„Farbe ist Leben, denn eine Welt ohne Farben erscheint uns wie tot. […]
Das Licht, dieses Urphänomen der Welt, offenbart uns in den Farben
den Geist und die lebendige Seele der Welt.“
Dieses Eingangszitat von Johannes Itten verdeutlicht die Bedeutung der Farbe für uns und unsere Wahrnehmung der Wirklichkeit. Möglicherweise nehmen Schüler diese immer bunter werdende Wirklichkeit in ihrer Farbenvielfalt gar nicht wahr. Diese Befürchtung wurde in mir laut, als ich die Kindergemälde einer 3. Klasse betrachtete. Sie waren nicht nur bezüglich ihrer Themenmotive und ihrer Malweisen ganz verschieden. Sehr unterschiedlich war auch die Anzahl der gemalten Farben. Während die einen Schüler scheinbar alle verfügbaren Farben verwendet hatten, hatten andere das ganze Bild lediglich in einem Farbton gemalt, scheinbar ohne Wert auf dessen Farbigkeit zu legen.
In den von mir gemalten Bildern, erlebe ich die verschiedenen Farben mit ihrer schier unendlichen Vielzahl an Farbnuancen. Dies ist der Grund, warum für mich die einfältige Farbwahl einzelner Schüler überhaupt nicht nachvollziehbar war und sich mir folgende Fragen aufdrängten: „Sind meine Arbeiten so bunt, da ich die Farbenpracht der Natur bewusst erlebe?“ und „Ist die monotone Farbverwendung ein Zeichen dafür, dass die Schüler die Welt der Farben nicht differenziert wahrnehmen?“. Tests belegen, dass die Farbigkeit des Gemalten, der des Vorstellungsbildes entspricht. Dieses kann nur farbig sein, wenn auch der Maler die Farben seiner Umwelt wahrnimmt.
Im Rahmen dieser Arbeit werden in der erwähnten Klasse Lernstandtests zur Farbwahrnehmung durchgeführt (s. 6; Anhang). Diese zeigen, dass die Schüler die Farbenpracht der Welt unterschiedlich intensiv wahrnehmen. Möglicherweise haben die Kinder die Farbenwelt bisher in unterschiedlichem Ausmaß entdeckt oder ist für sie inzwischen zu etwas Selbstverständlichem geworden, deren Fülle und Lebendigkeit sie nicht mehr wahrnehmen.
1 Einleitung
„Farbe ist Leben, denn eine Welt ohne Farben erscheint uns wie tot. […] Das Licht, dieses Urphänomen der Welt, offenbart uns in den Farben den Geist und die lebendige Seele der Welt.“1
Dieses Eingangszitat von Johannes Itten verdeutlicht die Bedeutung der Farbe für uns und unsere Wahrnehmung der Wirklichkeit. Möglicherweise nehmen Schüler2 diese immer bunter werdende Wirklichkeit in ihrer Farbenvielfalt gar nicht wahr. Diese Befürchtung wurde in mir laut, als ich die Kindergemälde einer3. Klasse betrachtete. Sie waren nicht nur bezüglich ihrer Themenmotive und ihrer Malweisen ganz verschieden. Sehr unterschiedlich war auch die Anzahl der gemalten Farben. Während die einen Schüler scheinbar alle verfügbaren Farben verwendet hatten, hatten andere das ganze Bild lediglich in einem Farbton gemalt, scheinbar ohne Wert auf dessen Farbigkeit zu legen.
In den von mir gemalten Bildern, erlebe ich die verschiedenen Farben mit ihrer schier unendlichen Vielzahl an Farbnuancen. Dies ist der Grund, warum für mich die einfältige Farbwahl einzelner Schüler überhaupt nicht nachvollziehbar war und sich mir folgende Fragen aufdrängten: „Sind meine Arbeiten so bunt, da ich die Farbenpracht der Natur bewusst erlebe?“ und „Ist die monotone Farbverwendung ein Zeichen dafür, dass die Schüler die Welt der Farben nicht differenziert wahrnehmen?“. Tests belegen, dass die Farbigkeit des Gemalten, der des Vorstellungsbildes entspricht. Dieses kann nur farbig sein, wenn auch der Maler die Farben seiner Umwelt wahrnimmt.3
Im Rahmen dieser Arbeit werden in der erwähnten Klasse Lernstandtests zur Farbwahrnehmung durchgeführt (s. 6; Anhang). Diese zeigen, dass die Schüler die Farbenpracht der Welt unterschiedlich intensiv wahrnehmen. Möglicherweise haben die Kinder die Farbenwelt bisher in unterschiedlichem Ausmaß entdeckt oder ist für sie inzwischen zu etwas Selbstverständlichem geworden, deren Fülle und Lebendigkeit sie nicht mehr wahrnehmen.
Dabei sind „Wahrnehmen und ein sinnlich aktives, affektives berührtes Leben […] ästhetische Qualitäten […]. Was unsere Sinne wahrnehmen, sind […] Qualitäten. Die Sinneswelt, in der wir leben, in der wir uns voll und ganz als Mensch fühlen können, ist eine Welt der Qualitäten.“4 Somit ist die Entfaltung und „der Gebrauch der Sinne zur Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit“5 die Grundlage der ästhetischen Bildung und das Thema „Farbe sogar dafür prädestiniert, zum Kernthema der ästhetischen Erziehung zu werden“6.
In diesem Sinne und aufgrund meiner Beobachtungen sehe ich die Farbsensibilisierung als eine Forderung, die an den Kunstunterricht zu stellen ist.
Mit dem Ziel, den Kindern Möglichkeiten der Farbsensibilisierung in einem kompetenzorientierten Kunstunterricht anzubieten, habe ich eine Einheit zum Thema „Die Farbe Grün“ konzipiert. Damit die zahlreichen verschiedenen Nuancen einer Farbe entdeckt, die Sinneseindrücke speziell zu dieser Farbe ausreichend verarbeitet und mit Entdeckungen außerhalb des Kunstunterrichts bereichert werden können, wurden den Kindern über einen längeren Zeitraum (18 Zeitstunden) vielfältige Lernangebote zu der Farbe Grün bereitgestellt.
Ob es mir innerhalb der „grünen Einheit“ gelungen ist, den Kindern ein entsprechendes Lernangebot zu gestalten und inwiefern sich bei allen Kindern mit ihren unterschiedlichen Lernvoraussetzungen eine Farbsensibilisierung tatsächlich einstellen konnte, diesen Fragen wird in der vorliegenden Arbeit nachgegangen. Das Lernangebot soll hinsichtlich seiner Auswirkungen untersucht werden.
Wird sich der Alltag für die Kinder nach der Einheit tatsächlich „grüner“ gestalten und „die Seele der Welt“ wieder lebendiger?
Da sich die Lernausgangslagen und der Lernzuwachs der Schüler ganz unterschiedlich gestalten, werden nicht nur einzelne, sondern alle Kinder mit ihren facettenreichen Entwicklungen in die Untersuchung einbezogen.
Für ein besseres Verständnis der Arbeit folgt nun eine kurze Gliederung. Mit dem Ziel der Farbsensibilisierung soll den Kindern eine Lernsituation zum Thema „Die Farbe Grün“ gestaltet werden. In Kapitel 2 werden die damit einhergehenden Vorüberlegungen schwerpunktartig dargestellt. Es erfolgt die Klärung der Begrifflichkeiten Farbwahrnehmung (s. 3.1) und Farbsensibilisierung (s. 3.2) bevor dargelegt wird, warum diese für die Kinder bedeutend sind (s. 3.3). Die Notwendigkeit der Farbsensibilisierung und deren Förderung wird vor dem Hintergrund der allgemeinen Bildungsziele (s. 3.3.1) und im kunstdidaktiktischen Kontext (s. 3.3.2) in den zwei folgenden Kapiteln spezifiziert und legitimiert.
Die Farbsensibilisierung soll mittels der Farbe Grün initiiert werden, die im Kapitel 3.4 mit ihren prägnanten Eigenheiten und ihrer kulturellen Bedeutung vorgestellt und als Unterrichtsinhalt begründet wird (s. 3.5). Für das Farberlebnis bietet das Lernen an Stationen einen geeigneten Rahmen, der hinsichtlich der Farbsensibilisierung im anschließenden Kapitel begründet wird (s. 3.6). Indem die Farberfahrung innerhalb eines kompetenzorientierten Kunstunterrichts stattfindet, wird diese mit veränderten Zielsetzungen angeleitet, die in Kapitel 3.7 geschildert werden. Für die Gestaltung der Lernumgebung ist die Lerngruppe bedeutend, deren Lernausgangslage in Kapitel 4 unter Hinzuziehen von Ergebnissen eines Lernausgangstests mit dem Fokus auf dem Bereich der Farbwahrnehmung analysiert wird. Im Anschluss erfolgt die Darstellung der Durchführung (s. 5), indem das Agieren der Kinder innerhalb der gestalteten Lernumgebung geschildert und hinsichtlich der stattgefundenen Farbsensibilisierung untersucht wird. In Kapitel 6 wird die stattgefundene Farbsensibilisierung anhand des Testergebnisses und im Hinblick auf das Lernziel bedeutenden Schüleraussagen beleuchtet, um anschließend die gewonnenen Erkenntnisse in eine Gesamtreflexion münden zu lassen (s. 7). Das abschließende Kapitel 8 stützt sich auf die vorangegangenen Kapitel, gibt einen Ausblick und schließt die Arbeit zusammenfassend ab. Der Anhang beinhaltet Schriftstücke, die beispielhaft die Kinderaussagen belegen, Fotos die einen Einblick in die „Grüne Woche“ gewähren und Testergebnisse, die die Lernentwicklung der Schüler aufzeigen. Die thematisch gegliederte Foto-CD soll das „grüne Bild“ abrunden.
2 Vorüberlegungen
Durch das Abwägen von Vorüberlegungen soll ein Konzept auf den Weg gebracht werden, das den Kindern eine Sensibilisierung ihrer Farbwahrnehmung hinsichtlich der Farbe Grün ermöglicht. Folgend werden die wichtigsten Entscheidungen begründet dargestellt.
Die Wahrnehmung als ästhetische Qualität hat „überfachliche Gültigkeit“.7 Obwohl dieser fächerübergreifende Ansatz vielfältige Lernmöglichkeiten in sich birgt, soll das Phänomen Farbe hinter die Farbe als Gestaltungsmittel und Symbol gestellt werden. Der Schwerpunkt muss auf der Farbigkeit mit ihrem Facettenreichtum liegen, um das Farberlebnis ausreichend intensivieren zu können. Würde das Grün beispielsweise über den kulturellen Aspekt erschlossen werden, ist davon auszugehen, dass dieser Kontext vom eigentlich bedeutenden Farbeindruck ablenken würde.
Zu Gunsten der Entdeckung der Vielfalt von Farbnuancen scheint es sinnvoll, sich auf eine Farbe zu beschränken. Daher und aus organisatorischen Gründen ist die Möglichkeit, die Kinder zu ihrer Lieblingsfarbe arbeiten zu lassen, eher ungeeignet. Die Begründung für die Wahl der Farbe Grün ist unter Kapitel 3.5 zu finden.
„Die Farbe Grün“ soll viele individuelle Lernprozesse anstoßen, in denen die Schüler die Farbe eindringlich erleben. In einem festgelegten Schulstundenrhythmus würden die „grünen Erlebnisse“ ständig unterbrochen und ein Aufsuchen außerschulischer Lernorte unmöglich werden. Deshalb soll die Unterrichtseinheit im Rahmen der „Grünen Woche“ durchgeführt werden, wodurch der zeitliche Rahmen auf den eines Schulvormittags ausgedehnt wird.
Die Lerninhalte sind derart gestaltet, dass sie sich tageweise durchführen lassen – ohne dabei jedoch die Individualität der Lernprozesse zu berücksichtigen. Diese würden sich wahrscheinlich in unterschiedlichen Tempi vollziehen, so dass einige Kinder ein zeitfüllendes Differenzierungsangebot bräuchten, während andere mit ihrer Arbeit nicht fertig würden. Derartige Unterbrechungen sind für das Lernen hinderlich und sollen deshalb möglichst vermieden werden. Eine Alternative zum gleichschrittigen Vorgehen ist das Arbeiten mit der Lerntheke, an der sich die Schüler mit Arbeitsanweisungen und Material bedienen, das sie anschließend an ihren Plätzen bearbeiten. Da die meisten Aufgaben der „grünen Einheit“ nur mittels umfangreichen Arbeitsmaterials zu bearbeiten sind, wäre der Transport sehr umständlich, große Unruhe würde entstehen und der zur Verfügung stehende Arbeitsplatz wäre nicht ausreichend. Aus diesen Gründen habe ich mich für das Einrichten von Stationen entschieden. Materialien, Geräte und verständliche Aufgabenstellungen werden fest platziert und die Kinder durchlaufen nacheinander die einzelnen Stationen.
Einzelne Lerninhalte lassen sich in Unterrichtsgesprächen effektiver vermitteln, weshalb überlegt werden muss, was an den Stationen oder in gemeinsamen Unterrichtsphasen erarbeitet werden soll. Arbeitsund Rezeptionsprozesse werden erst im Austausch zum Lernprozess8 und deshalb sollen neben dem Stationsbetrieb gemeinsame Reflexionsphasen stattfinden oder auch Bildbetrachtungen.
Da das umfangreiche Stationsangebot die Kinder „übermotiviert“, muss ihr Lernen verlangsamt und vertieft werden. Darum wird es vor dem Abschluss eines „grünen Tages“ eine gemeinsame Reflexion und Schreibphase geben, in der die Kinder ihr Erlebtes und Erlerntes reflektieren.
3 Definitionen und Begründungen
Im Folgenden sollen zunächst u.a. die Begriffe der Farbwahrnehmung und der Farbsensibilisierung als grundlegend für diese Arbeit erläutert werden, um anschließend darzulegen, warum die Sensibilisierung der Farbwahrnehmung im kompetenzorientierten Kunstunterricht erstrebenswert ist.
3.1 Der Begriff der Farbwahrnehmung
Das Auge ist dazu ausgebildet, Lichtreize aufzunehmen. Objekte reflektieren Licht, wobei aufgrund ihrer physikalischen Struktur einzelne Frequenzbereiche nicht zurückgeworfen, sondern absorbiert werden. Somit reflektiert ein grüner Gegenstand nur die Wellen des Bereichs zurück, die wir als Grün wahrnehmen. Alle anderen werden absorbiert.9
3.1.1 Physiologische Grundlagen der Farbwahrnehmung
Der Prozess der Farbwahrnehmung wird erst durch die Einheit von Sensorik und Kognition möglich. Das menschliche Sehen beruht auf einer Sinnesleistung, die Lichtenergie in elektrische Impulse verwandelt. Im Gehirn werden diese verarbeitet, wodurch die Illusion von Farbe entsteht. Die Grundlage des Farbensehens ist die Fähigkeit, unterschiedliche Wellenlängen des Lichts erkennen zu können.10
3.1.2 Neurobiologische Grundlagen der Farbwahrnehmung
Das Farbensehen findet außerhalb des Auges statt. Farben sind mentale Konstruktionen, die erst durch die sensorische Verarbeitung entstehen. Demnach ist ‚Farbe‘ eine Reaktion des Nervensystems auf spezifische Stimuli, weshalb es bei der Wahrnehmung von Farbe weniger um optisch-physikalische Vorgänge geht, als vielmehr um Prozesse der Enkodierung von Farbeindrücken im Gehirn. Physikalische Energie wird in elektrochemische Energie umgewandelt.11
3.1.3 Wahrnehmung und Kognition
Auf der kognitiven Ebene werden die eingehenden Informationen analysiert und synthetisiert. Der eigentliche Wahrnehmungsprozess kommt durch die Einheit aus Sehen und Verstehen zustande. „Um festzustellen, was es sieht, kann das Gehirn sich nicht damit begnügen, die Netzhautbilder zu analysieren, sondern muss aus sich heraus die visuelle Außenwelt konstruieren.“12
Die Wahrnehmung ist ein konstruktiver Prozess. Er hängt neben der Information, die im Stimulus enthalten ist, von der geistigen Struktur des Wahrnehmenden ab.13 Deshalb ist aus „Sicht der Kognitionspsychologie […] die innere Verarbeitung und Repräsentation von mentalen Ereignissen“14 von Interesse.
Im Rahmen dieser Arbeit, im Hinblick auf die Farbsensibilisierung, meint diese vor allem die Speicherung und Kodierung unterschiedlicher Farbtöne, die Verbindung von Aspekten der Wahrnehmung und Sprache und mögliche Lerneffekte durch visuelle Stimuli.15
3.2 Farbsensibilisierung
Die Wahrnehmung des Menschen ist durch eine „zunehmende Differenzierung“ der Information erweiterbar, wobei von einer Sensibilisierung gesprochen werden kann.16 Gibson meint mit dem Lernen beim Wahrnehmen nicht das Erlernen von Empfindungsarten wie das Fixieren, die Augenbewegung oder die Erzeugung eines optimalen visuellen Bildes. Vielmehr muss die „Identifikation der Merkmale visueller Reizung“ gelernt werden. Um Merkmale identifizieren zu können, ist die „Unterscheidung von Variablen“17 notwendig. Auf die Farbwahrnehmung bezogen heißt das, dass die Farbe hinsichtlich ihrer möglichen Farberscheinungen untersucht wird. Durch die Beantwortung der Frage, was die Farbe (Grün) ausmacht, findet eine Sensibilisierung der Farbwahrnehmung statt.
Zum „Sehenlernen“ schreibt Gibson außerdem: „Wenn Dinge identifizierbar werden, wenn wir es lernen, die Unterschiede zwischen ihnen zu bemerken, dann werden unsere Wahrnehmungen der Welt differenziert. Zuvor unbestimmte Qualitäten werden bestimmt.“ Der Vorgang des Sehenlernens wird folglich als ein Prozess beschrieben, bei dem vorher Unbestimmtes, bestimmbar, erkannt und benennbar wird. Qualitäten und Unterschiede können herausgestellt werden.18 Bezogen auf die Farbwahrnehmung heißt das, dass die differenziert empfundenen Farbtöne mit ihrer Helligkeit, Sättigung und den Farbanteilen mittels Farbnamen benannt werden. Gegenstandsklassen können gebildet werden, was im weiteren Prozess zu einer Bestimmung umfassenderer Klassen führt. Eine Identifikation weiterer Farben wird bewirkt. Demzufolge ist die Klassifikation bei der Sensibilisierung der Wahrnehmung bedeutend. Zum Beispiel werden Farben mit einem hohen Blauanteil als dunkle Grüntöne entdeckt, woraufhin weitere dunkle Grüntöne, die möglicherweise mit Schwarz abgedunkelt sind, erkannt werden.
Durch die zunehmende Kategorisierung und die Praxis wird die wahrgenommene Information, hier die gesehene Farberscheinung, zunehmend „verfeinert, reichhaltiger und präziser“19. Das Urteilsvermögen basiert für Gibson „auf der ständigen Einübung der Aufmerksamkeit, Feinheiten innerhalb invarianter Reizinformation besser zu betrachten“20. Immer feinere Einzelheiten werden erfasst und auch die Spanne der Aufmerksamkeit dehnt sich „zeitlich“ wie „räumlich“ aus.21
Die Sensibilisierung der Wahrnehmung ist ein immer fortschreitender Prozess, indem immer feinere Farbunterschiede entdeckt werden. „Wahrnehmungslernen hört nie auf, solange das Leben dauert.“22
3.3 Notwendigkeit der Farbsensibilisierung
Der Sensibilisierung der Farbwahrnehmung kommt eine elementare Bedeutung zu. Je ausgeprägter und differenzierter die Farbwahrnehmung, desto mehr und reichere Eindrücke können die Kinder in der farbigen Welt sammeln. Der Horizont des Kindes wird verändert, erweitert und vertieft.
Außerdem ist für viele Lernprozesse eine breite Basis von vielfältigen Farberlebnissen und differenzierten Sinneserfahrungen entscheidend. So beeinflusst die Sinneswahrnehmung neben der kindlichen Entwicklung auch die Entwicklung kognitiver Leistungen. Rechenschwächen, LRS und Aufmerksamkeitsstörungen resultieren häufig aus einer gestörten Wahrnehmung, die Farbwahrnehmung inbegriffen.23
Hinsichtlich der Farbwahrnehmung ist der Ästhetik der Farbe eine verhältnismäßig geringe Bedeutung beizumessen, obwohl sie in der bunten Lebenswelt der Kinder zu dominieren scheint.
Eine sichere Orientierung in dieser wird erst durch die Farbwahrnehmung gänzlich möglich. Die Farbwahrnehmung hilft dabei, Formen von Objekten korrekt wahrzunehmen. Auch das Bestimmen der Grenzen von sich überschneidenden Gegenständen wird durch die Farbwahrnehmung in besonderer Weise unterstützt. Die Umwelt erhält optische Tiefe, indem durch die Farbigkeit Gegenstände aus dem Hintergrund hervortreten oder in den Hintergrund rücken. Farbe weist auch auf die Zusammengehörigkeit von Dingen hin, wodurch mehrteilige Gegenstände leichter erkennbar werden. Zu den wichtigsten Funktionen der Farbwahrnehmung zählt die Signalfunktion von Farben. Bestimmte Farben haben gewisse Bedeutungen, die entweder angeboren oder als gesellschaftliche Normen erlernt werden.24
Die Bedeutung des Farbensehens wird durch den Vergleich von Farbund Schwarzweiß-Reproduktionen deutlich. Dieser zeigt, dass bei einer Beschränkung auf die Grautonskala viele Informationen verloren gehen können. Erst die Wahrnehmung von Farbkontrasten ermöglicht eine differenzierte Betrachtung.25
3.3.1 Begründung der Farbsensibilisierung durch die Bildungsziele
Geht es im Kern der Problemstellung um die Sensibilisierung der Farbwahrnehmung, so ist es notwendig, zugrunde liegende rechtliche Rahmenbedingungen einzusehen, d.h. diese auf Begründungen und Forderungen der Farbsensibilisierung hin zu untersuchen. Grundlage bildet der Rahmenplan für die Grundschule26.
Laut Rahmenplan wird die Grundschule als Ort grundlegender Erfahrungen verstanden und soll somit die ästhetische Erfahrung ermöglichen. Ihr wird eine besondere Bedeutung zugesprochen, da der Mensch erst über die „Aisthesis“, die sinnliche Wahrnehmung, einen Zugang zu seiner Umwelt erlangt, sie erkennt, versteht und beurteilen kann.
Die Schule soll den Gebrauch der Sinne herausfordern, damit sich das Kind die Welt selbst erschließt, „sich ein eigenes Bild von der Wirklichkeit“ macht.
Vor dem Hintergrund der veränderten Lebenswelt der Kinder, in der „Durchschaubarkeit und Sinnlichkeit“ durch die Flut v.a. medial bedingter optischer Reize zunehmend verloren gehen und die Kinder durch Erfahrungen aus zweiter Hand ihre Umwelt lediglich in „verfremdeten Zusammenhängen“ erleben, gewinnt der Gebrauch der Sinne zur Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit zunehmend an Wert.
Auch dadurch, dass zugleich das Empfindungsvermögen sowie die „Denk-, Vorstellungs- und Bewertungsfähigkeit“ gefördert werden27.
[...]
1 Itten 1991, S. 8
2 Der männlichen Form ist die weibliche inbegriffen
3 vgl. Oswald 2003, S. 255f.
4 Aissen-Crewett 1997, S. 148
5 Hess. Rahmenplan 1995, S. 178
6 Aissen-Crewett 1997, S. 148
7 Jaud u.a. 1999, S.8
8 vgl. Hamm 2006, S. 68 f.
9 vgl. Kuthe 2002, S. 3f.
10 vgl. Oswald 2003, S. 61
11 vgl. ebd. 2003, S. 75
12 Zeki 1992, S. 54
13 vgl. Oswald 2003, S. 93
14 Kandel 1996, S. 329
15 ebd. 1996, S. 329
16 vgl. Guski 1996, S. 126 f.
17 Gibson 1973, S. 323
18vgl. ebd. 1973, S. 323 f.
19 Gibson 1982, S. 264
20 Gibson 1973, S. 346
21 vgl. ebd. 1973, S. 329
22 ebd. 1973, S. 264
23 vgl. Knauf u.a. 2006, S. 63
24 vgl. Kuthe 2002, S. 4
25 vgl. Oswald 2003, S. 119
26 Hessisches Kultusministerium (Hrsg.)1995: Rahmenplan Grundschule.
27 vgl ebd. 1995, S. 19
- Quote paper
- Linda Himmelmann (Author), 2008, "Die Farbe Grün". Möglichkeiten der Farbsensibilisierung im Rahmen eines kompetenzorientierten Kunstunterrichts einer dritten Grundschulklasse, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/118676
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