Vor dem Hintergrund des durch die Corona-Krise getriebenen Wandels der Arbeitswelt und der damit verbundenen Herausforderungen für Unternehmen, zielt diese Masterarbeit darauf ab, einen Beitrag zu einer nachhaltigen New-Work-Transformation zu leisten. Hierfür sollen konkret die Wünsche und Erwartungen von Mitarbeitenden in Bezug auf die New-Work-Dimension "People" näher beleuchtet werden. Daraus ergibt sich folgende zentrale Forschungsfrage:
Welche Wünsche und Erwartungen richten Mitarbeitende an die New-Work-Dimension "People"?
Ausgehend davon lassen sich vier Kernelelemente definieren:
- Welche Erwartungen richten Mitarbeitende an ihre Führungskraft in einer Krise wie der Corona-Pandemie?
- Wie sieht eine ideale Arbeitskultur in der neuen Arbeitswelt aus Mitarbeitersicht aus?
- Was wünschen sich Mitarbeitende hinsichtlich Partizipation und Agilität?
- Welche Handlungsempfehlungen lassen sich für deutsche Unternehmen in der Praxis ableiten?
Inhaltsverzeichnis
Gendererklärung
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung
1.3 Methodisches Vorgehen und Aufbau der Arbeit
2 Theoretische und konzeptionelle Grundlagen
2.1 Terminologische Bestimmungen
2.1.1 Definition von New Work nach Frithjof Bergmann
2.1.2 Moderne Interpretation von New Work
2.2 Treiber der Arbeitswelt der Zukunft
2.2.1 Digitalisierung
2.2.2 Demographischer Wandel
2.2.3 Wertewandel
2.2.4 Einfluss von Corona
2.3 Veränderung der Arbeitswelt
2.3.1 Überblick
2.3.2 People
2.3.3 Places
2.3.4 Tools
2.3.5 Aktueller Forschungsstand
3 Methodik
3.1 Forschungsansatz
3.2 Erhebungsinstrument
3.3 Güterkriterien qualitativer Forschung
3.4 Gestaltung des Interviewleitfadens
3.5 Expertenauswahl und Darstellung der Stichprobe
3.6 Durchführung der Studie
3.7 Auswertungsmethode
4 Darstellung und Interpretation der Ergebnisse
4.1 Neue Führungslogik und neue Rolle der Führungskraft
4.1.1 Veränderungen der Führungskräfte durch Corona
4.1.2 Wünschenswerte Eigenschaften von Führungskräften in einer Krise
4.1.3 Wünsche und Erwartungen an Führungskräfte und Unternehmen
4.2 Arbeitskultur
4.2.1 Ideale Arbeitskultur
4.2.2 Tatsächliche Arbeitskultur
4.2.3 Veränderungen durch Corona
4.2.4 Notwendige Veränderungen der Arbeitskultur
4.3 Partizipation
4.3.1 Teilhabe an Entscheidungen
4.3.2 Wünsche hinsichtlich Mitbestimmung
4.4 Agilität
4.4.1 Handlungsfreiheit
4.4.2 Entscheidungsbeschleuniger
4.4.3 Reaktion und Umgang mit Fehlern
4.4.4 Notwendige Voraussetzungen agiler Methoden
5 Diskussion
5.1 Erwartungen an Führungskräfte
5.2 Ideale Arbeitskultur in der neuen Arbeitswelt
5.3 Wünsche hinsichtlich Partizipation und Agilität
5.4 Handlungsempfehlungen
5.5 Methodenkritik
6 Fazit und Ausblick
Anhang
(A) Interviewleitfaden
(B) Kodierleitfaden
Literaturverzeichnis
Gendererklärung
Das in dieser Masterarbeit gewählte generische Maskulinum bezieht sich zugleich auf die männliche, die weibliche und andere Geschlechteridentitäten. Zur besseren Lesbarkeit wird auf die Verwendung personenbezogener Bezeichnungen, die sich zugleich auf alle Geschlechter beziehen, verzichtet. Alle Geschlechteridentitäten werden ausdrücklich mitgemeint, soweit die Aussagen dies erfordern.
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
Abbildung 1: Aufbau der Arbeit
Abbildung 2: Arbeitsort vor und während der Corona-Pandemie
Abbildung 3: Charakterisierung der Interviewpartner
Abbildung 4: Ablaufmodell strukturierender Inhaltsanalyse (allgemein)
Abbildung 5: Elemente einer idealen Arbeitskultur aus Mitarbeitersicht
TABELLENVERZEICHNIS
Tabelle 1: New-Work-Aspekte entlang der Dimensionen People, Places und Tools
Tabelle 2: Übersicht der geführten Experteninterviews
Tabelle 3: Wünsche und Erwartungen an Führungskräfte und Unternehmen
Tabelle 4: Notwendige Veränderungen der Arbeitskultur
Tabelle 5: Kompetenzprofil einer Führungskraft im Kontext von New Work und der Corona‑Pandemie
1 Einleitung
Der Beginn dieser Arbeit dient der Einleitung in das Thema. Zunächst wird die Problemstellung erläutert, welche zugleich den Bedarf zur thematischen Auseinandersetzung aufzeigt. Darauf aufbauend folgt die Darstellung der Zielsetzung der Arbeit, in welcher auch auf die Forschungsfrage eingegangen wird. Das Kapitel schließt mit einer Erläuterung der angewandten Methodik sowie einem Überblick über den Aufbau der Arbeit.
1.1 Problemstellung
Unsere Welt unterliegt einem radikalen Wandel. Megatrends wie Digitalisierung, demographischer Wandel und Wertewandel verändern unumstößlich geglaubte Parameter unserer Realität. Die genannten Megatrends nehmen dabei nicht nur massiven Einfluss auf unseren privaten Alltag, sondern haben auch eine Transformation der Arbeitswelt zur Folge. Es entstehen neue, digitale Businessmodelle und Geschäftsprozesse, das Kommunikationsverhalten sowie die Arbeitsorganisation und ‑gestaltung wandeln sich (vgl. Petry, 2019a, S. 27). Daraus ergibt sich unumgänglich die Frage: „Wie sieht die Zukunft der Arbeit aus?“ Die Debatte um die „Arbeitswelt von morgen“ findet unter dem Schlagwort „New Work“ statt und ist aktueller denn je. Grund dafür ist neben den genannten Megatrends vor allem ein weiteres Phänomen, welches die New‑Work‑Debatte in den letzten zwei Jahren enorm befeuert hat: die Ausbreitung des Covid‑19‑Virus. Einhergehend mit rapide steigenden Fallzahlen in Deutschland zu Beginn der Corona-Pandemie folgten Kontaktbeschränkungen, einzuhaltende Mindestabstände und weitere Eindämmungs- und Sicherheitsmaßnahmen. Die neuen und bis dahin unbekannten Regularien wirkten sich ebenfalls nicht nur auf die private Lebensweise der Bürger aus, sondern stellten auch deutsche Unternehmen vor ganz neue, ungeahnte Herausforderungen. Um den Arbeitsbetrieb aufrechterhalten zu können und das Gesundheitsrisiko für die Beschäftigten zu reduzieren, musste eine Vielzahl an konventionellen Strukturen und Arbeitsbedingungen modifiziert werden. Hierfür wurde von Unternehmen auf verschiedene Aspekte zurückgegriffen, die unter dem Begriff New Work diskutiert werden. Home Office, Video-Calls, virtuelle Team-Chats und Cloud-Speicher sind nur einige der Schlagwörter, die es im Zuge des Corona‑Zeitdrucks schlagartig in das Pflichtprogramm der Unternehmen geschafft haben. Hierbei handelt es sich vorwiegend um Aspekte, die Änderungen der Arbeitsorganisation und -struktur betreffen, sogenannte „harte“ New-Work-Faktoren.
Doch die Etablierung harter New‑Work‑Aspekte wie bspw. die Bereitstellung einer digitalen Infrastruktur allein reicht nicht aus, um die neue Welt der Arbeit zu realisieren (vgl. Hackl, Wagner & Attmer, 2016, S. 6). Auf dem Weg zu New Work ist vor allem die Adressierung „weicher“ Faktoren entscheidend. Hackl et al. (vgl. 2016, S. 6f.) sprechen hier von der sog. „People“-Dimension von New Work, welche Themen rund um Führung, Einstellung, Kultur, Hierarchieabbau und Partizipation aufgreift. New Work bedeutet auch einen „ langfristige(n), fundamentale(n) Kulturwandel “ (Haller & Hornung, 2021, S. 43), so Birgit Bohle, Personalvorständin der Telekom in einem Interview. Für eine nachhaltige und erfolgreiche Umsetzung eines ganzheitlichen New‑Work‑Konzepts muss folglich die Einführung und Umsetzung harter Aspekte von weichen Faktoren, welche die Kultur und damit die Einstellungen und Verhaltensweisen der Mitarbeiter betreffen, begleitet werden. Hackl, Wagner, Attmer und Baumann (vgl. 2017, S. 110) zeigen diese Theorie an einem illustrierenden Beispiel auf: Der Einsatz einer innovativen und zukunftsfähigen IT‑Landschaft wird erst dann zum Erfolg, wenn digitales Mindset im Sinne einer offenen und virtuellen Arbeitsweise in der Unternehmens‑DNA verankert wird und von den Mitarbeitern auch aktiv gelebt wird.
Aus diesem Grund kommt den weichen New‑Work‑Faktoren und damit auch den Mitarbeitern, welche New Work letztendlich im Unternehmensalltag umsetzen und leben sollen, eine besondere Rolle zu. Damit die Kulturaspekte von New Work in Zukunft stärker vorangetrieben werden können, gilt es, sich mit den Erwartungen und Wünschen der Beschäftigten hinsichtlich dieser kulturellen Veränderungen zu beschäftigen.
1.2 Zielsetzung
Vor dem Hintergrund des durch die Corona‑Krise getriebenen Wandels der Arbeitswelt und der damit verbundenen Herausforderungen für Unternehmen, zielt diese Masterarbeit darauf ab, einen Beitrag zu einer nachhaltigen New‑Work‑Trans-formation zu leisten. Hierfür sollen konkret die Wünsche und Erwartungen der Mitarbeiter in Bezug auf die New‑Work‑Dimension People näher beleuchtet werden. Daraus ergibt sich folgende zentrale Forschungsfrage:
Welche Wünsche und Erwartungen richten Mitarbeiter an die New‑Work‑Dimension People?
Ausgehend davon lassen sich vier Kernelelemente definieren:
- Welche Erwartungen richten Mitarbeiter an ihre Führungskraft in einer Krise wie der Corona‑Pandemie?
- Wie sieht eine ideale Arbeitskultur in der neuen Arbeitswelt aus Mitarbeitersicht aus?
- Was wünschen sich Mitarbeiter hinsichtlich Partizipation und Agilität ?
- Welche Handlungsempfehlungen lassen sich für deutsche Unternehmen in der Praxis ableiten?
1.3 Methodisches Vorgehen und Aufbau der Arbeit
Bei der vorliegenden Masterarbeit handelt es sich um eine empirisch basierte Masterarbeit. Diese wird in einen theoretischen und empirischen Teil untergliedert. Zunächst werden mit Hilfe von Sekundärforschung in Fachliteratur und Journals die theoretischen Hintergründe zu New Work erarbeitet. Der theoretische Bezugsrahmen dient anschließend als Grundlage für den Empirie-Teil. Mit Hilfe von qualitativen, leitfadengestützten Interviews werden relevante Ansichten von Mitarbeitern zu den weichen New-Work-Faktoren untersucht. Die Erkenntnisse werden schließlich als Grundlage zur Beantwortung der Forschungsfragen und zur Ableitung von Handlungsempfehlungen herangezogen.
Die vorliegende Masterarbeit gliedert sich in 6 Kapitel. Der Aufbau der Arbeit wird im Folgenden grafisch dargestellt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung
Abbildung 1: Aufbau der Arbeit
Zu Beginn erfolgt die Einleitung in das Thema. Diese führt gleichzeitig an die Problemstellung heran, welche die Grundlage für die Zielsetzung der Arbeit darstellt. Im Anschluss daran wird die methodische Vorgehensweise näher beschrieben und dem Leser ein Überblick über den Aufbau der Arbeit verschafft. Der darauffolgende theoretische Teil dieser Masterarbeit beschäftigt sich zunächst mit der Definition von New Wok in seiner ursprünglichen Bedeutung nach Frithjof Bergmann. Sodann wird auf die moderne Interpretation des Begriffs eingegangen. Darüber hinaus dient der Theorieteil dazu, die Treiber, die maßgeblich zu der Veränderung der Arbeitswelt beitragen, zu beleuchten. Dazu zählt auch, auf den Einfluss von Covid-19 auf die neue Welt der Arbeit näher einzugehen. Sodann werden die Auswirkungen auf die Arbeitswelt anhand der drei New‑Work‑Kategorien „People“, „Places“ und „Tools“ erläutert. Als Abschluss des Theorieteils wird der aktuelle Forschungsstand aufgezeigt und somit das Erfordernis einer empirischen Studie begründet. In der darauf aufbauenden empirischen Untersuchung wird zunächst die Forschungsmethodik näher beschrieben. Daraufhin werden die in den Interviews gewonnenen Ergebnisse dargestellt und interpretiert. Darauf aufbauend folgt die Diskussion, in der die Forschungsfragen beantwortet werden. An dieser Stelle wird zudem die Methodik kritisch reflektiert. Nachdem die Erkenntnisse von Theorie und Empirie in einem Fazit zusammengefasst werden, rundet ein Ausblick, basierend auf den vorangegangenen Ausführungen, die Arbeit thematisch ab.
2 Theoretische und konzeptionelle Grundlagen
Dieses Kapitel dient zur Erläuterung von theoretischen und konzeptionellen Grundlagen für die darauffolgende empirische Untersuchung. Zunächst wird sowohl die ursprüngliche als auch die gegenwärtige Interpretation des Begriffs New Work beleuchtet. Sodann folgt eine Vorstellung der Treiber, welche einen Wandel der Arbeitswelt zur Folge haben. Hierbei handelt es sich einerseits um den technologischen Fortschritt, welcher unter dem Schlagwort Digitalisierung allgegenwärtig ist. Parallel zum technologischen Verlauf, zeichnen sich gesellschaftliche Entwicklungen ab, die mit einem Wertewandel und dem demografischen Wandel einhergehen. Zudem spielt der Einfluss von Corona in diesem Kontext eine wichtige Rolle, weshalb auf diesen ebenfalls eingegangen wird. Die Veränderung der Arbeitswelt wird schließlich anhand der drei New-Work-Dimensionen „People“, Places“ und „Tools“ näher beleuchtet. Das Kapitel schließt mit der Darstellung des aktuellen Forschungsstandes, welche zugleich den Bedarf einer empirischen Untersuchung begründet.
2.1 Terminologische Bestimmungen
2.1.1 Definition von New Work nach Frithjof Bergmann
Das Konzept New Work geht ursprünglich auf eine Idee des Sozialphilosophen Frithjof Bergmann zurück, der sich bereits vor über 40 Jahren mit dem Thema auseinandersetzte. Bergmann plädierte bereits damals dafür, dass Arbeit grundlegend verändert und neu gedacht werden muss (vgl. Schnell & Schnell, 2019, S. 8). Mit seinem Konzept der „neuen Arbeit“ entwickelte er einen Denkansatz philosophischer Natur, dessen Kerngedanke es war, nach dem wirklichen Wollen in der Arbeit zu fragen. Bergmann selbst beansprucht für sich, der „ Erfinder “ (Bergmann & Friedland, 2007, S. 12) von New Work zu sein. Dennoch weigert er sich vehement, eine Definition seiner Theorie in wenigen Sätzen vorzunehmen. „Die Neue Arbeit ist komplex, überraschend und schwer zu begreifen“, postuliert Bergmann (Bergmann & Friedland, 2007, S. 12). Indes liefert er einen Erklärungsversuch, indem er den Unterschied zwischen der „alten Arbeit“ und der „neuen Arbeit“ aufzeigt. Nach Bergmann verfolgt erstere die Idee, einer Tätigkeit nachzugehen mit dem Ziel, den Lebensunterhalt zu verdienen und somit die Existenz zu sichern (vgl. Bergmann & Friedland, 2007, S. 12). Die Menschen empfinden beim Ausüben dieser Arbeit jedoch keine wirkliche Leidenschaft und erleben zudem keine Sinnhaftigkeit in ihrem Tun. Er beschreibt diese Art der Arbeit sogar als eine „milde Krankheit“, die die Menschen über sich ergehen lassen (vgl. Bergmann & Friedland, 2007, S. 7, 12).
Arbeit kann uns verkrüppeln und uns sogar umbringen, aber das ist nur eine Möglichkeit. Arbeit vermag uns auch Energien zu schenken, die zu besitzen wir uns nie hätten erträumen lassen. (Bergmann, 2020, Bucheinband)
Diese Aussage liefert bereits einen Hinweis auf die alternative Auffassung der neuen Arbeit. Hierbei handelt es sich gemäß Bergmann um eine „Arbeit, die man wirklich, wirklich will“ (Bergmann & Friedland, 2007, S. 7). Sie verleiht den Menschen Energie, erfüllt sie mit Leidenschaft und gibt ihrem Dasein einen tiefergehenden Sinn (vgl. Bergmann, 2020, S. 12; Bergmann & Friedland, 2007, S. 13f.). Mit der Hervorhebung des Wollens durch die Dopplung „wirklich, wirklich“ möchte Bergmann ausdrücken, dass sich Ansichten, Erwartungshaltungen und Bedürfnisse der Menschen im Zeitverlauf ändern können und man sich die Frage „Was will ich wirklich, wirklich?“ aufgrund dessen wiederholt stellen sollte (vgl. Schnell & Schnell, 2019, S. 8).
Ergänzend zu seinem gedanklichen Konzept, liefert Bergmann aber auch einen ganz konkreten Vorschlag eines zukünftigen Beschäftigungsmodells. Er plädiert dafür, dass das kapitalistisch ausgerichtete Arbeitsmodell der tayloristisch-organisierten Lohnarbeit durch ein Beschäftigungsmodell ersetzt werden soll, bei dem der Einzelne zu einem Drittel klassischer Erwerbsarbeit nachgeht, zu einem Drittel seiner intrinsischen Motivation folgt und ausschließlich Tätigkeiten verrichtet, die er „wirklich, wirklich will“ und zu einem Drittel „High-Tech-Eigen-Produktion“ (HTEP) betreibt (vgl. Hackl et al., 2017, S. 3). HTEP bedeutet, dass der Mensch bestimmte Dinge, die er zum Leben braucht, selbst herstellt (vgl. Schermuly, 2019, S. 51). Mit diesem Alternativmodell zur Lohnarbeit in einem kapitalistisch geprägten Wirtschaftssystem hatte Bergmann folglich eine ganz spezifische Form des zukünftigen, neuen Arbeitens im Sinn.
Bergmann gilt damit als Urheber des New-Work-Bergriffs und als Begründer der dazugehörigen New-Work-Bewegung, dennoch hebt sich das Verständnis von New Work in der heutigen Praxis deutlich von den Theorien seines Urvaters ab (vgl. Bruns, 2018, S. 268; Schermuly, 2019, S. 5).
2.1.2 Moderne Interpretation von New Work
Zunächst ist zu erwähnen, dass in der Literatur bislang keine allgemeingültige Definition des Begriffs New Work existiert. Zudem unterscheiden sich, wie bereits angedeutet, gegenwärtige New-Work-Interpretationen von dem ursprünglichen Grundgedanken Bergmanns. So ist insb. die Vision seines im Abschnitt zuvor beschriebenen Arbeitsmodells eine Utopie geblieben. Dennoch finden sich in einigen Definitionsversuchen Bergmanns Kerngedanken bezüglich Sinnstiftung und Selbstbestimmung wieder.
Laut Hackl et al. (vgl. 2017, S. 3, 11) wird der Begriff New Work heutzutage im allgemeineren Kontext für eine grundlegende, nachhaltige und tiefgreifende Veränderung der Arbeitswelt verwendet. Vollmer und Poppenborg (2018) konkretisieren diesen Definitionsversuch und merken an, dass es sich bei New Work um einen Sammelbegriff handelt, der sämtliche Ansätze einschließt, die sich „mit den „gegenwärtigen Veränderungen rund um Arbeit, Führung und Organisation“ (S. 22) beschäftigen. So kann New Work beispielsweise die sich wandelnde Art und Weise der Zusammenarbeit beschreiben, sich auf die neue Interpretation von Führung beziehen oder auch auf die veränderten Umweltzustände und die damit verbundene Notwendigkeit einer Änderung der Arbeitsorganisation eingehen (vgl. Vollmer & Poppenborg, 2018, S. 22f.) Schnell und Schnell (2019) liefern eine weitere Definition und verstehen unter New Work „veränderte Arbeitsweisen in einer technologisierten, digitalen und globalen Arbeitswelt (...), die auf sinnstiftende und erfüllende Tätigkeiten abzielen und den Menschen in den Mittelpunkt stellen“ (S. 7). Dabei sollen „individuelle Bedürfnisse, Wünsche und die Freiheit der Sinnsuche bestmöglich mit den Anforderungen und Herausforderungen der Arbeitswelt (vereinbart werden)“ (Schnell & Schnell, 2019, S. 14). Schnell und Schnell (2019) betonen somit in ihrem Definitionsversuch die von Bergmann geforderte Selbstbestimmung und Frage nach dem Sinn in der Arbeit.
An dieser Stelle ist zu erwähnen, dass Bergmann moderne Auffassungen von New Work gerne als „Lohnarbeit im Minirock“ (Hornung, 2018, S. 40) kritisiert. So reicht es gemäß dem Urvater von New Work nicht aus, Arbeit durch hübsche Büros oder frische Obstkörbe ein bisschen reizvoller zu gestalten (vgl. Hornung, 2018, S. 40). New Work wird nicht erreicht, indem einzelne Aspekte, die in Zusammenhang mit New Work gebracht werden, Einzug ins Unternehmen erhalten. Bergmann moniert: „Das ist nicht radikal genug“ (Hornung, 2018. S. 40). Es gilt, einschneidende Veränderungen zu realisieren, die mit einer Systemveränderung einhergehen.
2.2 Treiber der Arbeitswelt der Zukunft
2.2.1 Digitalisierung
Exponentielle technologische Entwicklungen, welche häufig mit dem Schlagwort „Digitalisierung“ beschrieben werden, führen zu grundlegenden Veränderungen unserer Umwelt (vgl. Petry, 2019b, S. 11). Unsere private Lebensweise hat sich durch Apps, Streaming, Online-Banking, Skype, Google, Twitter und co. in den letzten Jahren stark verändert. Die Digitalisierung hat aber nicht nur Einzug in unser Privatleben gehalten, sondern wirkt sich auch massiv auf die Arbeitswelt aus. Digitale Technologien beeinflussen die Art und Weise der Zusammenarbeit und Kommunikation und schaffen neue Geschäftsmodelle und Prozessabläufe (vgl. Hackl et al., 2017, S. 18). Jaeger (2014, zitiert nach Schermuly, 2019, S. 37) benennt vier Megatrends der Digitalisierung: Mobile Devices, Cloud Computing, Big Data und Social Media. Schermuly (2019) ergänzt die Reihe um das Element künstliche Intelligenz als fünften Megatrend. Im Folgenden werden die o.g. Entwicklungen der Digitalisierung und ihre Auswirkungen auf die Arbeitswelt erläutert.
Mobile Devices: Die Nutzung von Mobile Devices wie Smartphones und Tablet PCs hat in den letzten Jahren rasant zugenommen. Während der Anteil der Tablet-Nutzer in Deutschland im Jahr 2012 noch bei 13 % lag, besaßen 2020 bereits 58 % der Menschen ein Tablet (vgl. Statista, 2020). Bei den Smartphones sind die Zahlen noch höher. Im Jahr 2012 lag der Anteil der Smartphone-Nutzer bei 36 %, im Jahr 2021 hingegen bereits bei knapp 89 % (vgl. Statista, 2021). Die verstärkte Nutzung bezieht sich aber nicht nur auf den Privatbereich, sondern ist auch im Arbeitsalltag bemerkbar. Mobile Technologien wie Handy, Laptop und Notebook gehören mittlerweile zum Standard der heutigen Arbeitsausstattung für Wissensarbeiter. Mobile Technologien eröffnen neue Möglichkeiten der Kommunikation und bringen dadurch neue Arbeitsformen und Verhaltensmuster hervor (vgl. Appen, 2019, S. 25).
Cloud Computing: Cloud-Lösungen ermöglichen das Abrufen von Programmen, Dateien und Dokumenten über das Internet. Daten werden nicht mehr auf lokalen Rechnern gespeichert, sondern über die Cloud zur Verfügung gestellt, sodass jede zugriffsberechtigte Person diese geräte- und ortsunabhängig abrufen kann (vgl. Schermuly, 2019, S. 37).
Big Data: Ein weiterer Trend ist die zunehmende Bedeutung von Big Data in Unternehmen. Der Ausdruck bezieht sich auf das Sammeln, Verarbeiten und Analysieren großer Datenmengen (vgl. Appen, 2019, S. 25). Markt-, Kunden- und Unternehmensdaten werden in großen Mengen gesammelt, anschließend mittels Datenbanktechnologien in Echtzeit ausgewertet und dienen schließlich als Grundlage für geschäftsstrategische Entscheidungen. Aus diesem Grund wird auch häufig von „Smart Data“ gesprochen. Petry S. 30f., Hackl S. 223
Social Media: Ein weiterer digitaler Trend, der bereits heute die Arbeitswelt prägt, ist der Einsatz und die Nutzung von Social Media. Unternehmen nutzen Facebook, Instagram und co. als Plattform für Kommunikation und Interaktion mit Kunden und Mitarbeitern. Über LinkedIn oder Xing vernetzen sich Mitarbeiter weltweit und über Unternehmensgrenzen hinaus miteinander, tauschen sich gegenseitig aus und finden neue Jobs. Unternehmen und Headhunter können über Berufsportale potenzielle, zukünftige Mitarbeiter direkt ansprechen und so von der Konkurrenz abwerben. Mitarbeiter haben die Möglichkeit, über Bewertungsportale Bewertungen zu den Arbeitsbedingungen im Unternehmen abzugeben und damit erheblichen Einfluss auf die Arbeitgebermarke des Unternehmens nehmen (vgl. Schermuly, 2019, S. 39).
Künstliche Intelligenz (KI): Nach Kreutzer und Sirrenberg (2019) bezeichnet KI „die Fähigkeit einer Maschine, kognitive Aufgaben auszuführen, die wir mit dem menschlichen Verstand verbinden“ (S. 3). Der Einsatz von KI findet zunehmend Anwendung in der Unternehmenspraxis. Dies hat zur Folge, dass Routineaufgaben zukünftig zunehmend an Maschinen ausgelagert werden. Dadurch kommt es zu einem Wegfall von Beschäftigungsmöglichkeiten, die primär auf Routinevorgänge und repetitive Tätigkeiten ausgerichtet sind (vgl. Lang, 2019, S. 5). Gleichzeitig entstehen neue Berufsbilder im technologischen Umfeld. Es folgt eine „Loslösung von traditionellen, primär analog ausgerichteten Arbeitsplätzen zugunsten digitaler“ (Lang, 2019, S. 3).
2.2.2 Demographischer Wandel
Auch der demographische Wandel hat erheblichen Einfluss auf die Arbeitswelt der Zukunft. Drei relevante Determinanten, die sich auf Größe, Alter und Zusammensetzung der (Erwerbs)Bevölkerung auswirken, sind Geburtsraten, Lebenserwartung und Zuwanderung. Laut Prognosen führen abnehmende Geburtenzahlen ab 2030 zu einem Rückgang der Bevölkerungszahl in Deutschland (vgl. Hackl et al., 2017, S. 13; Schermuly, 2019, S. 43). Die Zahl der Erwerbsbevölkerung (Menschen im Alter von 20 bis 66 Jahren) wird bis dahin bereits eine deutliche Reduktion erfahren haben (vgl. Hackl et al., 2017, S. 13). Während diese im Jahr 2018 noch 51,8 Millionen betrug, wird sie um ca. 4 ‑ 6 Millionen auf 45,8 ‑ 47,4 Millionen bis zum Jahr 2035 schrumpfen (vgl. Statistisches Bundesamt, 2019). Gleichzeitig steigt die Lebenserwartung und damit auch das Durchschnittsalter der Menschen (vgl. Hackl et al., 2017, S. 13). Der Zuzug von Migranten wirkt der Alterung der Gesellschaft und dem Rückgang der Arbeitsbevölkerung zwar entgegen, kann den Trend aber langfristig nicht umkehren (vgl. Statistisches Bundesamt, o. J.). Diese Entwicklungen haben für Unternehmen zur Folge, dass die Verfügbarkeit qualifizierter Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt sinkt. (vgl. Deuter, 2020, S. 313; Hackl et al., 2017, S. 13). Aufgrund des Fachkräftemangels entsteht ein Wettbewerb der Unternehmen um hochqualifizierte Nachwuchstalente. Unternehmen werden sich folglich schwerer tun, qualifizierte Arbeitskräfte überhaupt zu rekrutieren und müssen sich zudem gegen Abwerbeversuche ihrer Talente durch Konkurrenzunternehmen wehren (vgl. Schermuly, 2019, S. 44). Um den Engpässen an qualifizierten Wissensarbeitern entgegenzuwirken, gilt es außerdem, einen verstärkten Fokus auf Mitarbeiterentwicklung zu richten (vgl. Schermuly, 2019, S. 44).
Zusammenfassend bedeuten die demografischen Entwicklungen für die Arbeitswelt der Zukunft, dass hochqualifiziertes Personal mehr Macht gegenüber Arbeitgebern erhält und sich Unternehmen stärker um die Bindung, Gewinnung und Entwicklung von verfügbarem Nachwuchs- und Arbeitskräftepotenzial bemühen müssen (vgl. Schermuly, 2019, S. 45). Hierbei kommen einem attraktiven Arbeitgeberimage sowie wirksamen Personalmarketingmaßnahmen eine besondere Bedeutung zu.
2.2.3 Wertewandel
Ein weiterer Megatrend, der einen Wandel in Richtung New Work forciert, ist der Wertewandel. Dieser kennzeichnet eine Verschiebung von einem materialistischen Werteverständnis hin zu idealistischen und sinnstiftenden Wertorientierungen (vgl. Wörwag, 2020, S. 112). Postmaterialistische Werte wie Selbstverwirklichung, Mitbestimmung und Kommunikation gewinnen an Bedeutung, während materialistisch geprägte Wertvorstellungen über Besitz und Eigentum in den Hintergrund rücken (vgl. Müller, 2012). Angetrieben wird der Wertewandel insb. durch die Einstellungen der Generation Y (sog. Millenials, umfasst alle zwischen 1980 und 1995 Geborenen) und Z (umfasst alle nach 1995 Geborenen), die von einer Individualisierung der Lebens-und Arbeitsentwürfe, neuen Rollenverständnissen, dem Bedürfnis nach Partizipation in Unternehmen sowie veränderten Präferenzen im Arbeits- und Privatbereich gekennzeichnet sind (vgl. Franken, 2016, S. 21). Ein besonderes Augenmerk legt die Forschung auf die Generation Y, bei der es sich um die erste Generation handelt, die mit digitalen Medien aufgewachsen ist. Aus diesem Grund unterscheidet sie sich auch grundlegend von den Gewohnheiten, Kommunikationsformen und Werthaltungen ihrer Vorgänger-Generationen (vgl. Franken, 2016, S. 21; Petry, 2019b, S. 38). Als sog. „Digital Natives“ beherrschen sie den Umgang mit digitalen Technologien wie selbstverständlich. Sie sind es gewohnt, in ständiger Interaktion mit ihren sozialen Kontakten zu stehen und Feedback zu geben (vgl. Petry, 2019b, S. 38). Dadurch wird ihre Denk- und Arbeitsweise beeinflusst. Sie profitieren vom direkten Internetzugang und sind in der Lage, Informationen schnell zu beschaffen und zu verarbeiten (vgl. Petry, 2019a, S. 38) Den Digitales Natives gegenüber stehen die sog. „Digital Immigrants“ bzw. Angehörige der Generation X sowie die Baby Boomer Generation, die ohne Internet groß geworden sind. Sie passen sich der digitalen Welt an, indem auch sie Smartphones, Laptops und soziale Medien nutzen, sind jedoch im Umgang damit i.d.R. nicht so versiert wie die Digital Natives. Zudem haben sie eine andere Beziehung zu digitaler Technik, da sie erst im Erwachsenenalter damit in Berührung kamen (vgl. Franken, 2016, S. 80; Petry, 2019a, S. 39). Dies führt dazu, dass sich Digital Natives und Digital Immigrants und damit die Vertreter der verschiedenen Generationen in ihren Verhaltensmustern, Erwartungen und Arbeitswerten unterscheiden und dadurch möglichen Reibungen und Konflikten ausgesetzt sind (vgl. Klaffke, 2014, S. 14f.). Während Vertreter der Baby Boomer womöglich lieber das persönliche Gespräch bevorzugen, tendieren die Angehörigen der Generation Y und Z eher zu virtueller Kommunikation (vgl. Klaffke, 2014, S. 15).
Unternehmen stehen somit vor der Herausforderung, mit unterschiedlichen Präferenzen ihrer verschiedenen Arbeitsnehmer-Generationen sowie der vorherrschenden Wertepluralität umzugehen. Insb. Führungskräfte haben die Aufgabe, die Zusammenarbeit zwischen den Vertretern der verschiedenen Generationen zu fördern, wechselseitiges Verständnis zu schaffen sowie neue Wege zu ebnen, um Integration und Koordination zu fördern. Zudem gilt es, den Wunsch nach Individualisierung, Partizipation und Sinnhaftigkeit insb. der jüngeren Generationen wahrzunehmen und gerecht zu werden.
2.2.4 Einfluss von Corona
Wie bereits eingangs erwähnt, verleiht zudem die Covid‑19‑Pandemie New Work neuen Schub. Es ist zu betonen, dass die Diskussion um New Work bereits einige Jahre vor der Pandemie angestoßen wurde. Die Corona‑Krise hat jedoch zu einer erheblichen Beschleunigung hinsichtlich der Umsetzungsgeschwindigkeit bestimmter New‑Work‑Aspekte beigetragen (vgl. Hofmann, Piele & Piele, 2021, S. 3). Der krisenbedingte Digitalisierungsschub hat insb. bei den Themen virtuelle Kollaboration, Flexibilisierung des Arbeitsplatzes, Home Office und Nutzung agiler Methoden für Aufschwung gesorgt (vgl. Bohn & Petry, 2020). Einer der wohl sichtbarsten Effekte der Corona‑Pandemie ist die Umstellung auf mobiles Arbeiten in Form von Home Office, die nahezu über Nacht stattgefunden hat. Innerhalb kürzester Zeit haben Unternehmen Möglichkeiten zum mobilen Arbeiten flächendeckend ausgebaut (vgl. Ahlers, Mierich & Zucco, 2021, S. 3). Mit der SARS‑CoV‑2‑Arbeits-schutzverordnung wurden Arbeitgeber mit Wirkung vom 27.01.2021 außerdem dazu verpflichtet, ihren Mitarbeitern im Falle von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten Home Office zu ermöglichen (vgl. Haufe, 2021). Doch bereits vor Inkrafttreten der Verordnung setzten viele Unternehmen auf Remote-Arbeit.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Ahlers et al., 2021, S. 4
Abbildung 2: Arbeitsort vor und während der Corona-Pandemie
Eine Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans‑Böckler‑Stiftung (vgl. Ahlers et al., 2021, S. 3f.) zeigt, dass während des ersten Lockdowns im April 2020 bereits 27 % der Beschäftigten überwiegend oder ausschließlich sowie 17 % gelegentlich im Home Office tätig waren. Im Januar 2021 gaben 24 % an, ausschließlich von zu Hause und 14 % gelegentlich von zu Hause zu arbeiten. Vor der Pandemie hingegen, gaben lediglich 4 % der Befragten an ausschließlich/überwiegend im Home Office zu arbeiten. Unternehmen haben folglich bereits lange vor der offiziellen Regierungsverpflichtung zum Home‑Office‑Angebot reagiert und zumindest einigen Mitarbeitern entsprechende Möglichkeiten zur Verfügung gestellt. Die Studie zeigt zudem, dass das Arbeiten im Home Office in Krisenzeiten erheblich angestiegen ist. Gleichzeitig verdeutlichen die Ergebnisse aber auch, dass das Potential keineswegs ausgeschöpft ist.
Es stellt sich die Frage, weshalb viele Unternehmen erst im Zuge der Corona‑Krise aktiv geworden sind und die Umsetzung verschiedener New‑Work‑Aspekte, wie z.B. die oben dargestellte Einführung von mobilem Arbeiten, angestoßen haben. Umgekehrt lässt dies die Frage nach den Hemmnissen, welche vor der Pandemie bestanden, aufkommen.
Auf Unternehmensseite ist als mögliche Barriere, eine fehlende technische Infrastruktur zu nennen (vgl. Lindner, 2020, S. 5). Technologie ist die Grundvoraussetzung für die Umsetzung vieler harter New‑Work‑Aspekte wie z.B. flexible Arbeitszeitgestaltung und ‑platzwahl sowie virtuelle Zusammenarbeit. Vor der Corona‑Pandemie bestand seitens Unternehmen möglicherweise kein zwingender Grund, in entsprechende digitale Technologien zu investieren. Erst durch die Verbreitung des Covid‑19‑Virus und die damit verbundene Notwendigkeit der Vermeidung von menschlichem Kontakt musste schnell reagiert und entsprechende Technik zur Verfügung gestellt werden. Ein weiteres potentielles Hemmnis stellten Bedenken auf Seiten der Führungskräfte dar (vgl. Lindner, 2020, S. 5). So sahen Vorgesetzte möglicherweise die Gefahr des Kontrollverlusts, mangelnder Leistungserbringung oder unzureichender Kommunikation durch die Einführung von New‑Work‑Instru-menten wie virtueller Zusammenarbeit, flachen Hierarchieebenen und agilen Methoden. Corona hat insofern zu einem Weckruf beigetragen, als dass tradierte Denkmuster aufgebrochen oder zumindest bisherige Führungseinstellungen in Frage gestellt wurden.
Auch auf Seiten der Belegschaft gab es relevante Hemmfaktoren. So verfügte bspw. nicht jeder Mitarbeiter über die räumlichen und strukturellen Gegebenheiten in Form eines Heimbüros oder einem Internetanschluss mit ausreichender Datenübertragungsrate, um ganz im Sinne von New Work die Arbeit von zuhause aus zu verrichten (vgl. Lindner, 2020, S. 5). Auch im Hinblick auf weiche New‑Work‑Faktoren wie bspw. die Einführung agiler Arbeitsweisen gab es Bedenken. So bestand womöglich insb. bei langjährigen Mitarbeitern eine ablehnende Haltung gegenüber neuen Arbeitsweisen, da diese mit einer Veränderung von lang bewährtem Verhalten und Mustern verbunden sind.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass einige New-Work-Aspekte, die während der Covid‑19‑-Krise in kurzer Zeit etabliert wurden, auch schon lange vor der Pandemie hätten umgesetzt werden können. Doch erst in der Krise sahen sich Unternehmen gezwungen, Arbeitsabläufe auf einen digitalen Modus umzustellen, um den Arbeitsbetrieb aufrecht erhalten zu können. Dennoch hat Corona einen positiven Impuls in Richtung New Work forciert, welchen es nun auszubauen gilt.
2.3 Veränderung der Arbeitswelt
2.3.1 Überblick
Die vorgestellten Treiber führen zu einem neuen Verständnis von Arbeit und lassen neue Ansprüche an Arbeit und deren Gestaltung entstehen. Diese veränderten Ansprüche werden in Anlehnung an Hackl et al. (2017) entlang der drei Dimensionen „People“, „Places“ und „Tools“ erläutert. Gemäß Hackl et al. (2017) impliziert die Dimension „People“ eine Verschiebung von „starren Strukturen und Kontrolle zu liquiden Netzwerken und Vertrauenskultur “ (S.123). Die Dimension „Places“ beschreibt ein Umfeld, das Kommunikation und Kreativität fördert (vgl. Hackl et al., 2017, S. 123). Neue, innovative „Tools“ sollen virtuelle Vernetzung und Kollaboration ermöglichen (vgl. Hackl et al., 2017, S. 123).
Die in Tabelle 1 aufgeführten Instrumente der einzelnen New‑Work‑Dimensionen stellen lediglich einen Ausschnitt der Gestaltungsmöglichkeiten in der neuen Welt der Arbeit dar. In der Literatur sind zahlreiche Aspekte und Instrumente zu finden, die den einzelnen Kategorien zugeordnet werden können. Aufgrund der vorliegenden Forschungsfragen fokussiert sich die Arbeit insb. auf die Dimension People und erläutert diese ausführlich.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung
Tabelle 1: New-Work-Aspekte entlang der Dimensionen People, Places und Tools
Die einzelnen Aspekte wurden aus verschiedenen Modellen und Studien zusammengetragen, die sich bereits mit dem Thema auseinandergesetzt haben. Hierbei wird vor allem auf die Studie zur Zukunft der Arbeitswelt „Ich war noch niemals in New Work“ von Hackl et al. (2016) in Kooperation mit der Deutschen Telekom und deren unternehmensinterner Beratung Detecon Bezug genommen, welche relevante Arbeitsansätze im Sinne einer erfolgreichen New‑Work‑Umsetzung beschreibt. Des Weiteren dient die Studie der Hochschule RheinMain von Bohn und Petry (2020) als Grundlage, welche die Auswirkungen der Covid‑19‑Pandemie auf das Konzept New Work untersucht. Thematisch relevant sind zudem die Ausführungen von Hackl et al. (2017) in deren Grundlagenwerk.
2.3.2 People
Die Konzepte, die im Sinne der People-Dimension eine Verlagerung von festgefahrenen Strukturen und Prozessen hin zu flexiblen Netzwerken ermöglichen, werden im Folgenden erläutert. Hierbei handelt es sich vor allem um Instrumente, die sich auf die Kultur und Führung im Unternehmen beziehen (vgl. Hackl et al., 2016, S. 6, 2017, S. 150).
Vertrauensbasierte Arbeitskultur
New Work muss in den Köpfen der Mitarbeiter beginnen: Der Wandel hin zur neuen Arbeitswelt kann nur dann gelingen, wenn die Belegschaft ihn annimmt und mitträgt (vgl. Hackl et al., 2017, S. 122f.). Hierfür müssen Mitarbeiter eines Unternehmens dazu befähigt werden, Veränderungen zuzulassen, indem sie sich von alten Verhaltensmustern lösen und neue Arbeitsweisen umsetzen. Um bestehende Verhaltensweisen nachhaltig aufzubrechen, ist eine Änderung der Führungskultur unabdingbar. Jobst-Jürgens (2020) formuliert treffend:
Es geht nicht darum, „New Work zu machen“ – es geht darum, New Work zu fühlen. Und dann zu machen. (S. V)
New Work erfordert daher eine auf Vertrauen und Ergebnisorientierung basierende Arbeitskultur, die es möglich macht, New Work im Arbeitsalltag auch aktiv zu leben (vgl. Hackl et al., 2017, S. 122).
Neue Führungslogik
New Work bedeutet auch New Leadership. Das grundlegende Verständnis von Führung verschiebt sich: Der Fokus geht weg vom traditionellen Führungsverständnis, das vor allem unter dem Motto „Command and Control“ stand und bewegt sich hin zu einer vertrauensbasierten, demokratischen Führung, welche Mitarbeitern Freiräume gewährt, Verantwortung überträgt und sie bei Entscheidungen mit einbezieht (vgl. Hackl et al., 2017, S. 124). Es findet also eine Verschiebung von einer reinen Kontroll- und Aufgabenorientierung hin zu einer auf Vertrauen basierenden Ergebnisorientierung hinsichtlich Mitarbeiterführung statt (vgl. Hackl et al., 2017, S. 124).
Neue Rolle der Führungskraft
Eng mit der neuen Arbeitskultur und Führungslogik verknüpft, ist auch die künftige Rolle der Führungskraft. Führungskräfte sind die Umsetzer und Multiplikatoren der gelebten Unternehmens- und Führungskultur. Sie müssen den Wandel hin zur Neuen Welt der Arbeit nicht nur initiieren, sondern als Vorbild vorangehen, indem sie neue Verhaltensweisen vorleben und diese auch aktiv vorantreiben (vgl. Crummenerl & Kemmer, 2015, S. 3, 13). Neben der neuen Vorbildrolle der Führungskräfte als Enabler des Wandels, werden im New-Work-Kontext an Führungskräfte weitere Rollenanforderungen gestellt. So verlangt das neue, demokratische Führungsverständnis, dass Führungskräfte als Coaches und Personalentwickler ihrer Mitarbeiter agieren und Orientierung geben (vgl. Hackl et al., 2017, S. 32). Das Aufzeigen individueller Entwicklungsmöglichkeiten, Vermitteln von Sinnhaftigkeit sowie das Fördern von Motivation und Engagement sind wichtige Bestandteile der Führungsarbeit in der neuen Arbeitswelt (vgl. Hackl et al., 2017, S. 76).
Partizipation
Um Motivation und Engagement der Mitarbeiter hervorzurufen und langfristig aufrecht zu erhalten, ist es erforderlich, dass diese bei der Zukunftsgestaltung des Unternehmens mit einbezogen werden (vgl. Hackl et al., 2017, S. 127). Dies bedeutet, die Belegschaft an Unternehmensprozessen und -entscheidungen mittels geeigneter Tools und Methoden teilhaben zu lassen (vgl. Hackl et al., 2017, S. 72). Zielvorgaben werden im Sinne von New Work nicht nach dem Top-Down-Ansatz, sondern gemeinsam zwischen Führungskraft und Mitarbeiter festgelegt. Dadurch wird zum einen die Akzeptanz der Beschäftigten hinsichtlich des stattfindenden Wandels erhöht. Zum anderen hat die Partizipation der Angestellten positiven Einfluss auf Mitarbeiterzufriedenheit und Commitment (vgl. Hackl et al., 2017, S. 126).
Agilität
Wir befinden uns in der VUCA-Welt, welche durch Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität gekennzeichnet ist. In einer solchen Umwelt, in der sich Voraussetzungen ständig wandeln und Entwicklungen weniger vorhersehbar werden, müssen Unternehmen schnell und flexibel reagieren können (vgl. Hackl et al., 2017, S. 76). Um den damit einhergehenden wachsenden Unsicherheiten und auch dem immer stärker werdenden Innovationsdruck Stand halten zu können, wird agiles Handeln zur Notwendigkeit für Unternehmen (vgl. Hackl et al., 2017, S. 76). Agilität, also die Fähigkeit, sich rasch an veränderte Situationen und Gegebenheiten anzupassen, ist damit Voraussetzung für die Erschließung zukünftiger Wachstums- und Geschäftschancen (vgl. Hackl et al., 2017, S. 76). Um möglichst schnelle Reaktionszeiten zu ermöglichen, sind rasche Entscheidungsprozesse unerlässlich. Mitarbeiter müssen im Sinne einer demokratischen Führungskultur den nötigen Ermessensspielraum sowie auch die nötige Verantwortung besitzen, um auf sich ändernde Bedingungen flexibel reagieren zu können. Dies beinhaltet aber auch, eine positive Fehlerkultur zu etablieren, welche Mut und Fehlerfreudigkeit beim Experimentieren mit verschiedenen Lösungen zulässt und dadurch Innovation begünstigt. Fehler werden nicht sanktioniert, sondern als Chance gesehen, zu lernen und zukünftiges Handeln zu verbessern. Neben der Möglichkeit zur schnellen Entscheidungsfindung stellt die Durchsetzung flacher Hierarchiestufen eine weitere Voraussetzung für agiles Handeln in Unternehmen dar. Klassische Hierarchiestrukturen begrenzen Verantwortungsübergabe und Entscheidungsspielraum für Mitarbeiter (vgl. Hackl et al., 2017, S. 77). Bei New Work gilt es, durch kurze Entscheidungswege mittels flacher Hierarchien zur Innovationsfähigkeit des Unternehmens beizutragen.
2.3.3 Places
Die Kategorie Places bezieht sich auf das Umfeld, in dem Arbeit erbracht wird. In der vorliegenden Arbeit werden unter der Kategorie Places sowohl Instrumente der Flexibilisierung von Arbeit als auch die Gestaltung von Raumkonzepten verstanden.
Flexible Arbeitsorte
Digitale Technologien und auch die Globalisierung unterstützen das Zusammenarbeiten über geographische Grenzen hinweg. Arbeit wird durch moderne Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) wie z.B. Kollaborationstools und internetbasierte Cloud-Services zunehmend orts- und zeitunabhängig (vgl. Lang, 2019, S. 3). Die Erbringung der Arbeitsleistung ist dadurch nicht mehr an einen festen Ort gebunden. Abhängig von persönlichen Präferenzen und Bedürfnissen eröffnet dies für Mitarbeiter die Möglichkeit, zwischen flexiblen Arbeitsorten zu wählen. Hierbei wird oftmals von Home Office oder auch mobilem Arbeiten gesprochen. Während sich ersteres auf die Heimarbeit aus dem eigenen Zuhause beschränkt, bezeichnet mobiles Arbeiten die Fernarbeit von einem beliebig ausgewählten Ort (vgl. Ahlers et al., 2021, S. 3). Im Zuge der Covid-19-Krise hat der soeben beschriebene Aspekt von New Work den wohl offensichtlichsten Aufschwung erlebt. Home Office wurde in vielen Unternehmen zum Standard in der Pandemie. Laut Hackl et al. (vgl. 2017, S. 139) ist der Sinn bei New Work jedoch nicht, die Arbeit in der Betriebsstätte gänzlich durch mobiles Arbeiten zu ersetzen, sondern vielmehr eine Balance zwischen beiden Formen herzustellen. Während das Büro weiterhin zentraler Ankerpunkt zur persönlichen, sozialen Interaktion und Kommunikation bleibt, sollen flexible Arbeitsmöglichkeiten eine Ergänzung darstellen und Mitarbeitern individuelle Flexibilität bieten. In diesem Zusammenhang spielt auch das New‑Work‑Konzept der Work‑Life‑Integration eine bedeutsame Rolle. Arbeit und Privatleben sollen künftig nicht mehr im Sinne einer Work-Life-Balance klar voneinander abgegrenzt werden, sondern es soll vielmehr eine Verschmelzung beider Bereiche stattfinden (vgl. Schmidt-Purrmann, Bauer & Schmidt-Purrmann, 2019, S. 98).
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- Arbeit zitieren
- Lisa Schmidl (Autor:in), 2022, Führung im Kontext von New Work und der Corona-Pandemie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1185351
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