Mittels einer Dokumentenanalyse soll anhand von zwei aktuellen Fachbeiträgen in einem hermeneutischen Prozess untersucht werden, wie Führung in einer digitalen Arbeitswelt zu gestalten ist, um die modernen wechselseitig gestellten Anforderungen von Unternehmen und Mitarbeitern zu erfüllen. Durch Anwendung einer strukturierenden Inhaltsanalyse sollen ferner Hinweise darauf gewonnen werden, welche Herausforderungen sich für Führungskräfte unter den aktuellen Bedingungen und bei fortschreitender Digitalisierung ergeben und inwieweit der technologische Fortschritt die Relevanz von Führung heute und in Zukunft potenziell verändert. Mit der Erstellung eines Forschungsberichts wird die transparente Darstellung des Vorgehens und die intersubjektive Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse unter Einhaltung spezifischer Gütekriterien qualitativer Forschung angestrengt
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Anhangsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit
2 Theoretische Grundlagen
2.1 Festlegung des Forschungsgegenstands
2.1.1 Transformation der modernen Arbeitswelt
2.1.2 Traditionelle Führungsansätze
2.1.3 Change Leadership
2.1.4 Digital Leadership
2.1.5 Konzepte und Instrumente digitaler Führung
2.2 Zusammenfassung und Ableitung der Leitfragen
3 Methodenteil
3.1 Darlegung der Textquellen
3.1.1 Darstellung der Auswahleinheit
3.1.2 Darstellung der Analyseeinheiten
3.2 Begründung des Vorgehen und Wahl der Methode
3.2.1 Dokumentenanalyse
3.2.2 Qualitative Inhaltsanalyse
3.3 Erstellung des Kategorienschemas
3.4 Ergebnisse
4 Diskussion
4.1 Interpretation der Ergebnisse
4.2 Berwertung vor dem Hintergund qualitativer Gütekriterien
5 Fazit und Ausblick
Anhänge
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
HR Human Resources
KI Künstliche Intelligenz
VUCA Volatility, Uncertainty, Complexity and Ambiguity
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Kompetenzen für eine digitale Welt
Abbildung 2: Elemente zur Entwicklung von „Digital Leadership“
Abbildung 3: Relevante Fähigkeiten einer Führungskraft für die „Digital Leadership“
Abbildung 4: Rahmenbedingungen in Unternehmen für die „Digital Leadership“
Abbildung 5: Ablaufmodell explizierender qualitativer Inhaltsanalyse
Abbildung 6: Mindmap des Codierungssystems
Abbildung 7: Anforderungen an die Kompetenzen der Führungskräfte
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Codesystem als Kreuztabelle
Tabelle 2: Code-Relationen
Tabelle 3: Auflistung aller codierten Textsegmente
Anhangsverzeichnis
Anhang 1: Codesystem
Anhang 2: Abbildungen
Anhang 3: Tabellen
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
Das moderne Umfeld von Unternehmen ist durch die Digitalisierung zunehmend von disruptivem Wandel geprägt, in dem weder lineare Ursache-Wirkungsbeziehungen Gültigkeit besitzen noch Marktentwicklungen eindeutig vorhergesagt werden können1. Daher beginnen Unternehmen zunehmend den Herausforderungen der sogenannten VUCA-Welt in zielgerichteten Anpassungsprozessen proaktiv zu begegnen und die Fähigkeit zur agilen Bewältigung von Veränderungen voranzutreiben2. Die Lösung von statischen Strukturen, Prozessen und Denkmustern wird begleitet von der wachsenden Bedeutung von Wissensarbeit und parallel auf der gesellschaftlichen Ebene stattfindenden sozialen Umbrüchen, wodurch sich grundlegend neue Anforderungen an die Gestaltung der Arbeit und der Führung ergeben3. Im Zentrum der Neuorganisation und Gestaltung nachhaltiger Arbeitsformen und -strukturen stehen die Führungskräfte, die mit veränderten Anforderungen an ihre Führungsrolle konfrontiert werden und vor der Herausforderung stehen, die eigenen Denk- und Verhaltensmuster, aber auch die der Mitarbeiter, in den digitalen Kontext einzupassen4. Das verlangt die Distanzierung von autoritären Strukturen und richtungsweisender Kontrolle. Dabei stellt sich die Frage, wie Führungsarbeit in digitalen Zeiten inhaltlich ausgestaltet sein muss, und ob Unternehmen zukünftig als selbstorganisierte Systeme vollständig ohne Führungsarbeit existieren werden.
1.2 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit
Mittels einer Dokumentenanalyse soll anhand von zwei aktuellen Fachbeiträgen in einem hermeneutischen Prozess untersucht werden, wie Führung in einer digitalen Arbeitswelt zu gestalten ist, um die modernen wechselseitig gestellten Anforderungen von Unternehmen und Mitarbeitern zu erfüllen. Durch Anwendung einer strukturierenden Inhaltsanalyse sollen ferner Hinweise darauf gewonnen werden, welche Herausforderungen sich für Führungskräfte unter den aktuellen Bedingungen und bei fortschreitender Digitalisierung ergeben und inwieweit der technologische Fortschritt die Relevanz von Führung heute und in Zukunft potenziell verändert. Mit der Erstellung eines Forschungsberichts wird die transparente Darstellung des Vorgehens und die intersubjektive Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse unter Einhaltung spezifischer Gütekriterien qualitativer Forschung angestrengt.
Die Spezifikation der Grundfragestellung wird im folgenden Kapitel 2 dieser Arbeit vorgenommen, in welchem der aktuelle Stand der Forschung im Kontext der Digitalisierung dargestellt wird. Theoriegleitet werden durch die Betrachtung relevanter Methoden, Konzepte und Aspekte aus der Forschungsfrage differenzierte Leitfragen für die zielgenaue Untersuchung der Analyseeinheiten entwickelt.
Im anschließenden Methodenteil des dritten Kapitels werden zu Beginn die Auswahleinheit und die beiden darin enthaltenen Analyseeinheiten definiert sowie das Auswahlverfahren dargestellt. An die Charakterisierung der Textdokumente schließt sich die Dokumentation über die Entwicklung und Anwendung des Kategoriensystems an. Die Ergebnisse der Analyse werden im letzten Teil des Kapitels werturteilsfrei dargestellt.
Die Einordnung und Interpretation der Resultate aus der Untersuchung ist Gegenstand des vierten Kapitels, in dem die Befunde zunächst vor dem Hintergrund des theoretischen Vorwissens diskutiert und dann hinsichtlich qualitativer Gütekriterien bewertet werden. Geschlossen wird die Arbeit mit dem Kapitel 5, welches ein zusammenfassendes Fazit und einen Ausblick enthält.
2 Theoretische Grundlagen
2.1 Festlegung des Forschungsgegenstands
Im Rahmen der theoretischen und anwendungsorientierten Annäherung an die Gestaltungsmöglichkeiten moderner Arbeit, erscheint der Aspekt der Führung als zentraler Baustein in der Architektur der neuen Arbeitswelt5. Die Frage danach, wie „gute“ Führung in digitalen Arbeitswelten zu gestalten ist, öffnet dabei einen multidimensionalen und vielschichtigen Debattenraum unterschiedlicher Sichtweisen6. Hierbei beeinflusst die Kultur maßgeblich menschliches Erleben und Verhalten7, weshalb zur Klärung der Problematik einer guten Führung in digitalen Zeiten eine Auseinandersetzung mit aktuellen Einstellungen und Wertvorstellungen beitragen kann. Gegenstand der Untersuchung sind daher neben Methoden und Konzepten auch die Einschätzungen moderner Herausforderungen im Kontext digitaler Führungsansätze, Hintergründe, Zusammenhänge sowie Sicht- und Denkweisen8. Die Erkenntnisse sollen dazu beitragen zu klären, welche Eigenschaften und Fähigkeiten gefördert werden müssen, um ein Unternehmen nachhaltig zur Selbstdynamisierung in einem digitalen Umfeld zu befähigen9.
2.1.1 Transformation der modernen Arbeitswelt
Die digitale Transformation verändert grundlegend organisationale Strukturen, Dienstleistungen, Geschäftsmodelle und moderiert zunehmend Wirtschafts- und Wertschöpfungsprozesse, aber auch die Lebenswelt und die Gewohnheiten der Menschen10. In der Folge ergeben sich neue wechselseitige Anforderungen, ein anderes Verständnis von Arbeit und der Rolle des Menschen innerhalb der Arbeitsprozesse11. Hierbei stellen moderne Automatisierungs- und Digitalisierungstechnologien die Grundlage für die erhebliche Erweiterung der Aktionsradius von Menschen und Organisationen dar, die als Treiber und Schlüsselelement im Hinblick auf den Aufbau globaler Netzwerke und die Umsetzung neuer Arbeitsformen prägen12. Diese bedingen neue Kommunikationsstrukturen, die nicht nur die örtliche und zeitliche Entgrenzung der Zusammenarbeit von Menschen untereinander, sondern auch neuartige Kollaborationen zwischen Menschen und Maschinen zulassen und das menschliche Verhaltensspektrum am Arbeitsplatz in Richtung eines wissens- und leistungsorientierten Arbeitsverhaltens völlig neu prägen13. In der Folge müssen sich Menschen zunehmend stärker durch ihre Denk- und Kreativitätsleistung von Robotern und Maschinen abheben14. Zusätzlich erhöhen die neuen Schnittstellen der Digitalisierung die interne und externe Komplexität von Unternehmen15. Anpassungen an die zunehmende Komplexität umfassen hierbei zunehmend kompetenzorientierte Aufgabenverteilungen, Dezentralisation, flache Hierarchien und die Umgestaltung bisheriger Rollen und Verantwortlichkeiten. Auch die höheren Geschwindigkeiten und die größere Flexibilität in Prozessabläufen sowie kürzere Veränderungszyklen tragen dazu bei, dass die Digitalisierung zahlreiche Konsequenzen für die Arbeitswelt und wandelnde Anforderungen an die Kompetenzen der Beschäftigten stellt (siehe Abbildung 1). Die ständige Weiterentwicklung und Optimierung von Prozessen und Fähigkeiten ist dabei an eine qualitativ und quantitativ veränderte Konnektivität und Kommunikation gebunden, die das Treffen von Entscheidungen und das Übernehmen von Verantwortung tiefer als bisher im Unternehmen fixiert16. Entsprechend zeigen Studien übereinstimmend, dass mit der Abflachung hierarchischer Modelle das tradierte Verständnis von Führung zunehmend seine Passung verliert17.
2.1.2 Traditionelle Führungsansätze
Die Führungsforschung hat eine kaum mehr zu erfassende Zahl an Theorien hervorgebracht, deren Ziel es ist Rahmenbedingungen, Strukturen, Prozesse und Konsequenzen von Führung zu beschreiben und darüber einen adäquaten Zugang zur Beeinflussung der Mitarbeiter durch die Führungskraft zu determinieren. Die Gestaltung traditioneller Führungsansätze geht auf Rahmenbedingungen zurück, die von den heutigen abweichen und auf Basis einer höheren Stabilität von Umweltbedingungen eine kontinuierliche Steigerung der Effizienz und Effektivität sowie den Ausbau hierarchischer Strukturen begünstigten. Traditionelle Führungsstile zeichnen sich durch ihre Prozess- und Leistungszentrierung aus, die eine eindeutige Zieldefinition und eine gründliche, hierarchisch organisierte Ablaufplanung vorsehen18. Zusätzlich ist der Aspekt der Kommunikation im Rahmen der Verhaltensbeeinflussungsprozesse herauszustellen, die bei den meisten traditionellen Führungsstilen schwerpunktmäßig die „face-to-face“ Kommunikation vorsieht und sich im Rahmen von Mensch-Mensch-Beziehungen abspielen konnte. Die im Zuge der Digitalisierung fortlaufende Veränderung der Kommunikation und Entstehung neuartiger Beziehungsgefüge zwischen Menschen, Maschinen und Robotern verursachen daher mit wachsender Schwerpunktverschiebung ein zunehmendes Ungleichgewicht, in der austarierten Balance von in der Vergangenheit zweckmäßigen Führungsansätzen.
2.1.3 Change Leadership
Einer empirischen Studie der Hays AG und des Instituts für Beschäftigung und Employability IBE zufolge, gehören in Deutschland die Flexibilisierung der Arbeitsstrukturen (39%), die Vorbereitung der Mitarbeiter auf die digitale Transformation (34%) und die Weiterentwicklung der Unternehmenskultur (32%) zu den drei Topthemen im HR-Bereich19. Die digitale Transformation von Unternehmen ist dabei eingebettet in umfassende Veränderungsbewegungen von Wirtschaft und Gesellschaft und geht deutlich über das Maß kleiner Korrekturen hinaus20. Vielmehr erfordert der Wandel zum Aufbau einer agil-digitalen Arbeitskultur eine Transformation, deren Umsetzung Unternehmen und Führungskräfte vor umfangreiche Herausforderungen stellt21. In diesem Zusammenhang zeigen Studien, dass die Veränderungsbereitschaft und -kompetenz mit abnehmender Hierarchieebene sinkt und Change Prozesse in der Konsequenz vielfach an Widerständen und Barrieren scheitern, die im mittleren Management zu verorten sind22. Angesichts der Orientierung, dass Arbeit im digitalen Umfeld immer häufiger projektförmig und in flexibel zusammengesetzten Teams erbracht wird, erscheint auch die Frage plausibel, ob die Arbeitsleistung der mittleren Führungsebene bei durchlaufener Veränderung obsolet werden könnte23. Verstärkt wird das Dilemma der Führungskräfte durch die von neuen Strukturen induzierte Erfordernis zum Aufbau neuer Fähigkeiten im Umgang mit Technologien, veränderten Teamstrukturen und flexiblen Arbeitsformen. Daher geht es für Führungskräfte im digitalen Wandel maßgeblich darum, adäquate Vorgehensweisen zu entwickeln, um Steuerung und Einfluss bei schwindenden hierarchischen Machtstrukturen sowie schwindender physischer Präsenz zu verwirklichen und ihr Mindset, um alternative Führungsaspekte zu erweitern24. So bestätigen über 50% der im digitalen Wandel befindlichen Unternehmen den Bedarf an Führungskräften mit neuen Kompetenzprofilen und einen akuten Handlungsbedarf hinsichtlich des Erwerbs und der Vermittlung von mit wachsender Dringlichkeit benötigten Kompetenzen (siehe Abbildung 1)25.
2.1.4 Digital Leadership
Zur Begriffsbestimmung von „Leadership“ wird eine Vielzahl von Definitionen aufgerufen. Nach Hinterhuber und Krauthammer (2015) umfasst das Verständnis drei Säulen, welche die Kommunikationsfähigkeit einer Vision („Visionär sein: Den Siegeswillen anspornen.“), die Vorbildfunktion („Vorbild sein – vorleben: „Engagement und Mut zeigen, Energien freisetzen sowie Innovationen und Talente fördern.“) und die Steigerung des Unternehmenswertes („Den Unternehmenswert nachhaltig steigern: „Wohlstand für alle Partner schaffen.“) umfassen26. Die Autoren sehen dabei Führende in der Verantwortung, „das Gleichgewicht im gesamten sozialen Umfeld der Unternehmung zu schaffen und die Erwartungen der strategischen Partner der Unternehmung zu erfüllen“, um eine „überdurchschnittliche Rendite“ zu erzielen27. Wesentliche Elemente von Digital Leadership sind in Abbildung 2 dargestellt. In digitalen Arbeitswelten können auf technischer Basis Freiräume erzeugt werden, die Wissensarbeitern die Agilität verleihen autonom zu agieren und die eigene Effizienz und Effektivität selbst zu managen28. Obwohl sich die allgemeinen Rahmenbedingungen im digitalen Kontext laufend verändern, wird mit Digital Leadership grundsätzlich die Nutzung von Methoden und Instrumenten durch Führungskräfte beschrieben, die zu einem höheren Grad der Vernetzung und zur stärkeren Teilhabe von Mitarbeitern an Prozessen beitragen (siehe Abbildung 3)29. Dabei besteht die übergeordnete Aufgabe der Führung grundsätzlich darin Werte, Einstellungen und Verhaltensleitlinien zu einer Organisationskultur zu formen, die dazu geeignet ist, Sinn zu stiften. Dafür ist der Aufbau einer Wertekultur notwendig, welche die Eigenschaften „Empfänglichkeit für Ziele“, „Offenheit und Veränderungsbereitschaft“, „Fähigkeit zur Konzentration“ und „Fokussierung“, „Technikkult“, „Durchhaltevermögen“, „Teamfähigkeit“, „Risiko und Fehlerkultur“ und „Kreativität“ sowie das Vorhandensein einer Vertrauensbasis umfasst30.
2.1.5 Konzepte und Instrumente digitaler Führung
Wissensarbeit wird insbesondere durch die Kriterien der Neuartigkeit, Komplexität und Autonomie definiert, die von Mitarbeitern neben fachlichen Kompetenzen zunehmend intellektuelle, soziale und kreative Fähigkeiten verlangen31. Das Ziel digitaler Führung besteht in diesem Kontext darin, einen zielgerichteten Prozess der Wertschöpfung zu kreieren und intellektuelles sowie kreatives Potential auszuschöpfen. Im Rahmen der Agilen Führung wird kein starrer Prozessplan festgeschrieben, sondern man lässt den Prozessablauf vielmehr in einem iterativen Verfahren, mit situativen Veränderungen als integratives Element, sukzessiv entstehen32. Als Teil der agilen Führung kommen kontextabhängige sowie beidhändige (ambidextre) Führungsstile und -instrumente zum Einsatz, die auch die Anwendung von Elementen der traditionellen Führung einschließen. Zur Erhöhung der Arbeitsflexibilität trägt der Ansatz des „Shared Leadership“ bei, in dem Führung in einem flexibel organisierbaren Rollenverständnis ausgeübt wird und nicht zwangsläufig an die Vergabe einer festgeschriebenen Position gebunden ist. Der begleitende Charakter moderner Führung gewinnt insbesondere bei der Arbeit mit virtuellen Teams und im Kontext personaler Arbeitsflexibilität an Bedeutung, wobei die Anwendung u.a. ein niedriges Kontrollbedürfnis der Führungskraft und die Fähigkeit zum raschen Aufbau von gegenseitigem Vertrauen voraussetzt33. Die Rahmenbedingungen zur Entfaltung von Digital Leadership werden in Abbildung 4 dargestellt.
2.2 Zusammenfassung und Ableitung der Leitfragen
Mit den modernen Rahmenbedingungen einer zunehmend digitalen Welt vollzieht sich ein wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Wandel, der mit veränderten Anforderungen an die Arbeit, und zwar auf Seiten der Arbeitgeber, aber auch auf Seiten der Mitarbeiter, einhergeht34. Die zentrale Frage, wie Führung den Anforderungen des digitalen Wandels gerecht und für beide Seiten vorteilhaft gestaltet werden kann, wird daher zunehmend Gegenstand wissenschaftlicher und praktischer Überlegungen. Im Veränderungsprozess nehmen Führungskräfte eine Schlüsselposition ein, die allerdings unter anderem das Dilemma des drohenden Positions- und Machtverlusts zur Folge hat. Hiernach stellt sich in einem Unternehmen, welches zu einem sich selbst aktualisierenden Sozialkörper heranreifen soll, die Frage danach, welche Art der Führung die Organisation zur Selbstdynamisierung befähigt und welche Relevanz Führung aktuell und in Zukunft zukommt.
Leitfragen der Untersuchung:
1. Welche Rahmenbedingungen haben sich bisher mit der digitalen Transformation für die Organisation, die Mitarbeiter und die Führungskräfte verändert?
2. Welche Anforderungen ergeben sich in einer zunehmend digitalen Arbeitswelt an die Ausgestaltung der Führungskultur und wie verändern sich die Kompetenzprofile der Führungskräfte im digitalen Kontext?
3. Welche Rolle spielen die Führungskräfte im Prozess der digitalen Transformation und welche Konsequenzen und Herausforderungen ergeben sich aktuell für die Führungskräfte?
4. Welche Führungsansätze und -stile sind unter den aktuellen Rahmenbedingungen relevant und was zeichnet diese aus?
5. In welchem Stadium der digitalen Reife befinden sich Unternehmen und welche Veränderungen könnten sich zukünftig für die Führung ergeben?
3 Methodenteil
3.1 Darlegung der Textquellen
Aus einer Sammlung von Beispieltexten wurde die Auswahleinheit auf Basis des persönlichen Themeninteresses und aufgrund der Aktualität der Publikation selektiert.
3.1.1 Darstellung der Auswahleinheit
Der „Sonderband Zukunft der Arbeit (Human Resources Consulting Review, Band 12)“ wurde von den Herausgebern Jens Nachtwei und Antonia Sureth im November 2020 publiziert35. Beide Herausgeber sind bis heute am Institut für Psychologie der Humboldt Universität zu Berlin tätig. Jens Nachtwei ist zudem geschäftsführender Direktor des universitären Spin-off-Unternehmens „Privat-Institut für Qualität in Personalauswahl und-entwicklung“ (IQP) in Berlin, welches fachliche Beratung und Weiterbildung anbietet.
Das Dokument wird unter dem Internetlink https://www.sonderbandzukunftderarbeit.de zum öffentlichen Download zur Verfügung gestellt und ist Teil der im Jahr 2012 ins Leben gerufenen „Veröffentlichungsreihe für Qualitätssicherung in Personalauswahl und -entwicklung (VQP)“, welche die „Förderung des Austauschs von Forschung, Lehre und Praxis“ zum Ziel hat36. In der Publikation stellen verschiedene Autorinnen und Autoren aus Forschung und Praxis Projekte, Modelle, Sichtweisen sowie wissenschaftliche Studien vorrangig aus den Bereichen Führung, Personalauswahl, Personalentwicklung und Organisationsentwicklung vor37.
3.1.2 Darstellung der Analyseeinheiten
Die Analyseeinheiten wurden auf Basis des persönlichen Forschungsinteresses und der gleichgerichteten Thematisierung ausgewählt, und aus dem 4. Kapitel „Führung und Verantwortung“ von insgesamt 15 dem Kapitel zugeordneten Expertenbeiträgen entnommen38. Weitere Auswahlkriterien umfassten die subjektive Verständlichkeit der Texte sowie die Anwendbarkeit eines im Umfang der Aufgabenstellung entsprechenden Kategoriensystems. Ein zusätzliches Interesse bestand am Beitrag von Melanie Hasenbein, die im Vorfeld als Referentin im Rahmen einer Vorlesungsaufzeichnung bekannt war.
Die promovierte Autorin Melanie Hasenbein ist Diplom Pädagogin, arbeitete u. a. für die Siemens AG und die Accenture GmbH und ist seit dem Jahr 2011 bis zum aktuellen Zeitpunkt als selbständige Beraterin und Coach für Change und Digitalisierung in München tätig. Sie war außerdem Dozentin an der Hochschule München sowie der Hochschule Fresenius München, an der sie bis 2019 als Professorin lehrte39. Zudem ist sie Autorin und Bloggerin und veröffentlicht auf ihrer Internetseite (https://journey-of-digital-psychology.com/) eigene Blogbeiträge40. In aktuellen Veröffentlichungen befasst sich die Autorin mit den Konsequenzen der digitalen Transformation für die Personalentwicklung und mit dem Themenkomplex des digitalen Lernens41.
In der Analyseeinheit „Führung in der digitalen Arbeitswelt – Führung der Zukunft“ stellt Melanie Hasenbein dar, wie sich der Einfluss der Digitalisierung auf die Organisation, die Mitarbeiter und die Führungsprinzipien auswirkt. In diesem Kontext erläutert sie die defizitäre Passung hierarchischer Führung und betont die Bedeutung agiler Ansätze. Sie erläutert die Prinzipien der ambidextren Führung als einen verbindenden Ansatz zwischen traditioneller und moderner Führung und stellt die situative Führung und den Ansatz des „Shared Leaderships“ vor. Dabei umreißt sie aktuelle Herausforderungen für Führungskräfte und geht dabei insbesondere auf die Führung im Kontext veränderter Teamkonstellationen ein. In ihrem Fachbeitrag verweist Hasenbein auf 16 verschiedene Referenzen42.
Die zweite Analyseeinheit wurde von Sylke Piéch verfasst, die von 2018 bis heute Forscherin am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) ist. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen auf den Themenbereichen der Digitalisierung im Kontext von HR, „Arbeit und Qualifizierung“, „Leadership und Teamentwicklung“ und der Wirkung von Innovationstechnologien auf das menschliche Agieren und Zusammenleben. Zudem ist die promovierte Autorin seit 2010 Direktorin am „Institut für Leadership & Human Resources Management“ der „Internationalen Akademie“ Berlin, wo ihr Interessensbereich den Einsatz neuer Instrumente im Digital Leadership sowie die Beratung und Implementierung von Strategien in der betrieblichen Praxis umfasst. Sylke Piéch war Dozentin an der Technischen Hochschule Brandenburg sowie Senatorin und Kommissionsleiterin beim „Bundesverband für Wirtschaftsförderung und Außenwirtschaft Global Economic Network e.V.“43.
In ihrem Fachbeitrag „Leadership im Kontext von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz“ stellt Sylke Piéch die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Führungskultur heraus, wobei sie die veränderten Teamzusammensetzungen der digitalen Arbeitswelt betont. Kollaboration, Team- und Netzwerkarbeit werden entsprechend im Kontext der Digitalisierung als entscheidende Faktoren für die digitale Transformation ausgeführt und die Konsequenzen hinsichtlich veränderter Anforderungen an die Kompetenzprofile der Führungskräfte erläutert. In diesem Zusammenhang werden die Agile Führung und die situative Führung vorgestellt, wobei die Ansätze explizit die kontextabhängige Anwendung traditioneller Führungstools beinhalten können. Das Textdokument enthält 6 unterschiedliche Referenzen44.
3.2 Begründung des Vorgehen und Wahl der Methode
Die Digitalisierung, „Neue Arbeit“ und die Maxime eines umfassenden Nachhaltigkeitsdenkens lösen die bisherigen Regeln und Leitmotive von Ökonomie und Gesellschaft im fortschreitenden Wandel zunehmend ab45. Teil dieses Paradigmenwechsels sind u.a. umfassende Veränderungen von Denk- und Sichtweisen, die in Abhängigkeit von den herrschenden generellen, aber auch individuellen Rahmenbedingungen unterschiedlich beeinflusst werden. Die Beschreibung der aktuellen Lebenswelt aus der Perspektive der handelnden Menschen kann dabei zu einem besseren Verständnis sozialer Wirklichkeiten beitragen, indem Abläufe, Deutungsmuster, Strukturmerkmale und Hintergründe untersucht werden, die mittels qualitativer Verfahren zu erfassen sind46. In einem argumentativen Prozess der schrittweisen Verallgemeinerung können dann bestehende Theorien geprüft und auch neue formuliert werden47. Der besondere Mehrwert qualitativer Forschung ergibt sich insbesondere aus die Dynamik der Umweltbedingungen, die für Gesellschaft und Unternehmen in immer kürzer werdenden Veränderungszyklen immer neue Anpassungen erfordern und in der Folge die individuellen Ziele, Motive und Handlungen ständig neu beeinflussen. Mittels qualitativer Methoden können dahingehend „emergente“ Aspekte und Zusammenhänge erfasst und Rückschlüsse auf mögliche Dissonanzen in der Passung von Theorie und Praxis gezogen werden48.
3.2.1 Dokumentenanalyse
Beide Analyseeinheiten sind einer gemeinsamen Auswahleinheit entnommen, wodurch die Parameter der Art, des Themengebiets, der Rahmenbedingungen der Publikation (z.B. Umfang der Artikel und Richtlinien hinsichtlich verwendeter Quellen), der adressierten Rezipienten weitgehend als konstant gehalten wurden. Durch die Konstanz der genannten Merkmale sollen Untersuchungsschwerpunkte auf innere Merkmale gelegt werden49.
3.2.2 Qualitative Inhaltsanalyse
Das Vorgehen zur Durchführung der qualitativen Inhaltsanalyse orientierte sich an dem von Mayring (2002) formulierten Ablaufschema zur qualitativen Analyse (siehe Abbildung 5)50. Hierbei wurde die übergeordnete Forschungsfrage in einem reziproken Verfahren nach Festlegung der Auswahleinheit und einer ersten Literaturrecherche formuliert. Anschließend wurde eine vertiefende Recherche durchgeführt, und die Auswahleinheiten festgelegt. Iterativ wurden dabei im Hinblick auf die Fragestellung relevante Aspekte, Modelle und Theorien schrittweise herausgearbeitet und erste Kategoriendefinitionen deduktiv formuliert. Nach Erstellung der Fallzusammenfassungen und der Spezifikation der Forschungsfrage durch die Formulierung von Leitfragen, folgten zeilenweise Durchgänge am Material und die induktive Ausgestaltung des Kategorienschemas.
3.3 Erstellung des Kategorienschemas
Das systematisch am Material entwickelte Kategoriensystem ist das Zentrum der qualitativen Inhaltsanalyse und dient der Beantwortung der im Vorfeld definierten Forschungsfrage51. Die Hauptkategorien des Kategoriensystem wurden nach einer initiierenden Textarbeit zunächst deduktiv und theoriegeleitet, später induktiv direkt am Material gebildet. Das vorläufige Kategoriensystem wurde dann in einer Mindmap visualisiert (siehe Abbildung 6) und in strenger Orientierung an den Leitfragen ausdifferenziert. In einem anschließenden Schritt wurde das Kategoriensystem für den zeilenweisen Durchgang des Materials unter Verwendung von „MAXQUDA 2020“ der Verbi GmbH in die Software übernommen. Es folgte die reziproke Überarbeitung und Zuordnung von Subkategorien sowie die Formulierung von Definitionen für die verwendeten Codes. Relevante Textstellen wurden den Kategorien zugeteilt und teilweise mit ergänzenden Memos versehen. Nach der Formulierung von Haupt- und Subkategorien wurde in einem Codereview die Systematisierung im Hinblick auf die Leitfragen geprüft und einzelne Subkategorien übergeordneten Hauptkategorien zugeführt, sowie gegebenenfalls ergänzende Haupt- und Subkategorien definiert. Das finalisierte Kategorienschema ist im Anhang 1 angefügt.
3.4 Ergebnisse
Zur Beantwortung der Leitfragen wurde eine kategorienbasierte Auswertung entlang der Hauptkategorien durchgeführt, wobei relevante Muster innerhalb der Kategorien aber auch kategorienübergreifend untersucht wurden52. Die absolute und relative Anzahl der codierten Textstellen ist fallweise in Tabelle 1 aufgeführt. Überschneidungen zur Untersuchung von Zusammenhängen sind in Tabelle 2 visualisiert.
1. Hauptkategorie „Veränderungen der Rahmenbedingungen“
Die Hauptkategorie wurde zur Erfassung der Veränderungen durch die Digitalisierung entwickelt und ordnet Konsequenzen über die Subkategorien „Für das Unternehmen“, „Für das Personal“, die weiterhin untergliedert ist in „Mitarbeiter“ und „Führungskräfte“, einem primären Träger zu. Ziel der Kategorisierung ist die Erfassung der Qualität und Intensität von Veränderung sowie die Lokalisation des Anpassungsdrucks.
Erfasst wurden dabei Veränderungen der Bedingungen „im digitalen Zeitalter der sogenannten VUCA-Welt und die Erfordernis von mehr Flexibilität und schnellerem Agieren“53. Anpassungen finden in der Organisation dabei sowohl auf struktureller als auch auf kultureller Ebene statt und verändern durch den höheren Grad der Vernetzung die Formen der Zusammenarbeit. Die Flexibilisierung betrifft dabei die zeitlichen, örtlichen und personellen Dimensionen der Arbeit. Diese bedingen veränderte Teamzusammensetzungen, die weitreichende Konsequenzen für das Personal und die Führung bedingen. „Bei der interkulturellen Zusammenarbeit sollte zum Beispiel beachtet werden, dass Leistungsverhalten und Leistungsmotive der Kollegen entsprechend der jeweils eigenen Landeskultur divergieren. Die Berücksichtigung internationaler Management- und Kommunikationsstile ist daher unabdingbar“54. Mit den Arbeitsformen verändern sich die Arbeitsbedingungen für Mitarbeiter sowohl mit als auch ohne Führungsverantwortung im Unternehmen. In der Konsequenz kommt es zu Veränderungen bezüglich der Anforderungen an die Menschen im Unternehmen.
So zeigen die Zitate eine Verbindung zur Hauptkategorie „Führungsansätze“, wobei traditionelle „Führungsansätze, die auf langfristiger Planung basieren und eher top-down angelegt sind“ im Zuge eines beobachtbaren Paradigmenwechsels „in der Form nicht mehr greifen“55. Eine weitere direkte Verbindung besteht zur Kategorie „Neue Anforderungen“: „Aufgrund des technischen Fortschritts und der damit verbundenen Dynamisierung stehen Führungskräfte zunehmend vor der Herausforderung, Lösungen zu finden, ohne auf bestehendes Wissen und Erfahrungswerte zurückgreifen zu können“.56
2. Hauptkategorie „Neue Anforderungen“
In der Kategorie werden die veränderten Anforderungen untersucht, die sich als Konsequenzen der digitalen Transformation auf der Metaebene ergeben. Die Subkategorien erfassen zudem personengebundene Anforderungen als „Kompetenzen“ und die Ebene der „Einstellungen und Werte“ sowie die Dimension der „Führungskultur“.
Bei der Gestaltung der Führungskultur ist die Führungskraft maßgeblich beteiligt, sie ist aber ebenfalls Teil der Unternehmenskultur, weshalb organisationale Aspekte einfließen. In einer digitalisierten Arbeitswelt „braucht es mehr Flexibilität und ein schnelleres Agieren. Das bedeutet Ausprobieren, Fehler machen und Lernen. Dafür ist eine entsprechende Offenheit auf Führungsebene erforderlich“. So ist die Führungskultur Teil der Organisationskultur, die auch von der Entwicklung neuer Kompetenzen auf der persönlichen Ebene getragen wird57. Der Erwerb neuer Kompetenzen betrifft als Grundvoraussetzung den sicheren Umgang mit Technologien, allerdings gewinnen in einem deutlichen Schwerpunkt der Nennungen nicht-digitale Kompetenzen wie Selbstreflexion, Selbstorganisation und Selbstführung erheblich mehr an Bedeutung (siehe Abbildung 7). Im Zuge der Digitalisierung „treten Teamarbeit, Selbstorganisation sowie Kommunikation und Interaktion stark in den Vordergrund“ und verändern so maßgeblich die Qualität der Kommunikation. „Führungskräfte brauchen bei dieser Art der Führung eine entsprechende Unterstützung bzw. Qualifizierung, um diese besonderen Bedingungen im Vergleich zu face-to-face kommunizierenden Teams ausüben zu können“58.
Das Erlernen neuer Fähigkeiten insbesondere im Bereich sogenannter „Soft Skills“ ist verbunden mit einer Werteorientierung, die sich auf der Ebene „Werte und Einstellungen“ als Subkategorie widerspiegelt. Entsprechend sind moderne Führungsansätze mit einer spezifischen Einstellung und Werthaltung verbunden: „Agiles Führen ist eine dynamische Haltung, ein Mindset, das Veränderung als Dauerzustand begreift“59.
Zudem sind insbesondere die Fähigkeiten auf der Beziehungsebene ein wichtiger Abgrenzungshorizont der menschlichen Führung gegenüber dem Einsatz von Robotern und künstlicher Intelligenz: “Wo der Mensch in Zeiten der Digitalisierung und Künstlichen Intelligenz jedoch überlegen bleibt, ist die Beziehungsarbeit. Das ist der Bereich der Emotionen, der individuellen und zwischenmenschlichen Befindlichkeiten. Hier wird weiterhin die Führungskraft als Mensch gefragt sein, jedoch mit neuen Herausforderungen der Zusammenarbeit und des Führens.“60. Die Überschneidung des Zitats mit der Hauptkategorie „Ausblick“ und die Häufigkeit der Codierungen in den Subkategorien zur Erfassung persönlichkeitsgebundener Kompetenzen lassen vermuten, dass in diesem Bereich die Zukunftsfähigkeit der Führungsrolle zu begründen sein könnte. Das Muster zeigt sich ebenfalls in der Konnektivität der Kategorien „Kompetenzen“, „Werte und Einstellungen“ mit der Gestaltung einer neuen „Führungskultur“ innerhalb der Hauptkategorie „Führungsansätze“ (siehe Tabelle 2).
3. Hauptkategorie „Führungskraft im Transformationsprozess“
Führungskräfte werden im digitalen Wandel als bedeutungsvolles Element zur Steuerung und zum erfolgreichen Vollzug unternehmensinterner Veränderungen benannt: „Führungskräfte sind die Pioniere der Digitalisierung. Von ihnen hängt es maßgeblich ab, wie Unternehmen bzw. öffentliche Institutionen den digitalen Wandel vollziehen. Sie tragen maßgeblich dazu bei, die Kolleginnen und Kollegen für die Arbeit mit den neuen Technologien zu gewinnen und in der Nutzung sozialer Medien, mobiler Systeme und von KI-Werkzeugen zu unterstützen“61.
Das Managen von Veränderungen und der wachsenden Komplexität wird in diesem Kontext als die zentralen Herausforderungen für Führungskräfte aufgeführt62. Aus dieser Bedeutsamkeit heraus wurden die Subkategorien „Veränderungsmanagement“ zur Erfassung der Steuerungsfähigkeit, als auch die „Verantwortung“ und „Vorbildfunktion“ als werteorientierte Elemente erfasst. In der Verantwortlichkeit und Vorbildfunktion werden die Qualitäten der Führungskräfte als Motivatoren und Richtungsgeber betont, wodurch Mitarbeiter mit dem nötigen „Empowerment“ ausgestattet werden63, um in den Wandel einzutreten und diesen auch erfolgreich zu vollziehen.
Allerdings bedingen die Verantwortlichkeit für den Prozesserfolg und die Vorbildfunktion für Führungskräfte neue Anforderungen an ihre Kompetenzen: „Da Führungskräfte in Organisationen eine Vorbildfunktion übernehmen sollten, ist es umso wichtiger, sich selbst kritisch zu hinterfragen und zu reflektieren“64. Das Muster wird durch weitere Überschneidungen in den Codierungen verdeutlicht. Im Zusammenhang mit der Forderung nach Verantwortlichkeit wird auch eine weitere Abgrenzung zwischen dem Leistungsspektrum von Menschen und Maschinen gegeben. Dabei wird Verantwortung dem Kompetenzbereich des Menschen zugeordnet, der in seiner Führungsrolle von technischen Werkzeugen in einem klar abgegrenzten Bereich durchaus unterstützt, aber bisher nicht ersetzt werden kann: „Sie tragen maßgeblich dazu bei, die Kolleginnen und Kollegen für die Arbeit mit den neuen Technologien zu gewinnen und in der Nutzung sozialer Medien, mobiler Systeme und von KI-Werkzeugen zu unterstützen“65. Elemente der Vorbildfunktion und Verantwortlichkeit sind entsprechend in der Kategorie „Führungsansätze“ zu finden.
4. Hauptkategorie „Führungsansätze“
In der Hauptkategorie der Führungsansätze wird erfasst, von welchen Aspekten der Einsatz eines spezifischen Führungsansatzes abhängt. Als wesentliche Elemente werden in diesem Zusammenhang die Tradition und Historie der Organisation, die Art des Produktes und der Dienstleistung, aber auch die Kunden und Organisationsmitglieder genannt66. Dabei wird herausgestellt, dass in der Führung aktuell ein „Paradigmenwechsel“ stattfindet, der zunehmend die Ablösung traditioneller Ansätze zugunsten einer modernen Führung mit den Kennzeichen von mehr Agilität, Flexibilität und Diversität begünstigt: „Führungsansätze, die auf langfristiger Planung basieren und eher top-down angelegt sind, werden in der Form nicht mehr greifen. Hier zeichnet sich ein Paradigmenwechsel ab“67.
Zur Erfassung des Wandels sind der Hauptkategorie zwei Ebenen von Subkategorien untergeordnet. Die erste Ebene beinhaltet die Subkategorie „Moderne Ansätze“, der die Kategorien „Traditionelle Ansätze“ und „Hybride Ansätze“ gegenübergestellt werden. Diesen sind wiederum jeweils Ausprägungen von Führungsansätzen und -stilen untergeordnet, die von den Autorinnen näher ausgeführt werden. Unter den modernen Ansätzen befinden sich die Ausprägungen „Agile Führung“, „Servant Leadership“ und „Shared Leadership“, die der Agilen Führung zugeordnet werden können und in Abgrenzung zu den Hybriden Ansätzen wenige oder keine Elemente traditioneller Führung beinhalten. Bei den Hybriden Ansätzen „Situative Führung“ und „Ambidextre Führung“ handelt es sich im Kern um Agile Führungsansätze, bei denen aber explizit Elemente der traditionellen Führung in den Textdokumenten benannt werden. Die Subkategorie „Traditionelle Führung“ ist nicht weiter untergliedert, da keine Ausprägungen in den Dokumenten ausgeführt oder benannt werden.
Während traditionelle Führungsansätze als nicht mehr greifend beschrieben werden, können deren Elemente sehr wohl in Abhängigkeit von Aspekten des Unternehmens oder der Situation in der begleitenden Anwendung Agiler Führung einen Mehrwert darstellen: „Das bedeutet auch, dass nicht nur neue Führungsansätze und -konzepte in der Praxis relevant sind. In manchen Unternehmen werden neben den neuen Ansätzen auch traditionelle Führungsansätze ihre Berechtigung und Bedeutung behalten“68.
Der größte Anteil der Textstellen ist dennoch der Kategorie der modernen Ansätze zugeordnet. Diese Ansätze ermöglichen die Umsetzung kürzerer Veränderungszyklen, wobei die Anwendung entsprechend neue Denkweisen, Werte und Einstellungen und eine neue Art der Führungskultur erfordert. Dabei treten Teamarbeit, Selbstorganisation sowie Kommunikation und Interaktion stark in den Vordergrund. „Es handelt sich bei diesem Ansatz mehr um eine Haltung als um ein Konzept“, bei dem Flexibilität und Diversität wichtige Erfolgsfaktoren sind und die „eine dynamische Veränderung von Menschen, Produkten und Prozessen beinhaltet“69.
Dies zeigt sich auch im weitreichenden kategorialen Überschneidungshorizont von modernen Führungsansätzen mit „Werten und Einstellungen“, „Nicht-digitale Kompetenzen“ und „Führungskultur“. Dahingegend zeichnen sich digitale Führungsansätze insbesondere durch die Integration von Persönlichkeitsmerkmalen und Kompetenzen der Führungskraft in die Umsetzungskonzepte aus: „Agiles Führen ist eine dynamische Haltung, ein Mindset, das Veränderung als Dauerzustand begreift. Agile Führungskräfte sind beweglich, flexibel und fähig zur Transformation von Menschen, Teams und Prozessen. Sie begreifen Führung als Rolle, die definierte Aufgaben beinhaltet, anstatt als Position oder Funktion.“70.
5. Hauptkategorie Ausblick
Um in einem Interpretationsprozess Rückschlüsse auf die aktuelle digitale Reife von Unternehmen und damit die Passung moderner Führungsansätze zu untersuchen, sind der Hauptkategorie „Ausblick“ die Subkategorien „Dissonanzen“ und „Offene Fragen“ sowie „Empfehlungen“ untergeordnet. Klärungsbedarf besteht insbesondere dahingehend, welcher Führungsansatz grundsätzlich Anwendung finden sollte, wobei die Bewertungen durchaus die Ambivalenz in der Literatur aufgreifen: „Führung in digitalen Zeiten und in der neuen Arbeitswelt kann nicht nur eindimensional betrachtet werden und es wird nicht den einen Führungsansatz geben, der für jedes Unternehmen und jede Organisation funktioniert“71. In Feststellung des Mangels an Eindeutigkeit wird weitere praxisorientierte Forschung empfohlen. Offen bleibt auch die Frage nach der zukünftigen Übernahme von „Autorität, Kontrolle und Verantwortung“72. Einigkeit besteht allerdings darüber, „dass sich im virtuellen Kontext die Schwerpunkte von Führung verschieben, es jedoch fatal wäre, von einem Verschwinden oder sinkenden Bedarf an Führung aus-zugehen“73. Die Schwerpunktverlagerung stellt neue Herausforderungen an die Führung und erhöht selbstverstärkend die Relevanz agiler Führungsansätze74.
4 Diskussion
4.1 Interpretation der Ergebnisse
Zur Auswertung der Ergebnisse werden die Inhalte der Dokumente im Folgenden entlang der Leitfragen vor dem Hintergrund des theoretischen Vorwissens diskutiert sowie in einem subjektiven Prozess der Interpretation eingeordnet und bewertet.
1. Welche Rahmenbedingungen haben sich bisher mit der digitalen Transformation für die Organisation, die Mitarbeiter und die Führungskräfte verändert?
Die Digitalisierung hat die interne und externe Komplexität von Unternehmen maßgeblich erhöht und bei gleichzeitig immer kürzer werdenden Veränderungszyklen den Anpassungsdruck auf Organisationen und Mitarbeiter verstärkt. Insbesondere die Erhöhung von Veränderungsgeschwindigkeiten haben zu den Bedingungen der sogenannten VUCA-Welt geführt, in der Flexibilität, Diversität und Anpassungsfähigkeit zu Grundvoraussetzungen für das Bestehen einer Organisation im Kontext von kaum mehr prognostizierbaren Entwicklungen wird.
Entsprechend steigt mit zunehmender Digitalisierung die Notwendigkeit zur Flexibilisierung von Strukturen und Prozessen, deren Funktionalität in die Kultur eines Unternehmens eingebettet ist. Mit der Ausgestaltung der zeitlichen, örtlichen und personellen Flexibilität, verändern sich die Anforderungen an die Mitarbeiter ebenso wie die Lebenswelt der Menschen. Davon bleiben Denk- und Sichtweisen nicht unberücksichtigt, die in kommunikativen Prozessen zur Ausgestaltung der Unternehmenskultur beitragen. So fordert die Nutzung moderner Technologien einen systemischen Anpassungsprozess, der alle Bereiche eines Unternehmens inklusive der Kultur, Führung und auch die Einbeziehung Mitarbeiter betrifft. Die Intensität des Veränderungsdrucks liegt dabei schwerpunktmäßig auf dem Erwerb neuer Kompetenzen und der Ausgestaltung eines zum Erwerb dieser Fähigkeiten förderlichen Umfeldes. Trotz steigender Intensität des Veränderungsdrucks bei fortschreitender Digitalisierung erscheint die Veränderungsrichtung durch die Digitalisierung bisher weitgehend konstant.
2. Welche Anforderungen ergeben sich in einer zunehmend digitalen Arbeitswelt an die Ausgestaltung der Führungskultur und wie verändern sich die Kompetenzprofile der Führungskräfte im digitalen Kontext?
Obwohl digitale Kompetenzen die Grundvoraussetzung für die Nutzung des technologischen Fortschritts darstellen, wird in beiden Analyseeinheiten der Erwerb nicht-digitaler Kompetenzen stark in den Vordergrund gestellt. Dabei steht die Führungskraft in ihrer Vorbildfunktion und zur Wahrung ihrer Authentizität erheblich in der Verantwortung eines sicheren Umgangs mit neuen Technologien. Zudem schließt der sichere Umgang auch die Kenntnis und die adäquate Einordnung der durch die Technologie veränderten Kommunikation ein, die ein wesentlicher Aspekt der heutigen Führungstätigkeit ist. Dahingehend ist die vernetzte Arbeit unter Nutzung moderner Technologien anfällig für Verzerrungen, die unter Umständen für lange Zeit oder gar vollständig unentdeckt bleiben. Ein Hebel zur Korrektur solcher „Biases“ ist unter anderem in der menschlichen Empathie und der Fähigkeit zur Selbstreflexion zu finden, die bis heute auch die Führungsfähigkeit von Robotern und KI-Systemen beschränkt75.
In diesem Zusammenhang ist allerdings auch die Frage danach zu stellen, inwieweit zunehmend erforderliche nicht-digitale Kompetenzen wie die Fähigkeit zur Empathie und Selbstreflexion in einer angemessenen Geschwindigkeit anzueignen, bzw. ob sie überhaupt erlernbar, sind. Schließlich zeigt sich bereits in weitaus weniger umfangreichen Change-Prozessen, dass Verhaltens- und Denkweisen teils sehr lange Anpassungszeiträume benötigen, weshalb entstehende Dissonanzen zwischen neuen Strukturen und Einstellungen nicht selten zum Scheitern von Veränderungsprozessen führen76. In der umfassenden Konsequenz erscheint die Zukunftsfähigkeit von Führung in besonderem Maß an die Entwicklungsfähigkeit und Bereitschaft menschlicher nicht-digitaler Kompetenzen gekoppelt zu sein.
[...]
1 Vgl. Klaffke (2019), S. 1
2 Vgl. Kane et al. (2018), S. 3
3 Vgl. Widuckel et al. (2015), S. 1
4 Vgl. Schaefer/Bohn/Crummenerl (2017)
5 Vgl. Nachtwei/Sureth (2020)
6 Vgl. Petry (2019), S. 129
7 Vgl. Freund et al. (2012), S. 53
8 Vgl. Petry (2019), S. 129
9 Vgl. Hensellek (2020), S. 1189
10 Vgl. Fortmann/Kolocek (2018), S. 284
11 Vgl. Majkovic/Negri (2019), S. 2
12 Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2016), S. 18
13 Vgl. Gensler Research Institute (2019), S. 3
14 Vgl. Mlekus/Ötting/Maier (2018), S. 17
15 Vgl. Majkovic/Negri (2019), S. 2
16 Vgl. Kane et al. (2018), S. 4–9
17 Vgl. von Ameln/Wimmer (2016), S. 16
18 Vgl. Walter/Berger/Mühlfelder (2017), S. 101
19 Vgl. Eilers et al. (2017), S. 9
20 Vgl. Keicher et al. (2012), S. 11
21 Vgl. Kane et al. (2018), S. 3
22 Vgl. Lauer (2019), S. 49
23 Vgl. Hofmann (2013), S. 218–219
24 Vgl. Keicher et al. (2012), S. 13–15
25 Vgl. Kane et al. (2018), S. 3
26 Vgl. Hinterhuber/Krauthammer (2015), S. 11
27 Vgl. Hinterhuber/Krauthammer (2015), S. 11
28 Vgl. Creusen/Gall/Hackl (2017), S. 109
29 Vgl. Van Dick et al. (2016), S. 13
30 Vgl. Creusen/Gall/Hackl (2017), S. 111–119
31 Vgl. Creusen/Gall/Hackl (2017)
32 Vgl. Creusen/Gall/Hackl (2017), S. 51–55
33 Vgl. Weinhut (2018), S. 59–61
34 Vgl. Knieps/Pfaff (2017), S. IX
35 Vgl. Nachtwei/Sureth (2020)
36 Vgl. Nachtwei/Sureth (2020), S. 2
37 Vgl. Nachtwei/Sureth (2020), S. 2
38 Vgl. Nachtwei/Sureth (2020), S. 10
39 Vgl. Hasenbein (2021a)
40 Vgl. Hasenbein (2021b)
41 Vgl. Hasenbein (2021a)
42 Vgl. Hasenbein (2020), S. 326–329
43 Vgl. Piéch (2021)
44 Vgl. Piéch (2020), S. 350–353
45 Vgl. Goerlich (2020), S. 46
46 Vgl. Flick/Kardorff/Steinke (2015), S. 14
47 Vgl. Mayring (2002), S. 24–25
48 Vgl. Kane et al. (2018), S. 3–4
49 Vgl. Mayring (2002), S. 47–49
50 Vgl. Mayring (2002), S. 116
51 Vgl. Mayring (2002), S. 114
52 Vgl. Kuckartz (2018), S. 134–137
53 Vgl. Hasenbein (2020), S. 326
54 Vgl. Piéch (2020), S. 352
55 Vgl. Hasenbein (2020), S. 326
56 Vgl. Piéch (2020), S. 352
57 Vgl. Hasenbein (2020), S. 326
58 Vgl. Hasenbein (2020), S. 327–328
59 Vgl. Hasenbein (2020), S. 327
60 Vgl. Hasenbein (2020), S. 328
61 Vgl. Piéch (2020), S. 350
62 Vgl. Hasenbein (2020), S. 326
63 Vgl. Hasenbein (2020), S. 327
64 Vgl. Hasenbein (2020), S. 328
65 Vgl. Piéch (2020), S. 350
66 Vgl. Hasenbein (2020), S. 327
67 Vgl. Hasenbein (2020), S. 326
68 Vgl. Hasenbein (2020), S. 327
69 Vgl. Hasenbein (2020), S. 326–327
70 Vgl. Hasenbein (2020), S. 327
71 Vgl. Hasenbein (2020), S. 327
72 Vgl. Hasenbein (2020), S. 328
73 Vgl. Hasenbein (2020), S. 328
74 Vgl. Piéch (2020), S. 351
75 Vgl. Lemke/Moett (2020), S. 402
76 Vgl. Kauffeld/von Ameln (2019), S. 98–99
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