Der Schwerpunkt dieser Arbeit beruht auf den möglichen Auswirkungen des Anstiegs der Weltbevölkerung, insbesondere auf den Aspekten der Nachhaltigkeit und den Konsequenzen für die vorherrschenden Lebensstandards sowie der Tragfähigkeit der Erde. Darüber hinaus werden Szenarien der Überbevölkerung sowie mögliche Lösungsansätze dargestellt.
"Wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung unverändert anhält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht." Was der US-amerikanische Ökonom Dennis Meadows hier, in seinem 1972 erschienenen Werk, formuliert, bezieht sich auf den Anstieg der Weltbevölkerung im Verlauf der Geschichte, welche etwa ab dem 19. Jahrhundert beginnt, rasant in die Höhe zu steigen. Das hohe Maß an Dringlichkeit und Handlungsnotwendigkeit dieser weltweiten Entwicklung ist in keiner Weise zu ignorieren und weckte sogleich mein Interesse.
I Inhaltsverzeichnis
II Abbildungsverzeichnis
III Tabellenverzeichnis
IV Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Hypothesenfindung und Aufbau der Arbeit
1.2 Stand der Forschung
1.3 Fachtheoretische Einbindung und angewandte Methodik
2. Globale Bevölkerungsentwicklung
2.1 Geschichtlicher Ablauf der Bevölkerungsentwicklung
2.2 Ist-Zustand der Bevölkerungsentwicklung
2.3 Prognosen zukünftiger Bevölkerungsentwicklungen
2.3.1 Die niedrige Variante
2.3.2 Die mittlere Variante
2.3.3 Die hohe Variante
3. Die Tragfähigkeit der Erde
3.1 Betrachtungsweisen der Tragfähigkeit
3.1.1 Pessimistische Betrachtungsweise der Tragfähigkeit
3.1.2 Optimistische Betrachtungsweise der Tragfähigkeit
3.2 Mögliche Maßnahmen zur Einhaltung der Tragfähigkeit der Erde
4. Zwischenfazit
5. Zwischen Nachhaltigkeit und Gewährleistung des Lebensstandards
5.1 Das bevölkerungsreichste Land der Erde: Die Volksrepublik China
5.1.1 Die Volksrepublik China: Gewährleistung des Lebensstandards
5.1.2 Die Volksrepublik China und Nachhaltigkeit
5.2 Das zweitbevölkerungsreichste Land der Erde: Indien
5.2.1 Indien: Gewährleistung des Lebensstandards
5.2.2 Indien und Nachhaltigkeit
6. Fazit
7. Quellenverzeichnis
7.1 Literaturverzeichnis
7.2 Internetquellen
8. Anhang
II Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Bevölkerungsentwicklung nach Großregionen
Abb. 2: Prozentuale Wachstumsrate der Bevölkerung 400 v. Chr. - 2050 n. Chr
Abb. 3: Weltweite Bevölkerungsentwicklung seit dem Neolithikum
Abb. 4: Bevölkerungspyramide Afrika 2017
Abb. 5: Total Fertility Rate europäischer Länder 1975 - 2050
Abb. 6: Bevölkerungsprojektion 2050 - 2300 niedrige Variante
Abb. 7: Bevölkerungsprojektion 2050 - 2300 mittlere Variante
Abb. 8: Bevölkerungsprojektion 2050 - 2300 hohe Variante
Abb. 9: Verdopplungszeit der Bevölkerung 2010 und Anteil unterernährter Personen nach Ländern
Abb. 10: Pessimistische Tragfähigkeitsvorstellungen nach MEADOWS (1972)
Abb. 11: Tragfähigkeitsstandpunkt nach BOSERUP (1965)
Abb. 12: Maßnahmen zur Einhaltung der Tragfähigkeit der Erde
Abb. 13: Globale Total Fertility Rate
Abb. 14: Bevölkerungsprojektionen VR China nach verschiedenen Varianten
Abb. 15: Altersstruktur der chinesischen Bevölkerung nach Altersgruppen
Abb. 16: Bruttoinlandsprodukt (VR China) pro Kopf in $
Abb. 17: Chinas Lebenserwartung (Mann/Frau) und Bevölkerungswachstum in den Jahren 1990-2015
Abb. 18: Veränderung der Nahrungs - und Wasserversorgung und des Zugangs zu sanitären Einrichtungen von 1990-2015 in China
Abb. 19: Alphabetisierungsrate und Jahre der Beschulung der chinesischen Bevölkerung von 1990-2015
Abb. 20: Chinas Beschäftigungsquote und BIP pro Kopf in $ im Verlauf von 1990-2015
Abb. 21: Gewalttaten in China von 1997-2015
Abb. 22: CO2 und Methan-Emissionen Chinas und der Europäische Union von 1990-2014
Abb. 23: Veränderung der natürlichen Ressourcen von 1990-2014
Abb. 24: Altersstruktur der Bevölkerung nach Altersgruppen Indien
Abb. 25: Indiens Lebenserwartung (Mann/Frau) und Bevölkerungswachstum in den Jahren 1990-2015
Abb. 26: Alphabetisierungsrate der indischen Bevölkerung von 1951-2011
Abb. 27: Indiens Beschäftigungsquote und BIP pro Kopf in $ im Verlauf von 1990-2015
Abb. 28: Veränderung der Nahrungs - und Wasserversorgung und des Zugangs zu sanitären Einrichtungen von 1990-2015 in Indien
Abb. 29: Gewalttaten in Indien 1995 - 2014
Abb. 30: CO2 und Methan-Emissionen Indiens und der Europäische Union von 1990-2014
Abb. 31: Veränderung der natürlichen Ressourcen von 1990-2014
Abb. 32: Import/Export des virtuellen Wassers
III Tabellenverzeichnis
Tab. 1: Bevölkerungsentwicklung nach Großregionen
Tab. 2: Prozentuale Wachstumsrate der Bevölkerung 400 v. Chr. - 2050 n. Chr
Tab. 5: Total Fertility Rate europäischer Länder 1975 - 2050
Tab. 6: Bevölkerungsprojektion 2050 - 2300 niedrige Variante
Tab. 7: Bevölkerungsprojektion 2050 - 2300 mittlere Variante
Tab. 8: Bevölkerungsprojektion 2050 - 2300 hohe Variante
Tab. 15: Altersstruktur der chinesischen Bevölkerung nach Altersgruppen
Tab. 16: Bruttoinlandsprodukt (VR China) pro Kopf in $
Tab. 17: Chinas durchschnittliche Lebenserwartung (Mann/Frau) und Bevölkerungswachstum in den Jahren 1990-2015
Tab. 18: Veränderung der Nahrungs - und Wasserversorgung und des Zugangs zu sanitären Einrichtungen von 1990-2015 in China
Tab. 19: Alphabetisierungsrate und Jahre der Beschulung der chinesischen Bevölkerung von 1990-2015
Tab. 20: Chinas Beschäftigungsquote und BIP pro Kopf in $ im Verlauf von 1990-2015
Tab. 21: Gewalttaten in China von 1997-2015
Tab. 22: CO2 und Methan-Emissionen Chinas und der Europäische Union von 1990-2014
Tab. 23: Veränderung der natürlichen Ressourcen der VR China von 1990-2014
Tab. 24: Altersstruktur der Bevölkerung nach Altersgruppen Indien
Tab. 25: Indiens durchschnittliche Lebenserwartung (Mann/Frau) und Bevölkerungswachstum in den Jahren 1990-2015
Tab. 26: Alphabetisierungsrate der indischen Bevölkerung von 1951-2011
Tab. 27: Indiens Beschäftigungsquote und BIP pro Kopf in $ im Verlauf von 1990-2015
Tab. 28: Veränderung der Nahrungs - und Wasserversorgung und des Zugangs zu sanitären Einrichtungen von 1990-2015 in Indien
Tab. 29: Gewalttaten in Indien 1995 - 2014
Tab. 30: CO2 und Methan-Emissionen Indiens und der Europäische Union von 1990-2014
Tab. 31: Veränderung der natürlichen Ressourcen Indiens von 1990-2014
IV Abkürzungsverzeichnis
BIP Bruttoinlandsprodukt
BMEL Bundesministerium für
Ernährung und Landwirtschaft ca. circa
CO2 Kohlenstoffdioxid
Dem. Rep. Demokratische Republik
EU Europäische Union
FAO Food and Agriculture Organization
IEA International Energy Agency
IT Informationstechnik km2 Quadratkilometer kt Kilotonne l Liter m Meter mm Millimeter n. Chr. nach Christus Geburt
UN United Nations
UNICEF United Nations International
Children’s Emergency Fund
VR Volksrepublik v. Chr. vor Christus Geburt
WHO World Health Organization z. T. zum Teil
1. Einleitung
„Wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung [...] unverändert anhält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht“ (Meadows 1972: 17).
Was der US-amerikanische Ökonom Dennis Meadows hier, in seinem 1972 erschienenen Werk, formuliert bezieht sich auf den Anstieg der Weltbevölkerung im Verlauf der Geschichte, welche etwa ab dem 19. Jahrhundert beginnt, rasant in die Höhe zu steigen. Das hohe Maß an Dringlichkeit und Handlungsnotwendigkeit dieser weltweiten Entwicklung ist in keiner Weise zu ignorieren und weckte sogleich mein Interesse. Dies gab mir den Anstoß mich dieser Thematik, im Zuge einer wissenschaftlichen Arbeit, zu widmen. Der Schwerpunkt meiner Betrachtungen beruht auf den möglichen Auswirkungen dieses Anstiegs, insbesondere auf den Aspekten der Nachhaltigkeit und den Konsequenzen für die vorherrschenden Lebensstandards.
1.1 Hypothesenfindung und Aufbau der Arbeit
Um eine umfassende, fachgerechte und sachgemäße Betrachtung und Bearbeitung der Thematik zu gewährleisten, werde ich einen hypothesengeleiteten Aufbau verfolgen, welcher zur abschließenden Verifizierung oder Falsifizierung dieser Hypothese führen soll. Die Behandlung aller nachfolgenden Bereiche verläuft mit explizitem Blick auf diese und soll sukzessive aufbauend zur Erschließung der Thematik führen.
Meine gewählte Hypothese lautet wie folgt:
,,Die steigenden Bevölkerungszahlen wirken sich negativ auf die Nachhaltigkeit und die Lebensstandards der Menschen aus.“
Ich habe mich für diese wissenschaftliche Vorgehensweise entschieden, da sie es ermöglicht komplexe Zusammenhänge zu konstruieren und nicht bloß Einzelfaktoren zu betrachten. Des Weiteren wird durch die gewählte Herangehensweise die Verbindung qualitativer und quantitativer Analyseschritte ermöglicht sowie die Beachtung der wissenschaftlichen Gütekriterien: Objektivität, Repräsentativität, Validität und Reliabilität.
Den Aufbau meiner Arbeit habe ich strukturell so aufgebaut, dass ich zunächst vom Allgemeinen ins Explizite gehen werde. Das heißt im Konkreten, dass ich zu Beginn einen einführenden Überblick in das Fachgebiet der Bevölkerungsentwicklung gebe und auf die sogenannte Tragfähigkeit, beziehungsweise eine mögliche ,,Überbevölkerung“ der Erde eingehen werde. Hierzu werde ich anschließend unterschiedliche wissenschaftliche Sichtweisen zu Rate ziehen und zudem alle relevanten Begriffe definieren, um ein möglichst aussagekräftiges und transparentes Gesamtbild der Thematik zu zeichnen. Im Folgenden werde ich auf die möglichen Auswirkungen der rasant steigenden Weltpopulation eingehen und innerhalb dieser, unterschiedlichste Bereiche beleuchten. Abschließend werde ich die zuvor gewonnenen Erkenntnisse auf die Länder Indien und die Volksrepublik China1 anwenden, welche ich bewusst als repräsentative Beispiele gewählt habe und festhalten, ob die aufgestellte Hypothese zutrifft oder verworfen werden muss.
1.2 Stand der Forschung
Die Diskussion, um den Zusammenhang von Bevölkerungsentwicklung und der möglichen Tragfähigkeit der Erde ist keineswegs neu. Bereits 1798, als der britische Ökonom Thomas Robert Malthus sein ,,Essay on the Principle of Population“ veröffentlichte, wurde das Problem wissenschaftlich erkannt und führte zu zahlreichen Spekulationen und Diskussionen, welche aber zumeist akademischer und nicht öffentlicher Art waren. Die Grundlagen seiner Forschungsarbeit waren zwei Behauptungen:
„Erstens: Die Nahrung ist für die Existenz des Menschen notwendig.
Zweitens: Die Leidenschaft zwischen den Geschlechtern ist notwendig und wird in ihrem gegenwärtigen Zustand bleiben“ (Malthus 1977: 17).
Das heißt im Konkreten, dass der Mensch Nahrung benötigt, um zu überleben und dass er einen Sexualtrieb besitzt, welcher sich auch in Zukunft nicht verringern wird. Das eigentliche Dilemma seiner Forschungsarbeit ist allerdings, dass ,,die Vermehrungskraft der Bevölkerung unbegrenzt größer ist als die Kraft der Erde, Unterhaltsmittel für den Menschen hervorzubringen“ (Malthus 1977: 18). So wächst nach Malthus das Nahrungsangebot folglich in einer linearen Weise (also 1, 2, 3, 4, 5.), wohingegen sich die Menschen exponentiell vermehren (also 1, 2, 4, 8, 16...), was, so der Autor, zunächst zu einem starken Bevölkerungszuwachs und parallel zu großen Ernährungsengpässen führe. Sofern diesen Wachstumstrends nicht durch sogenannte ,,preventive checks“, also präventive Gegenmaßnahmen, Einhalt geboten würde, drohen Malthus zufolge unabwendbare Folgen, die sogenannten ,,positive checks“, welche sich als Hungersnöte und beispielsweise Erhöhung der Kindersterblichkeit äußern würden. Forschungen haben allerdings ergeben, dass Malthus' mathematische Herangehensweise, insbesondere durch das Fehlen aussagekräftiger und zuverlässiger statistischer Unterlagen, heutzutage nicht mehr haltbar sei. Trotz allem legten die Überlegungen des britischen Ökonoms ,,den Grundstein für zahlreiche Berechnungen zur Tragfähigkeit“ (Wehrhahn; Sandner LE GALL, 2016: 36).
In die Öffentlichkeit trat die Problematik des unaufhaltsamen Bevölkerungszuwachses speziell durch den ,,Club of Rome“ in den 1970er Jahren. Diese Vereinigung, gegründet zur Sicherung einer nachhaltigen Zukunft der Menschheit, bestehend aus dutzenden Experten verschiedenster Disziplinen, entwickelte 1972, unter der Federführung des US-amerikanischen Ökonoms Dennis Meadows, das Werk ,,Die Grenzen des Wachstums“, welches ich bereits zu Beginn meiner Einleitung zitiert habe. Dieses ergänzt Malthus' Überlegungen durch weitere Faktoren, welche ,,für die Existenz der Menschheit von entscheidender Bedeutung sind“ (Ehlers 1984: 7). Dazu zählen:
- Weltbevölkerung
- Nahrungsmittelproduktion
- Industrialisierung
- Umweltverschmutzung
- Ressourcenausbeutung
Die Problematik ergibt sich auch hier aus der Tatsache, dass sich ,,alle diese Erscheinungen nicht linear [...], sondern exponentiell [...] zu Ungunsten der Menschheit entwi[k]keln. Sie führen somit in [.] eine ökologische Katastrophe globalen Ausmaßes“ (Ehlers 1984: 7 - 8).
Neben diesen beiden exemplarisch aufgezeigten Studien, gibt es zahlreiche weitere, welche ich, um die Fokussierung der Thematik nicht zu verlieren, nicht weiter ausführen werde. Zu nennen sei hier, für ein darüber hinausgehendes Interesse, unter Anderem der sogenannte ,,Pearson-Bericht“2, welcher eine Bestandsaufnahme der Entwicklungspolitik vornimmt und unterschiedliche Zukunftsperspektiven aufzeigt sowie der, von der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung entworfene ,,Brundtland-Bericht“3, welcher den Begriff der ,,nachhaltigen Entwicklung“, auf den ich in Kapitel 5 näher zu sprechen komme, geprägt hat.
1.3 Fachtheoretische Einbindung und angewandte Methodik
Die vorliegende wissenschaftliche Arbeit lässt sich in Bezug auf das, von Harald Uhlig entwickelte ,,Schema der Geographie“4, in unterschiedlichste Bereiche der Geographie einordnen. Im Kern ist die Thematik innerhalb der Anthropogeographie angesiedelt, mit der Schwerpunktsetzung im Gebiet der Bevölkerungsgeographie. Darüber hinaus lassen sich Überschneidungen mit weiteren geographischen Disziplinen finden, wie beispielsweise mit Bereichen der Siedlungsgeographie, der Wirtschaftsgeographie und zum Teil auch innerhalb der physischen Geographie, denn ich werde im späteren Verlauf der Arbeit auf ökologische Folgen der Bevölkerungsentwicklung eingehen. Zudem wird die politische Geographie, insbesondere die geographische Konfliktforschung, eine große Rolle spielen. Neben konflikttheoretischen Forschungsansätzen zur Ressourcenverknappung werden auch Aspekte der Nutzung, Gestaltung und Entwicklung räumlicher Strukturen zum Tragen kommen.
Zur Herstellung eines möglichst vollständigen, nachvollziehbaren und transparenten Gesamtbildes, welches abschließend zu der Verifizierung oder Falsifizierung der Hypothese führt, habe ich mich in spezieller Weise auf die Methoden der Literaturrecherche bezogen. Durch die Bezugnahme auf wissenschaftliche Texte, welche zuvor, im Hinblick auf die eingangs erwähnten wissenschaftlichen Gütekriterien ausgewählt wurden, sollen Zusammenhänge innerhalb der Thematik geschaffen werden, welche anschließend diskutiert, evaluiert und interpretiert werden können und darüber hinaus zur Untersuchung und Bewertung einer Hypothese beitragen.
Des Weiteren werde ich mithilfe von ausgewählten Daten unterschiedlichste Visualisierungen vornehmen. Die Vorzüge dieser Vorgehensweise liegen zum einen in einer höheren Anschaulichkeit, denn im Gegensatz zur Abbildung abstrakter Zahlenreihen, erfolgt die Verarbeitung und Speicherung visuell dargestellter Grafiken schneller und langfristiger. Zum anderen bietet diese Vorgehensweise die Möglichkeit, komplexe Zusammenhänge herauszuarbeiten und mit weiteren Sachverhalten vergleichend gegenüber zu stellen.
2. Globale Bevölkerungsentwicklung
Bevor in der Arbeit auf das zentrale Thema der globalen Bevölkerungsentwicklung eingegangen wird, möchte ich zunächst den Begriff der Bevölkerung genauer definieren: Als Bevölkerung bezeichnet man die ,,Summe der Einwohner eines Gebietes zu einem bestimmten Zeitpunkt“ (Bähr 2010: 27). Zu unterscheiden ist hierbei zudem, so Bähr, die ,,Wohnbevölkerung“ und die ,,ortsanwesende Bevölkerung“. Im weiteren Verlauf dieser Arbeit werde ich mich auf die ,,Wohnbevölkerung“ beziehen, da anhand der ,,ortsanwesende Bevölkerung“ die Bevölkerungszahlen, durch beispielsweise Pendlerströme, sehr stark schwanken können. Des Weiteren ist festzuhalten, dass sich die Bevölkerung nicht gleichmäßig über das besagte Gebiet verteilt, sondern sich häufig an bestimmten Orten, insbesondere in Städten, konzentriert und dort zu einer erhöhten Bevölkerungsdichte, also Menschen pro km2, führt. Dieser Begriff bringt die „Belastung“ des Raumes durch die in ihm wohnenden Menschen zum Ausdruck (Boustedt 1975: 73) und kann zu unterschiedlichsten Problemen führen, welche im Verlauf der Arbeit herausgearbeitet werden. Diese ,,Belastung“ des Raumes, durch eine hohe Bevölkerungsdichte, führt wiederum, an einer anderen Stelle des Gebietes, zu einer ,,Entlastung“, im Sinne einer Reduzierung der Bevölkerung, was ebenfalls negative Auswirkungen haben kann.
Um eine Bevölkerung in ihrer Gänze und ihrer Struktur, der sogenannten Bevölkerungsstruktur, darzustellen, bedarf es der demographischen Daten. Diese sind qualitativer Natur, im Gegensatz zu den bereits genannten absoluten und relativen Bevölkerungszahlen, welche die quantitative Zusammensetzung einer Bevölkerung beschreiben. Die demographischen Daten umfassen die aus den statistischen Jahrbüchern entnommenen Werte: Geschlecht, Alter, Bildungsstand, Haushaltsgröße, Familienstatus, Einkommen und einige weitere Werte. Durch sie ist es möglich, die Struktur, also ,,den inneren Aufbau eines als komplexe Einheit gegebenen Beziehungsgefüges oder Systems“ (Bähr 2010: 30), zu ermitteln sowie zu analysieren und zu interpretieren. So ist es mithilfe dieses Wissens über die Bevölkerungsstruktur nicht nur möglich, vergangene und zukünftige Bevölkerungsbewegungen zu beurteilen, sondern auch Prognosen für die Zukunft zu treffen, insbesondere im Bereich der Wirtschaft.
Diese drei Begriffe: Bevölkerung, Bevölkerungsdichte und Bevölkerungsstruktur werden im weiteren Verlauf eine tragende Rolle spielen, denn diese sind unabdingbar, für die sachgemäße und wissenschaftlich korrekte Darstellung und Untersuchung der in der Einleitung erwähnten Problematik.
2.1 Geschichtlicher Ablauf der Bevölkerungsentwicklung
Einen Großteil der erfassbaren Menschheitsgeschichte kennzeichnet ein eher langsamer Anstieg der Weltbevölkerung. So wird auf Grundlage von Skelettfunden und Untersuchungen früherer Siedlungsgebiete davon ausgegangen, dass 10.000 bis 8.000 Jahre vor Christi Geburt nur etwa fünf bis zehn Millionen Menschen die Erde bevölkerten. Die Bevölkerungsentwicklung unterlag einer starken Limitierung, unter anderem aufgrund wechselnder klimatischer Verhältnisse, aber auch aufgrund der Lebensweisen der Menschen. Als Jäger und Sammler waren die Menschen sehr von ihrer natürlichen Umgebung abhängig und vermehrten sich in Folge dessen nur sehr langsam. Jedwede klimatische Schwankung wirkte sich direkt negativ auf die Menschen aus, denn schon eine missglückte Fruchtblüte konnte massenhafte Unterernährung zur Folge haben, sofern keine Alternativen gefunden wurden. Des Weiteren zwang diese Lebensweise zu häufigen Ortswechseln, woraus sich eine entscheidende Ursache für die geringe Geburtenhäufigkeit ableiten lässt: Mütter konnten bei zum Teil fluchtartigen Ortswechseln nur ein Kind tragen. Dies hatte zur Konsequenz, dass ,,eine weitere Geburt erst erfolgen konnte, wenn der jüngste Nachkomme [...] mit den Erwachsenen Schritt halten konnte“ (Diamond 1999: 95). Somit betrug die jährliche Rate des Bevölkerungswachstums, so Gans, Schätzungen zufolge 0,008 %, ,,was einer Verdopplungszeit von über 8000 Jahren entspricht“ (Gans 2011: 16).
Dies änderte sich erst zu Zeiten der sogenannten ,,Neolithischen Revolution“, welche etwa 8.000 bis 6.000 Jahre vor Christi Geburt einsetzte. Dieser Begriff bezeichnet den Wechsel der Lebensweise der Menschen, weg von einem nomadischen Jäger - und Sammler-Dasein, hin zur Sesshaftwerdung. Parallel dazu entwickelten sich neue Produktionsmethoden, wie zum Beispiel Ackerbau und Viehzucht. Von da an waren die Menschen nicht mehr schutzlos der Natur ausgesetzt, sondern konnten langfristiger planen und Vorräte anlegen, die ihnen das Überleben sicherten, sofern es zu Missernten oder anderweitigen Engpässen kam. Dies hatte zur Folge, dass die Bevölkerungszahlen anstiegen, sich größere Siedlungsgebiete bilden konnten und Handelsbeziehungen aufgebaut wurden. Zudem verringerte sich die Verdopplungszeit der Bevölkerung erheblich auf schätzungsweise 2000 Jahre.
Untersuchungen von ehemaligen Siedlungsgebieten ergaben, dass zu Zeiten Christi etwa 250 - 300 Millionen Menschen auf der Erde lebten, wovon nach Berechnungen der UN, zum römischen Reich etwa 54 Millionen und zu China etwa 75 Millionen Bewohner zählten. Hungersnöte, Seuchen, Naturkatastrophen, Völkerwanderungen und Kriege sorgten allerdings dafür, dass sich die Weltbevölkerung erneut nur sehr langsam entwickelte. Besonders ausgeprägt war die Kindersterblichkeit und die niedrige Lebenserwartung innerhalb der Agrargesellschaften. So ist davon auszugehen, dass die Hälfte aller Neugeborenen in den ersten Lebensjahren starb und die durchschnittliche Lebenserwartung nur 20 bis 40 Jahre betrug (Herden 2007: 4). Gründe hierfür kommen nach Massimo Livi-Bacci, einem italienischen Demographen und Politiker, durch zwei wesentliche Faktoren zustande:
1. Die relativ einseitige Ernährungsweise der sesshaften Bauern und Viehzüchter war weniger variantenreich als die Nahrung der Jäger und Sammler, was zu unterschiedlichsten Mangelerscheinungen führte.
2. Das Zusammenleben in befestigten Siedlungen und die noch äußerst unzureichend ausgebauten Sanitäranlagen führten zu einem Anstieg an Infektionen und parasitären Krankheitsfällen.
Trotz allem konnte die erhöhte Sterblichkeitsrate wiederum durch eine erhöhte Fruchtbarkeitsrate aufgefangen und reguliert werden, welche durch die Sesshaftigkeit und das hohe Nahrungsangebot ermöglicht wurde.
Die folgenden Jahrhunderte, bis etwa in das 16. Jahrhundert, waren geprägt von Zuwachs und Rückgang der Bevölkerungszahlen. Stadtgründungen und Expansionspläne wurden vorangetrieben, allerdings ohne die Bodenfruchtbarkeit zu beachten. Dies führte, nach Livi-Bacci, zu schweren Hungersnöten gegen Ende des 13. Jahrhunderts, welche zusätzlich durch die sich verändernden Klimabedingungen negativ verstärkt wurden. In den darauffolgenden Jahren, Mitte des 14. Jahrhunderts, ,,wurde die Pest [im Jahr] 1347 durch genuesische Handelsschiffe nach Europa eingeschleppt“ (Livi-Bacci 2001: 38). Dieser Krankheit, welche auch der ,,Schwarze Tod“ genannt wurde, fielen in Europa etwa ein Drittel der Bevölkerung zum Opfer, rund 24 Millionen Menschen. Nur präventive Maßnahmen, wie die Quarantäne für einlaufende Schiffe sowie eine zunehmende Immunität, so Livi-Bacci, führten zur Eindämmung der Seuche, bis schließlich in den Jahren 1720 bis 1722 die letzten Pestfälle erfasst wurden.
Ähnliche Bevölkerungsschwankungen, wie sie in Europa zu beobachten waren, traten ebenfalls in Asien, Afrika und auf dem amerikanischen Kontinent auf. So kam es auch dort zu Hungersnöten, Epidemien und Kriegen, welche die Bevölkerungsentwicklung hemmten. Ein exemplarisches Beispiel wäre die Pocken - und Masernepidemie: Durch die europäischen Eroberer eingeschleppte Krankheitserreger, welche unter der indigenen Bevölkerung unbekannt waren, sodass diese keinerlei Immunisierung besaß. Die Folge war ein Massensterben der Indios.
Neben der erfolgreichen Bekämpfung der Pest, welche die Bevölkerung stark ausdünnte, führte insbesondere die ,,Industrielle Revolution“ im 18. Jahrhundert zu einem starken Anstieg der Bevölkerungszahlen, wodurch es bis Mitte des Jahrhunderts eine Weltbevölkerung von etwa 790 Millionen Menschen gegeben hat. Diese war allerdings nicht auf bestimmte Gebiete konzentriert, sondern verteilte sich, ausgehend von den Siedlungszentren Asien und Europa über die ganze Erde, speziell durch die Kolonialisierung, den Sklavenhandel und die Völkerwanderungen von Europa nach Nordamerika (siehe Abb. 1). Dies lässt sich anhand der untenstehenden Grafik besonders durch die Veränderungen Afrikas und Nordamerikas veranschaulichen. Um 1750 besaß Afrika noch eine Bevölkerung von etwa 13,4 % der Weltbevölkerung, Nordamerika lediglich 0,3 % und Lateinamerika 2,1 %. 150 Jahre später, im Jahr 1900, verringerte sich der Anteil der in Afrika lebenden Menschen um gut 5 %, dafür stieg die Zahl der Menschen in Nordamerika auf 5 % und in Lateinamerika auf 4,5 %.
Insbesondere die bereits erwähnte „Industrielle Revolution“ trieb das Bevölkerungswachstum voran. Durch die Entwicklung neuer Produktionstechniken, 5 Sämtliche Zukunftsprognosen, die in visualisierter Form vorliegen, beruhen auf der ,,mittleren Variante“ der UN Bevölkerungsprojektionen. Ich habe mich für diese Variante entschieden, da diese in der Mehrheit der Fachliteratur verwendet wird und meiner Ansicht nach die realistischste beziehungsweise zutreffendste der drei Projektionen ist.
Die Daten der eigens erstellten Abbildungen/Grafiken sind dem Anhang beigefügt. insbesondere durch die Dampfmaschine, welche die Produktivität enorm steigerte, kam es parallel dazu zu einem Wandel der Gesellschaft, weg von einem Agrarstaat, hin zu einem Industriestaat sowie innerhalb Europas, bedingt durch die ,,Französische Revolution“, zu einer Abwendung von der absoluten Monarchie, hin zur Eigenverantwortung der Bevölkerung. Diese Entwicklungen führten zu einem Wachstumsschub in Europa mit einer Zuwachsrate von jährlich etwa 0,6 %, so Paul Gans, sowie zu Beginn des 19. Jahrhunderts zu der ersten Milliarde Menschen weltweit. Der Trend des Bevölkerungsanstiegs war also keinesfalls ein auf Europa beschränktes Phänomen (siehe Abb. 2), sondern fand in allen Teilen der Welt, mitunter sogar Asien Europa Afrika Nord - und Südamerika Ozeanien Welt gleichzeitig statt. Deutlich festzustellen ist der Anstieg der jährlichen Zuwachsrate und der damit verbundenen Verringerung der Verdopplungszeit der Weltbevölkerung ab etwa 1400 n. Chr. Zuvor pendelte die Wachstumsrate in allen Teilen der Erde in einem eher geringen Ausmaß. Wichtig ist an dieser Stelle zu erwähnen, dass die historische Rekonstruktion der Bevölkerungsentwicklung ,,z. T. auf groben Schätzungen“ (Ehlers 1984: 13) und ,,quantifizierbaren Daten von Historikern und Archäologen über Kriege, Hungersnöte und Epidemien [...]“ (BÄHR 2010: 202) beruht und Zukunftsprognosen nur mit sehr großer Vorsicht getroffen werden dürfen, da sich das bisherige Bevölkerungswachstum sehr schnell durch beispielsweise ,,staatliche Eingriffe, durch Ernährungskatastrophen, durch Fortschritte der Medizin oder durch Änderung der Verhaltensnormen“ (Ehlers 1984: 13) ändern kann. Mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit lässt sich allerdings festhalten, dass sich mit Beginn des 20. Jahrhunderts, die Wachstumszentren der globalen Bevölkerung von ,,Europa und Asien weg zugunsten Afrikas und Lateinamerikas“ (Ehlers 1984: 13) entwickelten. Mit Rückgriff auf die obenstehenden Prognosen, wird dieser Wachstumstrend vermutlich auch in der Zukunft anhalten.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung und Berechnung nach Livi-Bacci 2017: 25
Der große Wachstumsschub der Weltbevölkerung seit dem 18. Jahrhundert, setzte erste Diskussionen über mögliche Konsequenzen zu vieler Menschen innerhalb eines bestimmten Gebietes in Gang. So schrieb anlässlich dieser Entwicklungen der eingangs bereits genannte Thomas Robert Malthus im Jahr 1798 sein ,,Essay on the Principle of Population“, um auf die Problematik und deren Auswirkungen, welche im weiteren Verlauf dieser Arbeit und in Bezug auf die aufgestellte Hypothese näher behandelt werden, aufmerksam zu machen.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die ,,Industrielle Revolution“ zu einer langfristigen Verbesserung der Lebensweise führte, zum einen durch die Erhöhung der Nahrungsmittel und Einnahmen pro Kopf, zum anderen durch die Entdeckung weiterer Errungenschaften, wie zum Beispiel der Elektrizität, der Automobile und des Penicillins, welches einen enormen Stellenwert innerhalb der Krankheitsbekämpfung einnahm, da es zu einer Verringerung der Sterberate führte. Die fortschreitende Modernisierung ermöglichte es den Menschen, in den meisten Teilen der Welt, sich nach Belieben fortzupflanzen und gab den Anstoß für die derzeitigen Bevölkerungsentwicklungen. So stiegen im Laufe dieser Jahre die jährlichen Zuwachsraten enorm an (siehe Abb. 3), so dass die zweite Milliarde bereits nach nur 117 Jahren, im Jahr 1927 etwa, erreicht wurde.
Gedämpft wurde das Bevölkerungswachstum im 20. Jahrhundert, speziell in Europa, durch den ersten und den zweiten Weltkrieg, welcher Millionen von Menschen das Leben kostete. In den restlichen Teilen der Erde wurde der Zuwachs allerdings ungehindert fortgesetzt, sodass bereits nach wenigen Jahrzehnten die dritte Milliarde Menschen erreicht war und bis ins 21. Jahrhundert kein Abbruch des Anstiegs zu erkennen ist.
2.2 Ist-Zustand der Bevölkerungsentwicklung
Innerhalb von 67 Jahren, von 1950 bis 2017, erhöhte sich die Weltbevölkerung um das 2,9-Fache von 2529 auf etwa 7400 Millionen. Besonders ausgeprägt ist die Zunahme der Bevölkerung speziell in den sogenannten ,,weniger und am wenigsten entwickelten Ländern“ der Erde, denn laut dem ,,UN World Population Data Sheet 2016“ sind diese für etwa 90 % des jährlichen Zuwachses verantwortlich. Konkret bedeutet dies: mehr als 130 Millionen Menschen werden in diesen Ländern geboren, rund 13 Millionen Menschen in den entwickelten Ländern. Der Begriff ,,weniger entwickelte“ oder ,,am wenigsten entwickelte“ Länder, im Englischen ,,less developed countries“ und ,,least developed countries“ genannt, bezieht sich auf unterschiedliche Faktoren, wie unter anderem der durchschnittlichen Lebenserwartung, dem Bruttoinlandsprodukt pro Kopf, der Sterblichkeitsrate bei Neugeborenen und Kleinkindern, einer instabilen oder nicht vorhandenen Regierung, dem Grad der Bildung, dem Grad der Sicherheit im Land und der wirtschaftlichen Struktur. Die Geburtenrate, auf welche ich im Folgenden genauer Bezug nehmen werde, wird auch als ,,total fertility rate“ bezeichnet und meint wie viele Kinder eine Frau innerhalb des gebärfähigen Alters (ca. 15 - 49 Jahre) im Durchschnitt bekommt. All diese Faktoren sind in den beiden benannten Ländertypen wenig oder sogar sehr wenig entwickelt, wodurch diese Zuteilung beziehungsweise diese Benennung getroffen wurde. Besonders in Afrika, bis auf Nord - und Südafrika, sind zahlreiche dieser Länder zu finden, wie unter anderem Tschad, Somalia, Eritrea, Niger, Dem. Rep. Kongo. Neben den hohen Zuwachsraten kennzeichnet diese Länder zudem eine hohe Zahl an Sterbefällen, speziell im Kleinkind - und Säuglingsalter (siehe Abb. 4): Eine Bevölkerungspyramide mit sehr breiter Basis, die innerhalb älterer Jahrgänge rasch schmaler wird. Eine ,,klassische“ Pyramidenform ist eine typische Erscheinungsform für Länder mit niedriger Entwicklung. Betrachtet man diese Form genauer, so lassen sich die oben beschriebenen Phänomene der hohen Geburten - und Sterberate sowie die geringe Lebenserwartung ablesen.
Kingsley Davis, ein US-amerikanischer Soziologe und Frank W. Notestein, ein US- amerikanischer Demograph, entwickelten Mitte der 1940er Jahre einen Ansatz und
Erklärungsversuch, zur Darstellung dieser Bevölkerungsentwicklungen, den sogenannten ,,demographischen Übergang“. Nach ihrer Auffassung durchlaufen Staaten oder Regionen verschiedene Phasen, welche bedingt durch ,,gesellschaftliche Modernisierung, fortschreitende Urbanisierung, technischen Fortschritt, wirtschaftliche Entwicklung und [...] Änderungen individueller Verhaltensweisen“ (Gans 2011: 61), die Entwicklung von Geburten - und Sterberate beeinflussen. Die Phasen lassen sich wie folgt charakterisieren:
1. Die prätransformative Phase: hohe Geburten - und Sterberate, die nah beieinanderliegen, hohe Umsatzziffern, vereinfacht gesagt die Summe aus Geburten - und Sterberate, sowie einer geringen oder sogar negativen Wachstumsrate.
2. Die frühtransformative Phase: deutlich fallende Sterberate, trotz konstant bleibender oder zunehmender Geburtenrate, was zu einem Anstieg der Wachstumsrate führt.
3. Die mitteltransformative Phase: die Sterblichkeitsrate geht weiter zurück und es setzt ein Geburtenrückgang ein. In dieser Phase wird das Maximum der Wachstumsrate erreicht.
4. Die spättransformative Phase: deutliche Verringerung der Geburtenrate und nur noch leicht abnehmende Sterblichkeitsrate. Die Folge dessen ist ein rapider Rückgang der Wachstumsrate.
5. Die posttransformative Phase: gekennzeichnet durch eine niedrige Geburten - und Sterberate, sowie niedrigen Umsatzziffern und einer stagnierenden Wachstumsrate. Allerdings ist hier ein langsamer Anstieg der Sterberate zu erkennen, da der Anteil alter Menschen zunimmt.
Überträgt man diesen Erklärungsansatz auf die Bevölkerungsentwicklungen in beispielsweise Afrika, so kann man feststellen, dass sich ein Großteil dieser Länder im Bereich der ersten bis dritten Phase des demographischen Übergangs befindet. Gründe hierfür sind unter anderem die fehlende Aufklärung im Bereich der Verhütung und einer ,,fast hundertprozentigen Heiratshäufigkeit bei niedrigem Heiratsalter“ (Leisinger 1993: 22), aber auch Faktoren wie fehlende Bildung, Perspektivlosigkeit und religiöse Aspekte im Sinne einer patriarchischen Gesellschaft. In vielen Teilen Afrikas gelten Kinder als eine Art Lebensversicherung für die Eltern, wenn diese zu alt sind, um einer Tätigkeit nachzugehen. Zudem fehlen diesen Ländern zumeist die wissenschaftlichen und technologischen Expertisen, welche ihnen helfen würden, sich aus eigener Kraft zu helfen, um beispielsweise die Sterberate zu reduzieren. All dies können Gründe sein, weshalb die Geburten - und Sterberaten in Zentralafrika auf einem solch hohen Niveau sind.
In den entwickelten Ländern hingegen ist eine andere, konträre Tendenz zu beobachten (siehe Abb. 5), nämlich die eines Bevölkerungsrückgangs. Erhöhung der Lebenserwartung und die Verringerung der absoluten Geburtenrate sind hierbei die Abb. 5: Total Fertility Rate europäischer Länder 1975 - 2050
Hauptfaktoren. Neben der Verbesserung des Gesundheitsapparates und der
Weiterentwicklung in der Medizin, speziell durch moderne Verhütungsmethoden wie der
Antibabypille, führt zudem der immer häufiger werdende Wunsch, keine Kinder zu bekommen, zu dieser Entwicklung, welche als ,,demographischer Wandel“ bezeichnet wird. Dieser Begriff umfasst vielfältige Dimensionen, wie: ,,Schrumpfung, Alterung, Singularisierung und Heterogenisierung der Bevölkerung“ (Wehrhahn; Sandner LE Gall 2016: 65), welche unterschiedlichste Chancen und Probleme mit sich bringen. So kursieren seit mehreren Jahren Schlagzeilen in den Medien, wie: „Deutschland stirbt aus...“ und weitere plakative „Untergangsszenarien“ (Wehrhahn; Sandner LE Gall 2016: 64). Laut dem Bevölkerungsforscher Frank Swiaczny, begann bereits in den 1970er Jahren in Europa der Einbruch der Geburtenraten (siehe Abb. 5), welcher den Auftakt für den demographischen Wandel gab. Swiacny erläutert darüber hinaus, dass die in Abbildung 5 gekennzeichnete gestrichelte Linie das erforderliche Maß der Geburtenrate zeigt, welches benötigt wird, um den Fortbestand einer Bevölkerung zu gewährleisten. Dieser Wert beträgt 2,1 Kinder pro Frau im gebärfähigen Alter. Wie abzulesen, befinden sich eine Vielzahl europäischer und weit entwickelter Länder zum Teil weit unterhalb dieses Schwellenwerts, wodurch ein langfristiger Bevölkerungserhalt gefährdet ist, sofern dieser Negativtrend nicht durch beispielsweise Zuwanderung ausgeglichen werden kann.
2.3 Prognosen zukünftiger Bevölkerungsentwicklungen
,,Bevölkerungsvorausberechnungen bilden die Veränderungen der Einwohnerzahl und des Altersaufbaus der Bevölkerung unter bestimmten Annahmen zur Entwicklung der natürlichen und räumlichen Komponenten ab. Deren Ergebnisse beruhen somit auf Annahmen hinsichtlich zukünftiger Trends von Fruchtbarkeit, Sterblichkeit und Wanderung.“ (Gans 2011: 23)
Bevölkerungsprognosen, auch Bevölkerungsvorausberechnungen genannt, bilden ein Instrument für politische, ökonomische, ökologische und infrastrukturelle Orientierungen der Zukunft und sind für eine langfristig gesehene, solide und vor allem vorhersehbare Konkurrenzfähigkeit einzelner Staaten von hoher Bedeutung. Je valider die oben genannten Komponenten (Fruchtbarkeit, Sterblichkeit und Wanderung), desto höher ist auch die Validität der Bevölkerungsprognose, welche zumeist auf einen Zeitabschnitt von 5 bis 20 Jahren angewandt wird. Möchte man allerdings noch weitreichendere Vorausberechnungen treffen, so spricht man von sogenannten Bevölkerungsprojektionen, welche von hypothetischen Annahmen der drei Komponenten ausgehen. Das Ziel dieser zweiten Vorgehensweise ist es ,,die Fortentwicklung zu demonstrieren, die sich einstellt, wenn die aktuellen Parameter konstant bleiben“ (Wehrhahn; Sandner LE Gall 2016: 156). Es ist allerdings auch möglich, diese Parameter, wie sie Wehrhahn und Sandner LE Gall nennen oder die erwähnten ,,Komponenten“, nach Gans, durch mathematische Modellierungen zu verändern und dadurch unterschiedlichste Szenarien zu kreieren.
Dieses Vorgehen wird von der UN in ihren jährlich erscheinenden Bevölkerungsvorausberechnungen angewendet, wodurch diese zu acht verschiedenen Bevölkerungsprojektionen, sowie drei möglichen Zukunftsvarianten kommen: einer niedrigen Variante, einer mittleren Variante und einer hohen Variante, welche allesamt im Jahr 2050 beginnen. Auf diese drei Varianten werde ich mich im Weiteren beziehen. Diese besitzen allerdings eine hohe Unsicherheit, sie können also nicht als definitiv feststehende Szenarien angesehen werden, da es unterschiedlichste Faktoren gibt, wie Hungersnöte, Dürren, Naturkatastrophen oder Kriege, die sich kurz - oder langfristig auf die Bevölkerungsentwicklung auswirken können. So stellte beispielsweise Singer (2002) auf Grundlage mathematischer Berechnungen fest, dass die Zahl der Weltbevölkerung im Jahr 2100 zwischen 4,7 und 9,1 Milliarden Menschen divergieren wird.
2.3.1 Die niedrige Variante
Die niedrige Variante der globalen Bevölkerungsentwicklung ist signifikant gekennzeichnet durch einen massiven Bevölkerungsrückgang ab etwa 2050 (siehe Abb. 6). Laut den UN-Berechnungen ist in dieser Zukunftsvariante von einer niedrigen Fruchtbarkeitsrate auszugehen, einer normalen Sterblichkeitsrate und einer normalen Zuwanderungsrate. ,,Niedrige Fruchtbarkeitsrate“ bedeutet hier, dass Frauen, welche sich im gebärfähigen Alter befinden, erheblich zu wenig Kinder bekommen, um einen Bevölkerungsfortbestand zu gewährleisten. Die ,,normale“ Sterblichkeitsannahme geht davon aus, dass ,,je höher die Lebenserwartung in einem Land [ist], desto geringer sind die zukünftigen Steigerungen“ (Gans 2011: 26). Das bedeutet also im Umkehrschluss, dass die Sterblichkeitsrate in Ländern, in welchen die Lebenserwartung niedrig ist, wie in den wenig oder am wenigsten entwickelten Ländern, umso stärker zunehmen wird, wie in Abbildung 6 insbesondere bei den wenig entwickelten Ländern zu sehen ist.
Die ,,normale“ Zuwanderungsannahme ist länderspezifisch zu betrachten, denn sie geht, so Paul Gans, von den vergangenen Wanderungssalden aus. Für die Vorausberechnungen werden also konstant bleibende Wanderungssalden benutzt. Geht man also von der niedrigen Variante aus, so ist bis etwa in das Jahr 2050 ein starker Anstieg zu erkennen, welcher sich rapide abschwächt, bis 2300 nur noch etwa 2,3 Milliarden Menschen auf der Erde leben.
2.3.2 Die mittlere Variante
Die mittlere Variante der UN-Bevölkerungsprojektion besitzt eine mittlere Fruchtbarkeitsrate, das heißt, dass Frauen im gebärfähigen Alter genügend Kinder bekommen (im Schnitt 2,1 Kinder pro Frau), um den Bevölkerungsfortbestand zu gewährleisten. Hier ist allerdings wichtig zwischen Regionen der Erde zu unterscheiden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung nach UN World Population in 2300
So entwickelt sich, nach Angaben der UN, die prozentuale Bevölkerungsverteilung der Erde, besonders in Afrika, innerhalb von 300 Jahren von 13 % auf 24 %, da dort deutlich mehr als 2,1 Kinder pro Frau geboren werden. Laut der ,,Deutschen Stiftung Weltbevölkerung“ werden in vielen Teilen Afrikas, insbesondere südlich der Sahara, mehr als 4 Kinder pro Frau geboren. Selbst eine Bevölkerung, die eine Geburtenrate von exakt 2,1 hat, wird ,,aufgrund der hohen Geburtenrate der Vergangenheit weiter wachsen, da sie einen hohen Anteil an Frauen im reproduktionsfähigen Alter aufweist“ (Bähr 2010: 224). Dieses Phänomen nennt man Echo - oder Momentumeffekt.
Des Weiteren soll die Bevölkerung des asiatischen Kontinents knapp 7 % zurückgehen, von 62 % auf 55 % und Europa verzeichnet, so die UN-Projektion, einen Rückgang von 12 % auf 7 %. Allerdings bleiben die VR China, Indien und die USA die drei bevölkerungsreichsten Länder der Erde. Hinzu kommt, wie in der niedrigen Variante, eine normale Sterblichkeits - und Zuwanderungsrate. Im Verlauf von 300 Jahren soll sich, so die mittlere Variante, welche ,,als die wahrscheinlichste angesehen“ (Bähr 2010: 224) wird, die Weltbevölkerung von etwa 6,1 Milliarden auf etwa 9 Milliarden Menschen erhöhen (siehe Abb. 7).
2.3.3 Die hohe Variante
Die hohe Variante der UN-Bevölkerungsprojektion weist im Vergleich zu den vorangegangenen Varianten eine hohe Fruchtbarkeitsrate auf, welche deutlich über der Geburtenrate von 2,1 Kinder liegt. Dadurch wird es im Verlauf der Jahre zu einem sehr hohen Anstieg der Weltbevölkerung kommen (siehe Abb. 8). Begünstigt wird diese
Entwicklung durch eine, wie in den vorherigen Varianten, normale Sterblichkeits - und Zuwanderungsrate, welche die hohe Geburtenrate nicht kompensieren können. Die Auswirkungen dieser Variante lassen sich allenfalls erahnen. Käme es zu keinen technologischen Neuerungen im Bereich der Lebensmittelproduktion, der Altersvorsorge, des Städtebaus, der Infrastruktur und innerhalb zahlreicher weiterer Bereiche, so ist es fraglich, inwieweit ein Leben mit 40 Milliarden Menschen möglich wäre.
3. Die Tragfähigkeit der Erde
Der Begriff der ,,Tragfähigkeit“ der Erde ist ein theoretisches Konstrukt zur Ermittlung der Beziehungen zwischen Bevölkerungen und ihren jeweiligen Ressourcen. So ist hier nicht bloß von einer Tragfähigkeit im Sinne der Nahrungsmittelsicherung, also einer sogenannten ,,agraren Tragfähigkeit“ (Ehlers 1984: 28), auszugehen, sondern von einem weitaus umfangreicheren Gebilde. Das Ziel der inter - und transdisziplinären Zusammenarbeit innerhalb dieses Bereiches ist es, das Verhältnis zwischen der Bevölkerung, ihrem Lebensraum und den jeweiligen Ressourcen darzustellen und damit eine Berechnung der höchstmöglichen Menschenzahl in Bezug auf die Ressourcenverfügbarkeit zu geben. So definierte Isenberg die Tragfähigkeit als ,,die mögliche Volksdichte, das heißt die Zahl der Menschen [...], die darin aufgrund der strukturellen Gegebenheiten unter bestimmten Voraussetzungen Existenzmöglichkeiten finden“ (Isenberg 1953: 4). ,,Existenzmöglichkeit“ meint hier im Konkreten den eingangs in der Hypothese aufgestellten Begriff des ,,Lebensstandards“. Dieser umfasst einen Versorgungsgrad der Menschen mit materiellen und immateriellen Gütern sowie soziale Verflechtungen, wie unter anderem politische Mitentscheidungsprozesse, Wohlfahrt und angemessene Gehälter. Der Begriff ist in den von den Vereinten Nationen entworfenen Menschenrechten folgendermaßen formuliert:
,,Jeder hat das Recht auf einen Lebensstandard, der seine und seiner Familie Gesundheit und Wohl gewährleistet, einschließlich Nahrung, Kleidung, Wohnung, ärztliche Versorgung und notwendige soziale Leistungen, sowie das Recht auf Sicherheit im Falle von Arbeitslosigkeit, Krankheit, Invalidität oder Verwitwung, im Alter sowie bei anderweitigem Verlust seiner Unterhaltsmittel durch unverschuldete Umstände.“ (UN-Menschenrechtscharta 1948, Artikel 25, S. 18)
Bedingt wird diese Möglichkeit einer Existenz, so Isenberg, durch vier bestimmende Faktoren. Zum einen nennt er den Aspekt der Natur, also klimatische, geomorphologische und weitere Faktoren, welche hohe Bedeutung besitzen, sei es für die Landwirtschaft oder für die Siedlungsstrukturen einer Bevölkerung. Des Weiteren führt Isenberg an, dass der Grad der technischen Erschließung und Ausstattung und der damit verbundenen Auslastung der beispielsweise landwirtschaftlichen Gebiete große Relevanz besitzt.
[...]
1 Nachfolgende Bezeichnungen Chinas (China / VR China) beziehen sich allesamt auf die Volksrepublik China, die Republik China (Taiwan) steht nicht im Fokus der Betrachtungen.
2 Pearson, L. B. (1969): Der Pearson-Bericht. Bestandsaufnahme und Vorschläge zur Entwicklungspolitik. (Molden-Verlag) Wien.
3 Hauff, V. (1987): Unsere gemeinsame Zukunft. Der Brundtland-Bericht der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung. (Eggenkamp Verlag) Greven.
4 Harald Uhlig entwickelte im Jahr 1967 das ,,Schema der Geographie“, welches in dem Werk ,,Methodische Begriffe der Geographie, besonders der Landschaftskunde.“ erschien. Dieses Schema teilt die Geographie in ihre einzelnen Teildisziplinen auf.
- Quote paper
- Lukas Spiering (Author), 2017, Globale Bevölkerungsentwicklung und Tragfähigkeit der Erde. Am Beispiel China und Indien, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1183714
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