Die Masterarbeit untersucht die Weiterbeschäftigung nach Erreichen des Rentenalters. Das Augenmerk liegt dabei auf den sozial- und arbeitsrechtlichen Ausgestaltungsmöglichkeiten der Weiterbeschäftigung sowie auf unterstützenden Personalmanagementmaßnahmen der Weiterarbeit. Die Arbeit bezieht sich auf die abhängige Beschäftigung gemäß § 611a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Das Erreichen des Rentenalters bestimmt sich zudem aus dem Renteneintrittsalter in der allgemeinen gesetzlichen Rentenversicherung gemäß SGB VI.
Steigende Lebenserwartung und simultan sinkende Geburtenzahlen beschreiben prägnant den derzeitigen demografischen Wandel in Deutschland. Die Bevölkerung altert. Diese voranschreitende Entwicklung stellt insbesondere die sozialen Sicherungssysteme und Unternehmen vor große Herausforderungen. Die gesetzliche Rentenversicherung, als eine der fünf Säulen der Sozialversicherung, dient vor allem der wirtschaftlichen Absicherung ihrer Versicherten im Alter.
Die Rentenzahlungen werden größtenteils durch das Umlageverfahren finanziert. Demnach werden die Beitragseinnahmen der beitragszahlenden Generation für die Aufwendungen der Rentenzahlungen der rentenempfangenden Generation eingesetzt. Durch den demografischen Wandel ergeben sich jedoch Schwierigkeiten hinsichtlich der Finanzierung. Immer weniger Beitragszahler stehen der größer werdenden Zahl an Rentenempfängern gegenüber. Ein Generationenkonflikt entsteht.
Neben den Generationenkonflikten in der umlagefinanzierten Sozialversicherung sind auch Arbeitgeber von dem demografischen Wandel betroffen. Aufgrund der sinkenden Geburtenzahlen kommt es auf dem deutschen Arbeitsmarkt zu einem Arbeitskräftemangel. Dieser Mangel an Arbeitskräften führt dazu, dass vor allem Fach- und Führungskräfte spürbar fehlen. Für viele Unternehmen ist es daher sinnvoll, unter den Bedingungen des demografischen Wandels, Fach- und Führungskräfte auch über das Renteneintrittsalter im Unternehmen zu halten und dementsprechend weiterzubeschäftigen.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkurzungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Zielstellung und Aufbau der Arbeit
2 Wesentliche Auswirkungen des demografischen Wandels
2.1 Definition und aktuelle Situation des demografischen Wandels
2.2 Auswirkungen auf die gesetzliche Rentenversicherung
2.2.1 Einordnung der gesetzlichen Rentenversicherung in die Sozialversicherung
2.2.2 Finanzierungsprobleme in der gesetzlichen Rentenversicherung
2.3 Auswirkungen auf die Unternehmen
2.3.1 Veranderung der Erwerbsbevolkerung
2.3.2 Fachkraftemangel in Unternehmen
3 Diskussion ausgewahlter sozial- und arbeitsrechtlicher Ausgestaltungsmoglichkeiten der Weiterbeschaftigung
3.1 Sozialrechtliche Gestaltungsmoglichkeiten
3.1.1 Altersrenten in der gesetzlichen Rentenversicherung
3.1.2 Weiterbeschaftigung mit Renteneintritt
3.1.3 Weiterbeschaftigung ohne Renteneintritt
3.1.4 Diskussion der sozialrechtlichen Ausgestaltungsmoglichkeiten
3.2 Arbeitsrechtliche Gestaltungsmoglichkeiten
3.2.1 Einordnung der Weiterbeschaftigung in das Arbeitsrecht
3.2.2 Weiterbeschaftigung nach Befristung auf die Regelaltersgrenze
3.2.3 Weiterbeschaftigung in einem unbefristeten Arbeitsverhaltnis
3.2.4 Beteiligungsrechte des Betriebsrates
3.2.5 Diskussion der arbeitsrechtlichen Ausgestaltungsmoglichkeiten
4 Wichtige MaBnahmen des Personalmanagements fur die Weiterbeschaftigung
4.1 Einordnung der Weiterbeschaftigung in das Personalmanagement
4.2 Bereitschaft und Motivation der Weiterbeschaftigung
4.2.1 Motivationsprozess der Weiterbeschaftigung
4.2.2 Methodisches Vorgehen
4.2.3 Auswertung der Umfrage
4.3 Handlungsempfehlungen
4.3.1 Handlungsfeld Fuhrung
4.3.2 Handlungsfeld Anreize
4.3.3 Handlungsfeld Gesundheit
4.4 Grenzen der Weiterbeschaftigung
5 Fazit
Literaturverzeichnis
Internetquellenverzeichnis
Anhangsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Altersstruktur in Deutschland
Abbildung 2: Rentenformel fur Altersrenten
Abbildung 3: Mitarbeiterlebenszyklus der Weiterbeschaftigung
Abbildung 4: Motivationsprozess
Abbildung 5: Auswertung der Umfrage: Grunde der Weiterbeschaftigung
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Ubersicht Altersrenten in der gesetzlichen Rentenversicherung
Abkurzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
„Der demografische Wandel bedeutet neben den Fragen der Globalisierung wahrschein- lich die groBte Veranderung unseres gesellschaftlichen Lebens, aber auch des personlichen Lebens jedes Einzelnen in der ersten Halfte des 21. Jahrhunderts“1 warnt Bundes- kanzlerin Angela Merkel anlasslich ihrer Rede zum Demografiegipfel 2012. Steigende Le- benserwartung und simultan sinkende Geburtenzahlen beschreiben pragnant den derzei- tigen demografischen Wandel in Deutschland.2 Die Bevolkerung altert. Diese voranschrei- tende Entwicklung stellt insbesondere die sozialen Sicherungssysteme und Unternehmen vor groBe Herausforderungen.
Die gesetzliche Rentenversicherung, als eine der funf Saulen der Sozialversicherung, dient vor allem der wirtschaftlichen Absicherung ihrer Versicherten im Alter.3 Die Renten- zahlungen werden groBtenteils durch das Umlageverfahren finanziert.4 Demnach werden die Beitragseinnahmen der beitragszahlenden Generation fur die Aufwendungen der Ren- tenzahlungen der rentenempfangenden Generation eingesetzt. Durch den demografi- schen Wandel ergeben sich jedoch Schwierigkeiten hinsichtlich der Finanzierung. Immer weniger Beitragszahler stehen der groBer werdenden Zahl an Rentenempfangern gegen- uber. Ein Generationenkonflikt entsteht.5
Neben den Generationenkonflikten in der umlagefinanzierten Sozialversicherung sind auch Arbeitgeber von dem demografischen Wandel betroffen. Aufgrund der sinkenden Geburtenzahlen kommt es auf dem deutschen Arbeitsmarkt zu einem Arbeitskrafteman- gel.6 Dieser Mangel an Arbeitskraften fuhrt dazu, dass vor allem Fach- und Fuhrungskraf- te spurbar fehlen.7 Fur viele Unternehmen ist es daher sinnvoll, unter den Bedingungen des demografischen Wandels, Fach- und Fuhrungskrafte auch uber das Renteneintrittsal- ter im Unternehmen zu halten und dementsprechend weiterzubeschaftigen.8
Diese Notwendigkeit hat auch der Gesetzgeber erkannt und mit dem Erlass neuer Geset- ze sowohl auf Seiten des Sozial- als auch des Arbeitsrechtes reagiert. Die Gesetze sollen im uberwiegenden MaBe eine Weiterbeschaftigung nach Erreichen des Rentenalters er- leichtern. Neben dem Gesetz zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Starkung der Finanzierungsgrundlage der gesetzlichen Rentenversi- cherung (RV - Altersgrenzenanpassungsgesetz), wurde 2014 die Moglichkeit der befriste- ten Weiterbeschaftigung nach Erreichen der Regelaltersgrenze gemaB § 41 S. 3 Sozial- gesetzbuch (SGB) VI und 2017 das Gesetz zur Flexibilisierung des Ubergangs vom Er- werbsleben in den Ruhestand und zur Starkung und Rehabilitation im Erwerbsleben (Fle- xirentengesetz) eingefuhrt.
1.2 Zielstellung und Aufbau der Arbeit
Ziel dieser Arbeit ist es, die Weiterbeschaftigung nach Erreichen des Rentenalters zu un- tersuchen. Augenmerk liegt dabei auf der Untersuchung der sozial- und arbeitsrechtlichen Ausgestaltungsmoglichkeiten der Weiterbeschaftigung sowie auf der Untersuchung von unterstutzenden PersonalmanagementmaBnahmen der Weiterarbeit. Die Weiterbeschaf- tigung bezieht sich in dieser Arbeit lediglich auf die abhangige Beschaftigung gemaB § 611a Burgerliches Gesetzbuch (BGB). Andere Weiterbeschaftigungsmoglichkeiten, wie bspw. bei einer Arbeitsnehmeruberlassung oder selbststandigen Tatigkeit werden im Rahmen dieser Masterarbeit nicht untersucht. Die Weiterbeschaftigung bezieht sich dar- uber hinaus aufgrund der Pragnanz der vorliegenden Masterarbeit nur auf eine An- schlussbeschaftigung beim gleichen Arbeitgeber. Das Erreichen des Rentenalters be- stimmt sich zudem ausschlieBlich aus dem Renteneintrittsalter in der allgemeinen gesetz- lichen Rentenversicherung gemaB SGB VI.
Die Arbeit beginnt nach der Einleitung mit den wesentlichen Auswirkungen des demogra- fischen Wandels. Dazu wird die aktuelle Situation des demografischen Wandels vorge- stellt und Auswirkungen insbesondere auf die gesetzliche Rentenversicherung und Unter- nehmen aufgezeigt. Im Anschluss beginnt die eigentliche Untersuchung. Dabei werden die rechtlichen Ausgestaltungsmoglichkeiten der Weiterbeschaftigung nach Erreichen des Rentenalters sowohl aus sozial- und arbeitsrechtlicher Sicht analysiert und hinsichtlich ihrer Zwecke diskutiert. Um geeignete MaBnahmen fur das Personalmanagement zur Weiterbeschaftigung nach Erreichen des Rentenalters zu identifizieren, findet eine Umfra- ge uber die Bereitschaft und Motivation der Weiterbeschaftigung statt. Aus den Ergebnis- sen der Umfrage werden schlussfolgernd geeignete MaBnahmen fur das Personalmanagement im Hinblick auf die Beschaftigung im Rentenalter abgeleitet und Grenzen der Weiterbeschaftigung nach Erreichen des Rentenalters aufgezeigt. Im Fazit erfolgen eine Zusammenfassung sowie eine kritische Wurdigung der Thematik.
Zur besseren Lesbarkeit werden in dieser Arbeit personenbezogene Bezeichnungen, die sich zugleich auf Frauen und Manner beziehen, generell nur der im Deutschen ublichen mannlichen Form angefuhrt. Die Begrifflichkeiten Beschaftigte, Mitarbeiter und Arbeit- nehmer werden in dieser Arbeit zudem synonym verwendet. *
2 Wesentliche Auswirkungen des demografischen Wandels
Im folgenden Kapitel wird der Sinn und Zweck der Weiterbeschaftigung nach Erreichen des Rentenalters beleuchtet: Der demografische Wandel in Deutschland. Dieser wird hin- sichtlich Definition, aktueller Situation sowie dessen wesentliche Auswirkungen auf die gesetzliche Rentenversicherung und Unternehmen untersucht.
2.1 Definition und aktuelle Situation des demografischen Wandels
Der demografische Wandel bezieht sich auf die Struktur und Entwicklung der Bevolkerung in Deutschland und lasst sich durch drei Parameter bestimmen: Sterbefalle und damit einhergehende veranderte Lebenserwartung, Anzahl der Geburten und durch das Wande- rungssaldo.9
Die Lebenserwartung in Deutschland steigt kontinuierlich an. Nach Angaben des Statisti- schen Bundesamts betrug die durchschnittliche Lebenserwartung 2020 78,9 Jahre fur Manner und 83,6 Jahre fur Frauen.10 Im Vergleich dazu lag die durchschnittliche Lebens- erwartung 1970 nur bei 67,2 Jahre fur Manner und 73,4 Jahre fur Frauen.11 Die Lebens- erwartung fur Manner, als auch fur Frauen ist binnen 50 Jahren um ungefahr 10 Jahre gestiegen. Wohlstand, verbesserte HygienemaBnahmen und gestiegene Standards in der Gesundheitsvorsorge beeinflussen die Lebenserwartung der Bevolkerung weiterhin posi- tiv.12 Kennzeichnend fur den demografischen Wandel ist zudem die signifikante Erhohung der Restlebenszeit ab einem Alter von 65 Jahren. Diese hohere Lebenserwartung jenseits des Lebensalters von 65 Jahren steigt pro Jahrzehnt um etwa 1,5 Jahre.13 Sie liegt derzeit bei 17,9 Jahren fur Manner und 21,1 Jahren fur Frauen.14 Das bedeutet Manner leben nach Erreichen des Alters von 65 Jahren im Durchschnitt noch 17,9 Jahre und versterben demzufolge durchschnittlich im Alter von 82,9 Jahren. Die fernere Lebenserwartung fur Frauen, die das Alter von 65 Jahren erreichen, betragt 21,1 Jahre. Somit betragt ihre durchschnittliche Lebenserwartung 86,1 Jahre.
Simultan zur steigenden Lebenserwartung sinkt die Geburtenrate, auch zusammenge- fasste Geburtenziffer genannt, in Deutschland. Die Geburtenrate gibt die Anzahl der Kinder an, welche eine Frau in ihrem Leben gebart.15 Sie betragt derzeit 1,5 Kinder je Frau.16 Das heiBt die Elterngeneration wird nur zu etwa drei Viertel durch die folgende Generation ersetzt. Um den Bevolkerungsbestand zu erhalten, bedarf es einer Geburtenrate von 2,1 je Frau.17 Grunde dafur liegen vor allem an der „modernen Welt“ und in dem Karrierestre- ben der Frau. Daruber hinaus hat sich das Alter der Frauen, wann das erste Kind geboren wird, innerhalb von 50 Jahren von ungefahr 24 Jahre auf derzeit 30 Jahre erhoht.18 Das heiBt die Fertilitatsspanne der Frauen, also der Zeitraum, in dem es moglich ist, ein Kind zu bekommen, hat sich in den letzten 50 Jahren entsprechend verkurzt. Wird eine Ent- scheidung zum zweiten oder weiteren Kind getroffen, ist die Frau eventuell nicht mehr bio- logisch in der Lage dieses zu gebaren, so dass es bei einem Kind verbleibt. Zeitgleich sind die Sterbefalle seit 1975 hoher als die Anzahl der Geburten.19 Die Bevolkerung schrumpft.
Diese Entwicklung konnte positiv durch Zuwanderung beeinflusst werden. Daher gilt es im demografischen Wandel auch den Wanderungssaldo zu betrachten. Das Wanderungs- saldo beschreibt die Differenz zwischen Zuzugen nach und Fortzugen von Deutschland.20 Seit 2010 ist dieser Saldo positiv.21 Nach jetzigem Stand reicht der Uberhang an Zuzugen jedoch nicht aus, um den demografischen Wandel aufzuhalten. Es nutzt aber der Ver- langsamung dieser Entwicklung.22 Im Gegensatz zum Ruckgang der Geburtszahlen und Steigerung der Lebenserwartung zeichnet sich das Wanderungssaldo nicht durch einen fortwahrenden Trend ab. Vielmehr werden Zu- und Abwanderungen durch eine Vielzahl von Ereignissen, wie bspw. politische Lage der Herkunftslander, Migrationspolitik, aber auch durch die soziale Situation in Deutschland, beeinflusst. Die Entwicklung des Wande- rungssaldo lasst sich demzufolge nicht langfristig prognostizieren.
In der nachfolgenden Abbildung ist die Altersstruktur der Bevolkerung in den Jahren 1950, 2018 und in der Zukunft 2060 dargestellt. Die Altersstruktur geht demnach weg von der typischen Pyramidenform - hin zum Bevolkerungsbaum. Grunde dafur liegen in den wei- ter zu erwartenden sinkenden Geburtenzahlen und in der weiteren Erhohung der Lebens- erwartung. Inwieweit sich die aktuelle pandemische Lage, aufgrund von COVID 19 auf die Demografie in Deutschland, auswirkt bleibt abzuwarten.
Abb. 1: Altersstruktur in Deutschland
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Bundesinstitut fur Bevolkerungsforschung (Hrsg.), (Altersstruktur), Altersstruktur der Bevolkerung, https://www.demografie-portal.de/DE/Fakten/bevoelkerung-altersstruktur.html;jsessionid= E6C4ABBD7FD034E570D81669B670E56F.internet281, 28.11.2018.
Die Alterung der Bevolkerung lasst sich anhand der steigenden Anzahl der Menschen im Rentenalter und in der Gesamtbevolkerung erkennen. Besonders gut in der vorangegan- genen Abbildung erkennbar ist, dass die sogenannten „Baby-Boomer“- Jahrgange kurz vor dem Rentenalter stehen.23 Diese geburtenstarken Jahrgange werden in die Geburts- jahrgange 1955 - 1964 zusammengefasst, wobei die Angabe je nach Literatur etwas vari- iert.24 Sie sind gepragt von der Nachkriegszeit des zweiten Weltkrieges und dem damit verbunden wirtschaftlichen Aufschwung.25 Der Altenquotient gibt an, fur wie viele potenzi- elle Rentenbezieher Menschen im Alter von 20 bis 65 Jahren im weitesten Sinne sorgen mussen.26 2019 kamen auf 100 Menschen im Alter von 20 bis 65 Jahre 36 Menschen ab einem Alter von 66 Jahren. Vor 20 Jahren 1999 lag der Altenquotient noch bei 26 Men- schen ab einem Alter von 66 Jahren.27 Der Anstieg dieses Quotienten ist auch in Zukunft zu erwarten.28 Durch die bevorstehende Verrentung der Baby-Boomer-Jahrgange treten nicht nur mehr Menschen in die Lebensphase des Rentenalters, sondern verbleiben, auf- grund der gestiegenen Lebenserwartung, auch langer in diesem Lebensabschnitt.
2.2 Auswirkungen auf die gesetzliche Rentenversicherung
Auswirkungen des demografischen Wandels lassen sich im Bereich der umlagefinanzier- ten Sozialversicherung, insbesondere bei der gesetzlichen Rentenversicherung, erken- nen. Die Besonderheiten der umlagefinanzierten Sozialversicherung und dessen Heraus- forderungen im demografischen Wandel werden daher im Nachfolgenden untersucht.
2.2.1 Einordnung der gesetzlichen Rentenversicherung in die Sozialversi- cherung
Die Bundesrepublik Deutschland ist gemaB Art. 20 Abs. 1 i.V.m. Art. 28 Abs. 1 Grundge- setz (GG) ein sozialer Bundes- und Rechtsstaat. Das bedeutet, dass sich der Staat um die soziale Gerechtigkeit sowie um die soziale Sicherheit der Burger kummert.29 Diese Verwirklichung kommt insbesondere in der sozialen Gesetzgebung zum Ausdruck und spiegelt sich in den grundlegenden Prinzipien der sozialen Sicherheit wider. Die Geset- zesgrundlage dafur stellen groBtenteils die Sozialgesetzbucher dar, die sich gemaB § 4 Abs. 2 SGB I auf die wirtschaftliche Absicherung im Bedarfsfall konzentrieren. Demnach gibt es Leistungen nach dem Versicherungs-, Versorgungs- und Fursorgeprinzip.30 Wah- rend sich bspw. das Kindergeld in das Versorgungsprinzip und das Wohngeld in das Fur- sorgeprinzip einteilen lasst, ist die gesetzliche Sozialversicherung im uberwiegenden MaBe dem Versicherungsprinzip angehorig.31 Im Gegensatz zu dem Versorgungs- und Fur- sorgeprinzip, welche aus Steuermittel finanziert werden, bedarf es bei dem Versiche- rungsprinzip fur die Erlangung einer Leistung einer Gegenleistung - die Zahlung von So- zialversicherungsbeitragen.32
Weitere Besonderheiten der Sozialversicherung werden durch einen Vergleich mit der In- dividualversicherung deutlich. Die Sozialversicherung dient der Existenzsicherung. Des- halb werden grundsatzlich nur Personen gemaB § 4 SGB I gegen Risiken durch Krank- heit, Unfall, Arbeitslosigkeit, Invaliditat, Alter, Tod oder Pflegebedurftigkeit abgesichert. In der Individualversicherung konnen neben Personen auch Sachen, wie bspw. das Inventar oder das Kraftfahrzeug, gegen alle moglichen Risiken versichert werden.33 Die Versiche- rung erfolgt hier gemaB § 1 VVG per freiwilligem Versicherungsvertrag, in dem alle Moda- litaten hinsichtlich des Beginns, Endes, Pramienhohe und Versicherungsumfangs verein- bart werden konnen. Die Sozialversicherung besteht gemaB § 2 Abs. 1 SGB IV hingegen kraft Gesetzes. Es handelt sich hierbei um eine Pflichtversicherung. Die gesetzlichen Re- gelungen sind im SGB verankert. Die Sozialversicherung basiert auf dem Solidaritatsprin- zip.34 Dieses besagt, dass die Bemessung der Beitrage in Abhangigkeit der finanziellen Leistungsfahigkeit der Versicherten erfolgt: Es wird ein gesetzlich festgelegter Beitrags- satz vom jeweiligen monatlichen Arbeitsentgelt, maximal bis zur Beitragsbemessungs- grenze, erhoben.35 Im Versicherungsfall erhalten alle Versicherten, unabhangig von der Hohe der Beitragszahlung und individuellem Risiko die gleichen Leistungen. Die Individu- alversicherung beruht auf dem Aquivalenzprinzip, wonach die Beitragshohe abhangig vom zu versichernden Risiko ist.36 Einflussfaktoren auf die Hohe der Beitrage sind z.B. der Versicherungsumfang, das Lebensalter oder der Gesundheitszustand der Versicher- ten. Zudem strebt ein Versicherungsunternehmen, welches Individualversicherungen an- bietet, nach einer Gewinnmaximierung.37 In der Sozialversicherung besteht im Gegensatz dazu keine Gewinnerzielungsabsicht.38
Aus den untersuchten Besonderheiten lasst sich nun folgende Definition einer Sozialver- sicherung ableiten: Die Sozialversicherung ist Teil der sozialen Sicherheit in der Bundes- republik Deutschland und fungiert als eine auf dem Solidaritatsprinzip beruhende Pflicht- versicherung, um weite Kreise der Bevolkerung vor Existenzbedrohungen abzusichern. In der Sozialversicherung lassen sich 5 Saulen, analog den bereits genannten versicherten Risiken, zusammenfassen. Neben der Rentenversicherung, wie bereits einleitend er- wahnt, gehoren gemaB § 3 i.V.m. § 4 SGB I die Krankenversicherung, die Pflegeversiche- rung, die Arbeitslosenversicherung und die Unfallversicherung zu den Saulen der Sozial- versicherung.
2.2.2 Finanzierungsprobleme in der gesetzlichen Rentenversicherung
Die gesetzliche Rentenversicherung ist mit rund 325 Mrd. EUR jahrlichen Ausgaben der groBte Versicherungszweig in der Sozialversicherung und kommt deshalb eine groBe Be- deutung in der sozialen Sicherung zu.39 Die rechtlichen Grundlagen befinden sich im SGB VI. Die Hauptleistungen der Rentenversicherung sind gemaB §§ 9 ff. SGB VI die Rehabilitation und die Renten. Die Rehabilitation umfasst Leistungen zur Pravention, zur medizi- nischen Rehabilitation, zur Teilhabe am Arbeitsleben und zur Nachsorge inklusive der er- ganzenden Leistungen. Daruber hinaus zahlt die gesetzliche Rentenversicherung gemaB §§ 33 ff. SGB VI Renten, wenn die Voraussetzungen dafur erfullt sind, wegen verminder- ter Erwerbsfahigkeit, wegen Todes oder wegen des Alters.
Die Finanzierung erfolgt im uberwiegenden MaBe, wie bereits einleitend erwahnt, durch den Generationenvertrag. Der Generationenvertrag ist ein fiktiver Vertrag, welcher das Umlageverfahren in der gesetzlichen Rentenversicherung beschreibt.40 Grundsatzlich lassen sich drei Generationen identifizieren: Die 1. Generation beschreibt das Kinder- und Jugendalter (0 - 20 Jahre), die 2. Generation sind Erwachsene in der Erwerbsphase (20 bis 65 Jahre) und die 3. Generation sind die Alten im Rentenalter (65+ Jahre). Der Generationenvertrag besteht zwischen der 2. Generation und 3. Generation. In der 2. Generation werden Einnahmen durch Sozialversicherungsabgaben in der gesetzlichen Rentenver- sicherung generiert. Der uberwiegende versicherte Personenkreis erstreckt sich gemaB §§ 1 ff. SGB VI auf Versicherte kraft Gesetzes und auf freiwillig Versicherte. Grundsatzlich sind somit alle Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung be- schaftigt sind, in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig. Die Ein- nahmen werden hauptsachlich von dem Arbeitsentgelt einer Erwerbstatigkeit gemaB § 7 Abs. 1 SGB IV i.V.m. § 162 S.1 Nr. 1 SGB VI an den Rentenversicherungstrager abge- fuhrt. Dazu werden durch einen vorgegebenen Beitragssatz (aktuell: 18,6 %) vom Ar- beitsentgelt die Rentenversicherungsbeitrage ermittelt.41 Die maximale Hohe des Arbeits- entgeltes wird gemaB § 157 SGB VI durch die Beitragsbemessungsgrenze beschrankt. Sie betragt derzeit fur die neuen Bundeslander gemaB Anlage 2a zum SGB VI 6.700 EUR und gemaB Anlage 2 zum SGB VI in den alten Bundeslandern 7.100 EUR monatlich. Der maximale Rentenversicherungsbetrag 2021 betragt demnach fur die neuen Bundeslander 1.246,20 EUR und fur die alten Bundeslander 1.320,60 EUR monatlich. Die Beitragslast wird in einer abhangigen Beschaftigung gemaB § 168 Abs. 1 S.1 Nr. 1 SGB VI je zur Half- te vom Arbeitnehmer und Arbeitgeber getragen. Die Rentenversicherungsbeitrage werden fur die aktuellen Rentenzahlungen der 3. Generation genutzt. Der Generationenvertrag ist ein fortlaufender Prozess. Wenn die derzeitige 2. Generation in das Rentenalter kommt, wird erwartet, dass die heutige 1. Generation Sozialversicherungsbeitrage in die gesetzli- che Rentenversicherung einzahlt, um so die Rentenzahlungen der heutigen 2. Generation zu ermoglichen.
Diesen Erwartungen kann schon heute nicht mehr vollumfanglich entsprochen werden. Aufgrund des demografischen Wandels kommt es zu einer Diskrepanz zwischen den Renteneinnahmen und Rentenausgaben in der gesetzlichen Rentenversicherung. 2019 erzielte die Rentenversicherung 326,7 Mrd. EUR Einnahmen, wobei 248,0 Mrd. EUR durch Beitragseinnahmen und 78,7 Mrd. EUR durch Bundeszuschusse generiert wur- den.42 Die Beitragseinnahmen aus einer Erwerbstatigkeit betrugen 2019 222,5 Mrd. EUR.43 Im Vergleich dazu lagen die Ausgaben der Rentenversicherung 2019 bei 324,8 Mrd. EUR und somit um 1,9 Mrd. EUR unterhalb der Einnahmen der Rentenversiche- rung.44 Die Diskrepanz wird jedoch ersichtlich, indem lediglich die Beitragseinnahmen mit den Gesamtausgaben der Rentenversicherung verglichen werden. Es entsteht 2019 ein negativer Saldo i.H.v. - 76,8 Mrd. EUR. Diese Verluste werden durch Bundeszuschusse gemaB § 213 SGB VI, die sich wiederum aus Steuereinnahmen zusammensetzen, kom- pensiert.45 Seit 1998 gibt es neben dem allgemeinen Bundeszuschuss, der uberwiegend die Deckung beitragsfreier Zeiten, wie bspw. fur Zeiten der Kindererziehung, ubernimmt, den zusatzlichen Bundeszuschuss. Dieser steigt seit der Einfuhrung kontinuierlich an und betrug 2019 26,1 Mrd. EUR.46
Der fortwahrende Anstieg der Bundeszuschusse bleibt auch in Zukunft zu erwarten. Auf- grund des demografischen Wandels und der Finanzierung durch das Umlagesystem mussen immer weniger Beitragszahler die steigenden Rentenzahlungen erwirtschaften. 2018 kamen 56.098.643 Beitragszahler fur 25.695.222 Altersrentner auf.47 Das entspricht einem Verhaltnis von 1 : 2,18. 1988 betrug dieses Verhaltnis noch 1 : 2,64.48 Durch den demografischen Wandel sinkt jedoch nicht nur das Verhaltnis zwischen Beitragszahler und Altersrentner, gleichzeitig steigt die Rentenbezugszeit durch die gestiegene Lebens- erwartung an. So stieg die durchschnittliche Rentenbezugszeit von 1970 mit 11,1 Jahre auf 19,9 Jahre im Jahre 2019.49 Demzufolge stieg auch das durchschnittliche Rentenweg- fallalter. Wahrend 1970 die Altersrenten im Durchschnitt mit 70,9 Jahren wegfielen, betrug das durchschnittliche Wegfallalter der Altersrenten 2019 79,8 Jahre.50 Diese Zahlen machen deutlich, dass der demografische Wandel die gesetzliche Rentenversicherung vor einen grundlegenden Reformationsbedarf stellt. Dieser Reformationsbedarf wird auch durch die stufenweise Anhebung des Renteneintrittsalters bei Altersrenten seit 2012 be- statigt. Zwar wird dadurch die Erwerbsphase verlangert und die Rentenbezugszeit dem- entsprechend verkurzt, dennoch wird der demografische Wandel dadurch nicht gestoppt und seine Auswirkungen nicht beseitigt.
2.3 Auswirkungen auf die Unternehmen
Es ist offenkundig, dass der demografische Wandel in Deutschland nicht nur die gesetzli- che Rentenversicherung vor groBe Herausforderungen stellt. Unternehmen sind ebenfalls von den Folgen der Bevolkerungsalterung betroffen.
2.3.1 Veranderung der Erwerbsbevolkerung
Die sinkende Geburtenrate hat unmittelbaren Einfluss auf die Erwerbsbevolkerung. Die Erwerbsbevolkerung beschreibt Personen im Alter von 20 bis 66 Jahre und stellt somit nur einen Ausschnitt der vom demografischen Wandel betroffenen Gesamtbevolkerung dar.51 2018 gab es 51,8 Mio. Menschen im erwerbsfahigen Alter.52 Bis zum Jahr 2060 soll die Erwerbsbevolkerung je nach Entwicklung der Parameter des demografischen Wandels zwischen 40 Mio. und 46,9 Mio. betragen.53
Daruber hinaus ist zu beachten, dass nicht die gesamte Erwerbsbevolkerung einer Be- schaftigung nachgeht. Dies kommt auch in der Beschaftigungsquote zum Ausdruck. Die Beschaftigungsquote betragt derzeit 80,1 % und gibt den Anteil aller Erwerbstatigen in der Erwerbsbevolkerung im Alter von 20 bis 64 Jahre an.54 Die Beschaftigungsquote ist in den letzten Jahren stets gestiegen, wobei sich dieser Anstieg nach Angaben des Statistischen Bundesamtes auch auf die Beschaftigung alterer Menschen zuruckfuhren lasst.55
Das Erwerbspersonenpotenzial beschreibt das zur Verfugung stehende volkswirtschaftli- che Arbeitskrafteangebot, also das Arbeitskrafteangebot unter Vollbeschaftigungsbedin- gungen.56 Dieses Angebot setzt sich aus Erwerbstatige, Erwerbslose und der sogenann- ten stillen Reserve zusammen.57 Letzteres bezieht sich vor allem auf Personen, die be- schaftigungslos, aber nicht als Arbeitslose in der Agentur fur Arbeit registriert sind und dennoch fur den Arbeitsmarkt unter verbesserten Bedingungen oder geanderten Rah- menbedingungen zur Verfugung stehen wurden.58 Die Veranderung des Erwerbsperso- nenpotenzials wurde im Rahmen einer Analyse des Institutes fur Arbeitsmarkt und Berufs- forschung (IAB) untersucht. 2020 gab es in Deutschland ein Erwerbspersonenpotenzial i.H.v. 47,4 Mio. Menschen.59 Dieses Erwerbspersonenpotenzial wird sich langfristig, be- dingt durch den demografischen Wandel, analog der Erwerbsbevolkerung in Anzahl und Struktur andern und dementsprechend verringern. Im negativsten Szenario der IAB- Analyse fallt das Erwerbspersonenpotenzial 2060 auf 31,3 Mio. Menschen.60 Im positivs- ten Szenario fallt dieses Potenzial lediglich auf 38,3 Mio. Menschen.61 Die Entwicklung ist abhangig von den Parametern des demografischen Wandels.
Neben dem Ruckgang der Menschen im Erwerbsalter findet in der Erwerbsbevolkerung ebenfalls eine Alterung, aufgrund sinkender Geburtenzahlen, statt.62 Das fuhrt dazu, dass sich auch die Belegschaftsstruktur innerhalb der Unternehmen andert und der demografi- sche Wandel direkt fur die Unternehmen spurbar wird. Die Hohe Beschaftigungsquote verscharft zudem die Wahrnehmung des demografischen Wandels fur Unternehmen zu- satzlich.
2.3.2 Fachkraftemangel in Unternehmen
Eine Umfrage des Statistischen Bundesamtes 2010 ergab, dass Unternehmen folgende Auswirkungen aufgrund des demografischen Wandels erwarten: 51 % der befragten Un- ternehmen gaben an mit einem Mangel an Fachkraften zu rechnen. 31 % der befragten Unternehmen erwarteten eine starke Alterung der Belegschaft und 27 % der teilnehmen- den Unternehmen nahm einen steigenden Weiterbildungsbedarf an. Daruber hinaus rechneten 14 % der Unternehmen mit einem Verlust von betriebsinternem Wissen.63
Diese Erwartungshaltung wurde hinsichtlich der Auswirkungen des demografischen Wan- dels erfullt. So gaben die befragten Unternehmen zur Studie „Trendbarometer Demografie Exzellenz 2018“ an, dass der Fachkraftemangel aufgrund des demografischen Wandels derzeit bereits fur 65,3 % der Unternehmen spurbar sei.64 2015 war der Mangel an Fach- kraften subjektiv erst fur 46,4 % der Unternehmen wahrnehmbar.65 Ein Mangelempfinden besteht im Ubrigen in abgeschwachter Form derzeit auch bei Fuhrungskraften mit 34,7 % und Auszubildenden/dualen Studenten mit 33,9 %.66 Der Mangel an Fachkraften zieht weitere Folgen nach sich. Hoherer Rekrutierungsaufwand gepragt durch den War for Talents, Kompensation durch Mehrarbeit, Umsatzverluste und EinbuBen in der Wettbe- werbsfahigkeit sind nur einige Auswirkungen des Fachkraftemangels in Unternehmen.67
Die durchschnittliche Erhohung des Belegschaftsalters fuhrt dazu, dass viele Mitarbeiter in naher Zukunft das Rentenalter in der gesetzlichen Rentenversicherung erreichen. Mit dem Ausscheiden eines Mitarbeiters kommt es zu einem Verlust an Wissen und Know- How.68 Dieser Verlust kommt insbesondere bei Fachkraften zum Tragen und fuhrt wiede- rum zu Konsequenzen fur die Unternehmen. Der Verlust von Kernkompetenz und Effizi- enz, Reduzierung von Innovationsfahigkeit und Einschrankungen im Wachstumspotenzial sind nur einige weitere Herausforderungen, die sich Unternehmen angesichts des demo- grafischen Wandels und dessen Folgen stellen mussen. Unternehmen benotigen daher ein belastbares und demografieorientiertes Personalmanagement, um den Auswirkungen des demografischen Wandels zu entgegnen.
Ansatze die Auswirkungen des demografischen Wandels fur Unternehmen abzumildern, sind insbesondere eine gezielte Zuwanderungspolitik, die Erhohung der Erwerbstatigkeit der stillen Reserve - insbesondere die Rekrutierung von Frauen oder auch die Weiterbe- schaftigung nach Erreichen des Rentenalters.69 So hat sich die Erwerbstatigkeitsquote der 65 - 69-Jahrigen bereits binnen 10 Jahren von 8 % im Jahr 2009 auf 18% im Jahr 2019 mehr als verdoppelt.70 Grunde dafur sind der demografische Wandel und infolgedessen die seit 2012 stufenweise Anhebung der Altersrenten bis zur Vollendung des 67. Lebens- jahres in der gesetzlichen Rentenversicherung. Aber auch uber die gesetzliche Pflicht hinaus kann es fur Arbeitnehmer und Arbeitgeber sinnvoll sein, Mitarbeiter nach Erreichen der besagten Altersgrenze im Unternehmen zu halten. Oft werden alte Arbeitnehmer mit haufigen Fehlzeiten oder hohen Kosten in Verbindung gebracht.71 Doch diese Sichtweise stimmt nur bedingt. Die geistige und korperliche Leistungsfahigkeit der Mitarbeiter ist von vielen individuellen Einflussfaktoren, wie bspw. der privaten Lebensfuhrung oder ein an- geborener Gesundheitszustand abhangig. Ein unfitter 20-Jahriger kann demzufolge die gleiche Leistungsfahigkeit wie ein 60-Jahriger fitter Mitarbeiter haben.72 Daruber hinaus lassen sich viele Starken erst mit zunehmendem Alter und Berufserfahrung identifizie- ren.73 Demnach sind altere Arbeitnehmer qualitatsbewusster, zuverlassiger, loyaler, ha- ben eine hohe Arbeitsdisziplin und eher das Potenzial zur Fuhrungskraft, im Vergleich zu jungeren Beschaftigten.74
3 Diskussion ausgewahlter sozial- und arbeitsrechtlicher Ausge- staltungsmoglichkeiten der Weiterbeschaftigung
Die Weiterbeschaftigung nach Erreichen des Rentenalters kann ein wesentlicher Faktor fur die Bewaltigung der Auswirkungen des demografischen Wandels fur die gesetzliche Rentenversicherung, aber auch fur die Unternehmen sein. Im nachfolgenden werden deshalb die sozial- und arbeitsrechtlichen Ausgestaltungsmoglichkeiten der Weiterbe- schaftigung untersucht.
3.1 Sozialrechtliche Gestaltungsmoglichkeiten
Das Kapitel beginnt mit einem grundlegenden Einblick in das Rentenrecht des SGB VI mit den Altersrenten in der gesetzlichen Rentenversicherung. Darauf aufbauend erfolgt die Untersuchung der Weiterbeschaftigung, sowohl mit Renteneintritt als auch ohne Renten- eintritt. Im Anschluss werden die sozialrechtlichen Gestaltungsmoglichkeiten diskutiert.
3.1.1 Altersrenten in der gesetzlichen Rentenversicherung
Die Versicherten konnen bei den Altersrenten zwischen verschiedenen Rentenarten wah- len. Die Wahl ist abhangig von der Erfullung der jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen der Rentenart. Voraussetzungen fur einen Rentenanspruch sind grundsatzlich gemaB § 34 SGB VI die Erfullung der erforderlichen Mindestversicherungszeit sowie das Vorliegen der versicherungsrechtlichen und personlichen Voraussetzungen. Die Renten wegen Alters lassen sich in folgende Rentenarten einteilen: die Regelaltersrente, die Altersrente fur besonders langjahrig Versicherte, die Altersrente fur langjahrig Versicherte und die Alters- rente fur schwerbehinderte Menschen. Fur Versicherte bis einschlieBlich dem Geburtsjahr 1951 war es zudem gemaB §§ 237, 237a SGB VI moglich, die Altersrente fur Frauen oder die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit in Anspruch zu nehmen. Zur jetzigen Zeit haben diese Jahrgange bereits alle die Regelaltersgrenze erreicht und sind somit nicht Teil der nachfolgenden Betrachtung.
Fur die Inanspruchnahme der jeweiligen Rentenarten mussen spezifische Voraussetzun- gen erfullt werden. Diese werden in der nachfolgenden Tabelle zusammengefasst:
Tab. 1: Ubersicht Altersrenten in der gesetzlichen Rentenversicherung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an: §§ 35 ff. SGB VI, §§ 235 ff. SGB VI.
Die Regelaltersrente ist die am haufigsten in Anspruch genommene Rente wegen Al- ters.75 Die Zugangsbeschrankungen mit einer Wartezeit von nur 5 Jahren sind im Gegen- satz zu den anderen benannten Altersrenten gering. Fur die Inanspruchnahme einer Al- tersrente muss demnach die Erreichung eines gesetzlich festgelegten Renteneintrittsal- ters gemaB § 35 S.1 Nr. 1 SGB VI vorliegen. Die Rentenaltersgrenze wird mit der Vollen- dung des 67. Lebensjahres gemaB § 35 S. 2 SGB VI erreicht, wenn kein Vertrauens- schutz vorliegt. Der Vertrauensschutz liegt vor, wenn Gesetzesanderungen zum Nachteil rentennaher Jahrgange oder fur Rentner erfolgen.76 Im RV - Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007 wurde in Art. 1 Nr. 8 die Erhohung der Regelaltersgrenze von der Vollendung des 65. Lebensjahres auf das 67. Lebensjah- res beschlossen. Diese Regelung zu Ungunsten der Versicherten, zieht einen Vertrau- ensschutz nach sich. Daher gilt fur Versicherte, die vor 1947 geboren sind, weiterhin die Regelaltersgrenze mit Vollendung des 65. Lebensjahres. Fur Versicherte mit den Ge- burtsjahrgangen von 1947 bis 1963 erfolgt die Erhohung der Regelaltersgrenze gemaB § 235 Abs. 2 S. 2 SGB VI stufenweise. Ab den Geburtsjahrgangen 1964 findet kein Ver- trauensschutz fur diese Altersrente mehr statt. Ahnliche Vertrauensschutzregelungen fin- den sich auch bei der vorzeitigen Inanspruchnahme, bspw. bei der Altersrente fur langjah- rige Versicherte, wieder.
Neben der personlichen Voraussetzung ein bestimmtes Renteneintrittsalter zu erreichen, muss eine Mindestversicherungszeit, die sogenannte Wartezeit, erfullt sein. Die Wartezeit fur die Regelaltersrente betragt gemaB § 50 Abs.1 S.1 Nr. 1 SGB VI 5 Jahre. Die Erful- lung der Wartezeit kommt Zustande, indem anrechenbare Zeiten gemaB § 51 SGB VI, welche zuvor im Versichertenkonto komplettiert wurden, fur die jeweilige Wartezeit be- rucksichtigt werden.
Fur die Altersrente fur schwerbehinderte Menschen mussen zudem weitere besondere versicherungsrechtliche Voraussetzungen beachtet werden. GemaB § 37 S.1 Nr. 2 SGB VI muss bei Beginn der Altersrente eine anerkannte Schwerbehinderung nach § 2 Abs. 2 SGB IX vorliegen. Demnach muss ein Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 gegeben sein.
Wann wird nun das Rentenalter in der gesetzlichen Rentenversicherung erreicht? Dazu folgendes Beispiel: Ein Versicherter, geboren am 11.01.1962 hat die Moglichkeit die Al- tersrente regular oder vorzeitig in Anspruch zu nehmen, wenn die entsprechenden Vo- raussetzungen vorliegen. Eine Schwerbehinderteneigenschaft liegt nicht vor. Somit sind die Anspruchsvoraussetzungen fur die Altersrente fur schwerbehinderte Menschen nicht erfullt. Die Altersrente fur langjahrig Versicherte kann fruhstens und mit Abschlagen i.H.v.
13,2 % mit der Vollendung des 63. Lebensjahres am 10.01.2025 zum 01.02.2025 in An- spruch genommen werden. Die regulare Inanspruchnahme ist mit Vollendung des 66. Le- bensjahres und 8 Monate am 10.09.2028 zum 01.10.2028 moglich. Die Altersrente fur be- sonders langjahrig Versicherte kann mit der Vollendung des 64. Lebensjahres und 8 Monate am 10.09.2026 zum 01.10.2026 in Anspruch genommen werden. Die Inanspruch- nahme der Regelaltersrente entspricht dem zeitlichen Rahmen der regularen Inanspruch- nahme der Altersrente fur langjahrig Versicherte.
Eine Altersrente gibt es nach § 115 Abs. 1 S. 1 SGB VI nur nach dem Antragsprinzip. GemaB § 99 Abs. 1 S. 1 SGB VI wird eine Altersrente von dem Kalendermonat an geleis- tet, zu dessen Beginn alle Voraussetzungen dieser Rente erfullt sind, wenn die Rente fristgerecht beantragt wurde. Fristgerecht beantragt ist eine Altersrente, wenn sie inner- halb von drei Kalendermonaten nach Ablauf des Monats, in dem alle Anspruchsvoraus- setzungen erfullt sind, beantragt wurde. Erfolgt die Antragstellung verspatet wird die Al- tersrente gemaB § 99 Abs. 1 S. 2 SGB VI von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Rente beantragt wurde.
Zur Verdeutlichung wird oben genannten Beispiel fortgefuhrt: Der Versicherte kann auf- grund der Erfullung der Wartezeit von 5 Jahren nur die Regelaltersrente beanspruchen, welche er regular ab 01.10.2028 beziehen mochte. Er stellt den Rentenantrag bei der zu- standigen Stelle a) am 15.11.2028 und b) am 15.03.2029. Der Versicherte erfullt am 10.09.2028 mit dem Erreichen des Rentenalters (Vollendung 66 Lebensjahr und 8 Monate) die letzte Voraussetzung fur die Regelaltersrente. Das heiBt am 01.10.2028 sind alle Voraussetzungen fur einen Rentenbezug grundsatzlich erfullt, wenn die Beantragung der Regelaltersrente fristgerecht war. Der Versicherte kann nun innerhalb von 3 Kalendermo- naten die Regelaltersrente fristgerecht beantragen: 01.10.2028 - 31.12.2028. Die Antrag- stellung a) am 15.11.2028 ist somit fristgerecht. Der Bezug der Regelaltersrente beginnt am 01.10.2028. Die Antragstellung b) am 15.03.2029 erfolgt nicht innerhalb Frist zur frist- gerechten Antragstellung. Der Antrag ist somit verspatet. Die Regelaltersrente kann folg- lich erst ab 01.03.2029 bezogen werden.
Das Rentenalter in der gesetzlichen Rentenversicherung ist somit nicht nur fur jeden Ver- sicherten in Abhangigkeit des Alters und demzufolge in Abhangigkeit der Erfullbarkeit der Anspruchsvoraussetzungen der jeweiligen Altersrente individuell, sondern kann daruber hinaus durch das Antragsverfahren aktiv vom Versicherten gesteuert werden.
Die Hohe der Rentenzahlung wird gemaB § 64 SGB VI bestimmt. Danach ergibt sich der Monatsbetrag der Rente, indem die personlichen Entgeltpunkte mit dem Rentenartfaktor und dem aktuellen Rentenwert multipliziert werden.
Abb. 2: Rentenformel fur die Altersrenten
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an: §§ 64 ff. SGB VI.
Die personlichen Entgeltpunkte ergeben sich gemaB § 66 Abs. 1 S.1 SGB VI aus der Summe der Entgeltpunkte und dem Zugangsfaktor. Die Entgeltpunkte aus einer abhangi- gen Beschaftigung gemaB § 70 Abs.1 SGB VI werden ermittelt, indem die Beitragsbe- messungsgrundlage durch das Durchschnittsentgelt gemaB Anlage 1 zum SGB VI geteilt wird. Hat ein Versicherter 2019 bspw. einen Bruttojahresverdienst i.H.v. 39.301 EUR er- zielt, erhalt er somit einen Entgeltpunkt, da dieser Wert dem Durchschnittsentgelt gemaB Anlage 1 zum SGB VI 2019 entspricht. Der Zugangsfaktor ist in § 77 SGB VI normiert. Er richtet sich gemaB § 77 Abs.1 S. 1 SGB VI nach dem Alter der Versicherten bei Renten- beginn und betragt gemaB § 77 Abs. 2 S.1 Nr.1 SGB VI bei regularen Renteneintritt bei Renten wegen Alters grundsatzlich 1,0. Der Rentenartfaktor gemaB § 67 S.1 Nr. 1 SGB VI betragt fur Renten wegen Alters ebenfalls 1,0. Der aktuelle Rentenwert druckt gemaB § 68 Abs. 1 SGB VI den Wert aus, der der monatlichen Rente fur einen Entgeltpunkt ent- spricht. Er wird jahrlich zum 1. Juli an die wirtschaftliche Situation in Deutschland ange- passt und betragt zurzeit 34,19 EUR (West) und 33,47 EUR (Ost).
3.1.2 Weiterbeschaftigung mit Renteneintritt
Eine sozialrechtliche Gestaltungsmoglichkeit, um nach Erreichen des Rentenalters wei- terzuarbeiten, ist mit gleichzeitigem Renteneintritt moglich. Hierbei bedarf es zur besseren Ubersicht einer Unterscheidung in den Renteneintritt vor Erreichen der Regelaltersgrenze und in den Renteneintritt mit bzw. nach Erreichen der Regelaltersgrenze.
Altersrenten konnen sowohl vorzeitig oder regular in Anspruch genommen werden. Die Altersrenten, die vorzeitig in Anspruch genommen werden konnen, wenn die Vorausset- zungen dafur erfullt sind, sind die Altersrente fur langjahrig Versicherte und die Altersrente fur schwerbehinderte Menschen. Die vorzeitige Inanspruchnahme fuhrt jedoch zwangs- laufig zu Rentenabschlagen. Die Rentenabschlage kommen im Zugangsfaktor gemaB § 77 SGB VI zum Ausdruck. Demnach verringert sich der Zugangsfaktor gemaB § 77 Abs. 2 S.1 Nr. 2 Buchst. a SGB VI fur jeden Kalendermonat der vorzeitigen Inanspruchnahme um 0,003 von 1,0.
Dazu folgendes Beispiel: Ein Versicherter mit Geburtsdatum 11.01.1962 kann die Alters- rente fur langjahrig Versicherte, wenn die entsprechenden Voraussetzungen dafur erfullt sind, fruhestens mit der Vollendung des 63. Lebensjahres ab 01.02.2025 in Anspruch nehmen. Der regulare Beginn dieser Rente ware mit Vollendung des 66. Lebensjahres und 8 Monate, also ab 01.10.2028, moglich. Die Differenz zwischen dem 01.02.2025 und dem 01.09.2028 betragt 44 Monate. Demnach wird der Zugangsfaktor um 0,132 (44 Monate x 0,003) gemindert und betragt 0,868. Dabei ist zu beachten, dass die vorzeitige In- anspruchnahme auch zu jedem anderen Zeitpunkt innerhalb des Zeitraumes 01.02.2025 bis 01.09.2028 geltend gemacht werden kann. Der Zugangsfaktor vermindert sich dem- entsprechend weniger als im Vergleich zur fruhestmoglichen vorzeitigen Inanspruchnah- me. Entscheidet sich der Versicherte fur die vorzeitige Inanspruchnahme und folglich fur Rentenabschlage erfolgt die Rentenminderung auch uber das Erreichen der Regelalters- grenze fur die gesamte Rentenbezugsdauer.
Fur alle vorzeitigen und regularen Renteneintritte vor Erreichen der Regelaltersgrenze kann sich zudem eine erzielte Vergutung parallel zur Rentenzahlung anspruchsmindernd auswirken. Die dementsprechenden Hinzuverdienstgrenzen sind in § 34 SGB VI normiert. Demnach besteht gemaB § 34 Abs.2 SGB VI Anspruch auf eine Vollrente wegen Alters nur, wenn die Hinzuverdienstgrenze i.H.v. 6.300 EUR pro Kalenderjahr nicht uberschritten wird. Uberstiegt der Hinzuverdienst die benannte Hochstgrenze fur eine Vollrente, kommt nur noch eine Teilrente gemaB § 34 Abs. 3 S.1 SGB VI in Betracht. Diese berechnet sich nach § 34 Abs. 3 S. 2 SGB VI wie folgt: Der Hinzuverdienst, der die Hinzuverdienstgrenze i.H.v. 6.300 EUR ubersteigt, wird auf die Monate (geteilt durch 12) herunter gebrochen. AnschlieBend wird von diesem Beitrag 40 % in Abzug zur Vollrente gebracht. Entspricht der abzuziehende Hinzuverdienst der Altersrente in voller Hohe oder geht daruber hinaus, so besteht gemaB § 34 Abs. 3 S. 4 SGB VI kein Rentenanspruch mehr. Zusatzlich muss der Hinzuverdienstdeckel gemaB § 34 Abs. 3 S.3 SGB VI i.V.m. § 34 Abs. 3a SGB VI be- achtet werden. Uberschreitet der monatliche Hinzuverdienst zusammen mit dem sich er- gebenden Rentenbetrag der Teilrente den Hinzuverdienstdeckel muss diese Uberschrei- tung ebenfalls vom ubrig gebliebenen Rentenbetrag in Abzug gebracht werden. Der Hin- zuverdienstdeckel ist abhangig vom jeweiligen Rentenempfanger und entspricht den hochsten Entgeltpunkten aus den letzten 15 Kalenderjahren vor Rentenbeginn multipli- ziert mit der monatlichen BezugsgroBe. Daher andert sich der Hinzuverdienstdeckel ge- maB § 34 Abs. 3a S. 3 SGB VI jahrlich zum 01. Juli. Der Hinzuverdienstdeckel betragt nach § 34 Abs. 3a S. 2 SGB VI jedoch mindestens die Summe aus einem Zwolftel von 6.300 EUR und der monatlichen Vollrente.
Um festzustellen, ob die Altersrente im vollen oder im teilweisen Umfang in Anspruch ge- nommen werden kann, mussen demzufolge 3 Prufschritte erfolgen, die am nachfolgenden Beispiel verdeutlicht werden: Ein Versicherter mit Geburtsdatum 11.01.1962 nimmt die regulare Altersrente fur besonders langjahrige Versicherte fur den Rechtskreis West zum 01.10.2026 in Anspruch. Eine Minderung des Zugangsfaktors erfolgt nicht, da die Voraus- setzungen der benannten Altersrente zum Rentenbeginn erfullt sind und keine vorzeitige Inanspruchnahme moglich bzw. erfolgt ist. Jedoch liegt der Rentenbeginn ab 01.10.2026 mit 64 Jahre und 8 Monaten vor der Regelaltersgrenze ab 01.10.2028 mit 66 Jahre und 8 Monaten, so dass hier bei gleichzeitiger Weiterbeschaftigung der Hinzuverdienst gepruft werden muss. Angenommen die Hohe der monatlichen Vollrente betragt 1.200 EUR und der jahrlich erzielte Hinzuverdienst 33.000 EUR. Als Erstes muss nun gepruft werden, ob die Hinzuverdienstgrenze von 6.300 EUR uberschritten wurde. 33.000 EUR sind groBer als 6.300 EUR. Demnach wurde die Hinzuverdienstgrenze um 26.700 EUR uberschritten. Somit kann die Altersrente fur besonders langjahrig Versicherte nicht als Vollrente bean- sprucht werden. Im zweiten und dritten Prufschritt wird nun der Anspruch und Hohe der Teilrente bestimmt. Dazu werden die 26.700 EUR durch 12 geteilt. Es ergibt sich ein Betrag i.H.v. 2.225 EUR, von welchem 40% auf die Altersrente angerechnet wird. 40 % von 2.225 EUR sind 890 EUR. Diese 890 EUR mussen nun mit der monatlichen Vollrente i.H.v. 1.200 EUR in Abzug gebracht werden. Es verbleibt eine Teilrente von 310 EUR. Im dritten Prufschritt wird nun anschlieBend uberpruft, ob die Grenze des Hinzuverdienstde- ckels eingehalten wird. Angenommen die hochsten Entgeltpunkte in einem Kalenderjahr der letzten 15 Kalenderjahr betrugen 0,9. Die derzeitige monatliche BezugsgroBe fur den Rechtskreis West betragt 3.290 EUR. Der Hinzuverdienstdeckel entspricht somit 2.961 EUR, wenn dieser Betrag groBer als der Mindesthinzuverdienstdeckel ist. Der Mindest- hinzuverdienstdeckel entspricht ein Zwolftel von 6.300 und der monatlichen Vollrente und betragt somit im vorliegenden Fall 1.725 EUR. MaBgeblich ist somit der errechnete Wert unter Berucksichtigung des Bezugswertes i.H.v. 2.961 EUR. Der monatliche Hinzuver- dienst betragt 2.750 EUR. Dieser muss mit der festgestellten Teilrente i.H.v. 310 EUR im Prufschritt 2 summiert werden. Die errechneten 3060 EUR sind um 99 EUR groBer als der Hinzuverdienstdeckel i.H.v. 2.961 EUR. Somit mussen von der errechneten Teilrente im Prufschritt 2 weitere 99 EUR abgezogen werden. Die Teilrente reduziert sich somit auf 211 EUR monatlich (310 EUR abzuglich 99 EUR).
Arbeitnehmer, die eine vorgezogene oder regulare Altersrente vor Erreichen der Regelal- tersgrenze in Anspruch nehmen, sind weiterhin versicherungspflichtig gemaB § 1 S.1 Nr. 1 SGB VI i.V.m. § 5 Abs. 4 S.1 Nr. 1 SGB VI. Demzufolge mussen Beitrage sowohl vom Arbeitnehmer und Arbeitgeber zur gesetzlichen Rentenversicherung abgefuhrt werden. Diese wirken sich gemaB § 66 Abs. 3a SGB VI rentensteigernd aus. Gleiches gilt fur die Abfuhrung der Beitrage fur die Arbeitslosenversicherung gemaB § 28 Abs. 1 S.1 Nr. 1 SGB III und sonstigen Sozialversicherungszweige. Wird eine Vollrente wegen Alters be- zogen, gilt fur die Sozialversicherungsbeitrage der Krankenversicherung gemaB § 243 SGB VI der ermaBigte Beitragssatz, da gemaB § 50 Abs. 1 S.1 Nr. 1 SGB V kein An- spruch mehr auf Krankengeld besteht. Gleiches gilt fur privat krankenversicherte Arbeit- nehmer gemaB § 257 Abs. 2 S. 3 SGB V. Die Vorschriften der Krankenversicherung sind ebenfalls auf Altersvollrenten nach Erreichen der Regelaltersrente anwendbar.
Welche sozialrechtlichen Gestaltungsmoglichkeiten mussen daruber hinaus bei der Wei- terbeschaftigung nach Erreichen der Regelaltersrente beachtet werden? Mit Erreichen der Regelaltersgrenze entfallen die Hinzuverdienstgrenzen gemaB § 34 Abs. 2 SGB VI. Das heiBt, ab Erreichen der Regelaltersgrenze kann unbegrenzt hinzuverdient werden, ohne dass es fur den Rentenanspruch schadlich ist.
Daruber hinaus besteht fur Altersvollrentner nach Erreichen der Regelaltersgrenze Versi- cherungsfreiheit gemaB § 5 Abs. 4 S.1 Nr. 1 SGB VI. Der Arbeitgeber muss trotz Versi- cherungsfreiheit in der gesetzlichen Rentenversicherung seinen regularen Arbeitgeberan- teil gemaB § 172 Abs. 1 S. 1 SGB VI entrichten, auch wenn sich die Zahlung nicht renten- steigernd auswirkt. Auch in der Arbeitslosenversicherung besteht Versicherungsfreiheit gemaB § 28 Abs. 1 S.1 Nr. 1 SGB III. Es wird angenommen, dass der Rentner kein Ar- beitslosengeld, sondern bei Wegfall der Erwerbstatigkeit seine Altersrente in Anspruch nimmt. Eine Besonderheit besteht zunachst bis einschlieBlich 31.12.2021 gemaB § 346 Abs. 3 S.1 SGB III, dass der Arbeitgeber ebenfalls keinen Arbeitgeberbeitrag zur Arbeits- losenversicherung zahlen muss.
Der Arbeitnehmer hat nach Erreichen der Regelaltersgrenze mit gleichzeitigem Renten- bezug nur eine Moglichkeit die Rentenhohe zu beeinflussen, indem auf die Versiche- rungsfreiheit gemaB § 5 Abs. 4 S. 2 verzichtet wird. Das bedeutet, dass neben dem Ar- beitgeber auch der Arbeitnehmer Rentenversicherungsbeitrage abzufuhren hat. Dadurch wird die Rente jahrlich zum 01. Juli des Folgejahres gemaB § 66 Abs. 3a SGB VI durch die Zuschlage an Entgeltpunkten, die sich durch die Beitrage ergeben, erhoht. Der Ver- zicht auf die Versicherungsfreiheit kann gemaB § 5 Abs. 4 S. 3 SGB VI i.V.m. § 5 Abs. 4
S.2 SGB VI nur fur die Zukunft gegenuber dem Arbeitgeber erklart werden und ist fur die Dauer der Beschaftigung bindend.
[...]
1 Merkel, A., (Demografiegipfel), Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel anlasslich des „Demografiegip- fels“, https://archiv.bundesregierung.de/archiv-de/rede-von-bundeskanzlerin-angela-merkel-anlaesslich-des- demografiegipfels--416848, 28.11.2021.
2 Vgl. Wilke, C. B., Demografischer Wandel 2019, S. 3 f..
3 Vgl. Roppel, C., Demografischer Wandel 2020, S. 31 f..
4 Vgl. Deutsche Rentenversicherung Bund (Hrsg.), Sozialversicherung 2021, S. 13.
5 Vgl. Roppel, C., Demografischer Wandel 2020, S. 33 f..
6 Vgl. Fuchs, J., Klinger, S., (Demografischer Wandel), Wie sich der demografische Wandel auf den Arbeits- markt auswirkt, https://www.iab-forum.de/wie-sich-der-demografische-wandel-auf-den-deutschen- arbeitsmarkt-auswirkt/, 28.11.2021.
7 Vgl. ebenda.
8 Vgl. Czepek, J., Gurtzgen, N., Moczall, A., Weber, E., Rentenberechtigte Mitarbeiter 2017, S. 1 ff..
9 Vgl. Wilke, C. B., Demografischer Wandel 2019, S. 3 f..
10 Siehe Anhang 1.
11 Vgl. ebenda.
12 Vgl. ebenda.
13 Vgl. Wilke, C. B., Demografischer Wandel 2019, S. 5.
14 Vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Sterbetafeln 2020, S. 19.
15 Vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.), (Geburtenziffer), Zusammengefasste Geburtenziffer: Entwicklung der Fertilitatsrate in Deutschland von 1990 bis 2020, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/36672 /umfrage/anzahl-der-kinder-je-frau-in-deutschland/, 28.11.2021.
16 Vgl. ebenda.
17 Vgl. Bundeszentrale fur politische Bildung (Hrsg.), (Geburten), Geburten - Zusammengefasste Geburtenzif- fer, 1960 - 2018, https://www.bpb.de/nachschlagen/zahlen-und-fakten/soziale-situation-in-deutschland /61550/geburten, 28.11.2021.
18 Vgl. Wilke, C. B., Demografischer Wandel 2019, S. 8.
19 Siehe Anhang 2.
20 Vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Bevolkerung im Wandel 2019, S. 69.
21 Vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.), (Wanderungssaldo), Wanderungssaldo (Zuzuge und Fortzuge) in Deutschland von 1991 - 2020, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/150438/umfrage/saldo-der- zuzuege-und-fortzuege-in-deutschland/, 28.11.2021.
22 Vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Bevolkerung im Wandel 2019, S. 41 ff..
23 Vgl. Conrads, R., Kohn, K.-H. P., Weber, P. C., Bildungskapital 2020, S. 239.
24 Vgl. Bundesinstitut fur Bevolkerungsforschung (Hrsg.), (Altersstruktur), Altersstruktur der Bevolkerung, https://www.demografie-portal.de/DE/Fakten/bevoelkerung-altersstruktur.html, 28.11.2021.
25 Vgl. ebenda.
26 Vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Bevolkerung im Wandel 2019, S. 67.
27 Siehe Anhang 3.
28 Vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Bevolkerung im Wandel 2019, S. 27.
29 Vgl. Bundeszentrale fur politische Bildung (Hrsg.), Sozialstaat, https://www.bpb.de/nachschlagen /lexika/pocket-politik/16561/sozialstaat, 28.11.2021.
30 Vgl. Schmid, J., (Sozialstaat), Der Sozialstaat in der Bundesrepublik: Recht und Organisation, https://www. bpb.de/politik/grundfragen/deutsche-verhaeltnisse-eine-sozialkunde/138799/der-sozialstaat-in-der- bundesrepublik-recht-und-organisation?p=1, 28.11.2021.
31 Vgl. ebenda.
32 Vgl. ebenda.
33 Vgl. Farny, D., Versicherungsbetriebslehre 2011, S. 373 f..
34 Vgl. Deutsche Rentenversicherung Bund (Hrsg.), Sozialversicherung 2021, S. 237.
35 Vgl. Deutsche Rentenversicherung Bund (Hrsg.), Sozialversicherung 2021, S. 152.
36 Vgl. Farny, D., Versicherungsbetriebslehre 2011, S. 67 f..
37 Vgl. ebenda, S. 335.
38 Ergibt sich aus dem Umlageverfahren, bspw. aus § 153 SGB VI.
39 Vgl. Deutsche Rentenversicherung Bund (Hrsg.), Rentenatlas 2020, S. 6.
40 Vgl. Deutsche Rentenversicherung Bund (Hrsg.), Sozialversicherung 2021, S. 48.
41 Vgl. Deutsche Rentenversicherung Bund (Hrsg.), Sozialversicherung 2021, S. 50.
42 Vgl. Deutsche Rentenversicherung Bund (Hrsg.), Rentenatlas 2020, S. 4.
43 Vgl. ebenda.
44 Vgl. ebenda, S. 6.
45 Vgl. Deutsche Rentenversicherung Bund (Hrsg.), Rentenversicherung 2020, S. 302.
46 Vgl. Deutsche Rentenversicherung Bund (Hrsg.), Rentenatlas 2020, S. 4.
47 Vgl. Deutsche Rentenversicherung Bund (Hrsg.), Rentenversicherung 2020, S. 15, S. 158.
48 Vgl. ebenda.
49 Vgl. ebenda, S. 147.
50 Vgl. ebenda, S. 145.
51 Vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Bevolkerung im Wandel 2019, S. 22.
52 Vgl. ebenda.
53 Vgl. ebenda, S. 24.
54 Vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.), (Erwerbstatigenquote), Erwerbstatigenquote der 20-64-Jahringen in Deutschland nach Geschlecht von 2003 bis 2020, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/198921 /umfrage/erwerbstaetigenquote-in-deutschland-und-eu-nach-geschlecht/#professional, 28.11.2021.
55 Vgl. ebenda.
56 Vgl. Fuchs, J, Weber, B., IAB-Forschungsbericht 2021, S. 7.
57 Vgl. ebenda.
58 Vgl, ebenda, S. 8.
59 Vgl. Fuchs, J., Sohnlein, D., Weber, B., IAB-Kurzbericht 2021, S. 3 f..
60 Vgl. ebenda.
61 Vgl. ebenda.
62 Vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.), (Anzahl der Geburten), Anzahl der Geburten in Deutschland 1991 bis 2020, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/235/umfrage/anzahl-der-geburten-seit-1993/, 28.11.2021.
63 Vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.), (Folgen demografische Entwicklung), Mit welchen Folgen der demo- grafischen Entwicklung rechnen Sie fur Ihr Unternehmen hauptsachlich?, https://de.statista.com/statistik /daten/studie/169488/umfrage/demografischer-wandel---folgen-fuer-unternehmen/, 28.11.2021.
64 Vgl. Billen, P., Schirmer, U., Trendbarometer 2018, S. 5.
65 Vgl. ebenda.
66 Vgl. ebenda.
67 Vgl. Brockermann, R., Personalbindung 2013, S. 13 f..
68 Vgl. ebenda.
69 Vgl. Fuchs, J., Klinger, S., (Demografischer Wandel), Wie sich der demografische Wandel auf den Arbeits- markt auswirkt, https://www.iab-forum.de/wie-sich-der-demografische-wandel-auf-den-deutschen- arbeitsmarkt-auswirkt/, 28.11.2021.
70 Vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.), (Demografischer Wandel), Altere Menschen - Erwerbstatigkeit alterer Menschen, https://www.destatis.de/DE/Themen/Querschnitt/Demografischer-Wandel/_inhalt.html#sprg 371138, 28.11.2021.
71 Vgl. Seiferling, N., Sonntag, K., Potenziale 2017, S.60 f..
72 Siehe Anhang 4.
73 Vgl. Seiferling, N., Sonntag, K., Potenziale 2017, S.43 f..
74 Vgl. Buck, H., Kistler, E., Mendius, H. G., Demographischer Wandel 2002, S. 38.
75 Vgl. Deutsche Rentenversicherung Bund (Hrsg.), Rentenversicherung 2020, S. 62.
76 Vgl. Deutsche Rentenversicherung Bund (Hrsg.), Renten-ABC 2021, S. 53.
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