Diese Arbeit entstand im Rahmen eines Hauptseminars der spanischen und
französischen Sprachwissenschaft, das sich mit dem Thema "Verbsyntax im
Vergleich" auseinandersetzte, und hat zum Ziel, den Bereich der Passiv- und
Reflexivkonstruktionen im Spanischen und Französischen möglichst
systematisch zu untersuchen. Hierfür wurde der Begriff der Diathese als
Ausgangspunkt gewählt und wir werden zeigen, dass die Wahl der Diathese ein
grammatisch überaus produktives Verfahren darstellt, semantische
Unterschiede bzw. Bedeutungsnuancen auf syntaktischer Ebene zu kodieren.
Das Passiv und insbesondere die se-Konstruktionen im Spanischen als auch im
Französischen sind hierfür ein beredetes Beispiel.
Für einen systematischen Zugang zu diesem in der wissenschaftlichen Literatur
vieldiskutierten Thema schien uns die Einteilung von Oesterreicher besonders
geeignet (Oesterreicher 1992a, 1992b, 1996b). Der Fokus liegt hier
insbesondere auf der sachverhaltsdarstellenden Aktantenstruktur und einer
möglichen reduktiven Veränderung im Sinne einer Valenzerniedrigung. Neben
dieser Betrachtungsweise, die sich im Wesentlichen auf die Syntaxebene
konzentriert, gehen wir auch innerhalb des angegebene Rahmens auf zumeist
neuere Ansätze ein, die die diskursive Funktion dieser Diathese in den
Vordergrund stellen, wobei wir dieses weite Feld jedoch nicht vertiefen werden,
da dies den Rahmen einer Hauptseminararbeit sprengen würde. Bezüglich der
Etablierung von semantischen Verbgruppen mit jeweils spezifischen Verhalten
bezüglich der Passivdiathese sei hier u.a. auf das Buch von Gaatone
verwiesen, Le passif en Francais (Gaatone 1998).
[...]
Inhalt
Einleitung
1. Diathese
1.1. Definitionsversuche
1.2. Diathesen nach Tesnière
1.3. Diathesen nach Schmidt-Riese
1.4. Diathesen nach Cano Aguilar
2. Passiv und Reflexivkonstruktionen
2.1. Das (periphrastische) Passiv
2.1.1. Definition
2.1.2. Das periphrastische Passiv im Spanischen und Französischen
2.2. Reflexive Strukturen
2.2.1. Echte Reflexivkonstruktionen
2.2.2. Lexikalische Pseudoreflexivität
3. Paradiathese im Neufranzösischen
Zusammenfassung
Bibliographie
Einleitung
Diese Arbeit entstand im Rahmen eines Hauptseminars der spanischen und französischen Sprachwissenschaft, das sich mit dem Thema "Verbsyntax im Vergleich" auseinandersetzte, und hat zum Ziel, den Bereich der Passiv- und Reflexivkonstruktionen im Spanischen und Französischen möglichst systematisch zu untersuchen. Hierfür wurde der Begriff der Diathese als Ausgangspunkt gewählt und wir werden zeigen, dass die Wahl der Diathese ein grammatisch überaus produktives Verfahren darstellt, semantische Unterschiede bzw. Bedeutungsnuancen auf syntaktischer Ebene zu kodieren. Das Passiv und insbesondere die se -Konstruktionen im Spanischen als auch im Französischen sind hierfür ein beredetes Beispiel.
Für einen systematischen Zugang zu diesem in der wissenschaftlichen Literatur vieldiskutierten Thema schien uns die Einteilung von Oesterreicher besonders geeignet (Oesterreicher 1992a, 1992b, 1996b). Der Fokus liegt hier insbesondere auf der sachverhaltsdarstellenden Aktantenstruktur und einer möglichen reduktiven Veränderung im Sinne einer Valenzerniedrigung. Neben dieser Betrachtungsweise, die sich im Wesentlichen auf die Syntaxebene konzentriert, gehen wir auch innerhalb des angegebene Rahmens auf zumeist neuere Ansätze ein, die die diskursive Funktion dieser Diathese in den Vordergrund stellen, wobei wir dieses weite Feld jedoch nicht vertiefen werden, da dies den Rahmen einer Hauptseminararbeit sprengen würde. Bezüglich der Etablierung von semantischen Verbgruppen mit jeweils spezifischen Verhalten bezüglich der Passivdiathese sei hier u.a. auf das Buch von Gaatone verwiesen, Le passif en Francais (Gaatone 1998).
1. Diathese
1.1. Definitionsversuche
Es gibt mehrere Ansätze, den Begriff 'Diathese' übereinzelsprachlich zu definieren. In Metzlers Lexikon Sprache wird man auf der Suche nach dem Stichwort 'Diathese' direkt zu 'Genus Verbi' weitergeleitet: „Das Genus Verbi repräsentiert eine Verbalkategorie, deren Glieder Aktiv und Passiv im Deutschen wie in vielen anderen Sprachen dem Sprecher ermöglichen, einen Sachverhalt in unterschiedlicher Sicht und unterschiedlicher sprachlicher Struktur auszudrücken.“ (Schoenthal in Glück 20053, 224). Als drittes Glied ist noch das 'Medium' zu nennen, dass inhaltlich zwischen den beiden steht. Als synonymer Ausdruck wird auch 'Vox' genannt, eine Kategorie, die sich laut Cartagena/Gauger auf den Unterschied zwischen Aktiv und Passiv bezieht. (Cartagena/Gauger 1998, 408)
Eine umfassendere Definition des Begriffs 'Diathese' gibt Schmid-Riese:
Eine mit grammatischen Mitteln vorgenommene Revision der im Verblexem angelegten Zuordnung von semantischen zu syntaktischen Funktionen wird als Diathese bezeichnet. Diese grammatische Revision der Zuordnung erfordert einen gewissen morphologischen Aufwand. Diathetisch strukturierte Sätze gelten daher gegenüber Sätzen, die die Basiszuordnung realisieren, als markiert. Eine Veränderung der Zuordnung ist in zwei Richtungen möglich: entweder bleibt die Zahl der Aktanten stabil, die semantischen Funktionen werden nur auf andere Repräsentationsformen projiziert, oder die Zahl der Aktanten wird verändert: sie wird erhöht oder reduziert. (Schmidt-Riese 1998b, 13)
Wenn eine Valenzerweiterung oder eine Valenzreduktion stattfindet, ändert sich der Valenzrahmen des Verbs. Zusätzlich zu den verschiedenen Zuordnungsmustern bei der grammatisch-oberflächensyntaktischen Kodierung der semantischen Rollen, die schon Tesnière 1969 postulierte, und dem Valenzrahmenwechsel, findet man den Begriff ‚Handlungsrichtung’. Nach Tesnière hat man „einen Vorgang, an dem zwei Aktanten beteiligt sind, verschieden aufzufassen je nach der Richtung, in der er abläuft- oder, um die traditionelle Sehweise beizubehalten: gemäß der Richtung, in der er von einem auf den anderen Aktanten übergreift.“ (Tesnière 1980, 165)
Cano Aguilar spezifiziert die Diathese als „una categoría grammatical por la que se indica la relación entre el sujeto y la acción verbal” (Cano Aguilar 1981, 219).
Je nachdem, welcher Definition von Diathese die Autoren folgen, kommen natürlich auch verschiedene Einteilungen zustande. Es kann also entweder nach der Handlungsrichtung, der syntaktischen Zuordnung der semantischen Rollen (mit oder ohne Änderung der Aktantenzahl) oder der Beziehung zwischen Subjekt und der Aktion, die vom Verb ausgedrückt wird, unterteilt werden.
1.2. Diathesen nach Tesnière
Tesnière legt den Fokus bei der Diathese sowohl auf die Richtung des Vorgangs als auch auf die Änderung im Valenzrahmen.
a) nach Richtung des Vorgangs
Die vier „Spielarten“ oder „Subkategorien“ (Tesnière 1980, 165) innerhalb der transitiven Verbalkategorie stellt er in folgendem Schema dar:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(1) - aktive Diathese: a) Juan pega a Pablo.
- passive Diathese: b) Pablo es pegado por Juan.
- reflexive Diathese: c) Juan se pega.
- reziproke Diathese: d) Juan y Pablo se pegan.
Bei der aktiven Diathese führt der erste Aktant A den Vorgang durch und seine Beteiligung an diesem Vorgang ist durchaus aktiv. Bei (1a) wird das Verb pegar in aktiver Diathese verwendet, da Juan die Schläge austeilt und Pablo sie erhält. Die passive Diathese ist die Umkehrung der aktiven Diathese (vgl. Tesnière 1980, 166), hier ist also der erste Aktant von dem Vorgang betroffen, seine Beteilung an ihm also durchaus passiv. (1b) drückt zwar denselben Sachverhalt aus, doch das Verb pegar wird in passiver Diathese verwendet, da der erste Aktant die Schläge nicht austeilt, sondern erhält, die Handlungsrichtung also eine andere ist. Laut Tesnière sind Aktiv und Passiv zwar die „beiden wichtigsten Diathesen der transitiven Kategorie, sie sind aber nicht die einzigen: Man kann sie miteinander kombinieren.“ (Tesnière 1980, 165) Im Falle der reflexiven Diathese teilt ein und dieselbe Person die Schläge aus und erhält sie. Sie ist dann zugleich aktiver und passiver Aktant oder erster und zweiter Aktant. Das Verb pegar wird also bei (1c) in der reflexiven Diathese verwendet, weil der Vorgang nicht nur von Juan ausgeht, sondern auch ihm gilt. (vgl. Tesnière 1980, 165) Schließlich ist es noch möglich, dass zwei parallele und entgegen gesetzte Vorgänge vorliegen, wobei jeder der beiden Aktanten eine aktive Rolle im einen und eine passive Rolle im anderen spielt. Dieser Fall liegt vor in Sätzen wie (1d). Das Verb pegar wird dort in der reziproken Diathese verwendet, weil der Vorgang in beiden Richtungen zugleich (reziprok) verläuft. Die Verwechslung mit dem Reflexiv Plural kann durch explizites Beifügen von el uno al otro, entre sí oder mutuamente vermieden werden. (vgl. Gómez Torrego 1992, 17)
b) nach Änderung im Valenzrahmen
Wenn die semantischen Funktionen nicht lediglich auf andere Repräsentationsformen projiziert werden (wie z.B. beim Passiv: der Patiens wird zum Subjekt und der Agens zum Objekt), sondern die Zahl der Aktanten verändert wird, spricht Tesnière von einer Änderung im Valenzrahmen des Verbs. Auch dieses grammatische Verfahren zur Verstärkung bzw. Rücknahme der Transitivität - auch Transitivierung/ Detransitivierung genannt (vgl. Oesterreicher 1991, 362) - bezeichnet Tesnière als Diathese (vgl. Tesnière 1980, 181). Wenn die Zahl der Aktanten um eine Einheit erhöht wird, nennt man dies kausative oder faktitive Diathese. Es wird also ein Aktant neu in den Prädikationsrahmen eingeführt und die Agensrolle wird in die zwei Rollen 'Veranlasser' und 'Ausführender' (vgl. Oesterreicher 1991, 363) gespalten.
(2) a) Juan pone la mesa.
b) María hace Juan poner la mesa.
Im Vergleich zu dem Satz (2a), wo es nur eine Subjektrolle, nämlich Juan, gibt und das Verb poner 2-wertig ist, gibt es bei dem Satz (2b) also sowohl die Subjektrolle des Veranlassers (María) als auch die des Ausführenden (Juan). Die Transitivität des Verbs poner wird verstärkt, es ist jetzt 3-wertig.
Im Gegensatz zur kausativen Diathese vermindert die rezessive Diathese die Zahl der Aktanten um eine Einheit. Unter die rezessive Diathese fallen laut Tesnière sowohl die reflexive und reziproke Diathese als auch die Passivformen ohne Agensnennung. Die reflexive Diathese hat zwar zwei Aktanten, bezeichnet mit diesen beiden aber nur eine Person, besser gesagt: Dieselbe Person erscheint gleichzeitig in der Rolle des ersten und des zweiten Aktanten. Se ermöglicht also nach Tesnière bei dem Satz Juan se lava den monovalenten, intransitiven Gebrauch des Verbs lavar, dass normalerweise divalent/ transitiv verwendet wird: Juan lava la ropa. Ebenfalls um eine Verminderung der Aktanten, genauer gesagt um eine Reduktion der Agensrolle, handelt es sich laut Tesnière bei den Passivformen ohne Agensnennung.
(3) a) Juan fue pegado (por Pablo).
b) El libro se publicó en 1952.
c) Se abre a las cinco.
d) On part à cinq heures.
Darunter fallen dann also im Spanischen sowohl das periphrastische Passiv ohne Agensergänzung in Form eines Präpositionalobjekts wie bei (3a), als auch das Reflexivpassiv (pasiva refleja) bei (3b) sowie das unpersönliche Passiv in Satz (3c). Auch Formulierungen mit dem unbestimmten Personalpronomen on (3d) (dt. man; im Spanischen nicht vorhanden) sind für Tesnière gleichbedeutend mit dem Fehlen eines Aktanten: „Es (man/ on) funktioniert als Markant der integralen rezessiven Diathese und macht ein Verb faktivisch avalent.“ (Tesnière 1980, 201)
Die Auffassung Tesnières von der rezessiven Diathese ist jedoch durchaus umstritten. Laut Oesterreicher liegt weder bei der reflexiven noch bei der reziproken Diathese eine Abweichung vom aktivischen Diathesetyp vor: „Es liegt nur zufällig eine Referenzidentität von Agens und Patiens vor; es gibt gerade keine grammatisch vollzogene Veränderung der Valenzstruktur des Prädikats.“ (Oesterreicher 1992b, 244) Folgende Beispiele sollen dies verdeutlichen: *Juan lava a Juan. - Juan se lava. / Juan lava al niño. - Juan lo lava. Se ist hier genauso wie lo ein echtes Pronomen, dass sich statt wie lo auf al niño eben auf Juan selbst bezieht. Es liegt also keine Aktantenreduktion vor. Auch lehnt Oesterreicher die Idee einer rezessiven Funktion der Passivdiathese ab, wenn wie bei dem periphrastischen Passiv der Agens lediglich fakultativ weggelassen werden kann wie bei (3a). Der Valenzrahmen des Verbs pegar ändert sich hier nicht, es liegt keine diathetische Verschiebung vor sondern lediglich eine Agensausblendung (vgl. Oesterreicher 1996, 330). Für ihn sind also lediglich die grammatisch pseudoreflexiven Verfahren wie beim Reflexivpassiv (3b) und beim unpersönlichen Reflexivum (3c) rezessiv. Wenn jedoch wie im Französischen ein unbestimmtes Pronomen on (3d) als Marker des unpersönlichen Passivs benutzt wird, liegt wiederum keine Valenzreduktion vor.
1.3. Diathesen nach Schmidt-Riese
Schmidt-Riese unterteilt die Diathese in drei Kategorien: Spiegeldiathese, Kausativdiathese und Rezessivdiathese. Bei der Spiegeldiathese findet eine veränderte Zuordnung der semantischen Funktionen statt, ohne dass sich jedoch die Aktantenzahl ändert. Als Ziel nennt Schmidt-Riese hier,
mit syntaktischer Funktion eines Arguments auch dessen pragmatische Funktion zu revidieren. Die lexikalisch als Subjekt und dadurch indirekt als thematische Komponente des Aktivsatze angelegte Agensrolle kann durch Diathese als präpositional kodiert und dadurch in rhematische Position verschoben werden. Die lexikalisch als Objekt und indirekt als rhematische Komponente angelegte Patiensrolle wird spiegelbildlich als Subjekt kodiert und in thematische Position verschoben. (Schmidt-Riese 1998a, 13)
Bei der passiven Diathese mit Agensnennung wird also die typische Zuordnung bei der aktiven Diathese Agens=Subjekt/ Patiens=Objekt zu Agens=Objekt/ Patiens=Subjekt verändert, ohne dass die Zahl der Aktanten sich ändert:
(1) a) Juan (S+A) pega a Pablo.(O+P)
b) Pablo (S+P) es pegado por Juan (O+A).
Die Definitionen der Kausativdiathese und der Rezessivdiathese entsprechen denen von Tesnière. Das Passiv ist für Schmidt-Riese ein Ausdrucksmittel zur Realisierung von zwei unterschiedlichen diathetischen Funktionen, der Spiegeldiathese und der Rezessivdiathese (vgl. Schmidt-Riese 1998b, 15).
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