet und zu wenig lernerinnenzentriert kritisiert (vgl. Baumgartner, 2003). Allerdings zeigt ein Blick in die Bildungsrealität der Aus- und Fortbildungslandschaft, dass über Frontalvorträge vermitteltes Wissen nach dem behavioristischen Lehrerinnenmodell noch immer sehr häufig anzutreffen ist.25 »The standard model is based on a transmission- and-acquisition approach, where the teacher is assumed to possess all of the knowledge, and classroom activities are designed to facilitate the teacher- to-student transfer of knowledge.« (Centre for Educational Research and Innovation,2008,S.55).DiedreivorgestelltenLerntheoriengehendurchaus von unterschiedlichen Annahmen aus - auch geprägt durch ihre jeweilige historische Bedingtheit - und adressieren verschiedene Lernszenarien und -erfordernisse. Die drei vorgestellten Lerntheorien lassen sich jeweils der Vermittlung unterschiedlicher Wissensarten zuordnen. Der Behaviorismus dient demnach v. a. zur Vermittlung von Fakten- und Grundlagenwissen, sogenanntem know-that. Der Kognitivismus mit seiner dialogischen Form eignet sich hingegen eher zur Vermittlung von Prozeduren und Verfahren, dem know-how. Dem Konstruktivismus wird das Erlernen sozialer und interaktiver Praktiken zugeordnet, dem knowing-in-action (Baumgartner, 2003, S. 4; Erpenbeck und W. Sauter, 2013, S. 37).
Die drei Lerntheorien müssen sich also gegenseitig nicht ausschließen, sondern können als unterschiedliche Lernstile gesehen werden, um Wissen in passender Form zu vermitteln. Gerade konstruktivistische Lernansätze fordern eine hohe Lern- und Selbstverantwortungsbereitschaft und bauen oftmals auf bereits vorhandenen Wissensbeständen und Kompetenzen auf, die durchaus effizient mit behavioristischen Methoden aufgebaut werden können. Die vorgestellten Lerntheorien können also durchaus als unter- schiedlichePerspektivenbetrachtetwerden,mitdenenLernprozesseinden Blick genommen werden. Baumgartner (2003, S. 4) merkt an, dass gerade die Anwendung moderner Lerntheorien auf praktische Anwendungen dazu führt, dass dabei v. a. der Einsatz technologischer Mittel in Bildungsszenarien gefördert wird und nicht etwa die Unterrichtsqualität selbst. »Wie eine OECD-Studie gezeigt hat, führt der vermehrte Einsatz von IKT26 in den Schulen nicht automatisch zu einer verbesserten Unterrichtsqualität. Es geht vielmehr um die Art und Weise, wie die Möglichkeiten der neuen Technologien für den Unterricht didaktisch genutzt werden.« (Baumgartner, 2003, S. 4). Im folgenden Kapitel wird eine Lerntheorie vorgestellt, die den bislang vorgestellten Theorien eine weitere Perspektive hinzugefügt.
2.2 Konnektivismus
Der Konnektivismus geht auf den kanadischen Wissenschaftler George Siemens zurück, der erstmals im Jahr 2004 einen Artikel zu dieser Theorie publizierte (vgl. Siemens, 2004). Die konnektivistische Lerntheorie geht von der zentralen Annahme aus, dass Wissen in Netzwerken vorliegt, die aus humanen und nicht-humanen Netzwerkknoten bestehen. Die Theorie nimmt also eine ganz andere Perspektive ein, indem sie eben nicht auf die Prozesse fokussiert ist, die im Kopf der Lernenden ablaufen, sondern sie betrachtet gewissermaßen die Interaktion der Lernenden mit unterschiedlichen Wissensquellen (Siemens, 2004). Nach Erpenbeck und W. Sauter (2013, S. 41) ist der Konnektivismus eine »pragmatische Lernkonzeption«, welche dazu im Stande ist, die veränderten Lernbedingungen zu reflektieren und in ein theoretisches Konzept umzusetzen. »Knowing and learning are today defined by connections. Connectivism is the assertion that learning is primarily a network-forming process.« (Siemens, 2006, S. 15). Komplexe Wissensbestände erfordern die Vernetzung von Wissen, die Bildung von Wissensnetzwerken sieht Siemens (2006, S. 44) v. a. auch als Notwendigkeit für Lernprozesse. Gründe dafür liegen auch in der technologischen Entwicklung, der wachsenden globalen Vernetzung sowie der zunehmenden Flut an Informationen (Erpenbeck und W. Sauter, 2013, S. 41; W. Sauter und S. Sauter, 2013, S. 61).
Konnektivistischen Theorien liegen unterschiedliche Prinzipien zu Grunde (Siemens, 2006, S. 31):
Diversität. Lernen und Wissen benötigen die Unterschiedlichkeit von Meinungen, damit die Wirklichkeit bestmöglich abgebildet werden kann. Insofern gibt es keine ideale oder richtige Herangehensweise, sondern gerade Lernprozesse leben von der Vielfältigkeit der Meinungen und Perspektiven.
Lernen als Netzwerk. Lernen ist ein Prozess, der in Netzwerken stattfindet und insofern auf der Verbundenheit einzelner unterschiedlicher Informationsknoten basiert.
Verortung in Netzwerken. Wissen bleibt in Netzwerken bestehen und ist dort organisiert.
Technologie. Wissen kann auch in nicht-menschlichen Apparaten vorhanden sein. Ebenso kann der Lernprozess von Technologie unterstützt werden oder diese sogar eine zentrale Rolle darin einnehmen. Diese Technologie ist dann Teil des Lernprozesses und -netzwerks.
Prozesshaftigkeit. Das Erlernen und die Aufnahme von Wissen bilden einen kontinuierlichen Prozess, der nicht in einem finalen Endprodukt erfasst werden kann.
Ordnung. Eine Kernfähigkeit von Individuen ist, Verbindungen für ihre Netzwerke auszumachen, Muster und Sinn zu identifizieren und Felder, Areale, Disziplinen und Konzepte voneinander abgrenzen zu können.
Aktuelles Wissen. Das Bevorraten mit möglichst aktuellem Wissen ist ein Kernelement der konnektivistischen Theorie.
Aktivität. Der Lernprozess wird maßgeblich dadurch immer weitergeführt, dass die Lernerinnen aktiv Entscheidungen treffen - zum Beispiel hinsichtlich der Relevanz von Quellen.
2.2.1 Abgrenzung von anderen Lerntheorien
Gerade behavioristische Lernkonzepte gehen davon aus, dass der Lernprozess von den Lehrenden gesteuert werden kann (vgl. Erpenbeck und W. Sauter, 2013). Siemens (2006, S. 41) widerspricht dem allerdings und geht von einer nur sehr begrenzt möglichen Steuerbarkeit von Lernprozessen aus. Die klassische Lerntheorien Behaviorismus, Kognitivismus und Konstruktivismus werden »den Veränderungen in Gesellschaft und Wirtschaft nicht mehr vollständig gerecht« (W. Sauter und S. Sauter, 2013, S. 62).
Siemens (2006, S. 27) sieht die konnektivistische Theorie als eine Art von Weiterführung konstruktivistischer Gedankengebäude. Grund dafür ist die Perspektive dieser Theorie. Der Konstruktivismus ist fokussiert auf die Erzeugung individueller Wirklichkeiten, während der Konnektivismus Vernetzungsprozesse darstellt, die nach Siemens zentral für die Beobachtung humaner Lernprozesse sind. Konstruktivistische Lerntheorien gehen davon aus, dass Wissen individuell interpretiert und konstruiert wird. Somit wird Wissen erzeugt und darauf basiert der konstruktivistische Lernprozess (W. Sauter und S. Sauter, 2013, S. 62). Nach Siemens (2006, S. 33) funktioniert dies aber nur im Falle eines geringen Zustroms von Wissen.
Konstruktivistische Lerntheorien zeigen ihre Schwäche, wenn es um den Umgang von Lernenden mit sehr großen und sich schnell ändernden Wissensmengen geht. Wird der Vernetzung von Wissensbeständen und - quellen nicht die Bedeutung zugemessen, die diese nach Siemens hat. Dem Konstruktivismus stellt Siemens (2006, S. 57) seine Theorie gegenüber: »We connect more than we construct.«, was bedeutet, dass in erster Linie Verbindungen aufgebaut, aktualisiert und gepflegt werden müssen, bevor eine Konstruktionsleistung erfolgen kann. Ein von der OECD publizierter Bericht unterstreicht, dass die aktuelle Ausbildungslandschaft weltweit von der Vorstellung geprägt ist, dass nur das Wissen eine Bedeutung hat, das die Lernenden in einem entsprechenden Szenario abrufen oder wiedergeben können. »But in today's schools, there is a belief that a student only knows something when that student can do it on his or her own, without any use of outside resources.« (Centre for Educational Research and Innovation, 2008, S. 55). Demnach gibt es eine Schere zwischen modernen herrschenden Schulkulturen und den Realitäten moderner Wissensgesellschaften (Centre for Educational Research and Innovation, 2008, S. 55). Nach Erpenbeck und W. Sauter (2013, S. 41) erklären konstruktivistische Lerntheorien v. a. die Kompetenzentwicklungsprozesse innerhalb von Lernprozessen. Allerdings artikulieren diese Ansätze demnach kaum die Notwendigkeiten und Möglichkeiten, Erfahrungen und Wissensbestände mit Kolleginnen, Partnerinnen, Führungskräften usw. für den individuellen Lernprozess zu nutzen. Dies sei allerdings notwendig, um den Anforderungen der modernen globalen Wissensgesellschaft gerecht zu werden. »Der Ansatz des Konnek- tivismus (Connectivism) bietet deshalb wichtige, weiterführende Impulse für die didaktisch-methodische Gestaltung von beabsichtigten Kompetenzentwicklungsprozessen« (Erpenbeck und W. Sauter, 2013, S. 41).
Siemens grenzt sich nicht strikt von konstruktivistischen Theorien als solchen ab, sondern nimmt durchaus auch Bezug auf diese. So ist der Kon- text27 als wichtiger Einflussfaktor für die Wissensaufnahme und den Lernprozess ein vom Konstruktivismus stammendes Element. Das Argument von Siemens (2004) ist in diesem Zusammenhang, dass der Konnektivismus eine geeignetere Perspektive auf moderne Lernprozesse darstellt.
2.2.2 Wissen als Netzwerk
Dass Wissen eine zentrale Rolle im konnektivistischen Theoriegebäude einnimmt, zeigt bereits der Titel der Siemens-Publikation, die den theoretischen Grundstein für die Theorie legt: Knowing Knowledge (vgl. Siemens, 2006). »Our work and our lives center on the creation, communication, and application of knowledge.» (Siemens, 2006, S. V). Dabei lässt sich das erschaffene Wissen nicht mehr in Kategorien oder Hierarchien einteilen, sondern es liegt in fluiden dynamischen Netzwerken vor. »We are in the early stages of dramatic change«, schreibt Siemens (2006, S. 3) und meint damit, dass Wissen mittlerweile nicht mehr durch Expertinnen und Wissensagentinnen zentral organisiert und verwaltet wird, sondern dezentral in unterschiedlichsten, sich überschneidenden Netzwerken zu finden ist. Die steigende Bedeutung des Wissens wird teilweise eingeschränkt durch regulierende gesellschaftliche Institutionen, die im Kontext der Industrialisierung entstanden sind (Siemens, 2006, S. 5; Erpenbeck und W. Sauter, 2013, S. 42). Vor allem durch technologische Innovationen wie moderne Softwareoder Onlineangebote ändert der Umgang mit Wissen sich. Gerade im Internet wird Wissen in hoher Geschwindigkeit verarbeitet, aktualisiert, genutzt und modifiziert »in ways the original creators did not intend.« (Siemens, 2006, S. 7). Lern- und Arbeitsprozesse verschmelzen zunehmend; die Fähigkeit zu wissen, wo das Wissen zu finden ist, wird zunehmend wichtiger (Erpenbeck und W. Sauter, 2013, S. 42).
Siemens (2006, 79ff) beschreibt in diesem Zusammenhang sieben Merkmale von Wissen:
Reichhaltigkeit. Wissen liegt in der Regel in großer Fülle und Menge vor. Rekombinierbarkeit. Unterschiedliche Wissensbestände können zusammengeführt und rekombiniert werden. Gerade moderne Medien vereinfachen solche Vorgänge und bedingen die Rekombinationsfähigkeit sogar.
Sicherheit. Ein Mehr an Wissen muss nicht zwangsläufig eine größere Sicherheit oder Gewissheit bedeuten, sondern kann durchaus auch zu einem steigenden Grad an Unsicherheit führen.
Entwicklungsgeschwindigkeit. Es ist abhängig vom verwendeten Medium, welcher Entwicklungsgeschwindigkeit und -fähigkeit Inhalte unterliegen. Als Druckexemplare publizierte Bücher beispielsweise lassen sich langsamer editieren als online abrufbare Informationen.
Mediale Repräsentation. Diese kann durch die vielfältigen Formen medialer Darstellungsmöglichkeiten erfolgen, z. B. als Text, Bild, Ton usw.
Veränderbarkeit. Wissen ist nicht statisch, sondern wird u. a. auch durch Feedbackschleifen modifiziert und verändert. Insofern können sich auch Ursprungs- oder Originalquellen kontinuierlich verändern.
Strukturiertheit. Wissen ist immer auch verbunden mit den Räumen und Strukturen, in denen es verwendet wird. Strukturen und Räume können sich dabei bedingen.
[...]
1 Ausführungen zum beruflichen Selbstverständnis und Handlungsorientierungen von Spitalsärztinnen und niedergelassenen Medizinerinnen finden sich u. a. bei Reimann (2013).
2 Siehe dazu § 1 Abs. 2 der Verordnung der Österreichischen Ärztekammer, die sich auf § 49 Abs. 1 des österreichischen Ärztinnengesetzes stützt: »Ärzte haben [...] sich laufend im Rahmen anerkannter Fortbildungsprogramme der Ärztekammern in den Bundesländern [...] fortzubilden. (3) Das Diplom-Fortbildungs-Programm der Österreichischen Ärztekammer (DFP) ist österreichweit einheitlich gestaltet und umschreibt den Umfang der Fortbildung für alle Ärzte und Ärztegruppen.« (Österreichische Ärztekammer, 2015a).
3 Siehe beispielsweise die Fachdatenbank PubMed (http://www.pubmed.gov), MedPilot (https://www.medpilot.de) sowie das Portal Free Medical Journals (http://www.freemedicaljournals.com).
4 Siemens publizierte erstmals im Jahr 2004 einen Aufsatz über die grundlegenden Ideen des Konnektivismus.
5 Turnusärztinnen sind Medizinerinnen, die gerade ihre Ausbildung zur Fachärztin absolvieren. Seit Beginn des Jahres 2015 gelten geänderte Ausbildungsbedingungen für diese Ärztinnengruppe. Statt einer dreijährigen Ausbildung im Spital absolvieren die Turnusärztinnen zunächst eine neunmonatige Turnuszeit; je nach gewählter Fachrichtung erfolgt anschließend die Spezialisierung zur Fachärztin (Prior, 2014; Egyed, 2013).
6 Medizinprodukteunternehmen stellen Produkte her wie Stethoskope, Spatel, Kanülen, Röntgengeräte, Kontaktlinsen oder Gefäßtransplantate. Dies umfasst »Instrumente, Vorrichtungen, Stoffe, Software etc. [...] die zur Erkennung, Behandlung und Verhütung von Krankheiten, Verletzungen, Behinderungen oder zur Untersuchung, Ersetzung oder Veränderung des anatomischen Aufbaus oder eines physiologischen Vorgangs dienen und die - im Gegensatz zu Arzeinmitteln - ihre Hauptwirkung nicht auf pharmakologischem, immunologischem oder metabolischem Wege hervorbringen.« (Woerz, Perleth, Schöffski & Schwartz, 2002).
7 Vor allem durch §§ 49 Abs. 1 sowie § 117b (Österreichische Ärztekammer, 2015a).
8 Siehe online unter http://arztakademie.at.
9 Das Portal ist online abrufbar unter http://www.meindfp.at.
10 Siehe beispielhaft den Weiterbildungsbereich auf der Website der Oberösterreichischen Ärztekammer (http://www.aekooe.at/fortbildungen), der Niederösterreichischen Ärztekammer (https://cms.arztnoe.at/cms/ziel/242345/DE/) und das Fortbildungsportal der Ärztekammer Steiermark (https://www.med.or.at/).
11 Praktisch jedes Fachgebiet wird in Österreich durch eine entsprechende medizinische Fachgesellschaft vertreten. Aufgrund der großen Anzahl von Gesellschaften sollen hier nur bespielhaft einige Fachgesellschaften genannt werden, unter anderem die Österreichische Gesellschaft für Onkologie (http://www.oego.or.at/), die Österreichische Gesellschaft für Innere Medizin (http://www.oegim.at/), die Österreichische Gesellschaft für Hämotologie und Medizinische Onkologie (http://www.oegho.at/) oder die Österreichische Gesellschaft für Orthopädie und orthopädische Chirurgie (http://www.orthopaedics.or.at/).
12 Das Angebot der Oberösterreichischen Ärztekammer nennt sich MedAk (http://www.medak.at). Auch in der Steiermark gibt es ein solches Fortbildungsportal (https://www.med.or.at/).
13 Verena Gottwald, Marlene Hess, Heike Kettl, Bianca Kraxner, Irene Mayr, Yuliia Shys- hatska sowie die Autorin.
14 »Personas dienen v. a. dazu, Anforderungen festzulegen, die ein Kreis an Nutzer/in- nen an eine spezifische (Computer)-Anwendung stellen könnte. Es werden fiktive Figuren erschaffen, die als Stellvertreter/innen für den tatsächlichen Kreis von Nutzerinnen und Nutzern fungieren.« (Hess et al., 2014, S. 29).
15 Zum Angebot von Roche Diagnostics gehören u. a. die Roche Diagnostics University (https://usdiagnostics.roche.com/en/education/overview.html) sowie das Roche Lerncenter (https://www.roche.de/diagnostics/lerncenter/).
16 Das Konzept der Wissensgesellschaft wurde bereits in den 1960er Jahre vorgeschlagen und tauchte verstärkt in politischen und gesellschaftlichen Debatten der 1990er Jahre wieder auf. Der Begriff weist auf die Bedeutung moderner Informationstechnologien hin sowie die steigende Bedeutung des Wissens als maßgebliche Ursache wirtschaftlichen Wachstums. Ebenso verknüpft mit dem Begriff ist die steigende Bedeutung wissensbasierter Industri- en, welche wiederum vermehrt sog. Wissensarbeiterinnen im Sinne hochqualifizierter Mitarbeiterinnen benötigen (Heidenreich, 2003, 25f). Zur kritischen Betrachtung des Begriffs sieheKübler (2009).
17 Die genannten Lerntheorien nehmen grundsätzlich die Lernprozesse von Kindern und Jugendlichen ebenso in den Blick wie die von Erwachsenen. Einige Autorinnen weisen auf die unterschiedlichen lernpädagogischen Anforderungen hin, die mit den verschiedenen Lebensaltern einher gehen (vgl. z. B. Wolf, 2014).
18 Neurobiologische Überlegungen zu humanen Lernprozessen sind nicht primär einfach die Perspektive einer anderen Fachdisziplin, sondern bilden durchaus auch die Grundlage für sozialwissenschaftliche Überlegungen zu Lerntheorien (vgl. Konrad, 2014, 13ff).
19 Konrad (2014, S. 15) weist darauf hin, dass der Begriff Kognition uneinheitlich verwendet wird. Oft bezieht dieser sich auf die Informationsverarbeitung des Menschen; in der Psychologie werden damit mentale Prozesse und Strukturen von Individuen bezeichnet. Kognitivistische Lerntheorien fokussieren v. a. auf die humane Informationsverarbeitung.
20 Weiterführende kognitive Theorien beschäftigen sich auch mit dem Kontext der Situationen, in denen Wissen produziert wird. So beschäftigen sich sozial-kognitive Theorien auf den Erwerb, die Speicherung und Weiterleitung von Informationen mit der Absicht, Wissen in einer Gruppe zu produzieren (vgl. Konrad, 2014, S. 59).
21 Prozedurales Wissen bezeichnet Wissen darüber, wie mittels eines Prozesses ein bestimmtes Ergebnis erreicht werden kann. Diese Art von Wissen ist dynamisch und lässt sich in Teilziele zergliedern, die erreicht werden müssen, um das übergeordnete Ziel zu erreichen (Baumgartner & Payr, 1994, S. 110).
22 Nach Konrad (2014, S. 61) zählt Piagets konstruktivistischer Ansatz sowie die darauf aufbauenden Arbeiten seiner Nachfolgerinnen zu den einflussreichsten theoretischen Positionen zur gemeinsamen Wissenskonstruktion. »Piaget [...] versteht unter Konstruktion einen Prozess, in dem das Individuum seine Erfahrungen reflektiert und organisiert, um einerseits seine Umwelt zu strukturieren und sich andererseits an diese Umwelt anzupassen.« (Konrad, 2014, S. 62). Siehe auch die Arbeiten Vygotskys (1978; 1986) und Deweys (1930; 1998).
23 Im gesellschaftlichen Diskurs werden behavioristische Lernansätze v. a. durch den Begriff des Frontalunterrichts verhandelt. Dabei lässt sich eine zunehmende Ablehnung des Frontalunterrichts beobachten, konterkariert durch Stimmen, die frontale Unterrichtsformen sogar als effizienter beschreiben. Siehe bespielhaft Artikel der österreichischen Tageszeitung Der Standard über die Forderung nach einer modularen Oberstufe (http://derstandard.at/1360161027440/Schuelervertreter- fordern-Modulare-Oberstufe-und-Aus-fuer-Frontalunterricht), ein Plädoyer für erlebnisorientiertes Lernen (http://derstandard.at/1397522238555/Erleben- statt-Frontalunterricht), eine Kampfansage gegen den Frontalunterricht (http://derstandard.at/1256744182349/Kampf-dem-Frontalunterricht) und einen Artikel über digitale Klassenzimmer (http://derstandard.at/1276043622885/Das-digitale- Klassenzimmer-Netbooks-statt-Frontalunterricht) sowie einen Artikel der deutschen Tageszeitung Frankfurter Allgemeine Zeitung über die Vorteile des Frontalunterrichts (http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/bildungswesen-frontalunterricht-macht-klug- 11994686.html).
24 IKT ist die Abkürzung für Informations- und Kommunikationstechnologien.
25 Siemens (2006, 61ff) bezeichnet soziale Kontexte und damit verbundenes soziales Aushandeln von Situationen als »context-game«. Der Kontext und insofern auch der Aushandlungserfolg nehmen großen Einfluss auf die individuelle Informationsverarbeitung und den Lernprozess.
26 Nach Scheuch (1993, 103ff) beginnt eine dezidierte Beschäftigung mit Netzwerken bei Lazarsfeld, der sich mit quantifizierender Netzwerkanalyse beschäftigte. Dabei ging es zentral nicht nur um die Beziehungen der einzelnen Netzwerkknoten, sondern auch um den Einfluss der Verbindungen. Die quantitative Netzwerkanalyse unterscheidet u. a. die Dichte und Stärke von Netzwerken und den Verbindungen zwischen den einzelnen Netzwerkknoten. Auch bei Durkheim und Simmel finden sich netzwerktheoretische Überlegungen. Castells spricht sogar von einer Netzwerkgesellschaft, in welcher wir heute leben (Renz, 2007, 15ff).
27 Nach Renz (2007, 19ff) können Netzwerke unterschiedliche Merkmale haben: Dichte, Abgrenzung, Reichweite, Ausschließbarkeit, soziale Kontrolle und Bindungsstärke. Entlang dieser Achsen kann sich auch der Grad der Verbindlichkeit innerhalb von Netzwerken entfalten.
- Quote paper
- Sabine Stoll (Author), 2015, Medizinische Weiterbildung als vernetzte Praxis. Eine Betrachtung ärztlicher Lernprozesse aus konnektivistischer Perspektive, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1189830
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