Ziel der vorliegenden Arbeit soll es sein, folgende These zu überprüfen: Anhand der Wertschöpfungskette von Fairafric lassen sich höhere und sozialgerechtere wirtschaftliche Dividenden für die beteiligten Akteure in der Kakaoproduktion feststellen.
Um dies zu erreichen, werden das Unternehmen Fairtrade und weitere Fair Trade-Siegel untersucht. Infolgedessen sollen folgende Fragen beantwortet werden: Inwieweit kann Fair Trade eine reale ökonomische Veränderung ermöglichen? Was verbirgt sich hinter den Kulissen des fairen Handels im Kakaosektor? Was unterscheidet Fairafric von Fairtrade? Wie sind die Wertschöpfungsketten organisiert und welche Elemente sind dabei relevant? Welche Machtverhältnisse und Faktoren spielen dabei eine wichtige Rolle? Auf diese Fragen wird versucht, im Laufe der vorliegenden Arbeit eine Antwort zu formulieren. Ein weiteres Element, das ebenfalls untersucht wird, ist der generierte Nutzen von Fairafric und Fairtrade in Relation zu wirtschaftlichen und sozialen Effekten. Auch der Faktor Transparenz in der Wertschöpfung und Stiftung von Mehrwert wird thematisiert werden. Ein weiterer wichtiger Aspekt, der untersucht wird, ist das Thema der Nachhaltigkeit. Mit diesem Begriff ist der Umgang mit Ressourcen gemeint. In diesem Fall hauptsächlich aus ökonomischer und sozialer Sicht, aber es wird auch die ökologische Wirkung in der Wertschöpfungskette berücksichtigt, ebenso wie die Vorteilsgenerierung aus Sicht der Erzeuger in den Wertschöpfungsketten,
1.2 Vorüberlegungen zu Fair trade
2 Eigenschaften der Kakaoproduktion
2.1 Ökonomische Vorüberlegungen über den Kakaopreis
2.2 Ökonomische Vorüberlegungen des Kakaomarkts in Deutschland
4 Exkurs - Wertschöpfungskette in Kakaosektor
4.1 Vorgehensweise in der „klassischen“ Wertschöpfungskette
4.2 Analyse der „klassische“ Wertschöpfungskette
5 Die Wertschöpfungskette von Fairtrade
6 Ökonomische Wirkung von Fairtrade
6.5 Soziale Wirkung und wichtige Richtlinien
6.6 Fairtrade-Standards und Mitarbeiterschutz
6.7 Demokratische Standards und Rechte von Minderheiten
6.8 Fairtrade-Standards über Nachhaltigkeit und Umwelt
7 Weitere Fair Trade-Organisationen
7.1 UTZ Certified
7.2 Rainforest Alliance Certified
7.3 Fairtrade vs. UTZ und Rainforest
8 Fairafric
8.1 Definition und Kriterien
8.2 Das Siegel
8.3 Stakeholder und Unternehmentwicklung
8.4 Organisationsstruktur vom Fairafric
8.5 Datenanalyse aus dem Jahresabschluss
8.6 ROI und EBIT
8.7 Profitabilität und Risikomanagement
9 Die Wertschöpfungskette von Fairafric
9.1 Food Producer
9.2 Food Enterprises
9.3 Food Consumers
10 Ökonomische Wirkung von Fairafric
10.1 Prämie von Fairafric
10.2 Stiftung und direkte Gewinnbeteiligung
10.3 Höhe der Entlohnung
10.4 Wertschöpfung im Ursprungsland
10.5 Soziale Wirkung
10.6 Förderung von qualifizieren Arbeitsplätze
10.7 Zusätzliche Vorteile für Erzeuger und Mitarbeiter
10.8 Nachhaltiger Ressourcenumgang
10.9 Zwischenfazit
11 Kritischer Vergleich zwischen Fairafric und Fairtrade
11.1 Die Kriterien von Fairafric und Fairtrade
11.2 Der Siegel von Fairafric und Fairtrade
11.3 Fairafric vs. Fairtrade, UTZ und Rainforest
11.4 Greenwashing bei Fair Trade
11.5 Machtverhältnisse der Stakeholder
11.6 Praktische Implikationen
11.7 Direkte und indirekte Vorgehensweise der Stakeholder
11.8 Ökonomischer Impact
11.9 Sozialer Impact
11.10 Umweltnachhaltigkeit Impact
12 Fazit
Monographien
Aufsätze in Sammelbänden
Online-Aufsätze
Online-Quellen
Online-Zeitschriften
[56]Vgl. Whoriskey (2019: o. S.).
[77]Vgl. Sander (2019: 158).
[193]Vgl. Sushil (2010: 87-88).
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: WELTKARTE. Quelle: Antonie/ Hütz-Adams in Kakao-Barometer 2020, S. 23.
„Im praktischen Geschäft des Lebens ist es nicht der Glaube, der rettet, sondern das Misstrauen.“
Napoleon Bonaparte
1 Einleitung
Es wird heute als selbstverständlich empfunden, Kakaoprodukte als Bestandteil unserer Nahrungskette in Europa zu betrachten. Kakaobohnen wurden bereits von den Azteken im 14. Jahrhundert kultiviert und mit der Kolonisierung Südamerikas durch die Spanier nach Europa als Rohstoff transportiert. Dank des wachsenden Handels und industriellen Fortschritts in Europa im 19. Jahrhunderts entstanden immer mehr Kakaosorten und Kakaoprodukte auf dem MarktDies führte dazu, dass die Anzahl der Produzenten von Schokolade auf dem europäischen Markt stetig zunahm.[1] Zum gleichen Zeitpunkt entstanden ebenfalls die ersten Fair Trade-Organisationen, die sich zusammen mit verschiedenen NGOs für gerechtere Arbeitsbedingungen einsetzen. Außerdem gewinnen fairer Handel und Lieferkettengesetze in der Gesellschaft immer mehr an Relevanz. Der Fairtrade-Kakao-Umsatz hat sich von 2011 bis 2019 verdreifacht[2] und die Anzahl an Projekten und Zertifizierungen wird immer größer.
Seit über 50 Jahren versucht der faire Handel die Lage von Erzeugern im Kakaomarkt positiv zu beeinflussen. Aus dieser Bewegung entstand das bekannte Unternehmen (beziehungsweise die Bewegung)[3] Fairtrade. Ziel von Fairtrade und Fair Trade allgemein ist Armutsreduzierung, indem das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben von Erzeugern verbessert wird, erhofft sich Fairtrade diesem Ziel näher zu kommen. In der Literatur und bei vielen Lebensmittelunternehmen in der Kakaoindustrie finden sich viele Befürworter der Fair Trade-Bewegung bzw. Fairtrade-Wertschöpfungskette. Doch obwohl diese Bewegung bereits seit 50 Jahren existiert, stellt sich die Frage, wieso das Einkommen und ökonomische sowie soziale Lage von Erzeugern immer noch kritisch? bzw. wieso sich die Lage nicht signifikant verbessert hat? Viele Organisationen wie Oxfam berichten, dass obwohl Unternehmen wie Fairtrade oder Rainforest immer größere Mengen an Kakao zertifizieren, es jedoch vorkommt, dass diese Zertifikate nicht die ultimative Lösung für Erzeuger sind und nur minimal Einfluss haben. Es stellt sich daher die Frage, ob nicht andere Methoden oder Unternehmen am Markt existieren, die eine größere Wirkung, sowohl ökonomisch als auch sozial, als Fairtrade erzeugen können.
Ein Unternehmen, dass die Situation verbessern möchte, ist das deutsche Start-Up Fairafric. Es handelt sich um einen Schokoladenhersteller, welcher anhand seiner Wertschöpfungskette die Struktur des fairen Handels beeinflusst und durch seine eigene Strategie eine scheinbar höhere Wirkung als Fairtrade erzielt. Infolgedessen lässt sich folgende These aufstellen: Anhand der Wertschöpfungskette von Fairafric lassen sich höhere und sozialgerechtere wirtschaftliche Dividenden für die beteiligten Akteure feststellen. Nicht zuletzt ist eine höhere Nachhaltigkeit als bei den üblichen Fair Trade-Siegeln erkennbar. Dies ist besonders aufgrund der Transparenz und des Social-Management möglich, so dass künftig die herkömmlichen Fair trade- und Stakeholder-Strukturen revolutioniert werden können.
Ziel der vorliegenden Arbeit soll es sein, diese These zu überprüfen und festzustellen, ob dies wirklich der Fall ist. Um dies zu erreichen, werden das Unternehmen Fairtrade und weitere Fair Trade-Siegel untersucht. Infolgedessen sollen folgende Fragen beantwortet werden: Inwieweit kann Fair Trade eine reale ökonomische Veränderung ermöglichen? Was verbirgt sich hinter den Kulissen des fairen Handels im Kakaosektor? Was unterscheidet Fairafric von Fairtrade? Wie sind die Wertschöpfungsketten organisiert und welche Elemente sind dabei relevant? Welche Machtverhältnisse und Faktoren spielen dabei eine wichtige Rolle? Auf diese Fragen wird versucht, im Laufe der vorliegenden Arbeit eine Antwort zu formulieren. Ein weiteres Element, das ebenfalls untersucht wird, ist der generierte Nutzen von Fairafric und Fairtrade in Relation zu wirtschaftlichen und sozialen Effekten. Ebenfalls der Faktor Transparenz in der Wertschöpfung und Stiftung von Mehrwert wird thematisiert werden. Ein weiterer wichtiger Aspekt, der untersucht wird, ist das Thema der Nachhaltigkeit. Mit diesem Begriff ist der Umgang mit Ressourcen gemeint. In diesem Fall hauptsächlich aus ökonomischer und sozialer Sicht, aber es wird auch die ökologische Wirkung[4] in der Wertschöpfungskette berücksichtigt, ebenso wie die Vorteilsgenerierung aus Sicht der Erzeuger in den Wertschöpfungsketten,
Sämtliche Kapitel, Themen und Zusammenhänge mit Organisationen oder Unternehmen mit praktischer Relevanz werden überwiegend aus Sicht der Erzeuger analysiert. Zudem wird die Rolle und Funktion der Verbraucher während der Analyse des Fairafric-Systems berücksichtigt. Darüber hinaus werden diverse Zusammenhänge und besondere Machtverhältnisse zwischen den verschiedenen Stakeholdern untersucht. Verschiedene Wertschöp–fungsketten und Systeme werden zum Teil aus unternehmensstrategischer Sicht analysiert. Ferner werden ebenfalls die Definitionen der verschiedenen Fair Trade Siegel, sowie die dazugehörigen rechtlichen Mechanismen und Prozesse hinter den Kulissen vertieft, um die genaue Strukturen und wichtigen Merkmalen herauszustellen.
Um dem Leser einen besseren Einstig in die Thematik zu ermöglichen, werden vor der Analyse der Wertschöpfungskette von Fairtrade wichtige Eckdaten und die relevanten Prozesse im Kakaomarkt dargestellt. Dazu wird die ökonomische Lage von Kakaoprodukten in Deutschland und deren Preiseigenschaften erläutert. Danach werden wichtige Entwicklungsphasen des fairen Handels und anderer Organisationen wie UTZ und Rainforest vorgestellt und miteinander vergleichen.
Im ersten Teil der Arbeit wird das Kontrollsystem der FLOCERT GmbH zusammen mit der Struktur und Organisation Fairtrade vorgestellt und untersucht. Weitere Informationen über das Zertifizierungsverfahren und die Kriterien werden ebenfalls präsentiert. Um die Wertschöpfungskette von Fairtrade genauer zu untersuchen, wird in Form eines Exkurses die klassische Wertschöpfungskette (ohne den Einfluss des fairen Handels) bei der Schokoladeherstellung analysiert. Danach wird die Wertschöpfungskette von Fairtrade im Einzelnen untersucht und mit der klassischen Wertschöpfungskette verglichen. Dabei werden die wichtigsten Aspekte einzeln untersucht und in diversen Kapiteln im Laufe der Arbeit ebenfalls die klassische Kakaokette thematisiert. Des Weiteren wird auf die Funktion der bekannten Fairtrade-Siegel eingegangen, welche eine relevante Funktion in der Wertschöpfungskette einnehmen. Darin wird Rücksicht auf die Kaufentscheidung bzw. Zahlungsbereitschaft der Verbraucher in Zusammenhang mit der sozialen Mehrwertfunktion eingenommen.
In der Analyse der Wertschöpfungsketten wird die Machtposition des Erzeugers betrachtet und ein Einblick in die Verarbeitung der Rohstoffe und auf die Hauptakteure im Herstellungsprozess gegeben. Um die Übersicht und Analyse zu erleichtern, werden Informationen und Grafiken von Fairtrade selbst integriert und kommentiert.
Die ökonomischen und sozialen Wirkungen, welche aus den jeweiligen Wertschöpfungsketten entstehen, werden einzeln untersucht. Beim wirtschaftlichen Teil wird besonders auf die Fairtrade-Prämie und Herangehensweise zwischen Fairtrade und Erzeuger eingegangen. In Bezug auf die soziale Wirkung werden besonders die relevantesten Richtlinien von Fairtrade dargestellt. Im Kapitel „Weitere Fair Trade-Organisationen“ wird eine Analyse von und ein Vergleich zwischen Fairtrade und weiteren Fair trade-Siegeln stattfinden, um somit die generierten Vor- und Nachteile der wichtigsten Akteure im fairen Handel im dritten Teil der Arbeit mit Fairafric zu vergleichen. Dabei werden die relevantesten Funktionen und die konkrete Wirkung in Vergleich zu Fairtrade gegenübergestellt und argumentiert.
Im zweiten Teil wird auf die Organisation und besonders die Wertschöpfungskette von Fairafric eingegangen. Das Thema der Fairafric-Fairness und Kernelemente der Strategie von Fairafric werden besonders hervorgehoben, um die Unterschiede mit Fairtrade genauer herausstellen zu können. Auch die Funktion und Rolle der Verbraucher in der Kette, im Abschnitt Food Consumers, wird eigens thematisiert. Um das Potenzial und Merkfähigkeit bzw. wirtschaftliche Stabilität und Wachstum von Fairafric genauer erkennen zu können, werden wichtige Daten aus den Jahresbilanzen 2017 - 2019 aus einer rein wirtschaftlichen Sicht analysiert und anhand dessen die Profitabilität, Wachstumsprognosen und Risikomanagement untersucht. Dafür wird das ROI und ROE berechnet und die besonderen Erfolgskomponenten und Wachstumsindikatoren in der Bilanz kommentiert und untersucht. Wichtige Schritte und Ereignisse, die besonders die Gründungsphase positiv beeinflusst haben, werden kommentiert. In Laufe des zweiten Teils werden der ökonomische und soziale Impact von Fairafric anhand der Wertschöpfungskette genau untersucht, sowie einzelne Funktionen und die relevantesten wirtschaftlichen Phänomene im Rahmen der Wertschöpfung. Um Ergebnisse und das Verfahren von Fairafric genauer zu präsentieren, wird eine eigene Darstellung in Anlehnung an ein Modell von Weber et al. im Bereich Entrepreneurship entwickelt, um somit den zentralen Merkmalen der Fairafric-Strategie genauer festzustellen. Ferner werden im Laufe der Arbeit relevante Information separat in den Fußnoten signalisiert und in einem kurzen Zwischenfazit dargestellt.
Im letzten Teil der Arbeit werden schließlich die jeweiligen Wertschöpfungsketten kritisch miteinander verglichen und untersucht. Durch die zuvor erworbenen Kenntnisse wird eine konkrete Gegenüberstellung der Fakten und Effekte zwischen Fairtrade und Fairafric ermöglicht. Die wichtigsten Unterschiede und Elemente der beiden Strategien und Systeme werden verglichen und vertieft. Dabei werden Kriterien wie Transparenz und unternehmensstrategische Wettbewerbsvorteile ebenfalls berücksichtigt. Wichtige Informationen, Instrumente und Grenzen zwischen den jeweiligen Wertschöpfungsketten und Systemen werden kritisch analysiert. Dabei wird ebenfalls die Relation zwischen Wirkungsdauer und Effekt der einzelnen Maßnahmen aus Sicht der Erzeuger thematisiert. Ein Teil der bereits vorgesehenen Theorie wird in einzelnen Punkten vertieft, um den Impact genauer zu unterscheiden. Auch die zuvor betrachtete Vorgehensweisen anderer Organisationen wie Rainforest und UTZ werden mit Fairafic verglichen. Dazu wird auf diverse indirekte und direkte Vorgehensweisen von Fairtrade im Herstellungsprozess durch das Kapitel Greenwashing explizit eingegangen. Im Kapitel Praktische Implikation wird die wirtschaftliche und soziale Wirkung im Rahmen einer Pro- und Kontra Analyse konkret konfrontiert. Am Ende wird der Umweltimpact mit Agrarpraktiken verglichen und thematisiert.
1.1 Was ist Fair Trade?
Das Konzept des fairen Handels hat seine Wurzeln in den Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Das Wort „Fair Trade“, auf Deutsch „fairer Handel“, bezieht sich hauptsächlich auf eine gerechtere Verteilung von Gewinnen zwischen den Akteuren in einem wirtschaftlich-sozialen Kontext. Die Grundidee ist, einen Beitrag gegen Armut zu leisten, mit dem Ziel einen gerechteren Agrarhandel im internationalen Bereich, besonders für Entwicklungsländer, zu fördern. [5] In erster Linie richtet sich diese Unterstützung an kleine Produzenten und Erzeugergemeinschaften, um ein Mittel gegen Preisschwankungen und Ausbeutung zu schaffen.
Es gibt verschiedene Begrifflichkeiten wie „fairer Handel“, über „alternativer Handel“, bis zum sogenannten „ethischen Handel“.[6] Diese Vielzahl von Begriffen und Definitionen kann oft zu Verständnisproblemen führen und lässt die wahre Absicht hinter dieser Bewegung nicht immer präzise erkennen. Bei der Fairhandelsbewegung geht es hauptsächlich um die Unterstützung und den Schutz der Entwicklungsländer durch eine Reihe von Handelsmaßnahmen[7]. Ein weiteres Konzept in dieser Branche ist der ethische Handel. Dieser bezeichnetalle Handelstätigkeiten, die die Arbeitslage und Lebensbedingungen der Erzeugerberücksichtigen. Da im Rahmen der Fair Trade Bewegung hauptsächlich auf ethische undsoziale Aspekte Rücksicht genommen wird, kann fairer Handel ebenfalls als eine Art ethischer Handel interpretiert werden. Es ist wichtig erneut zu betonen, dass der Begriff „fairer Handel“ (im englischen nun Fair trade) nicht rechtlich geschützt ist und basiert hauptsächlich auf Standards basiert)[8]. Trotz der nicht gesetzlich geregelten Definition haben die verschiedenen internationalen Dachorganisationen des Fairen Handels (WFTO) und die europäische Organisation (EFTA) gemeinsame Formulierungen und verschiedene Grundsätze festgestellt:
Fair Trade is a trading partnership, based on dialogue, transparency and respect, that seeks greater equity in international trade. It contributes to sustainable development by offering better trading conditions to, and securing the rights of, marginalized producers and workers – especially in the South. Fair Trade Organizations, backed by consumers, are engaged actively in supporting producers, awareness raising and in campaigning for changes in the rules and practice of conventional international trade. (FINE)[9]
Es muss beachtet werden, dass diese Definition besonders auf politische Ziele hindeutet.[10]
Dazu werden ebenfalls moralische und menschliche Prinzipien sowie geographische Ziele betont. Ferner kann man feststellen, dass Fairtrade einer Bewegung entspricht, welche versucht, marginalisierte Produzenten - welche sich meistens in den südlichen Ländern der Welt befinden[11] - durch die Bestimmung von Festpreisen und die Umsetzung nachhaltiger Praktiken zu unterstützen. Erzeuger kommen oft aus Ländern, in denen Hungerlöhne und unfaire Arbeitsbedingungen die Norm sind. Dabei spielt der globale Norden aufgrund des Markteinflusses eine wichtige Rolle, weil dieser von schwachen Marktstrukturen stark profitiert.
Bemerkenswert ist, dass der Satz „of conventional international trade“ nicht einen bestimmten Akteur im Prozess involviert. Dies führt dazu, dass die Formulierung auf verschiedene Art und Weise interpretiert werden kann, bzw. jeder Akteur sich auf einzelne Aspekte oder Verfahren in der Wertschöpfungskette fokussieren kann, um so eigene Interessen umzusetzen. Unternehmen und Institutionen interpretieren deren eigene Fairtrade-Vorstellung nach eigenen Grundsätzen und bewerten deren „faire“ Produkte nach eigenen Standards. Insgesamt dient der faire Handel als Lösung für diverse soziale-ökonomische Probleme in Entwicklungsländern. Das Hauptziel bleibt, nachhaltige Formen des Konsums und des Sparens zu fördern, wie z. B. fairer Handel, Mikrokredite oder ethisches Finanzwesen, [12] um gerechtere Bedingung für Erzeuger und weitere Akteure in der Wertschöpfungskette zu fördern.
1.2 Vorüberlegungen zu Fair trade
Der Ursprung von Fairtrade basiert auf klaren ethischen Prinzipien. In Laufe der Zeit haben Organisationen diverse Schwerpunkte entwickelt. Darüber hinaus kann man, wenn man auf die Entwicklung von Fairtrade schaut, grundsätzlich drei wichtige Phasen feststellen: 1) „Goodwill-Selling“ von ca. Mitte 1950er bis ca. 1970er. Während dieser Periode erleichterten die ATOs (Alternative Handelsorganisationen)[13] den Zugang für Unternehmen aus Westeuropa und Nordamerika zum direkten Handel in Entwicklungsländern.[14] Der solidarische Aspekt spielt hier eine zentrale Rolle. Kaffee war ein typisches Produkt, welches auf diese Weise vermarktet wurde.
2) „Solidarity era“ von ca. 1970er bis ca. 1980er. Von 1970 und 1990 wurde das Konzept erweitert und handgefertigte Produkte kamen hinzu. Diese besaßen das größte Absatzvolumen und galten als eines der wichtigsten Fairtrade-Produkte. Oft wurden solche Produkte durch Wohltätigkeitsorganisationen wie Oxfam verkauft. In dieser ersten Kommerzialisierungsphase wurden fair gehandelte Produkte direkt auf dem Markt veräußert[15]. In dieser Zeit wurden verschiedene Label und Siegel von Seiten der Unternehmen selbst gegründet, um sich an die notwendige Änderung auf dem Markt anzupassen.
3) „Win-win trade“ und „Commercialisation phase“ von 1980 bis ca. 1990 bzw. von 1990 bis 2010. Es entsteht ein Handelskonzept, das beiden Seiten, Erzeugern und Unternehmern, Gewinn einbringen soll. Die Grundidee basiert auf einem sozial-solidarischen Handel. Erkennbar ist, wie hier aus einem ursprünglichen Solidaritätshandel zu einer Partnerschaft gewechselt wurde, [16] welche das Ziel, Einnahmen zu generieren, in den Mittelpunkt stellt.
2 Eigenschaften der Kakaoproduktion
Die Kakaoproduktion findet in der Regel in tropischen Regionen in der Nähe des Äquators statt. Bei Kakaobohnen wird nach Konsum- und Edelsorten unterschieden. Der sogenannte Konsumkakao wird eher in Westafrika produziert. Für Edelkakao werden ertragreiche und widerstandsfähige Arten von Kakaobäumen bevorzugt. Die Edelkakaosorten Forastero und Criollo beispielsweise sind in Ecuador und Venezuela heimisch. Diese sind auf dem Markt wegen des spezifischen Aromas und der aus ihnen produzierten Kakaobutter bekannt. [17]
Abbildung 1: WELTKARTE. Quelle: Antonie/ Hütz-Adams in Kakao-Barometer 2020, S. 23.
Ca. 70 % der weltweiten Kakaoernte wird in den folgenden vier Ländern angebaut: Elfenbeinküste, Ghana, Nigeria und Kamerun. Elfenbeinküste und Ghana produzieren mehr als die Hälfte des weltweiten Verbrauchs. [18] Obwohl 70 % des weltweiten Kakaobedarfs in Westafrika kultiviert wird, wird weniger als 1 % davon vor Ort zu Schokolade weiterverarbeitet.[19] Zusätzlich soll betont werden, dass im afrikanischen Agrarmarkt oft Korruption und nicht-transparente Geschäfte vorherrschen. Zudem spielt die aktuelle Corona-Lage eine drastische Rolle[20], denn ihrzufolge sind starke Preisschwankungen im Kakaomarkt zu erwarten. All das führt dazu, dass die Konsequenzen und Nachteile für Erzeuger bzw. schwache Akteure in der Wertschöpfungskette sich weiter verschlechtern werden.[21] Es lässt sich ebenfalls erahnen, unter welchen Umständen und Bedingungen Erzeuger agieren müssen.
2.1 Ökonomische Vorüberlegungen über den Kakaopreis
Kakao und Kaffee gehörten zu den ersten Rohstoffen, die von Fairtrade zertifiziert wurden. Sie entsprechen 30 % des Gesamtumsatzes des fairen Handels und gelten als die umsatzstärksten fair gehandelten Produkte auf dem Markt.[22]
Der Kakaomarkt bzw. Handel der Kakaobohnen zählt zu einem der instabilsten Rohstoffmärkten. Am Agrarmarkt in Afrika herrschen keine transparenten Regeln bzw. es herrscht ein starker Interessenkonflikt in der Wertschöpfungskette:[23] „Cocoa is a very sensitive market because of highly speculative elements in the futures markets. Due to the different sources and customer bases, the two futures markets are often unrelated.”[24]
Um besser zu verstehen, welche Bedingungen den Preis von Kakao stark beeinflussen, werden in diesem Kapitel einige der wichtigen Variablen vorgestellt. Die Gesundheit der Pflanze und Klimabedingungen spielen eine wichtige Rolle. Beispielsweise benötigt der Kaffeeanbau mindestens zwei bis drei Jahre nach der Pflanzung, um die ersten Gewinne zu erzielen. Im Fall von Kakao gilt dies erst ab dem fünften Jahr. Dabei handelt es sich um pflegeintensive und krankheitsanfällige Pflanzen, die vor zu großer Sonneneinstrahlung und Wind geschützt werden müssen.[25] Zusätzlich herrschen monopolistische Strukturen, da nur drei Unternehmen (Barry Callebaut, Cargill und Olam) zwei Drittel der Welternte verarbeiten[26] und so eine Machtposition innehaben.
Weitere dazugehörige Produkte, die durch die Verarbeitung der Bohnen entstehen, sind Kakaobutter und Kakaopulver. Höhere Preise und Gewinnaussichten dienen in der Regel als Anreiz für ErzeugerInvestitionen zu motivieren, wie zum Beispiel Plantagenexpansionen. Doch da die Pflanzen lange Zeit benötigen, um zu wachsen, kann eine Überproduktion wie im Jahr 2016vorkommen, welche das Angebot stark erhöht und einen enormen Preisverfall verursacht.[27] Ferner, nicht nur im Jahr 2016, sondern bereits seit dem letzten Jahrzehnt, fanden immer öfter Preisänderungen an der Börse in New York statt. [28]
All das lässt erkennen, wie in der Kakaobohnenproduktion bereits an der Basis ein Monopol von Unternehmen herrscht, welche keine festen Einnahmen sichern und eher für Instabilität und Armut bei Erzeugern sorgen.\
2.2 Ökonomische Vorüberlegungen des Kakaomarkts in Deutschland
In Bezug auf den Kakaokonsum ist Deutschland eines der Länder, welches die meisten Schokoladenprodukte konsumiert. Im Jahr 2018 galt die Süßwarenindustrie als der viertgrößte Bereich in der Ernährungsindustrie und schaffte über 50.000 Arbeitsplätze. 2018 importierte Deutschland ca. 460.000 Tonnen Kakao im Wert von 973 Millionen Euro. Außerdem ist Deutschland weltweit einer der größten Importeure von Rohkakao[29]. Dies ist auf die schwankenden Preisen auf dem Kakaomarkt zurückzuführen, welche wiederum die Lage der Erzeuger stark beeinflusst. Heutzutage haben sich viele Unternehmen aus der Kakao- und Schokoladenbranche in Deutschland etabliert und verkaufen an andere Länder weiter. Wenn man die Steigerung des Fairtrade-Kakaokonsums und Trinkschokolade in Deutschland betrachtet, kann man ein Marktsegment und Umsatz von rund 7,34 Millionen Euro erkennen[30] und auch die Zahl an verkauften, kakaohaltigen, zertifizierten Endprodukten stieg von 3 % auf 45 %.[31] Somit wird die Position und Rolle Deutschlands im nachhaltigen Kakaosektor immer relevanter. Im nächsten Kapitel werden wir sehen, wie die Fairtrade-Strategie versucht eine Lösung zu bieten, um mehr Nutzen und Vorteile für Erzeuger im Kakaosektor zu schaffen.
3 Fairtrade
Das Unternehmen Fairtrade, basierend auf der Fair Trade-Bewegung, ist weltweit einer der bekanntesten und wichtigsten Akteure im fairen Handel.
Eines der Hauptziele von Fairtrade ist die Verbindung von Erzeuger, Verbraucher und Unternehmen. Dabei ist das Ziel, bessere Einnahmen durch fest geregelte Verfahren für Erzeuger zu ermöglichen und Armut zu bekämpfen. Die Grundidee sieht vor, ebenfalls mehr Nachhaltigkeit bei den Unternehmen zu stimulieren. Ein weiteres Ziel ist es, langfristige, menschenwürdige Bedingungen für Arbeiter auf Plantagen weltweit zu schaffen. Dank des Siegels auf den Verpackungen verschiedener Produkte genießt Fairtrade einen hohen Bekanntheitsgrad in Fairen Handel. In dem kommenden Kapitel wird die Struktur und Organisation von Fairtrade untersucht.
3.1 FLOCERT und Kriterien
Wie in den Vorüberlegungen bereits hingedeutet, dass eine gesetzlich geregelte Formulierung des Fairtrade bis heute nicht existiert, herrschen diverse Ausgangspunkte über die Handlungsweise. Diese Kriterien lassen sich durch die FLOCERT[32] in folgenden Kernpunkten zusammenfassen: a) Schutz von Menschenrechten und mehr Gerechtigkeit sowie wirtschaftlicher Sicherheit für Erzeuger[33] durch die Zahlung einer Prämie für die nachhaltige Entwicklung und Umweltschutz[34] b) Für Kleinbauernkooperativen: eine demokratische Struktur, Antidiskriminierende Praktiken, in dem Frauen befördert werden[35], zusammen mit einem Sensibilisierungsprozess beim Verbraucher[36] c) Die Implementierung von Veränderungen hinsichtlich Regeln und Geschäfte imkonventionellen Handel[37] und den Verkauf durch die ATOs. [38] d) Langfristige Handelsbeziehungen, die eine angemessene Planung und nachhaltige Produktion ermöglichen. [39]
Insgesamt brachte die FLO 20 Siegelinitiativen in Europa zusammen. Organisationen aus Kanada, Japan, Australien und den USA nahmen an dieser Fusion ebenfalls teil. Dank dieser Fusion entstand die bekannte Dachorganisation FLO mit Sitz in Bonn, welche die Leitung und Koordination der Zertifizierungsverfahren überwacht.[40]
Auf den ersten Blick kann man erkennen, dass die Sicherung von Menschenrechten und demokratischer Verfahren neben den wirtschaftlichen Aspekten eine primäre Rolle spielen. Es lässt sich ebenfalls erkennen, wie die FLO als einer der Hauptverbindungspunkte zwischen Fairtrade selbst, Unternehmen und den Erzeugern dient.
Außedem ein Kernteil der FLO das dazugehörige Zertifizierungssystem. Dies basiert auf der ISO65 Konvention, welche das Zertifizierungssystem vor äußeren Einflüssen schützt und eine Funktion als „Third Party Certification“[41] übernimmt, um damit eine transparente Akkreditierung zu gewährleisten. Dadurch entstand eine unabhängige internationale Zertifizierungsgesellschaft, auch unter dem Namen FLO-CERT GMBH bekannt[42]. Diese ist für Zulassung und Zertifizierung zuständig, sie überprüft das Unternehmerverhalten gegenüber Erzeugergemeinschaften und ob Unternehmen verantwortlich und nach Vertrag handeln. [43] Die Standards von FLOCERT gelten als Basis für Fairtrade. Diese werden je nach Bedarf den Bedürfnissen eines Landes anpasst. Die FLO legt Mindestkriterien fest, die der Hersteller absolvieren muss, damit ein Produkt als „Fairtrade“ bezeichnet werden darf[44]. Bis Dezember 2018 gab es weltweit 1707 zertifizierte Fairtrade-Produzenten[45], die mit der Organisation kooperieren. Seit der Gründung der ersten Fair trade-Läden hat sich der Fair trade-Markt bis heute ständig weiterentwickelt.
3.2 Das Siegel
Die Einführung des Fairtrade-Siegel aus dem Jahr 1988 gilt als einer der Schlüsselfaktoren des gesamten Fairtrade-Konzepts: „… the certification of fairtrade products is an important if not the most important part of the fairtrade system“.[46]
Durch die Kennzeichnung erhalten Verbraucher, unabhängig von der Marke des Produkts, dem Vertriebsweg oder Herkunftsland, ein direktes Mittel, um faire gehandelte Produkte zu erkennen. DasSiegel repräsentiert das Anwenden von nicht konventionell bearbeiteten Rohstoffen und dazu die Stiftung von zusätzlichem sozialem Mehrwert. [47]
Es dient als konkretes Hilfe-Signal, dass den Kunden auf ein gesellschaftliches-sozioökonomische Problem hinweist. Verbraucher erkennen den sozialen Mehrwert aus dem Kauf von Fairtrade Produkten (vorausgesetzt dieser ist für den Kunden von Bedeutung) und sie sind in der Regel bereit einen höheren Preis für diesen Mehrwert zu bezahlen. [48]
Ferner, aus einer Marketing-Ökonomische Sicht für Unternehmen, bietet das Siegel einen relevanten Wettbewerbsvorteil, weil es die Möglichkeit bietet, diverse Preisstrukturen zu schaffen[49] und somit eine Art „eigene Nische“ zu ermöglichen, womit eine höhere Zahlungsbereitschaft als bei herkömmlichen Produkten einhergeht. [50] Oft handelt es sich bei Fairtrade-Kunden um Verbraucher, die eine höhere Zahlungsbereitschaft haben bzw. ein in Durchschnitt besseres Einkommen besitzen.[51] In diesem Prozess spielt das Vertrauen der Verbraucher eine sehr wichtige Rolle, weil diese an die Fairtrade-Standards glauben und den sozialen Zweck mitteilen. Das Siegel spiegelt direkt vor den Augen der Kunden die fairen Praktiken und Fairtrade-Philosophie, welche bei der Kaufentscheidung eine relevante Rolle spielt, wider. Außerdem schafft und pflegt das Siegel Vertrauen zwischen Kunden, Unternehmen und Fairtrade selbst. Zudem soll betont werden, wie das Siegel eine höhere Preis-Position in den Regalen der Supermärkte besitzt.[52] In anderen Worten: neben dem sozialen Nutzen für Verbraucher bedeutet das Siegel von Fairtrade für Unternehmen eine starke Kundensensibilisierung und Kundenbindung, welche unterschiedliche Vorteile für die verschiedenen Akteure in der Wertschöpfungskette generieren.
4 Exkurs - Wertschöpfungskette in Kakaosektor
Damit eine bessere Gegenüberstellung ermöglicht werden kann, bevor die Wertschöpfungskette von Fairtrade konkret untersucht wird, wird hier die klassische Wertschöpfungskette des Kakao präsentiert. Dabei werden wichtige Mechanismen und Machtverhältnissen hervorgehoben. Im Anschluss wird die Wertschöpfungskette von Fairtrade analysiert. Wichtige Markt-Mechanismen und sonstige Vorgehensweisen aus diesem Kapitel werden in dem dritten Teil mit Fairafric konfrontiert.
4.1 Vorgehensweise in der „klassischen“ Wertschöpfungskette
Eine Hauptproblematik im wirtschaftlichen Zusammenhang des Kakaoanbaus sind die Wertschöpfungsketten. Diese sehen vor, dass die Weiterverarbeitung des Rohstoffs und somit die dazugehörende Gewinnmöglichkeiten kaum in den Herkunftsländern stattfinden, sodass Armut nach wie vor besteht.[53] Wenn man sich das Prozedere näher anschaut, so müssen, um exportiert zu werden, Kakaobohnen über weite Strecken transportiert werden. Kleine Produzenten haben selten die wirtschaftliche Kapazität oder die Mittel, große Märkte persönlich zu erreichen. Sie müssen sich auf Zwischenhändler verlassen, welche den Preis regeln. Besonders in den afrikanischen Ländern können sich Zwischenhändler oder Unternehmen aufgrund der mangelnden Infrastrukturen und Informationen gegenüber Erzeugern opportunistisch verhalten. Es findet folglich eine asymmetrische Kommunikation bereits ab den ersten Stufen der Wertschöpfungskette statt. Hinzu lagern Industrien oft die Produktionskosten, Arbeitskosten und andere sonstige Kosten an die Landwirte aus. Im Hinblick auf Ghana entstehen dank des qualitativ hochwertigen Kakaos innerhalb der Wertschöpfungskette höhere Kosten als üblich[54]. Dazu gehören in der klassischen Kette intransparente Geschäfte, Korruptionsfälle in offiziellen Ämtern und illegaler Kakaohandel.[55] Dies führt zu Kinderarbeit, gesundheitsgefährdenden Arbeitsplätzen und niedrigen Löhnen; bis heute ist Kinderversklavung auf Kakaoplantagen üblich.[56]
In Bezug auf die Struktur werden Kakaobohnen auf unterschiedliche Weise vermarktet. Es existieren mehrere Schritte zwischen Bauer und Exporteur, in denen der Erzeuger bereits von Anfang an benachteiligt wird bzw. über einen geringen Einfluss verfügt. Zudem ist wegen des fehlenden Wettbewerbes und mangelnder staatlicher Preiskontrolle innerhalb der Wertschöpfungskette der Anteil aus dem Verkaufspreis, welchen die Farmer am Ende erhalten, sehr niedrig.[57] All das lässt erkennen, wie es neben dem volatilen Preis auf den Kakaomarkt, wie auch in der klassische Kakaokette selbst, Faktoren gibt, die zum Nachteil von Erzeugern beitragen. Um eine bessere Übersicht zu erlangen, wird im kommenden Abschnitt die Wertschöpfungskette von Kakao beschrieben.
4.2 Analyse der „klassische“ Wertschöpfungskette
Abbildung 2: Klassische Wertschöpfungskette. Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung auf das Modell Hellar et al.[58] und Antonie/ Hütz-Adams[59].
In dieser Phase finden der Saht- und Pflegeprozess der Kakaobäume statt. Nach der Ernte werden Kakaobohnen fermentiert und getrocknet. Nach der Verpackungsphase wird das Produkt in Kakaosäcken gelagert.
Erzeuger/Genossenschaften verkaufen Kakaobohnen weiter. Bei den Käufern handelt es sich oft um Kleinhändler, Handelsorganisationen und Privatunternehmen. Die Bohnen werden zu den Häfen transportiert und danach exportiert.
Die Weiterverarbeitung der Bohnen findet manchmal lokal statt. Importeure kaufen den Rohstoff ein. Es kommt vor, dass ein Teil der Bohnen weiter eingelagert wird. Bohnen werden gereinigt und geröstet.
Ein weiterer Prozess ist die Vermahlung in eine Kakaomasse, die zur Herstellung weitere Produkte dient. Kakaobohnen werden verarbeitet und mit weiteren Produkten kombiniert, wie z. B. Zucker oder Haselnüssen.
Das Produkt wird auf den Vertriebskanälen bereitgestellt. Der Endverbraucher erhält das Produkt, ohne einen besonderen Einfluss oder Kontakt mit den vorherigen Phasen zu haben.
Sogenannte „Grinder“ und „Trader“, nehmen zwischen der zweiten und vieten Phase teil.
Anhand der Grafik lässt sich feststellen, wie an der Produktion von Kakao bzw. Schokolade, mehrere Akteure involviert sind. Allgemein betrachtet gibt es mindestens fünf bis zehn Phasen, die in der Wertschöpfungskette vorkommen können.[60]
Unteranderem erfolgt in der klassischen Wertschöpfungskette die Verarbeitung der Rohstoffe erst, wenn die Kakaobohnen die Mühlenbetriebe im Norden der Welt erreichen und;[61] ein sonstiger ökonomischer oder sozialer Vorteil für die Produzenten ist nicht erkennbar. Wenige Akteure haben eine hohe Dominanz bzw. ca. 40 % des Marktanteils von Kakao ist in nur wenigen Schokoladenherstellern konzertiert; [62] bzw. es handelt sich um ein starkes Oligopol. Das Einfluss solcher Konzerne führt ebenfalls dazu, dass Umweltprobleme entstehen; denn um die Kakaoproduktion aufrecht zu erhalten benutzen Erzeuger Pestizide und ungesunde synthetischen Produkte[63]. Dabei werden Grundrechte, wie beispielweise Gleichberechtigung von Minderheiten oder Mindestlohn, oft nicht beachtet. Eine ungerechte Verteilung entspricht die Norm.[64] Weil der Gewinn in den nördlichen Ländern generiert wird, ist eine nachhaltige und dauerhafte Veränderung der sozio-ökonomischen Lage nicht möglich. Eine Alternative, um aus der Armut zu entkommen, ist hier definitiv nicht angeboten, weil diverse Interessenkonflikte bei den Stakeholdern herrschen, die die Preise der Rohstoffe und stark beeinflussen.
5 Die Wertschöpfungskette von Fairtrade
In kommenden Kapiteln wird die Wertschöpfungskette Fairtrade analysiert und mit der „klassischen“ Kakaokette verglichen. Um Wirkung und Handel von Fairtrade übersichtlicher zu gestalten, wird die Wertschöpfungskette von Fairtrade schrittweise beschrieben:
5.1 Konsumenten
Eine der wichtigsten Komponenten in der Fairtrade-Wertschöpfungskette sind die Endverbraucher bzw. die Konsumenten. Diese allein können entscheiden, ob und welche Produkte gekauft werden. [65] Diese Eigenschaft gilt ebenfalls für andere Organisationen im fairen Handel. In der Literatur werden Fairtradekunden oft gezielt als „ethical consumers“ bezeichnet[66]. Kunden, die sich für ein Fairtradeprodukt entscheiden, glauben an bzw. vertrauen in die Einhaltung von ethischen und sozialen Standards im Herstellungsprozess. Im Vergleich zu der klassischen Kakaokette spielt der Verbraucher eine aktivere und wichtigere Rolle. Dieser gilt bei Fairtrade als Entstehungsfaktor in der Wertschöpfungskette und hält diese aufrecht.
5.2 Handel
Aus der Grafik kann man erkennen, wie das Produkt durch den regionalen Markt direkt zum Exporteur/ Importeur geliefert wird bzw. bei den Herstellern ankommt. Danach findet an dieser Stelle der Lieferkette die Vergabe des Siegels/Label statt. Das Produkt ist bereits vermarktet. Für Unternehmen bedeutet das Siegel nicht nur eine Verbesserung des Images, sondern dadurch wird der Konsument loyaler: „…Fokus auf soziale Nachhaltigkeit und herkunftsbezogene Exklusivität der Zutaten hat einen sehr hohen Wiedererkennungswert bei verschiedenen Stakeholdern.“ [67]
Anders als in der klassischen Kakaokette erfolgt der Vertrieb von Fairtrade Produkten über zwei Vertriebswege. Zum einen über den klassischen fairen Handel, wie z. B. die „Alternativer Handel-Geschäfte“[68], oder Reformhäuser, zum anderen über den konventionellen Handel wie Supermärkte. Beispielweise setzt die Supermarktkette Aldi Süd stark auf fair gehandelten Kakao und auf nachhaltigen Lieferketten.[69] In diesem Sinne können Produkte mit dem Fairtrade-Siegel nun sowohl von gewinnorientierten Unternehmen, als auch von nicht-gewinnorientierte Akteuren in der Wertschöpfungskette verkauft werden.
5.3 Hersteller
Bei den meisten fairen Produkten erfolgt die Herstellung (oder die letzten Bearbeitungsphasen) des Produkts überwiegend in den Industrieländern des globalen Nordens.[70] Und dies gilt nicht nur für Kakao, sondern auch für weitere Monoprodukte wie Zucker oder Bananen. Rohstoffe wie Kakao müssen rechtlich zu 100 % „fair“ gehandelt worden sein, um die Fairtrade-Zertifizierung zu erlangen.[71] Doch bei sogenannten umstrittenen „Mischprodukten“ gelten besondere Ausnahmen, die die Siegelvergabe Institution FLOCERT ermöglicht.[72] Dieser Punkt wird im Laufe des dritten Teils der Arbeit genauer untersucht. Des Weiteren gibt es je nach Produkt und Quantität verschiedene Gebühren, die Fairtrade von Unternehmen verlangt. Fairtrade kann hier gegenüber der klassische Kakaokette eine gewisse Macht ausüben bzw. dank der Gebühren, die Unternehmen zahlen müssen, kann Fairtrade weiterhin wachsen und diverse Projekte finanzieren.
5.4 Importeure/ Exporteure
Importeure von Fairtrade-Produkten spielen ebenfalls eine wichtige Rolle, denn sie ermöglichen den Export für das fair gehandelte Produkt. Diese ermöglichen den Eingang in die Absatzmärkte der Industrieländer und dienen als „Bindeglied zwischen den Produzenten in den Entwicklungsländern und den Absatzmärkten in den Industrieländern“.[73] Erzeugergemeinschaften verkaufen durch das von Fairtrade zertifizierte Netzwerk Rohrstoffe/Produkte an die Händler weiter. In dieser Phase findet die Auszahlung/Berechnung der Fairtrade-Prämie statt, welche an die Erzeuger ausgezahlt wird[74]. Fairtrade bietet eine Beratung für beide Akteure und positioniert sich zwischen Unternehmen und Produzenten. Die Beratungsfunktion und die Rolle als Mediator entsprechen sicherlich einer der wichtigsten Funktionen, die in sämtlichen Abschnitten der Wertschöpfungskette stattfindet.
5.5 Produzenten
Bei der Mehrheit der Produzenten, mit denen Fairtrade zusammenarbeitet, handelt es sich um Kleinbauern oder Landarbeiter. Diese entsprechen 87 % des Personals, welches mit Fairtrade zusammenarbeitet.[75] Hinsichlich der Struktur bilden diese oft Erzeuger-Gemeinschaften oder Kooperativen, um am fairen Handel teilzunehmen, vorausgesetzt die Fairtrade-Standards werden erfüllt. Die Standards, welche die Erzeuger/Produzenten und Unternehmen respektieren müssen, sind Bestandteil des Fairtrade-Konzept.[76]
Anders als in der klassische Kakaokette, worin eine Informationsasymmetrie zugunsten des Zwischenhändlers vorkommt, kann Fairtrade dank der Beratung der Genossenschaften eine konkrete Unterstützung anbieten bzw. dank der von Fairtrade geförderten Richtlinien kann der Vermarktungsprozess der Rohstoffe erleichtert werden. In der Regel ist ein Zusammenschluss von Erzeugern für Fairtrade vorteilhafter, um die immer stärker steigende Anzahl von Erzeuger effizienter zu gestalten.[77] Damit können Erzeuger von anderen Akteuren profitieren bzw. müssen nicht weiter unter opportunistischen Verfahren leiden. Im kommenden Kapitel wird der Impact untersucht, welchen die Wertschöpfungskette von Fairtrade auf der ökonomischen und sozialen Ebene generiert.
6 Ökonomische Wirkung von Fairtrade
In den folgenden Kapiteln werden die wirtschaftlichen Faktoren analysiert bzw. der ökonomische Impact gegenüber Erzeugern, der durch Fairtrade entsteht. Allgemein betrachtet lassen sich die wichtigsten Punkte der wirtschaftlichen Struktur in den folgenden Kategorien zusammenfassen: Mindestpreis, Mindestlohn, (Vor-)Finanzierung und Fairtrade-Prämie. Diese werden genauer untersucht, um die generierten Vorteile und Wirkung in der Wertschöpfungskette festzustellen. Ein weiterer Punkt, welcher ebenfalls über einen relevanten Einfluss verfügt, ist der Notfonds von Fairtrade; dieser ist aber kein herkömmliches Mittel, sondern wird nur in bestimmen Fällen angewendet.
Das Wirtschaftsmodell von Fairtrade orientiert sich an der lokalen Wirtschaft, insbesondere in Entwicklungsländern[78], und versucht, ein Einkommen bzw. Sicherheit für die schwachen Akteuren im Prozess zu gewährleisten.
6.1 Der Mindestpreis
Wie in den Vorüberlegungen gesehen, entsteht der Kakaopreis in der Regel an der Börse und hängt nicht nur von klimatischen Faktoren wie volativen Preisen ab, sondern auch von den Bedingungen der Stakeholder in der Wertschöpfungskette. Um dieses Marktungleichgewicht zu regulieren, entwickelte Fairtrade ein Mittel im internationalen Handel – den Mindestpreis (FMP). Was ist dieser Mindestpreis konkret?
Der Fairtrade-Mindestpreis (wo er existiert) ist der Preis, den Käufer*innen mindestens an Produzent*innen bezahlen müssen, damit das Produkt Fairtrade-zertifiziert werden kann.“ Der FMP ist ein Mindestpreis, der die durchschnittlichen Produktionskosten der Produzent*innen abdeckt und ihnen Zugang zum Markt für ihr Produkt gewährt.[79]
In anderen Worten schützt der FMP Erzeuger davor, ihre Produkte zu einem zu niedrigen Preis verkaufen zu müssen. Ergo ist er ein rechtliches Instrument, das eine Preisgrenze setzt. Dieser wird nur angewendet, falls der regulären Kakaopreis an der Börse unter dem von Fairtrade gehandelten Mindestpreis liegt.[80] Man kann es auch als den niedrigsten Preis betrachten, den ein Fairtrade-Kunde einem Erzeuger zahlen kann, um diesen zu unterstützen.[81] Sollte der Kakaopreis an der Börse zu stark sinken, dann sind Unternehmen verpflichtet den FMP an die Erzeuger auszuzahlen. Doch der Mindestpreist gilt nicht für alle Produkte, die Fairtrade handelt.
Ein konkretes Beispiel während der Corona-Pandemie: Im Juli 2020 lag der Preis bei ca. 1665 Euro pro Tonne Kakao, während er noch vor wenigen Monaten bei fast 2.600 Dollar pro Tonne lag.[82] In weniger als drei Monaten fiel der Preis über 32 %. Dies ist ein bedeutender Rückgang, der die Kakaoproduzenten stark trifft. Nicht zuletzt wird der FMP oft in Schwellenländer verwendet[83] und fungiert als eine Art ökonomischer und sozialer Stabilisator. Es ist sicherlich eine beachtliche Leistung, die Fairtrade anbietet. Der Mindestpreis als Teil der Wertschöpfungskette Fairtrade gewährt somit ein Minimum an Einnahmen. Dieser Preis deckt die Hauptkosten (Rohstoff und Arbeit) und führt ebenfalls dazu, dass direkte und langfristige Handelsbeziehungen zwischen Erzeuger und Unternehmen entstehen.
6.2 Mindestlohn
Der gezahlte Mindestlohn kann je nach Produkt stark variieren. Zum Beispiel bei anderen Monoprodukten wie Bananen besteht Fairtrade auf eine konkrete Lohnverbesserung, die für Lebensmittel, Gesundheitsversorgung, Sparmöglichkeiten und Bildung ausreicht.[84] Im Fall von Kakao basiert der Mindestlohn auf dem Mindeststandard, welchen der Staat anbietet. Dieser Punkt wird im dritten Teil der Arbeit vertieft. Ein Unternehmen, das die Fairtrade-Zertifizierung erhalten möchte, verpflichtet sich, den Mindestlohn an Erzeuger und Mitarbeiter auszuzahlen. Die Löhne, die Fairtrade zahlt, werden unter Berücksichtigung der lokalen wirtschaftlichen Strukturen bzw. je nach Gesetz eines Landes gehandhabt. [85] Dadurch erhalten Produzenten einen Mindestlohn, um ihre Arbeit und Existenz zu sichern: ´Verträgliche Löhne zu bezahlen, die einem „living wage“ entsprechen sollen.´[86]
6.3 (Vor-) Finanzierung
Ein weiterer wichtiger Punkt der Fair Trade-Strategie ist die Finanzierung, um die nötigen Kredite für Erzeuger zu ermöglichen.[87] Konkret handelt es sich um Produktionsverträge, die durch Geldreserven den Banken als Garantie angeboten werden. [88] Im Kakaosektor sind Kakaokooperativen/ Erzeuger, welche Fairtrade-Zertifizierung bereits erhalten haben, oft nicht in der Lage, Bonität nachzuweisen, um Geldmittel für die Ernte zu erhalten. Dank der Beratung bzw. „Garantfunktion“ von Fairtrade durch die Vorfinanzierung erhalten Produzenten Zugang zum Kapital. Der Erzeuger bekommt Kredite zu günstigen Konditionen und erhält mehr Macht in der Wertschöpfungskette. Dadurch ist der Produzent in der Lage, ein stabiles Mindesteinkommen zu sicher, welches es ihm ermöglicht, die Qualität der Ernte zu verbessern und dadurch am Markt bestehen bleiben zu können. Man kann die (Vor-)Finanzierung als eine Art indirekte Möglichkeit zu Zusatzeinnahmen interpretieren[89], welche, zusammen mit der Prämie, verschiedene ökonomische Vorteile ermöglicht. Diese Funktion von Fairtrade entspricht einer der relevantesten Maßnahmen, um Erzeuger unterstützen zu können.
6.4 Fairtrade-Prämie
Neben dem FMP ist die reguläre Prämie, die Fairtrade den Bauern auszahlt, ein wichtiges Element in der kakaokette. Im Grunde ist das Ziel der Prämie, die Kosten einer nachhaltigen Produktion zu decken und bessere Lebensbedingungen für den Erzeuger zu begünstigen. [90] Konkret handelt es sich um weitere Einkünfte, die Produzenten und Arbeiter in den Plantagen pro Tonne Rohmaterial zusätzlich erhalten. Diese werden oft in Gesundheitswesen, Wirtschaft, Bildung und Umwelt investiert [91]. Man kann die Prämie wie ein zusätzliches Einkommen betrachten: „…essentially, it could be considered an aid payment.“[92]
Erzeuger und Arbeiter können selbst über deren eigene Prioritäten entscheiden bzw. sie bestimmen, wie die Prämie ausgegeben werden kann:
…, wenn sich die Arbeiterinnen und Arbeiter dazu entscheiden, kann bis zu 20 % der Fairtrade-Prämie (und in Ausnahmefällen bis zu 50 %) pro Jahr zu gleichen Teilen an alle Arbeitskräfte in bar als Fairtrade-Bonus ausgezahlt werden.[93]
Gegenwärtig beträgt die Fairtrade-Prämie 240 Dollar pro Tonne.[94] Auf diese Weise ist es möglich, Entwicklungs- und Ausbildungsprojekte zugunsten der Produzenten zu fördern. Je nach Projekt kann ein soziales Problem kurz bis mittelfristig verbessert werden. All das immer im Zusammenhang mit der FLO-Kontrollen. Sicherlich repräsentiert die Prämie eines der wichtigsten Elemente in der Wertschöpfungskette von Fairtrade, denn es ermöglicht nicht nur zusätzliches Kapital, sondern es wird eine konkrete Basis kreiert, die diverse Vorteile generiert. Darüber hinaus bleibt das Hauptziel, das Potenzial der Genossenschaften zu entwickeln, um langfristige Geschäftsbeziehungen zu schaffen.[95]
6.5 Soziale Wirkung und wichtige Richtlinien
Ein Unternehmen, welches das Fairtrade-Siegel tragen möchte, verpflichtet sich, mehrere Fairtrade-Standards und verbindliche Klauseln zu erfüllen. Soziale Rechte und humane Arbeitsbedingungen, sowie Sicherheit am Arbeitsplatz, müssen gewährleistet werden. Einige der wichtigsten sozialen Prozesse, die Fairtrade sichert, sind z. B. demokratische Entscheidungen in den Genossenschaften.[96] Erzeuger müssen an demokratischen Entscheidungsprozessen beteiligt werden, um künftige Änderungen oder Planungen bei der Ernte mitzugestalten. Ein weiteres wichtiges Thema sind die Anti-Diskriminierungsverfahren. Nichtzuletzt basieren die Standards von Fairtrade auf den verschiedenen ILO-Konventionen (International Labor Organisation).[97] Allgemein betrachtet lassen sich diese Konventionen in den folgenden Unterpunkten kategorisieren: Vereinigungsfreiheit und Recht auf Kollektivverhandlungen, Beseitigung der Zwangsarbeit, Abschaffung der Kinderarbeit[98] und Verbot der Diskriminierung während der Beschäftigung und des Berufs.[99] Eine vollständige Analyse sämtlicher sozialen Richtlinien wäre aus Platzgründen hier nicht möglich, daher werden nur die Hauptkriterien und die relevantesten Maßnahmen und Richtlinien vorgestellt, welche Fairafric ähneln, um diese dann im dritten Teil dieser Arbeit gezielter vergleichen zu können.
6.6 Fairtrade-Standards und Mitarbeiterschutz
Standards, die humane Arbeitsbedingungen und die Gesundheit der Arbeiter fördern, spielen eine sehr wichtige Rolle in der Wertschöpfungskette von Fairtrade. Ein Unternehmen, dass sich für Fairtrade Siegel qualifizieren möchte, muss also besonders auf diese Standards achten, um Arbeitsunfälle am Arbeitsplatz zu vermeiden:
Ihr Unternehmen muss eine/n Beauftragte/n für Sicherheit am Arbeitsplatz ernennen, die/der für alle Belange rund um Gesundheitsschutz und Sicherheit in Ihrem Unternehmen zuständig ist. Die Unternehmensleitung hat dafür Sorge zu tragen, dass die/der Beauftragte in angemessenem Umfang für diese Ausfrage ausgebildet wird und eine Tätigkeitsbeschreibung erhält…[100]
Besonders für Kakaoerzeuger ist die Konvention C184 für Arbeitsschutz in der Landwirtschaft von besonderer Relevanz. Ferner ist es Fairtrade gelungen, in zwei weiteren solcher Bereiche erfolgreich zu handeln. Seit 2009 gilt „der Fairtrade-Standard für lohnabhängig Beschäftige“ und 2016 kam die Konvention des „Fairtrade-Textilstandard“ hinzu.[101] Beide Standards folgen dem Ziel, die Arbeitsbedingungen, und besonders Löhne von Produzenten in Plantagen und Fabriken, zu verbessern. Dadurch konnten wichtige Menschenrechte langfristig gesichert werden. Nennenswert ist ebenfalls, dass Fairtrade Arbeitsbedingungen und Konditionen fordert, die in bestimmen Fällen sogar über den gesetzlichen Mindestanforderungen der ILO liegen[102], durch z. B. das Angebot zu Fortbildungen und Seminaren auf sämtliches Ebenen im Unternehmen, welche spezifisch für Erzeuger geplant werden.
6.7 Demokratische Standards und Rechte von Minderheiten
Wie zuvor erwähnt müssen alle Mitglieder oder Teilnehmer der Genossenschaft sich an einem demokratischen Entscheidungsprozessen beteiligen. Dazu gehören beispielsweise interne demokratische Strukturen in den Kooperationen und/oder kleine Gruppen mit politischer Unabhängigkeit[103]. Dadurch wird oft ebenfalls gemeinsam entschieden, auf welche Art und Weise die Prämie verwendet werden muss bzw. Erzeuger bestimmen selbst wie dieses extra Kapital für künftiges Wachstum ausgegeben werden kann. Dabei wird, dank der Fairtrade-Konvention, kein Mitglied während des Entscheidungsprozesse diskriminiert.
Ein weiter wichtiger Aspekt der Richtlinien ist die Rechte von Frauen zu stärken bzw. gegen Diskriminierung von Frauen vorzugehen. Gezielte Programme für Frauen werden organisiert, um sie aus der patriarchalischen Dominanz zu befreien und um sie aktiv an der Wertschöpfungskette zu beteiligen[104]. Beispielsweise wurden dank der FMP Kurse organisiert, um einen sozialen Aufstieg (durch Weiterbildungskurse im Bereich Finanzen)[105] zu fördern. Dies führt dazu das Unfairness und Ungleichheit in der Wertschöpfungskette aktiv zu bekämpfen. Im Einklang mit den Richtlinien der ILO, gefolgt von den Richtlinien der UNO-Konvention über die Grundrechte der Kinder,[106] verbietet Fairtrade Kinderarbeit. Im Vergleich mit der klassischen Wertschöpfungskette lässt sich feststellen, dass Fairtrade positiv in diversen wichtigen sozialen Bereichen handelt und dabei eine konkrete Unterstützung anbietet.
6.8 Fairtrade-Standards über Nachhaltigkeit und Umwelt
Ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt bei Fairtrade sind nachhaltige Verfahren und Umweltschutz. Ziel ist es, umweltfreundliche Systeme in den landwirtschaftlichen Betrieben durchzusetzen. Dazu zählen besonders folgende Maßnahmen: Reduzierung von Chemikalien, Organisation einer ordnungsgemäßen Abfallwirtschaft, Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit und der Wasserressourcen.[107] Dabei spielt der Verzicht des Einsatzes von gentechnisch modifizierten Pflanzen eine wichtige Rolle. Es ist wichitg zu beachten, dass die Fairtrade-Standards keine Bio-Zertifizierung vorschreiben. Jedoch wird die Bio-Produktion mit einem Aufschlag auf den Fairtrade-Mindestpreis belohnt. In der Regel basiert Fairtrade auf dem allgemeinen ökologischen Ziel des fairen Handels; es wird versucht, Unternehmen für nachhaltige Praktiken zu sensibilisieren. Dazu kommen diverse Projekte zu Gunsten der Umwelt.[108]
Zum einen trägt die Unterstützung von Fairtrade dazu bei, den Bauern und Arbeitern eine nachhaltige Produktion zu ermöglichen. auf der anderen Seite scheint die Normenentwicklung in den letzten Jahren unübersichtlicher geworden zu sein, was die Frage offenlässt, ob die sozialen Standards überall und in gleichem Maße angewendet werden.[109] Immer mehr Unternehmen versuchen ihre Produkte nachhaltiger zu gestalten. Fairtrade bietet die Möglichkeit, nachhaltig auf dem Markt aufzutreten. Allerdings stellt sich die Frage, ob diese Verfahren immer im Einklang mit Umweltmaßnahmen stehen.
6.9 Zwischenfazit
In Bezug auf die Wertschöpfungskette von Fairtrade und die untersuchten Schwerpunkte lässt sich allgemein folgendes konstatieren: A) Wirtschaftliche und Image- Vorteile für Unternehmen in Zusammenhang mit dem Siegel sind stark vorhanden. B) Anders als bei der klassischen Kakaokette darf in der Kette Fairtrade, durch FLOCERT, gegenüber Herstellern eine gewisse Macht ausüben. C) Eine stärkere und loyale Kundenbindung in Zusammenhang mit der Wertschöpfung von Fairtrade und dem Siegel ist erkennbar. D) Eine bessere ökonomisch-soziale Unterstützung für Erzeuger dank der Prämie und (Vor-)Finanzierung.
Zusätzlich lassen sich aus struktureller Sicht folgende Unterpunkte bei Fairtrade feststellen: a) es sind bei Fairtrade mindestens ca. vier bis fünf Prozessen nötig, bis das Produkt beim Konsumenten ankommt. Im Vergleich mit der klassischen Kakaokette ist dies eine deutliche Reduzierung bzw. weniger Akteure im Prozess nehmen daran teil; b) Das Thema Vertrauen spielt im Prozess eine wichtige Funktion (besonders für den Konsumenten); c) Fairtrade kann nur bis zu einem bestimmten Punkt die Lieferkette beeinflussen bzw. die Macht ist teilweise begrenzt, denn das FLOCERT kann lediglich drei Prozesse in der Wertschöpfungskette kontrollieren; d) Nachhaltigkeit im Sinne der Ökologie scheint eine optionale Maßnahme. Unternehmen verpflichten sich durch die ILO, Pestizide zu reduzieren, diese aber achten primär auf die Gesundheit der Menschen und nicht auf die Umwelt; e) die Standards scheinen ein Mindestmaß an ökonomischen und sozialen Sicherheiten zu garantieren, doch ein indirekter, hoher Einfluss von anderen Akteuren ist ebenfalls gegeben.
- Quote paper
- Angelo Melli (Author), 2021, Die Wertschöpfungskette von Kakao. Ökonomischer und sozialer Vergleich am Beispiel von Fairtrade und Fairafric, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1181869
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