Das globale Konfliktgeschehen hat sich mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges und besonders nach dem Ende des Kalten Krieges grundlegend gewandelt. Besonders das als "Neue Kriege" beschriebene Phänomen hat sämtliche bisherige Kriegsformen häufig abgelöst. In Afrika südlich der Sahara tritt diese Form am deutlichsten auf. Ein wesentlicher Bestandteil und Problematik der Neuen Kriege ist die Perpetuierung der Gewalt. Ermöglicht wird dies primär durch eine nicht versiegende Finanzierungsquelle, die Konflikt als ökonomischen Selbstzweck ermöglicht. Die Finanzierung durch die Aneignung und den Verkauf von natürlichen Ressourcen kommt dabei eine Schlüsselfunktion zu, weil seltene Bodenschätze exorbitante Erträge auf dem Markt bringen können und das teure Unterfangen einer Kriegsführung finanzierbar wird.
In dieser Arbeit geht zunächst darum den aktuellen Forschungsstand dieser so genannten "Ressourcenkonflikte" zu erfassen. Dabei wird zu Beginn zunächst einheitliche Arbeitsdefinitionen abgegrenzt. Anschliessend wird aufgezeigt, inwiefern und ob natürliche Ressourcen einen Einfluss auf Gewaltkonflikte haben. Im vierten Kapitel soll sich der Frage zugewandt werden, ob der Mangel oder Überfluss an natürlichen Ressourcen für Konflikte verantwortlich sind. Bisher bestehen beide Erklärungsansätze noch weitestgehend parallel zueinander. Es wird empirisch deutlich, dass der Überfluss die primäre Triebfeder sind, aber der Knappheitsfaktor darin aufgehen kann. Im darauf folgenden Kapitel wird beschrieben, wie natürliche Ressourcen konkret auf Konflikte einwirken. Es zeigt sich jedoch, dass Regionen mit vielen natürlichen Ressourcen nicht zwangsläufig konfliktanfälliger sind. Somit scheinen andere Rahmenbedingungen eine Rolle in diesem Mechanismus zu spielen. Entsprechendes wird im sechsten Kapitel erörtert und möglichst präzise herausgearbeitet. In einem abschliessenden einfachen empirischen Vergleich soll im Sinne des MSCD zwei möglichst ähnliche Fälle herangezogen werden, die jeweils über wertvolle natürliche Ressourcen verfügen, aber das Ergebnis bzgl. der Konfliktanfälligkeit gegensätzlich ausfällt. Der Unterschied sollte nun in den Kontextfaktoren liegen.
Ziel dieser Arbeit war es, neben dem systematisieren des Forschungsstandes, der Bedeutung der Kontextfaktoren in den Vordergrund zu stellen. Es ist jedoch nur als verfolgenswerter Ansatz zu betrachten, weil die Fallauswahl sehr extrem ist und die Operationalisierung auf einem eher einfachen Level stattfand.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Begriffsdefinitionen
2.1. Natürliche Ressourcen
2.2. Gewaltsamer innerstaatlicher Konflikt und Bürgerkrieg
2.3. Ressourcenkonflikt
3. Der Einfluss natürlicher Ressourcen auf gewaltsame Konflikte
3.1. Ökonomischer Ansatz nach Collier und Hoeffler
3.1.1. Allgemein
3.1.2. Empirie
3.1.3. Ergebnis
3.1.4. Vorteile der Modelle
3.1.5. Nachteile der Modelle
3.2. Natürliche Ressourcen und gewaltsamer Konflikt
4. Mangel oder Überfluss?
4.1. Einleitung
4.2. Konfliktfaktor: Ressourcenknappheit
4.2.1. Der neo-malthusianische Ansatz
4.2.2. SonderfallWasserkonflikte?
4.2.3. Alternative Ansätze
4.3. Konfliktfaktor: Ressourcenüberfluss
4.3.1. Einleitung
4.3.2. Risikofaktoren aus Ressourcenüberfluss
4.3.3. Fazit: Ressourcenüberfluss - ein Fluch?
4.4. Zwischenergebnis
5. Rolle von natürlichen Ressourcen im gewaltsamen Konflikt
5.1. Einleitung
5.2. Rebellenfinanzierung
5.2.1. Eigener Abbau und Direktvermarktung
5.2.2. Entführungen und Erpressungen
5.2.3. Verkauf zukünftiger Abbaurechte
5.3. Konfliktdimensionen
5.3.1. Konfliktausbruch
5.3.2. Konfliktdauer
5.3.3. Konfliktintensität
5.3.4. Konflikttyp
6. Konfliktbegünstigende Kontextfaktoren
6.1. Erklärungsbedürftige Ausnahmen
6.2. Die entscheidende Rolle der Kontextbedingungen
6.2.1. Ressourcenspezifische Eigenschaften und Bedingungen
6.2.2. Endogene Kontextbedingungen
6.2.3. Exogene Kontextbedingungen
6.3. Zwischenfazit
7. Empirischer Vergleich
7.1. Vorüberlegungen
7.2. Fallauswahl
7.2.1. Warum Afrika südlich der Sahara?
7.2.2. DR Kongo: Ressourcenüberfluss und Konflikt
7.2.3. Botsuana: Ressourcenüberfluss und kein Konflikt
7.3. Ressourcenspezifische Bedingungen
7.3.1. Technischer Zugang
7.3.2. Illegalität und Anonymität
7.3.3. Blockierbarkeit
7.4. Vergleich der Kontextfaktoren
7.4.1. Geschichte
7.4.2. Institutionengefüge
7.4.3. Armut
7.4.4. Geographie
7.4.5. Weltwirtschaft
7.4.6. Fremdintervention
7.5. Ergebnis der Fallstudie
8. Fazit
Literaturverzeichnis
Anhang
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1 Inner- und Zwischenstaatliche Konflikte hoher Intensität (1945-2007)
Abb. 2 Gewaltsame Konflikte (1945-2007)
Abb. 3 Ressourcentypen nach Abhängigkeitsverhältnis
Abb. 4 Geschätztes Einkommen aus Konfliktressourcen (Auswahl)
Abb. 5 Auswirkung von Ressourceneigenschaften auf den Konflikttyp
Abb. 6 Plünderbarkeit und separatistischer Konflikt
Abb. 7 Profiteure aus natürlichen Ressourcen
Abb. 8 Entwicklung der Kapitalrücklagen Botsuanas
Abb. 9 Pro-Kopf-Einkommen der DR Kongo
Abb. 10 Pro-Kopf-Einkommen Botsuanas
Abb. 11 Coltanpreisentwicklung (1995-2004)
Abb. 12 Rohstoffexporte Ruandas (1995-2000)
Abb. 13 Rohstoffexporte Ugandas (1994-2000)
Abb. 14 Zusammenfassung der Kontextbedingungen
Abb. 15 Ressourcenkonflikte in Afrika
Abb. 16 Kindersterblichkeitsrate je 1000 Kinder 2005
Abb. 17 Trinkswasserversorgung 2006
Abb. 18 Ressourcenverteilung und Rebellengebiete in der DR Kongo
Abb. 19 Verbreitung von AIDS unter Erwachsenen
Abb. 20 Ressourcenvorkommen in Afrika (Auswahl)
Abb. 21 Hochgewaltsame Konflikte 2007
Abb. 22 HDI 2007
Abb. 23 Pro-Kopf-Einkommen basierend auf Kaufkraftparität je Region
Abb. 24 Bevölkerungsentwicklung in der DR Kongo und Bots. (1996-2008)
Abb. 25 Freedom House Index für die DR Kongo und Bots. (1972-2007)
Abb. 26 Entwicklung des Weltmarktpreises für Mineralien, Erze und Metalle
Abb. 27 Entwicklung des Weltmarktpreises für Agrarrohstoffe
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
Das globale Konfliktgeschehen unterliegt einem stetigen Wandel. So haben die heutigen Kriege nur noch wenig gemein mit den Kriegen im clausewitzschen Sinne. Der zwischenstaatliche Konflikt als dominante Form[1] des gewaltsamen Konfliktaustrags wurde nach dem Zweiten Weltkrieg durch innerstaatliche Kriege abgelöst und spielt heute statistisch gesehen kaum noch eine Rolle (s. Abb. 1).
Abb. 1: Inner- und zwischenstaatliche Konflikte hoher Intensität (1945-2007)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: HIIK (2007): 3.
Die Anzahl der innerstaatlichen Konflikte verzehnfachte sich bis zum Ende des Kalten Krieges. Eine Erklärung liegt darin, dass die direkte gewaltsame Konfrontation zwischen den Supermächten vermieden und statt dessen auf Nebenkriegsschauplätzen in zermür- benden Stellvertreterkriegen ausgetragen wurde.[2] Nach dem Ende des Kalten Krieges wurde daher ein signifikanter und dauerhafter Rückgang der Konfliktanzahl erwartet, was jedoch nicht der Fall war (s. Abb. 1). Zudem waren die frühen 90er Jahre geprägt von den Völkermorden in Ex-Jugoslawien, dem Genozid in Ruanda und dem in anarchischer Ge- walt und Elend versinkenden Somalia. Die internationale Gemeinschaft versucht beson- ders seit Mitte der 1990er Jahre durch ‚humanitäre Interventionen in besonders prekären Konflikten zu deren Deeskalation und zum Schutz der Menschenrechte beizutragen - in vielen Fällen jedoch erfolglos. Edward N. Luttwak setzte diesem ‚Interventionismus entgegen, dass man Kriege ihren "natürlichen Gang"[3] gehen lassen sollte, bis entweder eine Seite überlegen gewinnt oder beide Seiten erschöpft sind und somit der Krieg "ausgebrannt"[4] (oder vielmehr ausgeblutet) ist. Doch diese Annahme hat sich als falsch erwiesen, weil viele der heutigen Kriege kein Ende mehr finden. In verschiedenen Konflikten scheint die Gewalt für bestimmte Gruppen profitabler geworden zu sein als der Frieden. Diese „low intensity conflicts“[5] mit nur sporadischen Gewalteruptionen prägen das heutige Konfliktgeschehen (s. Abb. 2).[6] Für viele Beobachter „ist die Gewalt zu einem blindwütigen, irrationalen und unerklärbaren Phänomen geworden und stellt eine diffuse, vielgestaltige, aber letztlich doch eindeutige Bedrohung dar.“[7]
Abb. 2: Gewaltsame Konflikte (1945-2007)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: HIIK (2007): 3, modifiziert.
Ende der 1990er Jahre hat Mary Kaldor das Konzept der ‚Neuen Kriege eingeführt,[8] welches die neuen Dimensionen des Konfliktaustrags von den bisher bekannten Formen abzugrenzen versuchte.[9] Auch wenn sich der Ansatz der ‚Neuen Kriege in der Literatur nicht selten in anekdotischer Evidenz erschöpft, haben neuere Untersuchungen[10] diesen grundsätzlichen Gestaltwandel des Gewaltkonflikts seit dem Ende des Kalten Krieges empirisch belegt und sprechen ihm „erhebliche Plausibilität“[11] zu.
Auch wenn die Gewalt in diesen ‚Neuen Kriegen oft irrational erscheint, so spielen doch immer wieder ökonomische Interessen mit hinein, wodurch zugleich auch der Begriff der ‚Bürgerkriegsökonomien geprägt wurde. Georg Elwert[12] beschreibt dieses Phänomen an- hand afrikanischer Gesellschaften. So haben sich aufgrund des kolonialen Hintergrunds und schwacher Staatlichkeit „gewaltoffene Räume“[13] gebildet, in denen sich eigene marktwirtschaftliche Strukturen etabliert haben. Dabei prägte sich eine deregulierte und radikal freie Marktwirtschaft aus, deren Akteure von Handel bis Raub prinzipiell alle Optio- nen wahrnehmen können. In diesen Gewaltmärkten gehen die privaten Akteure, hinter ei- nem Schleier aus ethnischer, kultureller und religiöser Abgrenzung,[14] ihren wirtschaftlichen Interessen nach. Diese Gewaltmärkte tendieren zu einer Selbststabilisierung, die sich in Form der oben genannten Konflikte mit sporadischer Gewalt niederschlägt.
Jedoch fand die Betrachtung der Konfliktursachen nach dem Kalten Krieg bei den Öko- nomen zunächst nicht statt. Die Pionierarbeit in der Ökonomie der Bürgerkriege leisteten vor allem Politikwissenschaftler, Anthropologen, Historiker und Mitarbeiter internationaler Hilfsorganisationen, wie der Sammelband „Ökonomie der Bürgerkriege“[15] veranschaulicht. Jedoch wurde auch hier den ökonomischen Faktoren eine untergeordnete Rolle zugesprochen.[16] Eine erste bedeutsame ökonomische Analyse wurde von der Studien- gruppe der Weltbank um Paul Collier vorgelegt.[17] Die Ergebnisse waren - trotz vielfältiger Kritik - bahnbrechend für die quantitative Konfliktforschung. Für das Verständnis der heuti- gen Bürgerkriege, so die Autoren, seien politische und kulturelle Variablen gegenüber ö- konomischen Faktoren sekundär.
Eine ökonomische Betrachtung scheint einen plausiblen Erklärungsansatz für viele heuti- ge Konflikte zu geben. In den meist rebellen-zentrierten Ansätzen wurden die Motivationen der Rebellen untersucht. Dieser Weg eröffnet die Chance, die Rolle von natürlichen Res- sourcen in den heutigen Konflikten zu erklären, was die identitäts-basierenden Ansätze kaum vermochten. Diese enge Beziehung zwischen natürlichen Ressourcen und gewalt- samen Konflikten wird in der aktuellen Literatur kaum mehr in Frage gestellt. Problem- atisch ist jedoch, dass sich die Aussage, natürliche Ressourcen führen zu gewaltsamen Konflikten, nicht generalisieren lässt. Zu den offensichtlichsten Ausnahmefällen von die- sem Ressourcen-Konflikt-Nexus gehört beispielsweise Norwegen, welches über enorme Erdölvorkommen verfügt. In diesem Land scheint ein gewaltsamer innerstaatlicher Konflikt undenkbar und es führte darüber hinaus 2001-2006 die Liste der am weitesten entwickel- ten Länder[18] an.
Schwerer fallen Erklärungen, wenn der Blick auf Afrika südlich der Sahara gelenkt wird. Diese Gegend eignet sich gut für eine Untersuchung, da es keine Region gibt, in der sich natürliche Ressourcen als Konfliktgegenstand und gewaltsamer Konflikt so häufig über- lappen und zahlenmäßig so häufig auftreten.[19] Auch in dieser Region gibt es Länder, die aus dem stereotypischen Muster herausfallen und positive Ausnahmen bilden, die erklär- bar sein müssen. Wenn es sich dabei nicht einfach um ‚Glücksfälle handeln soll, müssen bestimmte Kontextbedingungen dafür verantwortlich sein, dass im einen Fall im Zusam- menhang mit natürliche Ressourcen ein Konflikt auftritt und im anderen nicht. In dieser Ar- beit soll versucht werden, aus der aktuellen Literatur jene Faktoren zu extrahieren, die wichtige Bedingungen in dem Ressourcen-Konflikt-Nexus darstellen. Diese Kontextbedin- gungen sollten ferner nicht nur in Afrika südlich der Sahara, sondern auch für andere Re- gionen zutreffen - wobei im Rahmen dieser knappen Arbeit eine umfassende Untersu- chung nicht geleistet werden kann. Die aus diesen Grundgedanken hervorgehende These, die dieser Arbeit zugrunde liegt und worauf eine Antwort gefunden werden soll, lässt sich folgendermassen zusammenfassen:
Ein Reichtum an natürlichen Ressourcen in einem Land scheint einen Risikofaktor darzustellen, verursacht aber allein noch keinen gewaltsamen Konflikt. Erst unter verschiedenen bestimmten Kontextbedingungen werden Ressourcen zu einem ‚Fluch , der Gewaltkonflikte ermöglicht oder mitverursacht.
Nachdem zu Beginn dieses Kapitels überblicksartig aufgezeigt wurde, welche Brisanz den heutigen innerstaatlichen Gewaltkonflikten innewohnt, wird in den folgenden Kapiteln die Bedeutung von natürlichen Ressourcen in diesem Phänomen theoretisch geklärt. Res- sourcenkonflikte sind teilweise zu einem Sammelbegriff verkommen, der vom Diamanten- krieg in Sierra Leone bis zum derzeitigen Irakkrieg alle Konflikte erfasst, die etwas mit na- türlichen Ressourcen zu tun haben könnten. Deshalb ist ein Überblick über den aktuellen Forschungsstands zu diesem Thema unerlässlich und wird einen wichtigen Teil dieser Ar- beit einnehmen. Vorausgehend sind einige grundlegende Begriffe zu klären, was im nächsten Kapitel vorgenommen wird. Im dritten Kapitel wird zunächst geklärt, ob und in welcher Beziehung natürliche Ressourcen zum Phänomen Bürgerkrieg stehen. Es geht hier um die deutliche empirische Korrelation aus einer rebellenzentrierten Sichtweise als Ausgangspunkt für einen Bürgerkrieg. Die ökonomischen Erklärungsansätze werden hier die Grundlage bilden, weil sie eine plausible Darlegung dieses Phänomens geben können. Als Vorreiter in diesem Zusammenhang der ökonomischen Ansätze werden Paul Collier und Anke Hoeffler dominierend sein. Obwohl die ökonomischen Erklärungsansätze fast nur Ressourcenkonflikte aufgrund von Ressourcenrenten erklären können und somit von einem Überfluss ausgehen, ist die öffentliche Diskussion von der Gefahr aufgrund der Knappheit von natürlichen Ressourcen als Überlebensgrundlage geprägt. Im Zuge von knapper werdenden Ressourcen und den damit einhergehenden Preissteigerungen einer- seits und humanitärer Katastrophen andererseits, haben die Ressourcenkonflikte aus Ressourcenmangel Hochkonjunktur. Es zeigt sich, dass es sich hier zunächst um zwei grundlegend verschiedene Typen von Ressourcenkonflikten handelt. Im vierten Kapitel wird somit zu klären sein, was sich hinter diesen beiden Typen verbirgt und welche prakti- sche und theoretische Relevanz von ihnen ausgeht. Diese Festlegung auf einen Typus ist eine wichtige Basis der folgenden Arbeit. Im fünften Kapitel wird die Frage analysiert, wel- che Rolle natürliche Ressourcen konkret im gewaltsamen Konflikt spielen. Dabei wird es darum gehen, warum und wie natürliche Ressourcen als Rebellenfinanzierung eine he- rausragende und konfliktentscheidende Funktion haben. Zudem wird aufgezeigt, welche Wechselwirkungen von natürlichen Ressourcen auf die Konfliktdimensionen des Aus- bruchs, der Dauer, der Intensität und den Typen von Konflikten ausgehen. Hier geht es insgesamt um die Mechanismen im bzw. zum Ressourcenkonflikt. Im sechsten Kapitel wird nun aus den Erfahrungen und Untersuchungen der Literatur die Kontextbedingungen herausgearbeitet, die wahrscheinlich einen Konflikt begünstigen und entscheidend dafür sind, ob ein Ressourcenkonflikt tatsächlich ausbricht. Ein empirischer Vergleich im letzten Kapitel des Hauptteils wird anhand zweier unterschiedlicher Fallbeispiele versuchen auf- zuzeigen, dass die Kontextbedingungen die ausschlaggebenden Faktoren für einen Res- sourcenkonflikt, bzw. dessen Abwendung sind.
2. Begriffsdefinitionen
Einige Begriffe im Rahmen des Konzeptes der Ressourcenkonflikte werden häufig inflationär verwendet und bedürfen somit zunächst einer Definition und Abgrenzung.
2.1. Natürliche Ressourcen
Wie der Begriff ‚Ressourcenkonflikt bereits andeutet, nehmen Ressourcen eine besonde- re Stellung dabei ein. Ressourcen werden allgemein als Hilfsmittel gesehen, ein bestimm- tes Ziel zu erreichen - in der Wirtschaft meist um Wachstum und Entwicklung zu generie- ren. Neben viele Arten von Ressourcen geht es im Konzept der Ressourcenkonflikte ins- besondere um natürliche Ressourcen[20]. Im betriebswirtschaftlichen Sinne sind dies Aus- gangsmaterialien, die im Fertigungsprozess in die Zwischen- und/oder Endprodukte ein- gehen oder als Hilfsstoffe verbraucht werden. ‚Natürlich sind sie deshalb, weil sie natürli- chen Ursprungs sind oder - anders ausgedrückt - ein „Geschenk der Natur“[21]. Hierin liegt auch eine weitere, für die Arbeit relevante, Eigenschaft von natürlichen Ressourcen. Als Geschenk stellen sie per se einen Gewinn dar, grundsätzlich ohne Beitrag in Form von Ar- beit. Die natürliche Ressource muss lediglich gefördert werden und bildet bereits in roher Form einen ökonomischen Wert. Dieser Wert hängt allerdings von gesellschaftlichen und ökonomischen Gegebenheiten ab. So bildet das seltene Metall Coltan in unserer Gesell- schaft einen wertvollen Rohstoff als Grundlage für viele Formen von Mikroelektronik. In Gesellschaften mit weniger entwickelter Elektroindustrie ist das Interesse an diesem Metall oft nicht vorhanden und hat damit keinen ökonomischen Wert - abgesehen von einer aus- ländischen Vermarktung.
In Ressourcenkonflikten sind die natürlichen Ressourcen per se nicht entscheidend, son- dern die damit verbundenen Charakteristika, die den ökonomischen Wert aufgrund der Knappheit wesentlich mitbestimmen. Die gängigste Unterteilung erfolgt in erneuerbare und nicht-erneuerbare Ressourcen. Erstere sind Ressourcen, die in einem ständigen Fluss der Erneuerung und des Nachwachsens sind, sofern sie nicht übermässig ausgebeutet wer- den. Dazu zählen Fische, Tropenhölzer, Kaffee, Kakao und ähnliches. Sie sind prinzipiell zeitlich unbegrenzt verfügbar. Zu den nicht-erneuerbaren natürlichen Ressourcen zählen solche, die sich zwar im Laufe der Erdgeschichte natürlich gebildet haben und teilweise neu bilden könnten, jedoch nicht in menschheitsgeschichtlich relevanten Zeithorizonten. Hierbei handelt es sich fast ausschließlich um Bodenschätze, wie seltene Metalle oder Mi- neralien. Doch diese Kategorisierung ist bei der Betrachtung von gewaltsamen Konflikten ungeeignet, da sie nichts über das Konfliktpotential aussagt. Ressourcenkonflikte sind nicht nur auf nicht-erneuerbare Ressourcen beschränkt. Auch erneuerbare Ressourcen
Abb. 3: Ressourcentypen nach Abhängigkeitsverhältnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Basedau/Mehler 2003: 43, modifiziert.
können die Wahrscheinlichkeit von gewaltsamen Konflikten erhöhen,[22] wie sich im Laufe dieser Arbeit noch zeigen wird. Somit scheint eine Unterteilung der Ressourcen nach deren Abhängigkeitsverhältnis[23] wesentlich geeigneter (s. Abb. 3).
2.2. Gewaltsamer innerstaatlicher Konflikt und Bürgerkrieg
Für die Definition gewaltsamer Konflikte greifen die meisten Studien auf die quantitative Definition des CoW-Projekts[24] zurück.[25] Teilweise finden noch mehr oder minder große Modifikationen[26] statt, aber insgesamt gibt es bei der Verwendung der Definition erstaun- lich wenig Pluralismus.[27] Der Charme dieses Ansatzes ist zweifellos die Einfachheit und die quantitative Verifizierbarkeit. Allerdings steht allein das entscheidende Element des Schwellenwertes von 1000 Kriegstoten berechtigterweise häufig in der Kritik. Besonders bei den heutigen Bürgerkriegen sind diese Opferzahlen nur schwer nachweisbar. In den zahlreichen Konflikten sporadischer Gewalthandlungen[28] kommt es zu vielen, meist zivilen Opfern aus indirekter Konfliktfolge, die im Zweifelsfall nicht adäquat erfasst werden können. Eine realistischere Abbildung der Wirklichkeit dürfte mit einer qualitativen Definition wie die des HIIK[29] gewonnen werden.
Auch der meist verwendete Begriff ‚Bürgerkrieg ist sehr unscharf. Er geht im allgemeinen von einer groß angelegten militärischen Auseinandersetzung von Rebellen gegen die ei- gene nationale Regierung aus. Doch wie bereits oben angedeutet, finden die meisten Konflikte - besonders in Afrika südlich der Sahara - in einem Umfeld von zerfallenen oder gescheiterten Staaten ohne durchsetzungsfähige Zentralmacht statt.[30] Im heutigen Soma- lia, der DR Kongo oder in Afghanistan kann schwerlich von einem materialen staatlichen Gewaltmonopol die Rede sein. In diesem Kontext ist es fraglich, inwiefern das Rebellen- versus-Staat-Konzept überhaupt noch so vertreten werden sollte, wie es die meisten öko- nometrischen Studien zu Grundlage haben. Besonders in schwachen oder zerfallenen Staaten stehen sich häufig primär verschiedene Rebellengruppen feindlich gegenüber, nicht Rebellen und Staat. Eine solche Konstellation findet sich möglicherweise im Ost- Kongo, wo der Staatseinfluss de facto nicht vorhanden ist und die Rebellengruppen um Einflussbereiche mit einem umfassenden Gewalteinsatz kämpfen. Statt von Bürgerkrieg sollte somit von ‚gewaltsamen innerstaatlichen Konflikten gesprochen werden, um keine falschen Assoziationen zu erzeugen. Da in diesen länderübergreifenden Konfliktkomple- xen selbst die Staatsgrenzen fliessend sind, würde der Begriff ‚gewaltsame substaatliche Konflikte ‚ wahrscheinlich am besten das Problem umreißen. In der wissenschaftlichen Li- teratur - besonders in der englischsprachigen - ist jedoch der Begriff ‚Bürgerkrieg[31] domi- nant und wird daher aus pragmatischen Gründen in dieser Arbeit analog zu ‚gewaltsamer (innerstaatlicher) Konflikt verwendet. Dies ist auch darin begründet, dass die theoreti- schen und empirischen Ausführungen meist auf einer Modifikation der CoW-Definition ba- sieren.
2.3. Ressourcenkonflikt
Ressourcenkonflikte sind eine Subkategorie von Bürgerkriegen, als dessen Konfliktge- genstand natürliche Ressourcen gesehen werden. Der Begriff ist konzeptionell äußerst reduktionistisch und wirkt exklusiv.[32] Jedoch schliesst er nicht aus, dass andere Ursachen und Motive diesen Gegenstand überlagern.[33] Es liegt in der Natur der politischen Mobili- sierung, dass ökonomische Motive eher überdeckt werden, um nicht den Verdacht von Gier und Machtstreben zu nähren. So wurde von Journalisten jüngst aufgedeckt, wie der Rebellenführer der RCD-Goma in der DR Kongo eine entscheidende Figur in der Ausbeu- tung der wertvollen Coltan-Vorkommen in der Region ist, obwohl er sich erbittert gegen die Unterstellung wehrte, dass seine Organisation irgendetwas mit der Ausbeutung zu tun habe.[34] In einem anderen Fall konstatiert ein liberianischer Kriegsherr in einem Bericht: „grundsätzlich ist Conneh[35] ein Geschäftsmann, nicht ein Soldat oder Politiker. […] Gelegentlich scheint er sich zu erinnern, dass er etwas politisch Relevantes sagen sollte und macht eine kurze spontane Rede über den Kampf für Demokratie und die Freiheit der liberianischen Menschen.“[36]
Solche investigativen Hintergrundberichte sind allerdings eher selten. In den meisten Fällen ist die Diskrepanz zwischen dem nach außen hin vertretenen und dem tatsächlichen Motiv der konfliktführenden Akteure kaum nachweisbar. Das exakte Verhältnis politischer und ökonomischer Motive ist nur schwer zu bestimmen; man kann sich diesem nur über verschiedene Indikatoren und der daraus ergebenden Plausibilität annähern.
3. Der Einfluss natürlicher Ressourcen auf gewaltsame Konflikte
3.1. Ökonomischer Ansatz nach Collier und Hoeffler
3.1.1. Allgemein
In vergangener Zeit wurde Krieg mehrheitlich als inhärente dysfunktionale Zerrüttung der ‚normalen sozialen, wirtschaftlichen und politischen Interaktionen hingenommen.[37] Be- sonders seit Ende der 90er Jahre wird der gewaltsame Konflikt dagegen als sehr wohl ra- tionales und funktionales Ereignis betrachtet.[38] Krieg wird in den ökonomischen Ansätzen, - in Anlehnung an Carl von Clausewitz - als „die Fortsetzung der Wirtschaft mit anderen Mitteln“ beschrieben.[39] Die konfliktunterstützenden Akteure führen nach diesem ökonomi- schen Kalkül den Krieg, weil sie in diesem Zustand mehr als im Friedenszustand zu ge- winnen glauben.
CH haben dieser Theorie 1998 in einer ersten Studie[40] erstmals ein empirisches Funda- ment gegeben. Ihr Interesse lag darin, diejenigen Zusammenhänge aufzudecken und em- pirisch zu belegen, die das Risiko eines Bürgerkrieges erhöhen. Abweichend von bisheri- gen Studien auf diesem Forschungsgebiet versuchten sie ökonomische Theorien und ö- konometrische Methoden anzuwenden, um in erster Linie die Auftrittswahrscheinlichkeit und die Dauer von Bürgerkriegen zu errechnen. Jedoch sollte die Studie sozialwissen- schaftliche Methoden nicht verdrängen, sondern ergänzen bzw. vervollständigen. Der poli- tikwissenschaftlichen, soziologischen und anthropologischen Forschung fehlte es bis da- hin an einer strengen Methodik, so CH, die es erlaube, über Einzelfälle hinaus verallge- meinerbare Aussagen zu treffen. Der Mehrwert auf Seiten der Sozialwissenschaften läge in der Absicherung von Fallstudien gegen Überinterpretation und Generalisierung einzel- ner Ergebnisse. Die moderne Ökonomie kann somit Einsichten geben, die über fallspezifi- sche Studien hinausgingen.
Somit zielen CH darauf ab, mit dieser Methodik aus den höchst unterschiedlichen Konfliktursachen und -verläufen generalisierbare Züge und Ergebnisse herauszuarbeiten. In einer zweiten großen Studie 2001[41] wurde die Analyse deutlich umfassender und sollte im Auftrag der Weltbank der internationalen Gemeinschaft konkrete Handlungsanweisungen an die Hand geben. Diese Ergebnisse werden hier nur zum Teil einfliessen, weil CH in neueren Studien[42] wesentliche Modifikationen vorgenommen haben, die die bisherigen Ergebnisse teilweise entkräften und den Schwerpunkt verlagern.
3.1.2. Empirie
Als Ausgangspunkt und wichtigstes Element von Bürgerkriegen sind die Akteure zu be- trachten, um die Ursachen zu analysieren und - vor allem - die Gründe von Auftreten und Bestehen von Rebellenarmeen zu klären. Dazu hat bereits Jack Hirshleifer[43] auf die drei wesentlichen Kategorien hingewiesen: Präferenzen, Möglichkeiten und Wahrnehmung. CH stellen jedoch heraus, dass Politikwissenschaftler in der Friedens- und Konfliktfor- schung meist nur die Präferenzen als auslösende Momente in Betracht ziehen. Somit wird eine Rebellion zwangsläufig als politischer Protest wahrgenommen. Auslöser sind dem- nach atypisch starkes Leid aufgrund von Ungleichheit oder Unterdrückung. Ökonomen können somit in der Empirie eine wesentliche Bereicherung der Forschung sein, da sie sich von Natur aus mehr auf die Möglichkeiten konzentrieren. Bisher gab es wenige Ana- lysen in diese Richtung.
Ein wichtiger Vertreter der Ökonomen, auf den sich CH stützen, ist Herschel I. Grossman.[44] Aus seiner Perspektive werden die Individuen, die im Bürgerkrieg aktiv betei- ligt sind, als rationale Akteure im Sinne des Rational-Choice-Ansatzes betrachtet. Die Re- bellen haben somit unbewusst eine mikroökonomische Kosten-Nutzen-Rechnung vor Au- gen. Die angestrebte Rebellion mit dem vorläufigen Ziel einer nationalen Regierungsüber- nahme oder Sezession ist damit eine rein rationale Option, die darauf basiert, dass der ei- gene erwartete Nutzen größer sein wird als die Kosten der Unternehmung.
Der Nutzen für die beteiligten Individuen hängt jedoch von der Fähigkeit der angenomme- nen künftigen Rebellenregierung ab und wie diese befähigt sein wird, ihre Anhänger zu entlohnen. An dieser Stelle kommt in dem ökonomischen Modell den natürlichen Ressour- cen eine Schlüsselposition zu. Die Entlohnung der Rebellen hängt CH zu Folge vor allem davon ab, wie groß der Umfang der besteuerbaren Ressourcen des bekämpften Staates sind. Allerdings werden diese Ressourcen gleichzeitig von der bestehenden Regierung dafür eingesetzt werden können, um die Rebellen zu bekämpfen. Somit steigt gleichzeitig mit einem möglichen höheren Gewinn das Risiko des Scheiterns der Rebellion.
Die Kosten der Rebellion für jeden einzelnen rationalen Akteur ergeben sich aus den Gewinnen, die sie ohne den Bürgerkrieg erzielt hätten, abzüglich der Verluste, die durch die Unterbrechung ihrer normalen wirtschaftlichen Aktivitäten verursacht wurden, den Opportunitätskosten. Die Dauer der Rebellion nimmt somit einen starken Einfluss auf die Kosten, da die Verluste permanent ansteigen.
Daraus folgend würde eine Rebellion ein unternehmerisches Vorhaben sein: Rebellen plündern, um Gewinne zu erzielen. Somit wäre eine Bürgerkriegssituation grundsätzlich nicht von Banditen oder Piraten unterscheidbar[45] - das dominante Motiv wäre Gier. Der rationale Akteur würde nach dem Machiavelli-Theorem von Hirshleifer[46] keine Möglichkeit auslassen, die gewinnversprechend ist. Nach dieser strengen Nutzenmaximierung bedarf es keinerlei politischer Motive - eine Rebellion wäre ein atypischer Umstand, der profitable Möglichkeiten erzeugt.
Diese Perspektive hat allerdings ein wesentliches, inhärentes Problem. Es geht hier immer um den erwarteten Gewinn, der viel mit der Wahrnehmung der komplexen Situation zu tun hat. Da ein Akteur nie über die vollständige Information verfügt, wird er sich immer irren können. Eine Rebellion könnte somit auch dann stattfinden, wenn eine Gewinnsituation überschätzt werden würde, was nicht selten der Fall ist.[47]
Für ihre empirische Analyse stützen sich CH auf die Bürgerkriegsdefinition des CoW-Pro- jekts, wodurch sie nutzbare quantitative Daten vorliegen haben, die anhand der Dimension ‚Gewaltanwendung anstelle von Zielen der Akteure oder Konfliktergebnis kategorisiert werden können. Letztere alternative Kategorisierungen seien primär auf Vermutung und scheinbarer Evidenz basierend, doch wissenschaftlich haltlos.[48] Eine Einordnung anhand der Gewaltintensität ermöglicht eine relativ gute Messbarkeit von Bürgerkriegen. Demnach definieren CH[49] einen Bürgerkrieg als einen innerstaatlichen Konflikt, in welchem ein Ak- teur die nationale Regierung darstellt, die gerade an der Macht ist. Zudem müssen die Konfliktparteien befähigt sein, auf der jeweils anderen Seite Opfer zu generieren. Um ein Mindestmaß an Gewalteinwirkung vorauszusetzen, müssen mindestens 1000 Todesopfer im Jahr zu beklagen sein, die in direkter Kampfeinwirkung starben. Darunter zählen dem- nach keine Opfer, die aufgrund kriegsbedingter Seuchen oder Hungersnöten ums Leben kamen, was neben militärischen Opfern auch die oft weit größeren zivilen mit einschließen würde. Von diesen Opfern müssen mindestens fünf Prozent von organisierten Rebellen getötet worden sein. Diese Hürde soll ausschließen, dass u.a. Genozide, Massaker oder Pogrome mit erfasst werden. CH verwenden für ihre aktuellste Analyse[50] einen erweiter- ten[51] CoW-Datensatz mit 208 Ländern über einen Zeitraum von 1965 bis 2004. Daraus resultieren 84 ausgebrochene Bürgerkriege.
Bis zu den Studien von CH haben Politikwissenschaftler primär Situationen atypischen Leides als Auslöser für Bürgerkriege herangezogen. Seitens der ökonomischen Betrach- tungsweise sind es dagegen Situationen atypischer Gier. Um zu erfassen, welcher Faktor entscheidender ist, versuchen CH nun, diese einzeln zu messen. Im Kern geht es um ei- nen Vergleich zwischen der durch Gier und finanziellen Möglichkeiten motivierten einer- seits und der von Leid in Form von ethnisch und religiösen Trennungen, politischer Re- pression oder sozio-ökonomischer Ungleichheit motivierten Rebellion andererseits.
3.1.2.1. Motivation (Gier)
Rebellen sind hier vor allem an der Gewinnmaximierung im Sinne des ‚homo oeconomi- cus interessiert, aber auch angewiesen. Besonders bei der Rebellenrekrutierung kommt dies deutlich zum Ausdruck. In einem unternehmerischen Denken werden die Anhänger einer Rebellengruppe als Arbeitnehmer betrachtet, die bezahlt werden wollen. Diese Ent- lohnung der Rebellenorganisation läuft meist über die Erpressung von Primärrohstoffex- porten, Spenden durch Diaspora oder die finanzielle Unterstützung von dritten Staaten ab. Diese Bezahlungen müssen in Relation zu den Opportunitätskosten der Einzelnen gese- hen werden und somit kleiner sein, als die zu erwartenden Gewinne. Die Rekrutierung ist stark an die Rahmenbedingungen des Arbeitsmarktes gekoppelt, vertreten durch Bildung, Bevölkerungs- und wirtschaftliches Wachstum. Als Vertreter wählen CH die wirtschaftliche Wachstumsrate pro Kopf und den Anteil junger Männer. Nicht zu unterschätzen ist darüber hinaus das Vorhandensein einer Anschubfinanzierung, die sie von unterstützenden dritten Staaten oder der Diaspora erhalten können. Hierbei spielt aber auch eine Rolle, inwiefern bereits in der Vergangenheit Rebellionen stattfanden. Diese möglicherweise noch bestehende Präsenz von akkumuliertem physischen, menschlichen und organisatorischen Kapital kann für eine Initialisierung genutzt werden. Hierdurch liegen oft bereits Waffen, Soldaten und Organisationsstrukturen vor. Die Initialkosten für eine Rebellion sind somit geringer und die Wahrscheinlichkeit einer erneuten Rebellion erhöht sich.
Rebellen im Sinne von CH sind von anderen kriminellen Gruppen in Umfang des potentiel- len Gewalteinsatzes zu unterscheiden. Bei kriminellen Gruppen geht es vor allem um die Erpressung des urbanen Kommerzes, während Rebellen auf die Produktion und den Transport von Primärrohstoffen abzielen, was vor allem peripher in den ländlichen Gegen- den stattfindet. Das ändert den Einsatz an Gewalt und Verteidigung grundlegend. Im städ- tischen Bereich werden z.B. Kommissare und Polizei eingesetzt, während bei Primärrohs- toffen meist zu groß angelegter Gewalt in Form von Militär gegriffen wird. Somit brauchen die Rebellenorganisationen eine ausreichende Größe (meist 500-5.000 Rebellen; in Ango- la aber sogar bis zu 60.000),[52] um einer regulären Armee wesentlichen Schaden zufügen zu können. Folglich bedarf es einer industrielleren Struktur und größerer Organisation als bei einer kommerziellen Erpressung.
3.1.2.2. Motivation (Leid)
Im Gegensatz zu dem Gier-Motiv sind nicht die finanziellen Möglichkeiten und Gewinnerwartungen die auslösende Motivation für einen Bürgerkrieg, sondern der Wille, als stark und objektiv empfundenes Leid zu mindern. Leid ist prinzipiell kaum objektivierbar, weil es ein universelles Phänomen ist und darüber hinaus nicht selten in einem strategischen Kalkül als Deckmantel[53] für das eigentlichen Interesse fungiert. Dennoch haben CH versucht, Leid quantitativ messbar zu machen.
Die besonders außerhalb der Wissenschaft oft herangezogene Ursache für Bürgerkrieg ist als erstes Kriterium der ethnische und religiöse Hass. Bekanntestes Beispiel hierfür ist der Bosnienkonflikt. CH versuchen diesen über die Fraktionalisierung einer Bevölkerung zu erfassen. Je stärker fraktionalisiert, desto größer der potentielle innergesellschaftliche Hass. Basierend auf dem Konzept von Joan-Maria Esteban und Debraj Ray[54] hat sich gezeigt, dass eine ethnische Polarisation als extreme Fraktionalisierung der ausschlaggebende Faktor für einen gewaltsamen Konflikt ist.
Ein weiteres Kriterium ist die Unterdrückung einer gesellschaftlichen Gruppe durch die eigene Regierung. Diese politische Repression lässt sich anhand des Regimetypus und den verschiedenen Indizes recht gut erfassen. CH habe hierfür die Autokratie-Skala des PolityIII-Datensatzes[55] und auch die Werte der politischen Offenheit des Freedom House-Da- tensatzes[56] als relativ solide Ergebnisse herangezogen. Hier haben CH festgestellt, dass es eine erwartungsgemäß starke Evidenz zwischen Bürgerkriegs- und Friedensepisoden gibt. In Friedenszeiten war die Repression deutlich unter der Hälfte des Mittelwertes. Jedoch ist dieser Zusammenhang nicht linear. Denn ab einer bestimmten Intensität der Repression kann Bürgerkrieg auch wiederum verhindert werden.[57]
Als drittes Kriterium kann eine dominante ethnische Gruppe oder Gewinnerkoalition eine andere ausschließen und somit Leid bzw. Hass erzeugen. Festgestellt wurde diese Dom- inanz dann, wenn die größte Gruppe der Gesellschaft zwischen 45 und 90% der Gesamt- bevölkerung darstellt. Eine Signifikanz dieses Faktors in Bürgerkriegszeiten gegenüber Friedenszeiten konnte allerdings kaum festgestellt werden, weil diese Werte nahezu iden- tisch sind.
Ein letztes wesentliches Merkmal für Leid als Motivation ist die ökonomische Ungleichheit. Gerade da die Mehrheit aller Bürgerkriege in verarmten Ländern stattfinden, wird diese häufig mit gewaltsamen Konflikten in Verbindung gebracht.[58] Die dahinter liegende Motiva- tion wäre eine ökonomische Umverteilung zugunsten der sozio-ökonomisch benachteilig- ten Bevölkerung. Aus Sicht der Wohlhabenderen wäre ein Sezessionskonflikt einer reiche- ren Region ein Mittel, eine drohende Umverteilung zu verhindern. Aber empirisch lässt sich feststellen, dass die wenigsten Rebellionen von Armen ausgelöst wurden, mit dem Ziel, eine gerechtere Gesellschaft zu erreichen.[59] CH haben diese Ungleichheit in Verbin dung mit Bürgerkrieg mit dem Gini-Koeffizienten der Einkommensverteilung des unteren zum oberen Fünftel verglichen und kamen zu einem ähnlichen Ergebnis. So ist die Ein- kommensverteilung minimal ungleicher in Bürgerkriegs- gegenüber Friedensepisoden.
Ein nicht zu unterschätzendes Problem ist, dass ein Konflikt Leid verursacht und somit Leid als scheinbaren Auslöser erscheinen lassen kann. Um jedoch dieses verzerrende Endogenitätsproblem bei der Messung zu vermeiden, mussten die Faktoren in beiden betrachteten Fünf-Jahres-Episoden auftreten.
CH kommen im Vergleich beider Dimensionen zunächst zu dem Schluss, dass Leid als Motivation nicht das Auftreten gewaltsame Konflikte erklären kann, sondern nur Gier.
3.1.2.3. Möglichkeit
Man muss CH insgesamt sehr zugute halten, dass sie ihr Konzept sehr transparent gehal- ten haben, auf konstruktive Kritik stets reagierten und ihr Modell weiter verbesserten. So haben verschiedene Autoren angeführt,[60] dass auch außergewöhnlich günstige Umstände atypische Möglichkeiten - einen Bürgerkrieg eröffnen können, die grundsätzlich nichts mit den beiden Motivation zu tun hat. In ihrer jüngsten Studie zu diesem Thema geht die LeidDimension begrifflich in den atypischen Motivationen und die Gier konsequenterweise in den atypischen Möglichkeiten auf.
In diesem Möglichkeiten-Ansatz vertreten CH die prägnante These: Wo eine Rebellion als möglich, bzw. realisierbar erscheint, wird diese auch stattfinden.[61] Eine Klasse von Mög- lichkeiten sind jene, die aus atypisch niedrigen Kosten für eine Rebellion bestehen. Betrof- fen sind dabei Erstens die Rekrutierung, in der es - wie oben beschrieben - primär um die Rekrutenbezahlung und die daraus resultierenden Kosten geht, die im Verhältnis zu den Opportunitätskosten stehen. Zweitens spielen Kosten von konfliktspezifischem Kapital ei- ne Rolle, was insbesondere die Organisationsfähigkeit betrifft, da sich über einen längeren Zeitraum die organisatorische Kohäsion auflöst und Waffen über die Zeit an Wert verlie- ren. Drittens ist eine atypisch schlechte Verteidigungsposition der Regierung ein aus- schlaggebender Faktor. Auch geographische Bedingungen sind dabei nicht zu vernach- lässigen. So haben Rebellen grundsätzlich einen Vorteil in bergigem und bewaldetem Ge- lände zum Schutz. In Ländern mit geringerer Bevölkerungsdichte und kleinerem Urbanisie rungsgrad finden häufiger Bürgerkriegsausbrüche statt, da offenbar die politische Organisierbarkeit erleichtert wird. Als bedeutsamer Faktor spielt hier auch die soziale Kohäsion eine Rolle, da ethnische und religiöse Diversität die Organisationsfähigkeit reduziert.[62] Rebellen bevorzugen folglich organisatorische Homogenität.
Als zweite Klasse ziehen CH atypische Möglichkeiten der Finanzierung in Betracht. Als erste und bedeutsamste Finanzierungsquelle ist hier der Raub natürlicher Ressourcen zu nennen, als zweites die Diaspora, wobei Staatsangehörige im Exil die eigene Bevölke- rungsgruppe finanziell unterstützen.[63] Als dritte Möglichkeit werden feindliche Regierungen und deren Bereitschaft genannt, die militärische Opposition eines anderen Landes zu un- terstützen, was besonders im Kalten Krieg bei Stellvertreterkriegen sehr ausgeprägt war.
3.1.3. Ergebnis
In einem eher traditionellen Fokus auf die Konfliktursachen im Bürgerkrieg spielt die Moti- vation der Rebellen die entscheidende Rolle. In ihren ersten beiden quantitativen Studi- en[64] haben CH die beiden Dimensionen der Motivation - Gier und Leid - untersucht und miteinander verglichen, um zu klären, welche einflussreicher auf das Bürgerkriegsrisiko ist. Dabei hat sich deutlich gezeigt, dass die Raubmotivation eine deutlich stärkere Rolle spielt - die Leidfaktoren waren durchweg insignifikant. Dennoch räumen die Autoren ein, dass sie Leid nicht als Faktor ausschließen möchten, sondern nur sagen können, dass sie bisher keine bestätigenden Variablen für Leid gefunden haben.
In ihrer dritten umfassenden Revision griffen CH diese neue Dimension der ‚Möglichkeiten auf. Sie ist in weiten Teilen eine Ergänzung des Giermotivs, jedoch im Sinne der Möglich- keit. Es ist für CH wichtig hervorzuheben, dass die Kernresultate ihrer vorherigen Studien erhalten bleiben.[65]
Unter einer ökonomischen Betrachtungsweise hätte eine Rebellion zudem starke Hand- lungsprobleme[66], wenn Leid einen Bürgerkrieg auslösen würden: das Trittbrettfahrerprob- lem, das Koordinationsproblem und das Zeitkonsistenzproblem. Ein Trittbrettfahrerproblem deshalb, weil die Beseitigung des Leides (z.B. Sturz der verantwortlichen Regierung) kein exklusives Problem ist, von dem das Individuum direkt profitiert und es somit rational ist, von anderen den Bürgerkrieg austragen zu lassen. Wenn dagegen die Rebellion von Gier motiviert ist, dann wird der einzelne Rebell davon profitieren und das Trittbrettfahrerprob- lem entfällt weitestgehend. Ein Koordinationsproblem tritt bei einer leidmotivierten Rebelli- on auf, weil nur eine starke Rebellenarmee eine Chance hat, gegen eine Regierungsar- mee vorzugehen. In der Aufbauphase ist aber die Gefahr der Individuen extrem hoch und nur wenige sind bereit, sich zu beteiligen. Bei einer Giermotivation ist nicht das vorder- gründige Ziel, die nationale Regierung zu stürzen, sondern bereits im Verlauf der Rebelli- on Gewinne anzueignen. Nicht zuletzt ist eine Initiierung eines Bürgerkriegs aufgrund von Leid einem Zeitkonsistenzproblem unterworfen, da sich der Beteiligte nicht sicher sein kann, ob am Ende tatsächlich das Problem beseitigt wird oder ob es nur eine leere Ver- sprechung eines Rebellenführers ist. Bei dem giermotivierten Rebellen ist das Verspre- chen ihres Anführers nicht so wichtig, weil sie sich die Gewinne zeitnah während des Kon- fliktverlaufs aneignen.
3.1.4. Vorteile der Modelle
CH haben der Diskussion um eine der Hauptbedrohungen der kollektiven Sicherheit in ei- ner sehr systematischen Herangehensweise analysiert und suchten nach harten Fakten, um die eigentlichen Ursachen hinter einer möglichen Fassade aus Machtkalkül und Legi- timierung aufzudecken. Die Debatte um die Möglichkeitsstruktur wurde bereits vor CH ge- führt, jedoch nie so klar empirisch auf den Bürgerkrieg hin untersucht[67]. Einen wissen- schaftlichen Durchbruch haben sie mit ihrer quantitativen Methode zunächst dadurch er- reicht, dass die Ergebnisse nicht ignoriert werden können und eine neue Forschungsrich- tung bei der Konfliktursachenforschung eröffnet hat. Besonders wurden viele Variablen, die bisher als bedeutend galten, entkräftet und andere entdeckt, die bisher als weniger bedeutend erachtet wurden.
3.1.5. Nachteile der Modelle
Nichtsdestotrotz ist die Kritik enorm, da sie mit dem Ansatz, ein hochkomplexes Phäno- men nicht individuell zu betrachten, sondern zu generalisieren und in ein einheitliches Mo- dell zu pressen versuchen. Beeindruckend ist, dass sich CH vieler Kritikpunkte während der Jahre angenommen haben und das Modell schrittweise modifizierten. Doch es gibt zahlreiche grundsätzliche und spezielle Kritikpunkte an dem Modell, welche teilweise zurecht hinterfragt werden.
Eine grundlegende Kritik betrifft bereits die Annahmen, die CH ihrer Studien zugrunde le- gen und die gesamte Vorgehensweise in Frage stellen. So ist ‚Bürgerkrieg , wie oben be- reits umfassend besprochen, ein eher ungenauer und staatszentrierter Begriff, da hiermit meist eine zielgerichtete Auseinandersetzung mit der Staatsmacht assoziiert wird, was be- reits im Blick auf die verschiedenen zerfallenen Staaten ungeeignet erscheint.[68] Ihre Defi- nition geht explizit von einem starken Staat als eine Konfliktpartei aus,[69] was jedoch in der Realität nicht unbedingt die Regel ist. Es wird dabei eine ganze Reihe von Konflikten mit großer Reichweite und Intensität ausgeschlossen, bei denen es sich nicht um nationale Macht als Konfliktgegenstand handelt, sondern möglicherweise um die individuelle Berei- cherung oder eine regionale Vorherrschaft zwischen zwei Rebellengruppen. Eine allge- meinere Bezeichnung wie ‚innerstaatliche Kriege dürften unverfänglicher und zutreffender bei der Mannigfaltigkeit ihrer Realtypen sein. Aber auch die insgesamt streng quantitative Vorgehensweise von CH ist nicht unumstritten, weil die „politischen, historischen und sozi- alen Dimensionen bewaffneter Konflikte auf einen Datenkranz reduziert werden, der in die Kosten-Nutzen-Analyse der prospektiven Rebellen eingeht“[70]. Diese Simplifizierung eines derart hochkomplexen Phänomens wie die Ursachen für das Ausbrechen von Bürgerkrie- ge allgemein ist häufig problematisch und trifft meist für quantitative Studien zu. Es wird hier ein hochdynamisches Problem wie Bürgerkriege, deren Rahmenbedingungen sich permanent wandeln, in ein statisches Modell gezwängt. Zudem wird in diesem speziellen Fall ein Zeitraum von über 50 Jahren mit sehr unterschiedlichen Ausprägungen[71] von Bür- gerkrieg vereinheitlicht, was nicht ganz unproblematisch ist.
CH haben zur möglichst guten Vergleichbarkeit streng darauf geachtet, dass alle erforder- lichen Werte zu den Konflikten vorlagen. Im Gegensatz zu anderen Ansätzen interpolierten sie die fehlenden Werte nicht, sondern entfernten den jeweiligen Konflikt aus der Daten- bank. Prinzipiell unterstreicht diese Vorgehensweise die wissenschaftliche Schärfe der Un- tersuchung. Gleichsam besteht die Gefahr, dass die Gruppe der Konflikte, denen es an verifizierbaren Daten mangelt (z.B. viele undurchsichtige Konflikte in Zentralafrika), unter repräsentiert sind und die Ergebnisse verzerren könnten. Weiterhin hat, wie oben bespro- chen, eine Erfassung der Konflikte anhand der jeweiligen Opferzahlen als Schwellenwert das Problem, dass viele Konflikte nicht erfasst werden, die wenig Opfer aus Kampfhand- lungen aufweisen, aber dennoch als gewaltsamer Konflikt gezählt werden sollten. Dazu zählen besonders die eingangs beschriebenen ‚Kriege niedriger Intensität . Deren Opfer sind hier nicht selten auf Seiten der Zivilbevölkerung, besonders aufgrund von Langzeit- folgen. In den wenigsten afrikanischen Bürgerkriegen ist relativ sicher bekannt, wie groß die Zahl der Opfer in der Zivilbevölkerung tatsächlich ist. In den scheinbar anarchischen Konfliktsituationen Afrikas - wie beispielsweise Somalia - ist nicht mehr erfassbar, welche Opfer in Folge von Kampfhandlungen und welche Kriminalität und anderen Intentionen zum Opfer fielen. Aus diesem Dilemma scheint es nur den Ausweg zu geben, Konflikte primär anhand der qualitativ erfassten Intensität dieser zu untersuchenden Gruppe zuzu- ordnen[72] oder zumindest anhand solcher Daten eine Gegenprüfung der Ergebnisse vor- zunehmen und bei gravierenden Unterschieden die Differenzen hinterfragen. Zudem ha- ben absolute Opferzahlen den gravierenden Nachteil, dass sie nicht in Relation zu der Be- völkerungsgröße und Landesgröße erfasst werden, aber die Konflikterfassung sehr wohl noch an Nationalstaaten orientiert ist.
Neben der Definition und Datenerfassung ist die Annahme einer einheitlichen Akteursebene realitätsfern. In Bürgerkriegen wird es zumindest eine Zweiteilung[73] in Form einer topdown-Gewalt der militärischen Führer und einer bottom-up-Gewalt der einfachen Kämpfer vorhanden ist. Gleichzeit variiert das ökonomische Motiv abhängig vom angewendeten Akteurstyp. Darüber hinaus gehen CH rebellenzentriert[74] vor, wodurch der Staat als Akteur in der Frage nach der Konfliktursache weitestgehend ausgeklammert wird und ein staatenbegünstigender Bias vorliegen könnte.
Doch auch wenn der ökonomische Erklärungsansatz von CH häufig kritisiert wurde, hat er die Friedens- und Konfliktforschung essentiell beeinflusst, indem die Aufmerksamkeit auf das Motiv der Bereicherung gelenkt wurde. Dadurch ist die Gefahr eines allzu leichtferti- gen Reduktionismus der Konfliktursachen groß, weil die Rolle der Missstände in Konflikten entproblematisiert wird.[75] Das komplexe Phänomen ‚Bürgerkrieg wird somit quasi-mono kausal. Alle anderen Motive drohen dadurch zu reiner Ideologie zu verkommen und delegitimieren damit soziale Auseinandersetzungen, die mit hohem Gewaltniveau geführt werden. Doch zur Verteidigung von CH in Bezug auf den Simplifizierungsvorwurf muss jedoch hervorgehoben werden, dass sie nie den Anspruch einer vollständigen Erklärung hatten, sondern einen Beitrag leisten, um Grundmuster für den Ausbruch von Bürgerkriegen aus dem komplexen Geflecht zu isolieren. Das in der Realität Konflikte aus paradoxen und irrationalen Gründen ausbrechen können ist damit nicht ausgeschlossen. Wenn beispielsweise manche Rebellenführer in Zentralafrika häufig unter Drogeneinfluss[76] stehen, dann kann dieser Hinweis als Indiz gewertet werden, dass Entscheidungen nicht immer im Sinne eines idealtypischen ‚homo oeconomicus getroffen werden.
CH haben in Folge ihrer Studien einen Boom an quantitativen Studien ausgelöst. In ihrer neuesten Studie sind CH auf viele Kritikpunkte eingegangen und haben sie entkräftet. Jedoch gibt es einige Studien, die meist anhand der gleichen Datenbasis wie CH vorgehen, jedoch höchst unterschiedliche Ergebnisse aufweisen.[77]
3.2. Natürliche Ressourcen und gewaltsamer Konflikt
CH haben erstmals die zentrale Bedeutung von natürlichen Ressourcen im Bürgerkrieg empirisch belegt. In der Finanzierung nehmen sie sogar eine Schlüsselposition ein, weil natürliche Ressourcen die Gewinne abwerfen, die erst groß angelegte Gewalt über eine gewisse Dauer ermöglichen. CH vermuten drei Wege, warum natürliche Ressourcen eine wesentliche Rolle in Bürgerkriegen spielen könnten. Erstens - wie bereits mehrfach ange- deutet - ermöglichen Gewinne aus natürlichen Ressourcen eine Rebellion eskalieren und manifestieren zu können, wie die bekannten Fälle Angola und Sierra Leone veranschauli- chen. Ein zweiter Grund ist, dass die Rebellen bereits während oder unmittelbar nach dem Konflikt motiviert sind, Ressourcengewinne zu erbeuten, was in diesem Fall mehr auf der Giermotivation beruhen würde. Ein dritter Weg ist, dass in ressourcenreichen Ländern die Regierung seltener Steuern einnimmt[78] und somit distanzierter von der Bevölkerung und möglicherweise unverantwortlicher gegenüber dieser ist, was Leid generieren könnte und somit auch diese Dimension bedient. Über diese Erklärungsversuche von CH hinaus ist jedoch festzustellen, dass gewaltsame Konflikte auf substaatlicher Ebene primär in jenen Regionen stattfinden, wo natürliche Ressourcen abgebaut werden.[79] Das würde ebenfalls ein Indiz dafür sein, wie eng natürliche Ressourcen mit gewaltsamen Konflikten verknüpft sind. Die Mechanismen zwischen natürlichen Ressourcen und gewaltsamen Konflikten wird im fünften Kapitel genauer untersucht.
4. Mangel oder Überfluss?
4.1. Einleitung
Durch die eben dargestellte Studie ist deutlich geworden, dass Ressourcen in jedem Fall eine Schlüsselrolle bei der Entstehung gewaltsamer Konflikte spielen können. In der aktu- ellen Diskussion um Klima- und Umweltkriege[80] werden die Ursachen von Ressourcen- konflikten in der ökologischen Degradation und dem damit einhergehenden Mangel an ü- berlebensnotwendigen[81] natürlichen Ressourcen gesehen. Dagegen gehen die ökonomi- schen Erklärungsansätze davon aus, dass nicht der Mangel, sondern der Überfluss an Ressourcen Konflikte verursacht. Den letzteren Ansätzen entspricht vorwiegend das von CH herausgearbeitete Motiv der Gier, den ersteren das Motiv des Leides. In der Literatur werden beide Erklärungsmodelle vertreten. In diesem Kapitel ist nun die Frage zu klären, welcher Zustand bedrohlicher für den Frieden ist: der Überfluss oder der Mangel an natür- lichen Ressourcen?
4.2. Konfliktfaktor: Ressourcenknappheit
4.2.1. Der neo-malthusianische Ansatz
Zunächst wurde der Zusammenhang zwischen Ressourcen und Gewaltkonflikten primär mit einer neo-malthusianischen Sichtweise[82] betrachtet. Ihr zufolge ist Ressourcenknapp- heit der entscheidende Konfliktfaktor, beziehungsweise wird dies in Folge zunehmender Knappheit in Zukunft werden. Gegenüber Thomas R. Malthus, der den Knappheitsgedan- ken primär auf die Knappheit von Nahrungsmitteln bezog, erweiterten die so genannten Neo-Mathusianer ihn um die Faktoren der ökologischen Knappheit und Degradation[83]. Die so genannte Toronto-Gruppe um Thomas F. Homer-Dixon wird als der Pionier bei der wis- senschaftlichen Erforschung dieser ‚Umweltkonflikte angesehen. Sie führte qualitative Fallstudien zu Konflikten in Entwicklungsländern durch, um zu erforschen, ob und wie durch Umweltprobleme induzierte Konflikte verlaufen. Für die zukünftigen Jahrzehnte prognostizierten sie, dass Konflikte zunehmend auf substaatlicher Ebene stattfinden und die Konflikthäufigkeit steigen werde, falls sich die Ressourcenknappheit in der Welt wie erwartet vergrößert.[84]
Die Forschergruppe konzentrierte sich dabei auf Konflikte, die im Zusammenhang mit der Knappheit erneuerbarer Ressourcen und Umweltdienstleistungen standen. Dies betraf primär die Degradation von Agrarland und Wasservorräten, Entwaldung und die Erschöp- fung von Fischbeständen.[85] Weiterhin untersuchten sie die Rolle des Klimawandels und des Abbaus der stratosphärischen Ozonschicht, wobei angenommen wurde, dass diese jeweils nur eine indirekte Rolle spielen und die Effekte in den kommenden Jahrzehnten eher gering wären.[86] Dagegen ist allerdings anzumerken, dass sich die Bedeutung des Klimawandels und dessen Auswirkungen in diesem Jahrzehnt drastisch gewandelt haben und heute als künftige wesentliche Konfliktursache erachtet wird.[87] Das parallel auftreten- de massive Bevölkerungswachstum und die Ungleichverteilung von Gütern werden die Folgen der Knappheit durch soziale und wirtschaftliche Spannungen deutlich verstärken, so die Toronto-Gruppe. Diese Argumentation ist zwar leicht nachvollziehbar, aber die Aus- sagen waren sehr gewagt und probabilistisch. Sie basierten kaum auf systematischen empirischen Studien und die Ergebnisse konnten empirisch nicht überzeugend bestätigt werden. Die Forscher stellten abschließend selbst fest, dass „ein direkter Zusammenhang zwischen Ressourcenknappheit und der gewalttätigen Eskalation von Konflikten […] nicht nachgewiesen werden“[88] kann. Einzige Ausnahme sollen Konflikte um die kritische Res- source Wasser sein.
4.2.2. Sonderfall Wasserkonflikte?
Die Ressource, welche immer wieder als Rechtfertigung für die Annahme eines Zusam- menhangs von Knappheit und Konflikt herangezogen wird, ist das Wasser. Es zählt zu den besonders prekären „Überlebensressourcen“[89], die essentiell für die Lebenserhaltung sind. Somit stehen Wasserkonflikte bereits seit Beginn der 1990er immer wieder im Mittel punkt der Debatte um Ressourcenkonflikte aufgrund von Knappheit. Entsprechend unübersichtlich ist die Fülle an Literatur, die bereits zu diesem Thema erschienen ist[90].
4.2.2.1. Ökologische Degradation und Bevölkerungswachstum
Es gibt kaum ein Gut, welches so knapp ist und zugleich von jedem Menschen täglich ge- braucht wird wie das Trinkwasser - nur 1% des Wassers der Erde ist Süßwasser[91]. Zusätz- lich zu seiner Knappheit ist es extrem ungleich verteilt: 80% befinden sich auf der nördli- chen Halbkugel[92]. Verschärfend kommt hinzu, dass die Weltbevölkerung weiterhin expo- nentiell zunimmt - mit Abstand am stärksten auf der Südhalbkugel.[93] Der Pro-Kopf-Ver- brauch nimmt ebenso drastisch zu.[94] Die Nachfrage nach Süßwasser der Industrieländer wird bis 2025 um 18% und die der so genannten Entwicklungsländer um 50% ansteigen.[95] Der zunehmende Klimawandel dürfte die Wassersituation durch seine Anomalien zusätz- lich verschärfen, da die Dürren häufiger und länger werden und die Überschwemmungen und Wasserverschmutzungen insgesamt zunehmen - auch hier trifft es besonders die so genannten Entwicklungsländer.[96] So leidet nahezu das gesamte Afrika südlich der Sahara unter teilweise akutem Wassermangel (s. Abb. 17) und es sterben bereits heute in vielen Regionen Afrikas mindestens jedes zehnte Kind (s. Abb. 16) - nicht zuletzt an der schlech- ten Trinkwasserversorgung.
4.2.2.2. Verteilungsprobleme
Doch auch in Ländern mit ausreichendem Wasserzugang kann es aufgrund mangelnder Infrastruktur oder Politisierung zu Spannungen in der Verteilung dieser Ressource kom- men[97]. Insbesondere grenzüberschreitende Flüsse sind ein häufiges Konfliktthema und steigern mutmaßlich die Wahrscheinlichkeit eines gewaltsamen Konfliktaustrags.[98] Kritisch seien grenzüberschreitende Flüsse vor allem, weil das Wasser von einer Region in eine andere fließt und dabei der Zugang des einen Landes vom Umgang des anderen mit der knappen Ressource beeinflusst werden kann. Je abhängiger das Land am Flussunterlauf ist, desto sensibler werde diese Ressource für einen Konflikt. Aus der Sicht der Spieltheo- rie liegt bei dieser Form der Knappheit ein Nullsummenspiel mit einem hohem Risikopo- tential vor. Die genutzte Menge des einen Anrainerstaates steht dem anderen nicht mehr zur Verfügung oder die Qualität des Wassers wird gemindert. Doch ließ sich in empiri- schen Untersuchungen ein erhöhtes Risiko für zwischenstaatliche gewaltsame Konflikte nicht ausreichend[99] belegen. Es zeigte sich, dass die in den 90er Jahren viel diskutierte These der Kriege um das ‚blaue Gold revidiert werden musste.[100] Die häufig vorhergesag- ten Wasserkonflikte spielen bisher keine relevante Rolle. Alle bisherigen Fälle sind sehr umstritten und im besten Fall eher eine Folge von anderen Faktoren.[101]
Vielmehr wird die Gegenthese[102] vertreten, dass die Nutzung grenzüberschreitender Was- serressourcen eher zur gesteigerten Kooperation als zu vermehrten gewaltsamen Konflik- ten führt. In der Empirie gibt es für diese Position starke Evidenzen. So wurden in den letz- ten 50 Jahren bis zum Jahr 2001 1.800 Abkommen über die Nutzung grenzüberschreiten- der Gewässer geschlossen.[103] Darüber hinaus haben grenzüberschreitende Wasservor- kommen in einigen Fällen als Katalysatoren für Abkommen in anderen Konfliktfeldern zwi- schen zwei Ländern gewirkt. Der Indus-Vertrag zwischen Indien und Pakistan von 1961 wurde in politisch extrem angespannten Zeiten geschlossen und hat bis heute Bestand, trotz des weiterhin schwelenden Konfliktes um die Kaschmir-Region.[104] Anrainerstaaten am Flussunterlauf haben in vielen Fällen nicht nur Nachteile[105], sondern können auch von den flussbautechnischen Maßnahmen der Staaten am Oberlauf profitieren; beispielsweise sorgen Staudämme für eine gleichmäßige Wasserzufuhr und vermindern das Über- schwemmungsrisiko.
Die Wissenschaftlergruppe um Heather L. Beach hat 1997 alle bisherigen Konflikte um grenzüberschreitende Gewässer in der ‚Transboundary Freshwater Dispute Data Base[106] analysiert. Sie sind zu dem Schluss gekommen, dass der Krieg um Wasser ein Mythos sei und der letzte genuine Wasserkrieg 4.500 Jahre zurück lag[107]. Zusammenfassend lässt sich somit sagen: „Wasserkriege haben keine empirische Relevanz“[108]. In einem rationa- len Kosten-Nutzen-Kalkül dürfte die Kooperation gegenüber dem Konflikt deshalb vorzu- ziehen sein, weil die zu erwartenden Kosten eines Krieges dem Nutzen überwiegen. Ob diese Rechnung bei einer zukünftig zu erwartenden Verknappung weiterhin gilt, wäre zu prüfen. Aber die spezifischen Eigenschaften des Flusswassers dürften dieses Ergebnis stützen.
4.2.2.3. Knappheit als indirekter Konfliktfaktor
Dieses Resultat darf aber nicht derart missverstanden werden, dass es keine Konflikte gibt oder geben wird, bei denen Wasser eine Rolle spielt. Insbesondere Machtkalküle können Wasser zu einem Konfliktpotential werden lassen, wobei es in einem solchen Fall nicht die Ursache des Konflikts wäre, sondern ‚nur instrumentalisiert. Somit kann eine Verknap- pung von Ressourcen indirekt zu Konflikten führen, indem es vorhandenes Konfliktpoten- tial bis hin zu gewaltsamer Eskalation verschärfen kann.[109] In fast allen Fällen, die bisher als Wasserkonflikte galten, traf es zu, dass die Knappheit der Ressource nicht die primäre Konfliktursache war. Meist lagen politische und ethnische Spannungen vor, die das Was- ser als Konfliktstoff instrumentalisierten. Hierfür exemplarisch sind die Auseinandersetzun- gen verschiedener arabischer Staaten um Jordan und Euphrat, in denen Wasser bei schlechten politischen Beziehungen als eine strategische Waffe und eine Bedrohung der nationalen Sicherheit dargestellt werden kann, und so - politisch aufgeladen - nicht der al- leinige Auslöser für diese Konflikte ist.[110] Wenn also ein „internationaler Konflikt um Was- ser bekannt [wird], so gibt es in den meisten Fällen einen ‚politischen Neben- schauplatz “.[111] Weiterhin sind Fälle denkbar, in denen Migrationsströme in Folge von öko- logischer Degradation oder Wassermangel die ethnische Zusammensetzung eines Nach- barlandes so stark beeinflussen, dass es dabei zu Spannungen kommt.
Bisher ist die These von den Wasserkriegen nicht ausreichend empirisch belegt. Jedoch schließt dies für die Zukunft nicht aus, dass es aufgrund des oben beschriebenen wachsenden Drucks zu Konflikten aufgrund von Wasserknappheit kommen könnte.[112]
4.2.3. Alternative Ansätze
Die Erforschung von Ressourcenknappheit und Konflikten war meist von Einzelfallanaly- sen geprägt. Solche Untersuchungen leiden besonders an zwei methodischen Schwä- chen: Zum einen an einem Variationsmangel auf der unabhängigen und abhängigen Vari- able und zum anderen an der Abwesenheit einer Kontrolle anderer konfliktgenerierender Faktoren.[113] Mit einen quantitativen Ansatz hat die Osloer Forschergruppe um Nils Petter Gleditsch versucht, insbesondere die Defizite der bisherigen fallbasierenden Forschung auszugleichen. Dabei versuchten sie, vor allem der Überkomplexität der qualitativen Mo- delle als auch den Defiziten bei der Fallauswahl entgegenzuwirken, indem fast ausschließ- lich Länder untersucht wurden, in denen bereits Konflikte mit Ressourcenbezug stattge- funden hatten.[114] In ihrer Studie mit großer Fallzahl haben Wenche Hauge und Tanja El- lingsen[115] als eine der ersten die Verbindung zwischen Knappheit und Bürgerkrieg analy- siert. Der von ihnen kritisierte neo-malthusianische Zusammenhang zwischen Bevölke- rungsdruck, Knappheit und Konflikt konnte nicht nachgewiesen werden. Jedoch kamen sie zu dem Ergebnis, dass tatsächlich Länder mit ökologischer Degradation anfälliger für be- waffnete Konflikte sind. Hierbei waren jedoch für die Risikowahrscheinlichkeit nicht ökolo- gische Faktoren ausschlaggebend, sondern wirtschaftliche.[116]
Bei nur sporadisch gewaltsamen Konflikten allerdings spielt ökologische Degradation eine bedeutendere Rolle als bei Konflikten mit größerem Gewaltausmaß. Hauke und Ellingsen betonen jedoch, dass auch bezüglich des Ausmaßes der Gewalt ökonomische Faktoren den stärksten Einfluss haben.[117] Knappheit ist in diesem Komplex nur eine von vielen Va- riablen, die zu gewaltsamen Konflikten beitragen. Zudem sei denkbar, dass diese Zusam- menhänge mehr auf Entwicklungsprobleme zurückzuführen seien, da Bodendegradation, Entwaldung und Wassermangel stark mit Armut verknüpft sind. Resultierend argumentiert die Osloer Forschungsgruppe eher im Sinne von CH, wobei der Überfluss an Ressourcen eine bedeutsamere Rolle als die Knappheit spielt, weil sich potentielle Rebellengruppen aus natürlichen Ressourcen finanzieren können. Zudem erscheint es als naheliegend, dass Konflikte um Ressourcenknappheit lösungsorientierter geführt werden, da eine Kon- frontation meist keine dauerhafte Lösung in Aussicht stellt und somit der Verhandlungs- tisch bevorzugt wird. Bei einem Ressourcenüberfluss dagegen besteht die Erwartung auf einen meist exorbitanten Gewinn, weshalb es rational sein könnte, in diesem Fall auch Gewalt einzusetzen.
4.3. Konfliktfaktor: Ressourcenüberfluss
4.3.1. Einleitung
Während die Knappheit an Ressourcen das menschliche Leben in seiner Existenz bedro- hen kann, ist das bei einem Überfluss an Ressourcen zunächst nicht der Fall. Ersteres wird in der Öffentlichkeit meist verkürzt als bedrohlich wahrgenommen, während im Ge- gensatz dazu der Ressourcenüberfluss scheinbar keine Sicherheitsbedrohung, sondern vielmehr einen ökonomischen Vorteil bedeute. Nun stellt zwar ein volkswirtschaftlicher Gewinn aus Ressourcen prinzipiell einen sicherheitstechnischen Vorteil für einen Staat. dar und die potentiellen Konfliktgefahren in Folge von Ressourcenknappheit könnten da- mit durch Ressourcenzugang entspannt werden.[118] Doch bereits CH haben gezeigt, dass paradoxerweise ein Vorhandensein an natürlichen Ressourcen ein signifikanter Risikofak- tor für das Auftreten eines Bürgerkrieges ist. Jeffrey D. Sachs und Andrew M. Warner wie auch zahlreiche spätere Studien[119] haben ebenso festgestellt, dass genau das Gegenteil von Homer-Dixons Annahme zutrifft.
In der Forschung wurden in den letzten Jahren vier potenzielle negative Folgen von Ressourcenüberfluss herausgearbeitet, die einen entscheidenden Einfluss auf die Entstehung gewaltsamer Konflikte haben: Mangelhafte wirtschaftliche Entwicklung, Verarmung, Institutionenschwäche und Fremdintervention. Diese Faktoren sind allerdings interdependent, weshalb diese klare Trennung als eine idealtypische aufzufassen ist.
[...]
[1] Anm.: Sofern der zwischenstaatliche Konflikt als Idealtyp jemals dominant war.
[2] Ehrke 2002: 136.
[3] Luttwak 1999: 36.
[4] Luttwak 1999: 36.
[5] Creveld 1998: 42ff, 94ff.
[6] Ehrke 2002: 136.
[7] Jean/Rufin 1999: 8.
[8] Kaldor 1999.
[9] s. auch: Kaplan 1994, v. Creveld 1998, Münkler 2002.
[10] z.B. Heupel 2004.
[11] Heupel 2004: 366.
[12] Elwert 1997.
[13] Elwert 1997.
[14] Ellis 2003: 35f, Elbadawi 2000: 246.
[15] Jean/Rufin 1999.
[16] Elbadawi 2000: 8.
[17] Collier/Hoeffler 1998.
[18] UNDP 2008.
[19] HIIK 2007: 5, 20.
[20] Anm.: ‚Rohstoff oder auch ‚Primärrohstoff wird besonders im deutschen Sprachraum äquivalent verwendet - beide Begriffe beschreiben unverarbeitete, natürliche Ressourcen.
[21] Ross 2003b: 5.
[22] u.a. Lay/Mahmoud 2004.
[23] Anm.: Diese Unterteilung ist nur idealtypisch, häufig treten Mischtypen auf.
[24] Singer/Small 1994.
[25] Sambanis 2004: 814.
[26] z.B.: Hegre 2004a: 25 Tote/Jahr; Fearon/Laitin 2003: durchschn. 100/Jahr, aber über 1000 Gesamtdauer; Elbadawi/Sambanis 2000b: min. 1000/Gesamtdauer.
[27] Sambanis 2004: 815.
[28] HIIK 2007: 1.
[29] HIIK 2007: Innenseite des Umschlags.
[30] The Fund for Peace 2008.
[31] Anm.: Mehr zum Begriff ‚Bürgerkrieg : Sambanis 2004.
[32] Le Billon 2007: 178.
[33] Ellis 2003: 35f.
[34] ZDF 2008.
[35] Anm.: Sekou Conneh war ehemaliger Führer der liberianischen Rebellengruppe LURD.
[36] Brabazon 2003: 12.
[37] Ballentine/Nitzschke 2005.
[38] Berdal/Malone 2000.
[39] Keen 1998: 11.
[40] Collier/Hoeffler 1998.
[41] Collier 2001.
[42] Collier/Hoeffler/Rohner 2007.
[43] Hirshleifer 2001.
[44] Grossman 1999.
[45] Grossman 1999: 269.
[46] Hirshleifer 2001: 10f.
[47] Humphreys 2005: 509.
[48] Collier/Hoeffler 2007: 718.
[49] Collier 1998: 567, Collier/Hoeffler/Rohner 2007: 9.
[50] Collier/Hoeffler 2007.
[51] Anm.: Basierend auf Gleditsch et al 2002 und Gleditsch 2004.
[52] Anm.: Auflistung der Größe von Rebellenorganisationen in Bürgerkriegen unter Collier et al 2003: 55.
[53] Anm.: Analog der ‚ethnischen Konflikte , wie im ersten Kapitel beschrieben wurde.
[54] Esteban/Ray 1994.
[55] Jaggers/Gurr, 1995.
[56] Freedom House 2008.
[57] Hegre et al. 2001.
[58] Sen 1997.
[59] Anderson 1999: 9.
[60] Fearon 2005, Weinstein 2005.
[61] Collier/Hoeffler/Rohner 2007: 4.
[62] Easterly/Levine 1997.
[63] Collier/Hoeffler 2004: 568.
[64] Collier 1998, Collier/Hoeffler 2004.
[65] Collier/Hoeffler/Rohner 2007: 13ff.
[66] Collier 2000: 98f.
[67] Fearon 2005: 485.
[68] Ehrke 2002: 137.
[69] Collier/Hoeffler 2007: 714.
[70] Ehrke 2002: 145.
[71] s. Kapitel 1.
[72] Anm.: wie HIIK 2007.
[73] Keen 2000: 21f.
[74] Ballentine/Nitzschke 2005: 4.
[75] Ehrke 2002: 163.
[76] Anm.: Anonymer Bericht eines UN-Mitarbeiters.
[77] s. Anhang: XYZ ‚Abweichende Ergebnisse alternativer Untersuchungen gegenüber CH
[78] Anm.: Dieser Zusammenhang wird unter ‚4.4.4.2 Regierungsuntätigkeit näher ausgeführt.
[79] Lujala et al 2005.
[80] u.a. Biermann et al. 1998; BMU 2002; WBGU 2007.
[81] s. Abb. 3.
[82] Anm.: Diese geht auf den britischen Ökonom Thomas Robert Malthus zurück, nach dessen Theorie sich die knappen Ressourcen zu einem Konflikt in Folge exponentiellen Bevölkerungswachstums werden.
[83] Homer-Dixon 1994: 39.; Myers 1996.
[84] WBGU 2007.
[85] Homer-Dixon 1994: 6.
[86] WBGU 2007.
[87] Anm: Überblick zu diesem Thema: BMU 2002; WBGU 2007.
[88] WBGU 2007: 27.
[89] Basedau/Mehler 2003: 41.
[90] u.a. Starr 1991, Albrecht 2000, Edig 2000; Barandat 1997; Gleick 1998; Diehl/Gleditsch 2001; Beach et al 2000; Ohlsson 1999b.
[91] Ohlsson 1995.
[92] Shiklomanov 1993.
[93] Population Reference Bureau 2008.
[94] mehr dazu: v. Edig 2000.
[95] UNESCO 2006.
[96] UNESCO 2006.
[97] Houdret 2008: 4.
[98] Neubert/Scheumann 2003: 34f.
[99] Biermann et al 1998: 296.
[100] Wolf 2003.
[101] Edig v. 2000.
[102] Gleditsch 1997.
[103] Klaphake/Scheumann 2001: 8.
[104] Biswas 2002.
[105] Klaphake/Scheumann 2001:8.
[106] Beach et al 2000.
[107] Beach et al 2000: 46.
[108] Neubert/Scheumann 2003: 36.
[109] Bächler und Spillmann 1996a, b.
[110] v. Edig 2000: 144f.
[111] v. Edig 2000: 153.
[112] Klaphake 2001: 9.
[113] Hauge/Ellingsen 1998: 299.
[114] Gleditsch 1998.
[115] Hauge/Ellingsen 1998.
[116] Hauge/Ellingsen 1998: 314.
[117] Hauge/Ellingsen 1998.
[118] Myers 1993, Homer-Dixon 1999.
[119] u.a. Sachs and Warner 2001; Gylfason 2001; Leite and Weidemann 1999; Ross 1999.
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