Die folgende Hausarbeit befasst sich inhaltlich mit dem Hauptthema „Kolonialreich und
Kolonialstaat – Globalisierung durch Imperialismus?!“, wobei hier im speziellen die deutsche Rolle
auf diesem Betätigungsfeld näher beleuchtet und geklärt werden soll, warum hierbei zumeist von
einem „Sonderfall“ die Rede ist. Die gesamte Untersuchung soll sich dabei auf die Grundannahme
stützen, ob das deutsche Kaiserreich, unabhängig eigener starker kolonialer und imperialer
Treibkräfte, letztendlich durch den Globalisierungsdruck den die Zeit mit sich brachte und auch die
Stellung innerhalb der europäischen Pentarchie aber auch immer mehr hinsichtlich des
weltumspannenden Prestiges zu imperialen Landnahme gezwungen wurde. Hierbei sollen die
starken Auswirkungen der so genannten ersten Globalisierungsphase hervorgehoben werden, die
selbst ein lange Zeit dem aktiven Kolonialismus abgeneigt gegenüberstehendes Land zum Agitator
werden ließen und hinsichtlich der Betrachtung der Auswirkungen vielleicht aufgezeigt werden, ob
es für die betroffenen Regionen nicht vorteilhafter gewesen wäre, wenn dieser Globalisierungsdrang
nicht so heftig gewesen wäre und abgesehen von wirtschaftlichen und politischen Belangen nicht
dieses Ausmaß an Prestige mit sich gebracht hätte.
Dazu werde ich zunächst einen kurzen Abriss der schon benannten ersten Globalisierungsphase
geben, in dem die wichtigsten Termini geklärt werden sollen, worauf sich dann eine
Charakterisierung der stärksten imperialen Phase ab ca. 1880 anschließt. Im Weiteren werde ich
dann zur speziell deutschen Betrachtung übergehen, indem ich mit den Anfängen des Kolonialismus
im Allgemeinen beginne, einen historischen Rückblick auf die kolonialen „Abenteuer“ vor dem 19.
Jahrhundert gebe, dann die Beweggründe und die innen- und außenpolitischen Voraussetzungen für
das 19. Jahrhundert beschreibe und dann zum aktiven und teils auch aggressiv auftretenden
Kolonialismus in besagtem Zeitraum übergehe und den Wandel von der kolonialen Ära unter
Bismarck und nach Bismarck darstelle. Danach soll eine Beschreibung der Kolonialargumentation
zeigen, was entgegen anfänglicher Ablehnung doch zum Kolonialerwerb führte, wie sich die
Argumentation letztlich in Organisationen manifestierte und wortmächtig wurde und dann sollen die
einzelnen Gebiete kurz genannt werden, um am Ende eine Bilanz der zwar recht kurzen aber in der
deutschen Historie und im gesamten Rahmen der Globalisierung nicht unbedeutenden Phase zu
ziehen und auf nachhaltige Auswirkungen zu blicken und diese hinsichtlich ihrer Integrations- und
auch Modernisierungsfunktion innerhalb der postkolonialen Welt zu beschreiben.
Inhaltsverzeichnis
I. Deckblatt
II. Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Abriss der Ersten Globalisierungsphase mit spezieller Betrachtung hinsichtlich des Kolonialismus
3 Die deutsche Position im Spiegel der Globalisierung vor der eigenen Landnahme
4 Allgemeine Beweggründe für eine imperiale Landnahme
5 Der Deutsche Kolonialismus -Geschichte, Triebkräfte und Hindernisse
5.1 Die Anfänge der Kolonialagitation
5.2 Die Organisation der Forderungen
5.3 Die Argumente der deutschen Kolonialdiskussion
5.4 Die tastende Expansion
5.5 Der Wandel nach der Ära Bismarck
6 Die Bilanz der Epoche und ihre Auswirkungen
III Anmerkungen
IV Literaturverzeichnis
Die folgende Hausarbeit befasst sich inhaltlich mit dem Hauptthema „Kolonialreich und Kolonialstaat – Globalisierung durch Imperialismus?!“, wobei hier im speziellen die deutsche Rolle auf diesem Betätigungsfeld näher beleuchtet und geklärt werden soll, warum hierbei zumeist von einem „Sonderfall“ die Rede ist. Die gesamte Untersuchung soll sich dabei auf die Grundannahme stützen, ob das deutsche Kaiserreich, unabhängig eigener starker kolonialer und imperialer Treibkräfte, letztendlich durch den Globalisierungsdruck den die Zeit mit sich brachte und auch die Stellung innerhalb der europäischen Pentarchie aber auch immer mehr hinsichtlich des weltumspannenden Prestiges zu imperialen Landnahme gezwungen wurde. Hierbei sollen die starken Auswirkungen der so genannten ersten Globalisierungsphase hervorgehoben werden, die selbst ein lange Zeit dem aktiven Kolonialismus abgeneigt gegenüberstehendes Land zum Agitator werden ließen und hinsichtlich der Betrachtung der Auswirkungen vielleicht aufgezeigt werden, ob es für die betroffenen Regionen nicht vorteilhafter gewesen wäre, wenn dieser Globalisierungsdrang nicht so heftig gewesen wäre und abgesehen von wirtschaftlichen und politischen Belangen nicht dieses Ausmaß an Prestige mit sich gebracht hätte.
Dazu werde ich zunächst einen kurzen Abriss der schon benannten ersten Globalisierungsphase geben, in dem die wichtigsten Termini geklärt werden sollen, worauf sich dann eine Charakterisierung der stärksten imperialen Phase ab ca. 1880 anschließt. Im Weiteren werde ich dann zur speziell deutschen Betrachtung übergehen, indem ich mit den Anfängen des Kolonialismus im Allgemeinen beginne, einen historischen Rückblick auf die kolonialen „Abenteuer“ vor dem 19. Jahrhundert gebe, dann die Beweggründe und die innen- und außenpolitischen Voraussetzungen für das 19. Jahrhundert beschreibe und dann zum aktiven und teils auch aggressiv auftretenden Kolonialismus in besagtem Zeitraum übergehe und den Wandel von der kolonialen Ära unter Bismarck und nach Bismarck darstelle. Danach soll eine Beschreibung der Kolonialargumentation zeigen, was entgegen anfänglicher Ablehnung doch zum Kolonialerwerb führte, wie sich die Argumentation letztlich in Organisationen manifestierte und wortmächtig wurde und dann sollen die einzelnen Gebiete kurz genannt werden, um am Ende eine Bilanz der zwar recht kurzen aber in der deutschen Historie und im gesamten Rahmen der Globalisierung nicht unbedeutenden Phase zu ziehen und auf nachhaltige Auswirkungen zu blicken und diese hinsichtlich ihrer Integrations- und auch Modernisierungsfunktion innerhalb der postkolonialen Welt zu beschreiben.
2. Abriss der Ersten Globalisierungsphase mit spezieller Betrachtung hinsichtlich des Kolonialismus
Wie von Peter E. Fäßler beschrieben ist die erste Globalisierungsphase (1840 – 1914) dadurch gekennzeichnet, dass „um die Mitte des 19. Jahrhunderts ein politischer, wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und kultureller Verflechtungsschub globalen Ausmaßes [einsetzte], wie er bis dahin noch nicht beobachtet worden war“.1 Weiterhin wird beschrieben, dass trotz der Tatsache des bisweilen übersteigerten Nationalismus zwar mentale und politische Barrieren auch dämpfend auf die Globalisierung wirkten, gegenläufige Effekte doch den größeren Erfolg aufwiesen. Diese Zeit ab Mitte des 19. Jahrhunderts wies eine eigene und noch ungekannte Dynamik und Qualität auf, welcher der Interdependenz entscheidend den Weg ebnete und auf der alles heute zu beobachtende fußt. Neben wesentlichen sozialen und wirtschaftlichen Errungenschaften und Kennzeichen dieser Phase, wie vor allem der Mechanisierung, Massenproduktion, einer Kommunikations- wie auch Transportrevolution und nicht zuletzt erstmals auftretender multinationaler Unternehmen und Organisationen, sowie eine sich immer mehr herausbildende Weltkultur und -gesellschaft spielten nun vor allem auch neue politische Leitideen mit zunehmend globalem Anspruch eine wesentliche Rolle. Eine so genannte Weltreichslehre trat mehr und mehr in das politische Alltagsgeschäft ein und verankerte sich immer mehr in den Köpfen der entscheidungsmächtigsten Politiker und somit auch in den von ihnen geführten Staaten und deren Außenpolitik.2 Hierbei spielten vor allen Dingen Worte wie Imperialsimus3, unter dem man die Bestrebungen eines Staates, seinen Einfluss auf andere Länder oder Völker auszudehnen versteht und dessen Machterweiterungspolitik sich unter anderem in bevölkerungspolitischer, nationalistischer und wirtschaftlicher Weise ausdrücken kann, und das Sendungsbewusstsein, mit dem man die in einem Volk, einer religiösen Gemeinschaft oder auch einem politischen Verband vorhandene Gewissheit bezeichnet, dass der im eigenen Kreis ausgebildete Lebensstil dermaßen vorbildlich und vorteilhaft sei, dass er auf andere Völker, Gruppierungen oder auch Einzelne ausgedehnt werden müsse. Ausgestattet mit diesen Hauptmerkmalen der Epoche glaubte man eine geschichtliche Aufgabe erfüllen zu müssen, die über den eigenen Umkreis und die Gegenwart hinausging und oft einer Missionierung gleich kam. Außerdem konnte so die doch oft gestellte Frage nach den Legitimation beantwortet werden, da Sendungsbewusstsein oft imperialistische Ziele nach sich zog und dann auch legitimierte, zugleich aber auch die imperiale Landnahme und damit einhergehend auch die neuen Bevölkerung im Sinne des positiv klingenden Sendungsbewusstsein legalisiert wurde.
In besagter Zeitspanne beschäftigten sich alle bedeutenden Kolonialmächte mit Gebietserweiterungen auf dem afrikanischen Kontinent, da dieser zum einen den größten noch verfügbaren Raum bot und zum anderen die Bevölkerungen auch noch so schwach waren, dass sie nicht zum Erringen einer schnellen Unabhängigkeit befähigt waren, wie es in dieser Zeit die vormals bevorzugten Gebiete Süd- und Mittelamerikas erreicht hatten, und durch ihre Rückständigkeit natürlich auch hinsichtlich eines Sendungsbewusstseins und missionarischen ja z.T. messianistischen Vorgehens prädestiniert schienen. Vor allem „in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts kündigten die Europäer die Vorherrschaft ihres Staatswesens, ihrer Kultur und ihrer moralischen und religiösen Werte an. Die europäische Hegemonie diente als Rechtfertigung für die Angriffe auf Fremdgebiete, für körperliche Misshandlung und emotionale Demütigung der Bewohner und für die wirtschaftliche Ausbeutung der Ressourcen des Kontinents.“4
Um dieses Ziel zu erreichen „wurde auf der Grundlage der europäischen Vorherrschaft, ein Unrechtssystem erfunden und aufgebaut“5, welches bis zum Jahre 1914, 9/10 des afrikanischen Kontinents und einen Großteil Asiens umfasste und auf Eroberungskriegen, Vertragsbrüchen, Enteignung der Afrikaner und Entschädigung der weißen Siedler beruhte.
Das deutsche Kaiserreich konnte sich zuletzt dem Druck von innen, aber vor allem auch dem außenpolitischen Gleichstellungsdrang nicht mehr entziehen und stieg ebenso in die gängige Praxis mit ein. Dazu wird im Folgenden zunächst die deutsche Position im Weltgefüge vor der eigenen Landnahme beleuchtet.
3. Die deutsche Position im Spiegel der Globalisierung vor der eigenen Landnahme
„Ich bin mir sicher, dass die Zeit für kleine Reiche abgelaufen ist. Die Zukunft gehört den großen Reichen, und es ist unsere Entscheidung, ob unser eigenes in Zukunft zu einem der größten gezählt werden wird oder ob wir uns in viele vergleichsweise unbedeutende Nationalitäten aufsplitten werden.“6
„Deutschland braucht Kolonien, Kolonien brauchen Deutsche. Das mit Blut und Eisen geschmiedete Kaiserreich ist auf dem Meer, um bei der Europäisierung des Erdballs doch noch dabei zu sein.“7
Diese beiden Zitate sollen dem Folgenden voranstehen, da sie recht gut zum Ausdruck bringen, wie die internationale Gesinnung hinsichtlich der Globalisierung durch Imperialismus war und mit welcher Art Schlagzeilen auch in Deutschland dieses Thema präsentiert wurde.
Das erste Zitat, welches Joseph Chamberlain in einem Brief an den Premierminister von Australien zwar erst im Jahre 1902 verwendet, also, als der Imperialismus schon in vollem Gange ist und sich schon in Richtung Katastrophe ausgeweitet hat, kann trotzdem für die hier vorwiegend thematisierte Zeitspanne stehen, da es doch sehr deutlich die typischen imperialistischen und auch nationalen und nationalistischen Gesinnungen der Zeit widerspiegelt. Es wird praktisch zur Pflicht erhoben seine eigenen Grenzen nach außen zu öffnen, Land in Anspruch zu nehmen und dann die Grenzen im neuen, stark erweiterten Rahmen wieder zu schließen und sich von den Konkurrenzmächten abzuschotten. An Deutschland zog dies alles natürlich nicht vorbei, gehörte man doch zu den europäischen Großmächten und wollte diesen Status nicht verlieren, sodass auch im einzig weltweit bedeutenden Land der damaligen Zeit, welches in der Mitte des 19. Jahrhunderts noch keine Kolonien besaß, die Forderungen danach immer lauter wurden und sich langsam zu organisieren begannen. Ein typischer politisch-sozialer Faktor für diese Entwicklung war vor allen Dingen der Nationalismus, welcher sich in der ersten Globalisierungsphase in nahezu allen Nationen ausbreitete und bisweilen die stärkste politische Kraft bildete. Im Grunde eigentlich eine paradoxe Erscheinung im Sinne der Globalisierung und Interdependenz, welcher vorrangig globalisierungsdämpfende Effekte zugeschrieben werden müssen, war diese jedoch letzten Endes auch eine treibende Kraft, deren gegenläufige Entwicklung zur eigentlichen Ausrichtung dann doch „zur raschen Erosion vielfältiger Interaktionsbarrieren“ führte.8
Speziell für Deutschland hatte der Nationalismus eine besondere Bedeutung, da er sich hier später zu seiner Höchstform entfalten sollte und schon in dieser Zeit als sehr aggressiv zu bezeichnen ist. Diese herausragende Bedeutung zeigt sich darin, dass der Nationalismus „als wichtigste Integrationsklammer für das ansonsten so zerrissene Kaiserreich gedient [hat] und sich in lautstarken Forderungen nach einem 'Platz an der Sonne', das heißt nach Anerkennung des vergleichsweise spät auf der weltpolitischen Bühne auftauchende Deutschen Reiches als Weltmacht, artikuliert[e].“9 Bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, dann verstärkt ab der Revolution von 1848/9 und vor allem nach der politischen Einigung wurde der Nationalismus sowie die nationale Aufbruchs- und Einigkeitsstimmung wie ein Rausch erlebt und setzte sich über alle noch bestehenden inneren Gegensätze hinweg. „Eng verknüpft mit der Gründung eines Nationalstaates erschien es vielen Deutschen schon 1848 selbstverständlich, dass sich aus dem geeinten Reich gleichsam natürwüchsig so etwas wie deutsche 'Weltpolitik' entwickeln werde.“10 Man sieht daran, dass eine koloniale Ausbreitung für die Bürger eine logische Folge der politischen Entwicklung war und nur darin eine „Bestätigung der eigenen nationalen 'Großartigkeit'“ gesehen wurde und das imperialistische Vorgehen als „Erfüllung einer 'national-kulturellen Mission'“ empfunden wurde.11 Als dies gut 20 Jahre später erreicht war wurde die neue politische Situation des Reiches und auch die Position im europäischen und globalen Machtgefüge „als Beweis erachtet, daß die Deutschen auch ohne Übernahme der Formen der westlichen Demokratien zu Geschlossenheit, einheitlicher
Staatsgesinnung und nationaler Stärke, kommen“ konnten und sich daraus „ein dauerhafter, [zum Teil] religiös überhöhter und zum Mythos stilisierter Glaube an eine deutsche Mission in der Weltgeschichte“ entwickelte.12 Hieran zeigt sich deutlich, der oben von mir erwähnte deutsche Sonderweg welcher doch immer als Besonderheit dargestellt wird, da das westliche Modell nur partiell adaptiert wurde und man trotzdem eine wesentliche Position im zunächst auf Europa bezogenen Machtsystem einnehmen konnte. Weiterhin zeigt sich auch neben der Weltreichslehre und dem Nationalismus ein weiterer Grund aggressiven außenpolitischen Verhaltens und imperialen Vorgehens, nämlich der Konkurrenz- und Autarkiegedanke13 gegenüber den anderen Mächten, wobei auch Worte wie Prestige und Geltung eine wichtige Rolle spielten. Mit Max Weber gesprochen ist das Prestige-Streben eine innerhalb aller spezifischen Machtgebilde verbreitete Erscheinung, welche auch immer Machtexpansion nach sich ziehen würde, da ein politisches Gebilde immer die Nachbarschaft eines schwächeren politischen Gebildes vor zöge.14 Ein solches Konkurrenzdenken zeigt sich auch in Vergleichen mit Konkurrenznationen, die gezogen wurden und durch Presse und Flugblätter, später auch Organisationen, alles Errungenschaften der Industrialisierung und der Globalisierung typischen Kommunikationsrevolution, verbreitet wurden, wie z.B. „England hat Kolonien und Kolonisten, Frankreich Kolonien und keine Kolonisten, das von Preußen geführte Deutschland Kolonisten, doch (noch) keine Kolonien.“15 Hierbei werden die schärfsten Konkurrenten direkt benannt und ein indirekter Aufruf zum Nacheifern mit dem Ziel des Gleichziehens und auch Überholens der Konkurrenten formuliert.
4. Allgemeine Beweggründe für eine imperiale Landnahme
Im heutigen politischen System nahezu undenkbar war es im 19. Jahrhundert gängige Praxis Außenpolitik nur zum eigenen Wohl und, wenn auch versteckt, zum Nachteil des Gegners zu betreiben, um die eigene Großmachtstellung zu festigen oder gar auszubauen. Im gleichzeitigen Verlauf mit doch zunehmender Interdependenz zeigt sich daran, wie groß der Einfluss der Globalisierung selbst zu dieser Zeit schon war, wenn sie sich selbst über solche Rivalitäten hinwegsetzen und im Allgemeinen betrachtet sogar noch Vorteile daraus ziehen konnte. Im Sinne des angesprochenen Autarkie- und Konkurrenzgedankens ist die imperialistische Globalisierung so zu betrachten, dass sich mehr und mehr ein „nationaler Leistungswettbewerb sowie eine weltweite Rivalität um Ressourcen [herausbildete], die für ein stetiges Wachstum der 'jungen' und 'kräftigen' Nationen notwendig schienen.“16 Es zeigt sich also deutlich, dass selbst in diesen Bereich der Nationalismus entscheidend hineinragt, aber auch hier das Sendungsbewusstsein, welches keineswegs ein deutscher Sonderfall war, auch wenn seine Ausprägung im Kaiserreich besonders stark sein sollte, eine wesentliche Rolle spielte, indem nämlich innerhalb dieser Konkurrenz, welche schon fast als Wettlauf der Nationen zu betrachten ist auch „der modernen Technik und der Medizin zentrale Funktionen [zukamen], denn sie bestätigten dem Augenschein nach die Überlegenheit der 'entwickelten' Völker und Nationen. Die Europäer verstanden es als ihre Mission, die 'Segnungen der Technik', die sie zu Hause als so umwälzend erlebten, in die Welt zu tragen.“17 An dieser Stelle wird bereits von „den Europäern“ gesprochen, was den Anschein hat sie bereits im heutigen vereinten Sinne zu betrachten und als einheitlichen Global-Player zu verstehen. Doch auch, wenn die Ziele ähnlichen Charakter aufwiesen, trat doch jede Nation für sich selbst auf und war, wie bereits erwähnt, jedes außenpolitische Ziel zumindest teilweise auf die Schwächung der Gegner ausgerichtet und nicht auf eine Schwächung der kolonisierten Völker im Sinne einer Stärkung Europas. Es wird bereits deutlich, welchen enormen Einfluss auch die industrielle Revolution des18. und vor allem des 19. Jahrhunderts aufweist, welche letzten Endes ein solch offensives weltpolitisches Vorgehen erst ermöglichte. Die meisten Nationen traten erst im Verlauf des 19. Jahrhunderts in diesen Prozess ein, was demnach auch die zeitliche Einordnung der Hochphase des Imperialismus ab der 2. Hälfte dieses Jahrhunderts erklärt. Die wirtschaftlichen Neuerungen, die die Industrielle Revolution mit sich brachte, welche allerdings auch im Wettbewerbsdenken und der immer stärker werdenden Interdependenz notwendig wurden, konnten auch letztendlich nur durch sie europäische und globale Ausbreitung finden, da mit den Werkzeugen der Industrialisierung auch erst die wesentliche Technik auf die Bühne trat und salonfähig wurde, mit der eben jene Ausbreitung erst möglich wurde. Deshalb ist auch erst in diesem Zeitraum von der ersten Globalisierungsphase zu sprechen, da erst jetzt die typischen Merkmale einer „echten“ Globalisierung erkennbar waren. Nun war die bereits des öfteren erwähnte weltweite Interdependenz und vor allem auch eine starke Verdichtung und Verflechtung (Reziprozität) feststellbar, alteingesessene Strukturen wurden stark transformiert und vor allem verloren Raum und Zeit, die bis dato entscheidenden Hemmnisse im globalen Geschäft, mehr und mehr ihre Barrierewirkungen, was auch eine globale Erfassung der Erde erstmals in Gesamtheit ermöglichte.
„Eisenbahn und Telegraf, Dampfschiff und Kabel sind die Werkzeuge, durch die der moderne 'homo sapiens' sich alle Teile der Erde erschlossen und unterworfen hat – sie sind zugleich hervorragende Werkzeuge politischer Macht und die besten Waffen eines neuzeitlichen Staates im Kampfe um die Teilung der Welt.“18 Man sieht, dass neben allen bereits erwähnten Faktoren einer Globalisierung im imperialistischen Sinne die wirtschaftlichen Faktoren, zumindest im Vorfeld der Landnahme, ein wesentlicher Punkt für die Legitimation des Vorgehens waren, auch wenn diese oftmals durch ihre positive Konnotation eine Alibifunktion erfüllten und im Nachhinein oftmals weit hinter den Erwartungen zurückblieben. Trotzdem war der wirtschaftliche, auf Profit ausgerichtete, Anstoß der erste überhaupt, welcher zur Legitimation einer Kolonialpolitik herangezogen wurde und soll deshalb nicht unbeachtet bleiben, da seine Auswirkungen für einzelne Kolonialmächte doch große Bedeutung aufwiesen. Wie bereits Max Weber feststellte, könnte man annehmen, dass jede Expansion stets primär ökonomisch bedingt sei, doch stellte er selbst fest, dass dafür kein eindeutiges Kausalverhältnis besteht, was sich auch deutlich aus den bereits weiter oben aufgeführten verschiedensten Gründen imperialen Vorgehens herauskristallisieren lässt. Er stellt im Folgenden dann auch deutlich dar, wie sich die wirtschaftlich begründeten Vorgehensweisen im realen darstellten und welcher Wandel sich sehr schnell weg vom ökonomischen Bereich hin zum Machtpolitischen vollzog. Denn auch, wenn die „Großstaatenbildung immer auf den Bahnen des Güterexports wandert[e]“19 sei doch mit der Zeit vornehmlich die Ausbeutung der eroberten Gebiete und vor allem der nun sehr günstige Import von Waren und Rohstoffen, die man selbst nicht besitzt, die aber auf dem Weltmarkt eine Rolle spielen und z.T. große Gewinne einbringen, zur gängigen Praxis geworden. Weber spricht hierbei vom so genannten imperialistischen Kapitalismus, also einer Sonderform, welche nur auf eigene Gewinne aus sei und den „Handelspartner“ zu einem bloßen „Gläubigervolk“ verkommen ließe.20 Weiterhin spricht er von einem so genannten
„ürwüchsigen Objekt der gewaltsamen Aneignung“ welches „neben Weibern, Vieh und Sklaven – vor allem Grund und Boden [...] unter Ausrottung der bisherigen bodensässigen Bevölkerung“ als natürlichen Vorgang aufweist.21
„Afrika den Afrikanern, uns aber die Afrikaner!“22
„Ein Raum ohne Volk für ein Volk ohne Raum!“23
Es zeigt sich, nicht nur an Schlagworten wie diesen, dass Max Weber mit dieser Einschätzung Recht behalten sollte und ein zunächst positiv klingender missionarischer Gedanke, eigene Errungenschaften im Sinne der Globalisierung und vor allem auch Modernisierung, nicht so weit entwickelten Völkern zu überbringen, letztendlich nur zu deren Ausbeutung benutzt wurde, was vor allem auf Afrika zutrifft, welches in der Hochphase des Imperialismus, Ende des 19. Jahrhundert, Schwerpunktgebiet dieser Vorgänge war.
Nach ausführlicher Beschreibung der Beweggründe für imperiale Landnahme unter dem Deckmantel Globalisierung, werde ich nun näher auf die aktive deutsche Kolonisierung eingehen, wobei zu klären ist, welche treibenden aber vor allem auch hindernden Kräfte auftraten, weshalb Deutschland unter den letzten der Teilnehmer am Imperialismus war und wie die speziell deutsche Kolonisation von statten ging.
5. Der Deutsche Kolonialismus - Geschichte, Triebkräfte und Hindernisse -
„Noch manches Eiland lockt und lauscht, aus Palmen und Bananen; Der Sturmwind braust, die Woge rauscht, Auf, freudige Germanen!“24
„Obwohl der deutsche Kolonialbesitz überwiegend ein Ergebnis der Politik Bismarcks war, war dieser an sich der deutschen kolonialen Expansion wenig geneigt. Er fürchtete, daß Deutschland, das aufgrund seiner Mittellage schon in seiner kontinentalen Machtstellung dauernd gefährdet war, sich durch aktive Kolonialpolitik in zusätzliche weltpolitische Rivalitäten verstricken werde. Aber wie der Kanzler auch in manchen anderen Beziehungen nicht in der Lage war, sich dem Zug der Zeit zu widersetzen, konnte er dem ständig stärker werdenden Drängen der bürgerlichen Kräfte nach überseeischem Machterwerb nicht länger ausweichen.“ (Ernst Rudolf Huber)25
„Das Gedankengut der deutschen Hegemonie war die geistige Schöpfung von Gelehrten und Intellektuellen. Es wurde an den wissenschaftlichen Fakultäten der Universitäten gelehrt und gelernt. Akademiker gehörten zu den Gründern und Unterstützern der deutschen kolonialen Förderorganisationen.“26
Diese Zitate sollen dem Folgenden voranstehen, in dem es darum gehen wird zu zeigen, was die speziellen deutschen Triebkräfte aber auch Hindernisse waren und wie letztendlich doch, wie im zweiten Zitat angesprochen, der Druck und die Forderung so stark werden konnte, dass sich selbst eine politische Persönlichkeit wie Otto von Bismarck beugen musste. Die Zitate zeigen zum einen, wie die allgemeine Stimmung im Volk bezogen auf die imperiale Landnahme war, wie es in der Politik gesehen wurde, welche globalen Probleme im Vorfeld beachtet werden mussten und stellen, speziell im dritten, eine These auf, die zeigt, welchen Einfluss nicht-staatliche Akteure im 19. Jahrhundert im Verlauf der ersten Globalisierungsphase bereits gewonnen hatten und sich letztendlich selbst organisieren konnten.
Der Handlungsraum Europa wurde von den meisten Nationen bereits einige Jahrhunderte zuvor, an der Wende zur Neuzeit, als zu eng empfunden und der Globus rückte mehr und mehr ins Visier, wobei natürlich jede Nation mit unterschiedlichen Herrschaftsvisionen an die Sache heranging. Die führenden Kolonialmächte zu Beginn der kolonialen Epoche bis zum 19. Jahrhundert, als schließlich jede größere Nation Anspruch auf Landnahme erhob waren zunächst Spanien und Portugal, später abgelöst von den Niederlanden und vor allem Großbritannien, sodass es zu einem globalen Konglomerat europäischen Herrschaftsanspruches kam, welches geopolitisch, ideologisch (sozial-darwinistisch) und auch wirtschaftlich geprägt sein konnte, somit also auf nahezu allen Ebenen anzutreffen war.27 Bereits zu dieser Zeit hatten deutsche (damals aus dem Heiligen Römischen Reich deutscher Nation) Abenteurer, Wissenschaftler, Missionare oder Fürsten schon Anteil an den Expeditionen der führenden Kolonialmächte, wobei jedoch eine eigenständige Landnahme ausblieb. „Das alte Reich spielt wegen der 'Nullität seiner Mittel', die teutschen Lande machen aufgrund ihrer nationalen Zersplitterung nicht mit.“28 Daran zeigt sich, warum die angesprochene eigene Landnahme ausblieb und das Reich damals keineswegs zu den globalen Großmächten zu rechnen war, wenn es doch kontinental diesen Anspruch stellte und ihm auch gerecht werden konnte. Wenn es auch vornehmlich im 16. und 17. Jahrhundert zu einigen kolonialen „Experimenten“ kam, wie der „Zug nach El Doarado“ Karls V. Zur Schaffung eines
„Klein-Venedig“, dem „kurländischen Zwischenspiel“ des Kurfürsten Jakob auf Tobago oder der noch am erfolgreichsten verlaufenen Errichtung des preußischen „Großfriedrichsburg“ durch den großen Kurfürsten Friedrich-Wilhelm von Preußen an Afrikas Westküste, blieben es doch nur kurzweilige, am Ende erfolglose und verlustreiche Unternehmungen, die auch zeigten, dass man sich nicht auf Gedeih und Verderb mit den etablierten kolonialen Großmächten anlegen sollte, worauf sich Bismarck später immer wieder berufen sollte. Die Deutschen blieben damit zunächst im Dienste der anderen imperial-globalen Akteure, wo sie allerdings auch hoch geschätzt wurden, da sie Handelstalent und Risikobereitschaft auszeichneten und, „dass Teutsche von waghalsigem Wikingergeist beseelt , ihre starken kolonialen Fähigkeiten schon jetzt unter Beweis stellten“29 und vielleicht durch politische Einheit, eine zielbewusste zentrale Führung und eine wehrhafte Flotte schon zu diesem Zeitpunkt ein ernst zu nehmender Akteur hätten sein können.
[...]
1 Fäßler, Peter E., Globalisierung, Köln 2007, S. 74/
2 Vgl. Ebd. S. 75
3 von lat. imperare „herrschen“; imperium „Herrschaftsgebiet“; z.B. Imperium Romanum
4 Vgl. http://www.bpb.de/popup/popup_druckversion.html?guid=P8GJBO
5 Vgl. Ebd
6 Parker, Philipp und Matthew; Cussans, Thomas, Knaurs Historischer Weltatlas, München 1999, S. 244
7 Längin, Bernd G., Die deutschen Kolonien, Hamburg 2005, S. 7
8 Fäßler, Peter E., Globalisierung, Köln 2007, S. 75
9 Dirlmeier, Ulf /u.a., Kleine deutsche Geschichte, Stuttgart 2006, S. 309
10 Vgl. Zantop, Susanne, Kolonialphantasien im vorkolonialen Deutschland (1770 – 1870), Berlin 1999
11 Proske, Rüdiger/ u.a., Die Deutsche Geschichte, Bd. 3, Braunschweig 2001, S. 417
12 Dirlmeier, Ulf/ u.a., Kleine deutsche Geschichte, Stuttgart 2006, S. 310/1
13 Autarkie: von altgriech. αὐτάρκεια „Selbstständigkeit“ - bedeutet im allgemeinen Sinne, dass Organisationseinheiten oder Ökosysteme alles, was sie ver- oder gebrauchen, aus eigenen Ressourcen selbst erzeugen oder herstellen.
14 Vgl. Weber, Max, Wirtschaft und Gesellschaft, Paderborn 2006, S. 1000
15 Längin, Bernd G., Die deutschen Kolonien, Hamburg 2005, S. 7
16 Vgl. http://www.bpb.de/publikationen/9MXGL4,1,0,Deutschland_in_Afrika_Der_Kolonialismus_und_seine_
Nachwirkungen.html#art1
17 Vgl. Ebd.
18 Vgl. Ebd.
19 Weber, Max, Wirtschaft und Gesellschaft, Paderborn 2006, S. 1003
20 Vgl. Ebd., S. 1011
21 Ebd., S. 1006
22 Längin, Bernd G., Die deutschen Kolonien, Hamburg 2005, S.11
23 Ebd. S.9
24 Ebd. S.11
25 Proske, Rüdiger/ u.a., Die Deutsche Geschichte, Bd. 3, Braunschweig 2001, S. 417
26 http://www.bpb.de/popup/popup_druckversion.html?guid=P8GJBO
27 Vgl. Fäßler, Peter E., Globalisierung, Köln 2007, S. 88
28 Längin, Bernd G., Die deutschen Kolonien, Hamburg 2005, S. 14
29 Ebd., S. 15
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