„Es ist das natürliche Recht eines jeden, der in diese Welt geboren wird, sein
Leben zu fördern, zu bewahren und zu verteidigen, so gut er kann.“
Die Pestpandemie von 1347 bis 1353, auch Schwarzer Tod genannt, die aus
Zentralasien eingeschleppt und sich über die italienischen Hafenstädte in fast ganz
Europa ausgebreitet hatte, raffte schätzungsweise ein Viertel bis zu einem Drittel
der europäischen Bevölkerung dahin. Wahrscheinlich hat kein anderes Ereignis in
der europäischen Geschichte, abgesehen von dem Grauen der NS-Zeit, einen so
nachhaltigen Eindruck bei den Menschen hinterlassen und die Weltbilder so
erschüttert, wie die Pest im Spätmittelalter. Die Flagellantenbewegung erhielt eine
hohe Aufmerksamkeit und hatte einen relativ hohen Zulauf. Pogrome gegen
Juden, die beschuldigt wurden das Trinkwasser vergiftet zu haben, verlangten
weitere Opfer. Mittelalterliche Werte und Normen verloren an Bedeutung.
Eine für das Thema wichtige Quellensammlung bietet Klaus Bergdolt mit „Die
Pest 1348 in Italien“. Es beinhaltet eine Reihe von Quellen, die von ihm selbst als
Herausgeber übersetzt worden sind. Zwei zentrale Textquellen über die Pest in
Florenz bilden die Chroniken von Matteo Villani und Boccaccios Bericht am
Anfang seines Decameron.
Diese Arbeit befasst sich mit der Pestschilderung im Anfangsteil des Decameron
und den Wert, den sie für die Geschichtswissenschaft trägt. Ferner werden
Boccaccios Aussagen mit Villanis Bericht über die Pest hinsichtlich darauf
verglichen und geprüft, inwiefern sie sich decken und inwiefern sie voneinander
abweichen. Ein besonderes Augenmerk kommt hierbei dem geistigen Wandel zu,
der sich in der Florentiner Gesellschaft mit der Pest laut unseren Quellen
vollzogen hatte.
[...]
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Giovanni Boccaccio
2.1 Sein Leben
2.3 Seine Werke
3. Decameron
3.1 Ein literarisches Kunstwerk
3.2 Zeitgenössische Quelle zur Pest 1348
3.2.1 Entstehung und Verlauf
3.2.2 Ursachen und Symptome
3.2.3 Reaktionen und Folgen
4. Cronica di Matteo Villani
4.1 Matteo Villani
4.2 Cronica als zeitgenössische Quelle zur Pest 1348
4.2.1. Entstehung und Verlauf
4.2.2 Ursachen und Symptome
4.2.3 Reaktionen und Folgen
5. Fazit
6. Quellen- und Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„Es ist das natürliche Recht eines jeden, der in diese Welt geboren wird, sein Leben zu fördern, zu bewahren und zu verteidigen, so gut er kann.“[1]
Die Pestpandemie von 1347 bis 1353, auch Schwarzer Tod genannt, die aus Zentralasien eingeschleppt und sich über die italienischen Hafenstädte in fast ganz Europa ausgebreitet hatte, raffte schätzungsweise ein Viertel bis zu einem Drittel der europäischen Bevölkerung dahin. Wahrscheinlich hat kein anderes Ereignis in der europäischen Geschichte, abgesehen von dem Grauen der NS-Zeit, einen so nachhaltigen Eindruck bei den Menschen hinterlassen und die Weltbilder so erschüttert, wie die Pest im Spätmittelalter. Die Flagellantenbewegung erhielt eine hohe Aufmerksamkeit und hatte einen relativ hohen Zulauf. Pogrome gegen Juden, die beschuldigt wurden das Trinkwasser vergiftet zu haben, verlangten weitere Opfer. Mittelalterliche Werte und Normen verloren an Bedeutung.
Eine für das Thema wichtige Quellensammlung bietet Klaus Bergdolt mit „Die Pest 1348 in Italien“. Es beinhaltet eine Reihe von Quellen, die von ihm selbst als Herausgeber übersetzt worden sind. Zwei zentrale Textquellen über die Pest in Florenz bilden die Chroniken von Matteo Villani und Boccaccios Bericht am Anfang seines Decameron.
Diese Arbeit befasst sich mit der Pestschilderung im Anfangsteil des Decameron und den Wert, den sie für die Geschichtswissenschaft trägt. Ferner werden Boccaccios Aussagen mit Villanis Bericht über die Pest hinsichtlich darauf verglichen und geprüft, inwiefern sie sich decken und inwiefern sie voneinander abweichen. Ein besonderes Augenmerk kommt hierbei dem geistigen Wandel zu, der sich in der Florentiner Gesellschaft mit der Pest laut unseren Quellen vollzogen hatte.
2. Giovanni Boccaccio
Giovanni Boccaccio (1313 – 1375) war ein italienischer Novellist, Dichter und Humanist. Neben Dante Alighieri (1265 – 1321) und Francesco Petrarca (1304 – 1374) gilt er als einer der führenden Autoren des Trecento[2].
2.1 Sein Leben
Boccaccio ist im Sommer 1313 als unehelicher Sohn eines Florentiner Kaufmanns in Florenz oder in Certaldo nahe Florenz geboren. Seine Mutter wird weder in Dokumenten der Familie noch von Boccaccio selbst erwähnt. Lange Zeit nahm man an, dass sie eine französische Adlige war und dass Boccaccio in Paris geboren sei. Heute legt man diesem Irrglauben eine Romantisierung Boccaccios Person durch seine Anhängerschaft zugrunde. Seine Kindheit verbrachte er in Florenz bei seinem Vater, der eine frühzeitige Bildung seines Sohnes förderte und den Kaufmannsberuf für ihn vorsah.[3]
Etwa 1327 begann er eine kaufmännische Ausbildung in Neapel, die er jedoch wieder aufgab, um zunächst kanonisches Recht und später dann klassische Sprachen zu studieren. Zudem kam er hier in Kontakt mit Künstlern und Gelehrten wie u. a. Cino da Pistoia.[4] Das Interesse für die Dichtkunst wurde in ihm geweckt und er schrieb seine ersten Werke.
Zwischen 1339 und 1341 kehrte Boccaccio auf Bestreben seines Vaters nach Florenz zurück und war später für die dortige Stadtregierung in verschiedenen diplomatischen Funktionen tätig. Im Januar 1348 war er bei Francesco Ordelaffi in Forlì zu Gast. Im Frühjahr desselben Jahres, als die Pest in Florenz wütete, war er in Neapel.[5] Dort wird er wohl seine Erfahrungen mit der Seuche gemacht haben. Zur selben Zeit fiel sein Vater der Pest zum Opfer. Zurück in Florenz begann er sein Hauptwerk Decameron zu schreiben.
Seine Bekanntschaft mit Petrarca 1350 führte zu einer langwierigen und engen Freundschaft. Von ihm lernte er viel über die antike Literatur. 1351 wurde Boccaccio zum Stadtkämmerer von Mailand ernannt und reiste als Gesandter zu Ludwig dem Bayern[6], der mittlerweile in Oberbayern alleine regierte. 1359 begründete Boccaccio am Studio Fiorentiono den ersten Lehrstuhl für Griechisch. Vier Jahre später kehrte er auf seinen Landsitz in Certaldo bei Florenz zurück. Er schrieb die Vita di Dante und hielt Lesungen zu Dantes La Comedia. Im Dezember 1375 starb Boccaccio auf seinem Landsitz in Certaldo.[7]
2.3 Seine Werke
Nach dem bereits 1334 verfassten Kurzepos Caccia di Diana und anderen kleineren Arbeiten schrieb Boccaccio um 1335 das Kurzepos Filostrato, dessen neun Teile eine Episode des Trojastoffs wieder aufnehmen. Zwischen 1336 und 1338 verfasste er in fünf Büchern den Prosaroman Filocolo, in dem die Liebesgeschichte von Florio und Biancofiore erzählt wird. Es ist ungewiss, ob Boccaccio das Epos Teseida, das in seiner Handlung dem Ritterroman gleicht, in Neapel oder in Florenz verfasst hat. Das Werk ist zwischen 1339 und 1341 entstanden.[8]
Boccaccios Kunst wurde seit der Rückkehr nach Florenz reifer und stilistisch ausgewogener.[9] Hier verfasste er die Comedia delle ninfe fiorentine (1341/1342), Amorosa Visione (1342), Elegia di Madonna Fiammetta (1344/1345) und Ninfale fiesolano (1345/1346). Den Höhepunkt in Boccaccios literarischem Werk stellt Decameron[10] dar, das wahrscheinlich zwischen 1349 und 1351 entstanden ist.[11]
[...]
[1] Boccaccio, Poesie, S. 239.
[2] Als Trecento (ital. dreihundert) bezeichnet man die Kunstepoche der Protorenaissance im Italien des 14. Jahrhunderts.
[3] Branca, Man, S. 5 ff.
[4] Lexikon d. Renaissance, S. 579.
[5] Coulter, Cassinese, S. 219.
[6] Ludwig erließ 1349 und 1352 zwei wichtige Wirtschaftsordnungen, die die Folgen des Schwarzen Todes überwinden helfen sollten.
[7] Lexikon d. Mittelalters, S. 298.
[8] s. o.
[9] LdRen, S. 580.
[10] Aus dem Griechischen übersetzt heißt „Decameron“ in etwa „Zehntagewerk“. Der Titel lautet im Italienischen auch Il Decamerone, im Deutschen auch Das Dekameron oder Der Dekameron und vom Autor selbst hat er eine zweite Titulierung Prencipe Galeotto (dt. Fürst Galeotto) erhalten.
[11] LexMA, S. 298-300.
- Arbeit zitieren
- Ismail Durgut (Autor:in), 2008, Die Pest im Jahre 1348 und der Wandel im Geiste der Florentiner Gesellschaft, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/118570
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