Die vorliegende Arbeit wird sich mit dem Thema der strafbefreienden Selbstanzeige nach § 371 AO befassen. Hierfür werden zunächst die Voraussetzungen einer Selbstanzeige geprüft. Als Nächstes wird der Inhalt der Selbstanzeige thematisiert und zuletzt die Folgen aus der Selbstanzeige benannt.
Die Selbstanzeige ist ein Fall des nur ausnahmsweisen strafbefreienden Rücktritts von der vollendeten Tat. Sie dient steuerpolitischen Zwecken indem durch die Selbstanzeige unbekannte Steuerquellen erschlossen werden sollen. Des Weiteren soll dem Täter die Rückkehr zu einer Steuerehrlichkeit möglich gemacht werden. Die Überschrift des § 371 AO lautet "Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung". Für eine Strafbefreiung reicht die reine Selbstanzeige jedoch nicht aus, da der Gesetzgeber gewisse Ausschlusskriterien einer Strafbefreiung aufgelistet hat.
Inhaltsverzeichnis
1. ALLGEMEINE EINORDNUNG / DEFINITION
1.1 BEGRIFF DER SELBSTANZEIGE
2. VORAUSSETZUNGEN
3. INHALT
4. FOLGEN
5. ABLAUFHEMMUNG
6. RÜCKTRITT VOM VERSUCH
7. FAZIT
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. allgemeine Einordnung / Definition
Alleine im Jahr 2019 hatte die Bundesrepublik Deutschland rund 2,83 Milliarden Euro Steuermehreinnahmen durch Ermittlungen der Steuerfahndung.1 Alleine aufgrund der Tatsache, dass dem Staat Unmengen an Einnahmen fehlen, lässt sichjedoch eines sicher sagen: Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt. Steuerhinterziehung ist eine Straftat, die mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe oder mit einer Geldstrafe bestraft wird. In besonders schweren Fällen kann sogar eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren (vgl. § 370 AO). Der § 370 setzt eine Tathandlung, die Steuerhinterziehung, voraus. Eine Steuerhinterziehung begeht, wer:
- unrichtige oder unvollständige Angaben gegenüber den Finanzbehörden macht;
- Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen pflichtwidrig in Unkenntnis lässt, sowie
- eine pflichtwidrige Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstempeln unterlässt. Infolgedessen müssen Steuern verkürzt oder andere Steuervorteile erlangt werden (z.B. durch gefälschte Nachweise, das Verschweigen von Einnahmen o.ä.).
Des Weiteren wird ein Taterfolg vorausgesetzt.2
Aufgrund von Gesetzesänderungen spitzt sich die Lage von Steuersündem immer weiter zu. Das Thema Steuerhinterziehung und die damit verbundenen Konsequenzen hat in der Vergangenheit immer öfter die Frage aufgeworfen, wie man am besten aus der Situation rauskommt und somit einer Strafe entkommen kann. Dass die Bundesregierung sogenannte „Steuer-CDs“ kauft, erhöht die Angst vieler Leute, die z.B. Bankkonten im Ausland haben und im Inland keine Steuern aus diesen Erträgen zahlen. Die vorgenannten Strafen müssenjedoch nicht immer zutreffend sein, da der Gesetzgeber die Selbstanzeige nach § 371 AO ins Leben gerufen hat allen Steuersündem die Möglichkeit gegeben hat, Straffreiheit zu erlangen, soweit diese nicht nach § 371 Abs. 2 AO ausgeschlossen ist. Mit dem Jahressteuergesetz 2015 wurden verschärfte Anforderungen an die Selbstanzeige gestellt, um Straffreiheit zu erlangen. So müssen beispielsweise Hinterziehungszinsen nachgezahlt werden, um straffrei aus der Situation raus zu kommen. Ebenso wurde der Betrag von 50.000 Euro auf 25.000 Euro reduziert, der Straffreiheit generieren kann. Im gleichen Zug wurde aber ebenfalls möglich gemacht, Selbstanzeige zu erstatten, auch wenn eine Außenprüfung in Gange ist - allerdings nur für Jahre, die nicht Gegenstand der Prüfung sind.
Die Selbstanzeige ist ein Fall des nur ausnahmsweisen strafbefreienden Rücktritts von der vollendeten Tat. Sie dient steuerpolitischen Zwecken indem durch die Selbstanzeige unbekannte Steuerquellen erschlossen werden sollen. Des Weiteren soll dem Täter die Rückkehr zu einer Steuerehrlichkeit möglich gemacht werden.3 Die Überschrift des § 371 AO lautet „Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung“. Für eine Strafbefreiung reicht die reine Selbstanzeigejedoch nicht aus, da der Gesetzgeber gewisse Ausschlusskriterien einer Strafbefreiung aufgelistet hat (vgl. §371 Abs. 2 AO).
Die vorliegende Arbeit wird sich mit dem Thema der strafbefreienden Selbstanzeige befassen. Hierfür werden zunächst die Voraussetzungen einer Selbstanzeige geprüft. Als Nächstes wird der Inhalt der Selbstanzeige thematisiert und zuletzt die Folgen aus der Selbstanzeige benannt.
1.1 Begriff der Selbstanzeige
Der Begriff „Selbstanzeige“ ist immer wieder Gegenstand von Diskussionen. Er wurde im Jahr 1939 durch das Gesetz zur Änderung der Reichsabgenordnung (kurz: RAOÄndG) etabliert. Zu Missverständnis führe vor allem, dass der § 371 AO nicht voraussetzt, dass der Täter sich selbst einer Straftat bezichtigt. Die Berichtigungserklärung kann schließlich neutral abgegeben werden. Außerdem ist nach § 371 Absatz 3 AO regelmäßig eine Nachzahlung zu leisten, wodurch der Begriff das Wesen des § 371 AO nicht vollumfänglich beschreibe. Andere Formulierungen konnten sich bisher nicht durchsetzen, obwohl der Begriff„strafbefreiende Wiedergutmachung“ den §371 ziemlich genau beschreibt.4
2. Voraussetzungen
Der Gesetzgeber stellt verschiedene Anforderungen an die Selbstanzeige, damit diese wirksam ist und somit eine strafbefreiende Wirkung hat. Teilweise sind diese Anforderungen vorauszusetzen und teilweise auszuschließen. Hier wird gewöhnlich zwischen positiven und negativen Wirksamkeitsvoraussetzungen gesprochen. Die positiven Wirksamkeitsvoraussetzungen ergeben sich aus § 371 Abs. 1 und 3 AO und die Ausschlusstatbestände sind in § 371 Abs. 2 AO vermerkt.5 Als positive Wirksamkeitsvoraussetzung wird beschrieben, dass Steuerstraftaten nicht nach § 370 AO bestraft werden, wenn gegenüber der Finanzbehörde zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachgeholt werden (vgl. § 371 Abs. 1 Satz 1 AO). Des Weiteren müssen die Angaben zu allen nicht verjährten Steuerstraftaten einer Steuerart, jedoch mindestens zu sämtlichen Steuerstraftaten einer Steuerart innerhalb der letzten 10 Jahre erfolgen (vgl. § 371 Abs. 1 Satz 2 AO). Die Straffreiheit erfordert nicht nur eine Berichtigungserklärung, denn als weitere positive Wirksamkeitsvoraussetzung gilt die fristgerechte Nachzahlung der hinterzogenen Steuern zuzüglich anfallender Zinsen (vgl. §371 Abs. 3 AO). Negative Wirksamkeitsvoraussetzungen, also sogenannte Sperrgründe nach § 371 Abs. 2 AO, dürfen nicht gegeben sein. Hierzu benennt der § 371 Absatz 2 AO die folgenden Sperrgründe abschließend:
- Die Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung nach § 196 (§ 371 Abs. 2 Nr. la AO);
- die Bekanntgabe der Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens (§371 Abs. 2 Nr. lb AO);
- das Erscheinen eines Amtsträgers zur steuerlichen Prüfung sowie zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit, (§ 371 Abs. 2 Nr. lc und Nr. Id AO);
- das Wissen(müssen) des Täters von der Tatentdeckung, (§ 371 Abs. 2 Nr. 2 AO);
- eine betragsmäßige Begrenzung i. H. v. 25.000 € (§ 371 Abs. 2 Nr. 3 AO);
- eine Sperre bei Vorliegen eines besonders schweren Falles nach § 370 Abs. 2 bis 5AO;
- die allgemeine steuerliche Nachschau sowie speziell die Umsatzsteuer- und Lohnsteuemachschau nach § 27b UStG und § 42g EStG.6
Die Selbstanzeige ist an keine Form gebunden und kann in sämtlichen Formen abgegeben werden (zum Beispiel: schriftlich, mündlich, beiläufige Erklärung in einer Besprechung etc.). Aus Gründen der Beweislast sollte eine Selbstanzeige schriftlich abgegeben werden - am besten ist eine Quittierung seitens der Finanzbehörde.7 Für die Selbstanzeige ist es nicht zwingend notwendig, den Begriff „Selbstanzeige“ aufzuführen.8 Eine der wichtigsten Voraussetzungen ist, dass die Selbstanzeige vollständig und richtig sein muss (vgl. § 371 Abs. 1 Satz 1 AO: „in vollem Umfang [...] berichtigt““).
3. Inhalt
Dieses sogenannte Vollständigkeitsgebot ist der wesentliche Bestandteil des Inhalts der Selbstanzeige und bedeutet, dass alle Steuerstraftaten einer Steuerart, die der Berichtigende innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre begangen hat, selbst wenn die Taten im Einzelnen schon verjährt sind, benannt werden müssen.9 Die Angaben sind in einer Art und Weise zu berichtigen, zu ergänzen oder nachzuholen, die es den Finanzbehörden möglich macht ohne großes Suchen die korrekte Steuer zu ermitteln und festzusetzen.10 Es sind also die Besteuerungsgrundlagen mitzuteilen, die für die korrekte Steuerberechnung zutreffend sind. Somit müssen die Zahlenangaben der Selbstanzeige denselben Anforderungen genügen, die für eine Steuererklärung zu machen sind. Jedoch ist der Inhalt einer Selbstanzeige generell sehr umstritten, wenn die Tat bereits entdeckt aber noch kein Straf- oder Bußgeldverfahren eingeleitet wurde. Hier reicht beispielsweise das bloße Anerkennen eines Ergebnisses einer Betriebsprüfung nicht aus, um eine strafbefreiende Selbstanzeige aufzugeben. Es kann aber teilweise auch als ausreichend anerkannt werden, wenn der Steuerpflichtige gemeinsam mit dem Betriebsprüfer die Prüfungsergebnisse erarbeitet.11
4. Folgen
Wenn alle positiven Voraussetzungen nach § 371 Absatz 1 und 3 AO erfüllt sind und keine Ausschlussgründe nach § 371 Absatz 2 AO vorliegen ist der Strafanspruch aufgrund der Steuerhinterziehung hinfällig. Für denjenigen, der die Anzeige also erstattet, tritt somit Straffreiheit ein. Die Straffreiheit gilt jedoch nur für die Steuerhinterziehung und nicht für andere Straftaten - es sei denn es ist ausdrücklich erwähnt.12 Es gilt zu beachten, dass eine Selbstanzeige vollständig sein muss. Ist eine Selbstanzeige unvollständig, kann diese nicht strafbefreiend sein.13
Da es auch zu ungewollt unvollständigen Selbstanzeigen kommen kann, sollen marginale Differenzen unbeachtet werden lassen und die Selbstanazeige soll trotzdem strafbefreiend wirken. Damit der Strafsenat von einer Strafe absehen kann, darf die Abweichung nicht mehr als 5 Prozent betragen.14 Des Weiteren ist eine Selbstanzeige strafbefreiend, wenn die Selbstanzeige unvollständig ist aber der Selbstanzeigende alle ihm mögliche Angaben gemacht hat.15
Keine Straffreiheit tritt ein, wenn die positiven Wirksamkeitsvoraussetzungen nicht erfüllt sind oder eines der Ausschlusskriterien erfüllt ist. Ebenso tritt die Straffreiheit nicht ein, wenn die Selbstanzeige unvollständig ist - ausgenommen der zuvor genannten Ausnahmen.
5. Ablaufhemmung
Sollte eine Selbstanzeige beim zuständigen Finanzamt eingereicht werden, muss das Finanzamt diese nicht sofort bearbeiten. Hierfür hat das Finanzamt eine Frist von einem Jahr ab Einreichung der Anzeige gemäß §§ 153, 371 und 378 Absatz 3 AO (vgl. § 171 Absatz 9 AO). Bei zusammenveranlagten Ehegatten ist die Ablaufhemmung für jeden einzelnen zu prüfen.16
6. Rücktritt vom Versuch
Sollte der Steuerpflichtige die Steuerhinterziehung noch nicht vollzogen haben, kann er vom Versuch zurücktreten (vgl. § 369 Absatz 2 AO i.V.m. § 24 StGB). Zu beachten gilt es hierbei, die nachteiligen Folgen seiner Tat wieder zu beseitigen. Dieser Fall tritt zum Beispiel ein, wenn der Steuerpflichtige eine Einkommensteuererklärung abgibt und dort bewusst falsche Angaben macht. Da der Steuerpflichtige nun ein schlechtes Gewissen bekommt teilt er dem Finanzamt die richtigen Besteuerungsgrundlagen mit.
[...]
1 https://de.statista.com/statistik/daten/studie/257517/umfrage/anzahl-der-abgeschlossenen-ermitt- lungen-der-steuerfahndung/#professional
2 Klem/Jäger, 15. Aufl. 2020, AO § 370 Rn. 1-3
3 BGH, Beschluss v. 20.05.2010 - 1 StR 577/09
4 AI Hamwi, Die strafbefreiende Selbstanzeige nach § 371 AO
5 Zugmaier/Nöcker/Kohler, § 371 AORz. 12, Stand: 01.01.2020
6 Zugmaier/Nöcker/Kohler, § 371 AO Rz. 85-86, Stand: 01.01.2020
7 Zugmaier/Nöcker/Kohler, § 371 AO Rz. 13-14, Stand: 01.01.2020
8 MüKoStGB/Kohler, 3. Aufl. 2019, AO§371 Rn. 47
9 https://datenbank.nwb.de/Dokument/Anzeigen/529402/?shigh=Selbstanzeige%202020&list- Pos=l&listld=1145036
10 BGH, Urteil v. 05.05.2004 - 5 StR 548/03
11 Klem/Jäger, 15. Aufl. 2020, AO § 378 Rn. 42
12 MüKoStGB/Kohler, 3. Aufl. 2019, AO § 371 Rn. 33 3, 334
13 https://datenbank.nwb.de/Dokument/Anzeigen/529402/?shigh=inhalt%20selbstanzeige&list- Pos=2&listld=301811#data-fnotel63
14 Joecks/Jäger/Randt/Joecks, 8. Aufl. 2015, AO § 371 Rn. 386
15 https://datenbank.nwb.de/Dokument/Anzeigen/529402/?shigh=inhalt%20selbstanzeige&list- Pos=2&listld=301811#data-fnotel63
16 BFHUrteilv. 17.11.2015-VIIIR68/13 BStB12016II S. 571
- Citation du texte
- Fabian Telgenkemper (Auteur), 2021, Die strafbefreienden Selbstanzeige nach § 371 AO, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1188746
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