„Das Fernsehen erreicht die meisten Menschen, und zwar längst bevor sie lesen lernen. Weltverständnis, Sinngebung und Standards für „Normalität“ werden weitgehend vom Fernsehen geprägt. In dieser Hinsicht ist es vermutlich schon einflußreicher als Familie und Schule.“1 Diese Worte von Dieter Grimm, bis 1999 für den Bereich des Medienrechts zuständige Bundesverfassungsrichter, beschreiben den Einfluss der neuen Medien auf die Öffentlichkeit. Auch Politiker müssen sich heutzutage immer mehr bei der Medien bedienen, um sich gezielt darstellen zu können. Ist Medienmacht gleichzusetzen mit Meinungsmacht? Dies wirft eine Frage nach der Veränderung des politischen Entscheidungsprozesses durch eine Mediatisierung der Politik auf. Medienmacht und Demokratie – Die Öffentliche Meinung und Massenmedien im demokratischen Staat Deutschland – Diese Arbeit stellt einen Versuch dar, diese Thematik zu beleuchten. Im Folgenden soll sich zeigen, ob die Symbiose Medien und Politik frei von jeglichem Manipulationsverdacht ist, und ob wir in unserer heutigen Zeit noch in einer Demokratie leben oder vielleicht schon den Schritt in eine totale Medienabhängigkeit vollzogen haben.
Inhaltsverzeichnis
Thematisierungsfunktion der
Massenmedien
Öffentlichkeit
Öffentliche Meinung
Demokratie und Massenkommunikation
Demokratie und Kommunikation
Agenda-Setting
Priming
Schweigespirale
Die deutsche Medienlandschaft
Politikpräsentation
Politikverdrossenheit
Increasing Knowledge Gap
Politische Relevanz
Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„Das Fernsehen erreicht die meisten Menschen, und zwar längst bevor sie lesen lernen. Weltverständnis, Sinngebung und Standards für „Normalität“ werden weitgehend vom Fernsehen geprägt. In dieser Hinsicht ist es vermutlich schon einflußreicher als Familie und Schule.“ 1 Diese Worte von Dieter Grimm, bis 1999 für den Bereich des Medienrechts zuständige Bundesverfassungsrichter, beschreiben den Einfluss der neuen Medien auf die Öffentlichkeit. Auch Politiker müssen sich heutzutage immer mehr bei der Medien bedienen, um sich gezielt darstellen zu können. Ist Medienmacht gleichzusetzen mit Meinungsmacht? Dies wirft eine Frage nach der Veränderung des politischen Entscheidungsprozesses durch eine Mediatisierung der Politik auf.
Medienmacht und Demokratie – Die Öffentliche Meinung und Massenmedien im demokratischen Staat Deutschland – Diese Arbeit stellt einen Versuch dar, diese Thematik zu beleuchten. Im Folgenden soll sich zeigen, ob die Symbiose Medien und Politik frei von jeglichem Manipulationsverdacht ist, und ob wir in unserer heutigen Zeit noch in einer Demokratie leben oder vielleicht schon den Schritt in eine totale Medienabhängigkeit vollzogen haben.
2. Massenmedien und Öffentliche Meinung
Die Qualität einer Demokratie lässt sich unter anderen daran bemessen, wie sich der Meinungsbildungsprozess vollzieht. Im Wesentlichen erfolgte eine Spezifikation also nach der Art und Weise in der eine demokratische Gesellschaft kommuniziert. Ohne ein breites Band an Informationen ist es nicht möglich eine argumentationsfähige Öffentlichkeit zu garantieren, ebenso sollte die Öffentlichkeit ein Verständigungsbemühen haben, damit es eine Demokratie geben kann, die diesen Titel verdient.
Der nachfolgende Text beschäftigt sich mit der Frage, welche Stellung die Massenmedien in unserer heutigen Gesellschaft einnehmen. Außerdem sollen die Termini „Öffentlichkeit“ und „Öffentlichen Meinung“ näher erläutert werden.
2.1 Thematisierungsfunktion der Massenmedien
„Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben wissen, wissen wir durch die Massenmedien.“2 Der Begriff der Massenmedien beschreibt nach Luhmann sämtliche Einrichtungen einer Gesellschaft, die Kommunikation verbreiten, und sich dabei technischen Hilfsmitteln zur Vervielfältigung bedienen. Das wären nicht nur Druckpressenerzeugnisse wie beispielsweise Bücher, Zeitschriften und Zeitungen, sondern auch Kommunikationsverbreitung über Funk. Der Grundgedanke dieser Begriffsklassifizierung ist, dass erst aus der maschinellen Produktion eines
Kommunikationsträgers das System der Massenmedien möglich gemacht wurde. Nicht die Entwicklung einer Schrift als solches, sondern die Mittel zur Verbreitung der Schrift an die Öffentlichkeit stellt die Grundmauer unserer heutigen Medienlandschaft dar.
Daraus resultiert ein Paradoxon. Die Schrift als die ursprünglichste Manifestierung menschlicher Gedanken, zielgerichtet zur Verständigung untereinander, wird durch die maschinelle Produktion aus dem Sender-und-Empfänger-System gehoben. Durch die Zwischenschaltung von Verbreitungstechniken wird eine Interaktion zwischen Sender und Empfänger vehement ausgeschlossen. Da es keinen direkten Kontakt mehr geben kann, resultiert ein Überschuss an diversen Kommunikationsweisen. Dieses Überangebot lässt sich nur noch systemintern durch eine Art von Selbstorganisation und durch eigene Realitätskonstruktionen kontrollieren.
Die „Realität der Massenmedien“ ist ambivalent. In ihrer realen Realität besteht sie in ihren eigenen Operationen. Nachrichten werden gedruckt und versendet. Sie werden empfangen und gelesen. Dieser Verbreitungsprozess ist nur auf Grund von Technologien möglich.
Die reale Realität der Massenmedien kann als die in ihnen durchlaufende Kommunikation verstanden werden.
Man kann aber noch in einem zweiten Sinne von der Realität der Massenmedien sprechen, und zwar in dem was für sie oder durch sie für andere als Realität erscheint. Im Prinzip erzeugen die Medien eine transzendentale Illusion.
Unter Berücksichtigung dieser Ambivalenz kann man davon ausgehen. dass es dichotome Faktoren gibt, die nicht zentral koordiniert werden können: Das
Einschaltinteresse der Rezipienten und die Sendebereitschaft der Medien. Institutionen, die Kommunikationsprodukte der Massenmedien herstellen, sind auf das Interesse der Öffentlichkeit angewiesen. Dies führt folglich zu einer antiindividualistischen Standardisierung. Der einzelne Rezipient kann sich nur aus dem ihm angebotenen Repertoire bedienen, er muss selektieren, was zu ihm passt und was er in seinem Milieu zu wissen müssen glaubt. Die Operationsweise der Massenmedien legt a priori strukturelle Rahmenbedingungen fest.
Die Massenmedien bestimmen, was auf die Tagesordnung kommt. Eine der wichtigsten Phasen der Strukturierung von Aufmerksamkeit ist eine Thematisierung im Prozess der öffentlichen Meinung. Es scheint nahezu ohne Zweifel, dass Massenmedien mehr Thematisierungen als irgendeine andere Instanz in der Gesellschaft konzipieren.
Themen fungieren als Headliner kommunikativer Relevanzen, sie stellen Module dar, die je nach Bedarf ausgetauscht werden können.
Massenmedien leisten dementsprechend einen Beitrag zur Realitätskonstruktion der Gesellschaft.
2.2 Öffentlichkeit
Allgemein formuliert umfasst der Begriff Öffentlichkeit eine gesellschaftspolitische Kategorie, die im weitesten Sinne die Gesamtheit die Strömungen umfasst, in denen ein gesellschaftlicher Austausch und die Bildung einer öffentlichen Meinung geschehen.
Beleuchtet man den Begriff der Öffentlichkeit im eher juristischen Sinne, definiert sich
„öffentlich“ durch die unkontrollierte Zugänglichkeit für jedermann.
Es scheint relativ klar, dass der Öffentlichkeitsbegriff in der politischen Diskussion eine zentrale Rolle einnimmt. Interessanterweise lag in den Sozialwissenschaften lange Zeit keine Ausarbeitung dieses Terminus vor. Erst Jürgen Habermas gelang es mit seiner historisch-systematischen Arbeit über den Strukturwandel der Öffentlichkeit von 1962 diese Begrifflichkeit einzuführen. „Öffentlichkeit bezeichnet einen kommunikativen Bereich, in dem alle Bürger mit Argumenten öffentliche Belange diskutieren, an deren Ende eine vernünftige öffentliche Meinung steht, die
die Grundlage politischer Entscheidung bildet.“3 Eine Gegenposition zu dieser Theorie resultiert aus der systemtheoretischen Perspektive. Diese Bestimmungsversuche sehen „Öffentlichkeit als ein Beobachtungssystem der Gesellschaft.“4
Die Funktion der Massenmedien wäre, daraus abgeleitet, die Repräsentation von Öffentlichkeit. Es wird gleichermaßen eine Transparenz und Intransparenz zugleich gewährleistet. Ein bestimmtes thematisches Wissen wird in einer Form konkretisiert und es stellt sich jedes Mal die Frage, wer in welcher Form darauf reagiert.
2.3 Öffentliche Meinung
In den modern-demokratischen Gesellschaften wird Öffentlichkeit als ein Kommunikationssystem verstanden. In einem prinzipiell unabgeschlossenen Forum kommunizieren Individuen über politische Themen. Öffentliche Meinung kann demzufolge als ein Produkt dieses Austausches verstanden werden. Es besteht eine deutliche Abgrenzung zwischen der öffentlichen Meinung und Individualmeinungen. Meinungen der Bürger zu bestimmten politischen Inhalten können konträr zu der öffentlichen Meinung stehen.
Dieser Fakt stellt eine immense Bedeutsamkeit für einen demokratischen Staat dar. Regierungsoppositionen sind zum Einem Positionen, die zeitlich limitiert sind. Zum Anderen sind diese von der Wahlentscheidung der mündigen Bürger in dem Staat abhängig. Öffentlichkeit stellt den Raum dar, in dem sich Bürger und politisch- agierende Individuen anhand der öffentlichen Meinung beobachten, ein Prozess der vice versa einzuordnen ist. Eine Kommunikation verläuft in der Öffentlichkeit, indem öffentliche Meinungen konstruiert werden.
Die politischen Vorlieben der Bürger sind nicht statisch. Politische Akteure partizipieren mit ihren Kommunikationen in der Öffentlichkeit, um die Bürger zu beeinflussen. Dieser Prozess lässt sich auch auf die Kommunikation der Bürger transferieren. Auch sie formulieren Themen und äußern Präferenzen, um bei den Politikern Resonanz zu erzeugen.
Es spiegelt sich eine fundamentale Funktion für moderne Demokratien wieder. Ohne Öffentlichkeit oder öffentlicher Meinungen scheint sie nicht zu funktionieren.
3. Demokratie und Massenkommunikation
Eine Demokratie ist im politikwissenschaftlichen Sinne ein Institutionssystem, ein Erörterungs- und Entscheidungsverfahren, sowie ein Leistungsversprechen. Daraus lässt sich ableiten, dass es eine angemessene Kommunikationsweise geben muss, die aus den gegebenen Kommunikationsverhältnissen resultieren sollte. Die Massenmedien gewährleisten das Forum einer politischen Öffentlichkeit. Demokratische Massenkommunikation basiert auf einer sachlich-ausgewogenen Reportage, wahrheitsgetreuen Inhalten der Berichte und eine der breiten Masse angemessenen Präsentationsweise. Dadurch wird den Menschen innerhalb der Gesellschaft eine chancengleiche Teilnahme an der öffentlichen Kommunikation garantiert.
Ist diese Ansicht utopisch, oder stellt sie die Realität in dem demokratischen Staat Deutschland dar? Agenda-Setting, Priming und Schweigespirale sind Phänomene, die dieser Theorie entgegenstehen. Im nachfolgenden Text wird auf diese Thematik näher eingegangen.
3.1 Demokratie und Kommunikation
Pluralistisch-rechtsstaatliche Demokratien weisen immer bestimmte Grundmerkmale auf. Die Garantie von Menschenrechte, Volkssouveränität, ein System von mehreren Parteien, Parlamentarismus, eine unabhängige Gerichtsbarkeit, Medienfreiheit und die Möglichkeit der Bürger für aktive Beteiligung. Die Massenmedien sollen sich nach diesen Prinzipien messen lassen. Die Gesellschaft hat nicht nur den Anspruch auf einen sehr umfassenden und natürlich auch verlässlichen Informationszugang, sondern es sollte zusätzlich noch der Raum für Verständigung und Beratung gewährleistet werden.
Es ist enorm wichtig, dass alle Individuen in dem demokratischen Staat vollständig und authentisch über sämtlich relevanten politischen Sachverhalte und Handlungsabsichten der Regierung informiert werden.
Die BRD besitzt ein partizipatives Demokratieverständnis. Das bedeutet, dass, solange es einen Anspruch auf eine demokratische Öffentlichkeit gibt, sollte die öffentlich-politische Kommunikation folgende Funktionen erfüllen, die auf Friedhelm Neiderhadts Ausführungen basieren.
[...]
1 Dörner, Andreas, Politainment, Politik in der medialen Erlebnisgesellschaft; Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main, 2001; S. 106
2 Luhmann, Niklas, Die Realität der Massenmedien; VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2004; S. 9
3 Jarren, Otfried; Sarcinelli, Ulrich; Saxer, Ulrich, Politische Kommunikation in der demokratischen Gesellschaft; Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen/ Wiesbaden, 1998; S. 268
4 ebd; S. 269
- Quote paper
- Dipl. Sozialwissenschaftlerin Janine Luzak (Author), 2004, Medienmacht und Demokratie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/118168
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