(...) Machiavelli betont die politische Rolle der virtù. Die christliche Version der virtù als Tugendbegriff hat in der Konzeption Machiavellis keinen Platz. Machiavelli moniert, das die christliche Ethik zur Passivität führe. Machiavelli betont mit der virtù hingegen die Bedeutung des Handelns. Nur wer die Initiative ergreife, sei imstande, sein Schicksal ein Stück weit selbst zu meistern. Virtù im Sinne Machiavellis stellt einen Bruch mit der Moral des Mittelalters dar, in der Politik wird die virtù am Erreichen der Ziele gemessen und nicht an der ethischen Qualität der Mittel. Die Reduktion des Einflusses Gottes auf das Schicksal ist typisch für die Renaissance. In der Renaissance wurde die Welt als durch den Menschen bestimmt betrachtet, im Gegensatz zur Sicht des Mittelalters, die Gott als bestimmend ansah. Durch diesen Wechsel erhält der Mensch in der Weltgeschichte eine aktivere Rolle. Auch kulturelle Elemente löst Machiavelli aus seinem Begriff der virtù heraus. Die Reduktion der virtù um ihre kulturellen Elemente hat zum Hintergrund, dass die kulturelle Entwicklung in Florenz zum großen Teil unpolitisch und zum Teil sogar antipolitisch war. Diese Konkurrenz zwischen Politik und Kultur um das Engagement der Bürger will Machiavelli durch den Ausschluss der Kultur aus dem Tugendbegriff virtù zugunsten der Politik entscheiden. Diese von ihm definierte virtù soll nach Machiavelli als Mittel gegen die Dekadenz gefördert werden. Machiavelli verwendet also eine enge Definition der virtù. „Alle ethischen oder bildungsbürgerlichen Implikationen treten in Machiavellis virtù-Begriff zurück; für Machiavelli ist virtù der Inbegriff all dessen, was geeignet ist, die Lebensfähigkeit und Stabilität des Gemeinwesens zu gewährleisten.“ (Münkler 1984, S.313) Im Angesicht des Kräftegeflechts, in das er die virtù einordnet „definiert [Machiavelli] in den Discorsi virtù als die Fähigkeit, Gelegenheiten wahrzunehmen.“ (Bec 1985, S.235f. Originalzitat: "Machiavel définit, dans les Discours, la virtù comme la capacité de saisir l'occasion.“) Ist Machiavellis Lehre sonst sehr technisch, so erfolgt mit der virtù die Einbeziehung der handelnden Subjekte. Mit der virtù „…führt Machiavelli Wesens-und Wertunterschiede zwischen den politischen Subjekten ein […]. Es gibt Völker im Zustande der virtù und Völker im Zustande des Verfalls oder des unpolitischen Lebens.“ (Freyer 1986, S.59).
Inhaltsverzeichnis
1. Das Wesen der virtù bei Machiavelli
1.1 Grundlagen
1.2 Entstehung und Erhalt der virtù
2. Einordnung der virtù in Machiavellis Werk
3. Die corruzione als Gegenstück der virtù
1. Das Wesen der virtù bei Machiavelli
1.1 Grundlagen
Mit der virtù greift Machiavelli den römischen Begriff der virtus auf, der vor allem für Kraft, Tapferkeit und Tüchtigkeit steht (Vergleiche: Fuchs/Raab 2001, S.839). Machiavelli geht mit seiner Konzeption der virtù aber über diesen klassischen Begriff der virtus hinaus. Er beschreibt, dass die virtù auch einen energetischen Charakter habe. Sie fließe durch die Welt und trete immer wieder an anderen Orten auf. „Es gab immer soviel Böses wie Gutes, aber beides wechselte von Land zu Land. So wissen wir aus der Geschichte, daß die alten Reiche durch den Wechsel der Sitten bald stiegen, bald sanken; die Welt aber blieb die gleiche, nur mit dem Unterschied, daß die Kraft, die zuerst in Assyrien blühte, nachher nach Medien und Persien verpflanzt wurde, bis sie endlich nach Italien und Rom kam.“ (Günther 2000, S.174).
Machiavelli betont die politische Rolle der virtù. Die christliche Version der virtù als Tugendbegriff hat in der Konzeption Machiavellis keinen Platz. Machiavelli moniert, das die christliche Ethik zur Passivität führe. Machiavelli betont mit der virtù hingegen die Bedeutung des Handelns. Nur wer die Initiative ergreife, sei imstande, sein Schicksal ein Stück weit selbst zu meistern. Virtù im Sinne Machiavellis stellt einen Bruch mit der Moral des Mittelalters dar, in der Politik wird die virtù am Erreichen der Ziele gemessen und nicht an der ethischen Qualität der Mittel.
Die Reduktion des Einflusses Gottes auf das Schicksal ist typisch für die Renaissance. In der Renaissance wurde die Welt als durch den Menschen bestimmt betrachtet, im Gegensatz zur Sicht des Mittelalters, die Gott als bestimmend ansah. Durch diesen
Wechsel erhält der Mensch in der Weltgeschichte eine aktivere Rolle.
Auch kulturelle Elemente löst Machiavelli aus seinem Begriff der virtù heraus. Die Reduktion der virtù um ihre kulturellen Elemente hat zum Hintergrund, dass die kulturelle Entwicklung in Florenz zum großen Teil unpolitisch und zum Teil sogar antipolitisch war. Diese Konkurrenz zwischen Politik und Kultur um das Engagement der Bürger will Machiavelli durch den Ausschluss der Kultur aus dem Tugendbegriff virtù zugunsten der Politik entscheiden. Diese von ihm definierte virtù soll nach Machiavelli als Mittel gegen die Dekadenz gefördert werden.
Machiavelli verwendet also eine enge Definition der virtù. „Alle ethischen oder bildungsbürgerlichen Implikationen treten in Machiavellisvirtù-Begriff zurück; für Machiavelli istvirtùder Inbegriff all dessen, was geeignet ist, die Lebensfähigkeit und Stabilität des Gemeinwesens zu gewährleisten.“ (Münkler 1984, S.313)
Im Angesicht des Kräftegeflechts, in das er die virtù einordnet „definiert [Machiavelli] in den Discorsi virtù als die Fähigkeit, Gelegenheiten wahrzunehmen.“ (Bec 1985, S.235f. Originalzitat: "Machiavel définit, dans lesDiscours,la virtù comme la capacité de saisir l'occasion.“)
Ist Machiavellis Lehre sonst sehr technisch, so erfolgt mit der virtù die Einbeziehung der handelnden Subjekte. Mit der virtù „…führt Machiavelli Wesens- und Wertunterschiede zwischen den politischen Subjekten ein […]. Es gibt Völker im Zustande der virtù und Völker im Zustande des Verfalls oder des unpolitischen Lebens.“ (Freyer 1986, S.59).
1.2 Entstehung und Erhalt der virtù
Aus der Einführung dieses Wertungssystems auf Grundlage der virtù ergibt sich für Machiavelli die Frage, wie virtù entsteht, und ob ihre Entstehung und ihr Erhalt gefördert werden kann.
Die Einschätzung von Entwicklungen und Gefahren ist ein zentrales Element der virtù. Aus dieser Einschätzung heraus bestimmt sich die Aktivität der politisch Handelnden. (Vergleiche: Freyer 1986, S.90 „Der Begriff virtù ordinata tritt bei Machiavelli oft auf, zum Beispiel bezeichnenderweise an der Stelle, wo vom Deichbau gegen die verheerende Flut die Rede ist. Der Deich macht das Land nicht fruchtbar. Aber er sorgt, daß es Früchte tragen kann, wenn es in sich selber die Kraft dazu hat.“). Da die politische Umgebung ständig dem Wirken Fortunas ausgesetzt ist, ergibt sich, dass die handelnden Personen ständig auf neue Umstände reagieren müssen.
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- Magister Artium Andre Budke (Author), 2007, Begriff und Wesen der 'virtù' bei Machiavelli, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/118281
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